Dreimal schwarzer Kater vom Moordrachen
Prolog

Der Regen prasselte nun seit mehr als fünf Stunden unablässig aufs Dach und schien nicht im geringsten nachlassen zu wollen. Die Wolken, die den Himmel schon den ganzen Tag über vor den Augen aller verbargen, waren inzwischen so schwarz wie Kohle in den lichtlosen Tiefen der Berge geworden. Man konnte nur anhand eines gesunden Zeitgefühls erahnen, daß gerade die Sonne untergehen mußte.
Irgendwann während dieser Zeit horchte Baram plötzlich auf.
War da nicht ein Geräusch gewesen? Ja gut, durch den trommelnden Regen, zu dem sich nun auch noch seit einigen Minuten stetig lauter werdender Donner gesellte, war eigentlich sonst nichts zu hören. Es war schlicht unmöglich, etwas anderes zu hören. Und doch, da war was…
Er horchte angestrengt, aber da war nichts mehr…
Nein, nein, dieser verdammte Regen machte ihn noch ganz verrückt. Der Boden ums Haus war schon so stark aufgeweicht wie zuletzt bei der großen Überschwemmung vor knapp zwanzig Jahren. Ja, damals war er noch jung gewesen und hatte beim Aufräumen mitgeholfen. Aber heute könnte er sowas nicht mehr. Heute saß er in seinem Sessel am Feuer und ließ sich durch eingebildete Geräusche narren. Waren es die Balken seines Hauses oder doch seine alten Knochen, die gerade verzweifelt knarrten?
Halt! Da war wieder das Geräusch, diesmal deutlicher. Es hörte sich an, als könne sich ein Kind nicht entscheiden, ob es nun heulen oder schreien solle.
Ein Kind? Bei dem Wetter läßt man doch sein Kind nicht aus dem Haus…
Er stand auf und ging zur Tür. Gerade als er sie öffnete, fuhr ein greller Blitz nur wenige hundert Schritte vor seinem Haus hernieder und blendete ihn für einen langen Augenblick. Noch als der krachende Donner sein Trommelfell stark strapazierte, konnte er kaum seine unmittelbare Umgebung erkennen. Der Wind peitschte ihm unangenehm kalten Regen ins Gesicht. Ein Kind war nirgendwo zu sehen.
„Hallo?!" rief er. „Ist da wer? – Kann ich helfen?" Doch niemand antwortete ihm.
Schließlich schloß er die Tür, schlurfte nachdenklich zum Sessel zurück und ließ sich hineinfallen.
Plötzlich spürte er einen sanften, aber deutlichen Druck an seinem Bein. Etwas weiches berührte ihn – nein es preßte sich gegen ihn, hätte ihn fast umgeworfen, wenn er sich nicht zuvor gesetzt hätte.
Erschrocken beugte er sich vor.
Zunächst nahm er nur etwas Schwarzes war. Ja, schwarzes, regennasses Fell… dann erkannte er, was da um seine Beine strich: eine Katze.
„Ja, du alter Gauner, du", rief er erfreut aus und beugte sich noch weiter vor, um seinen Gast zu streicheln. „Wie kannst du mich alten Mann so erschrecken? – Wie heißt du denn?"
Die Katze sah ihn mit großen Augen an, zwinkerte ihm für einen kurzen Moment mit dem linken zu und antwortete mit einem sanften, leicht schnurrenden MIAU.
„Und ich dachte schon, meine Zeit sei abgelaufen… Haha, wie dämlich! – Hat dich der Regen hierhergetrieben?" Eigentlich war das mehr eine Feststellung als eine Frage. „Du hast sicher Hunger… Komm, wir sehen mal nach, was mein Vorratsschrank für eine so hübsche Katze wie dich hergibt…"
Bevor er das tat, streichelte er den Kopf der Katze und kraulte ihren Hals, was ihr ganz offensichtlich sehr gefiel – sie legte den Kopf zurück, schloß die Augen und schnurrte.
 
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