Ly rennt in den Wald. Aber sie bereut es sofort
wieder ihren Eltern nach einem Streit davongelaufen zu sein. Es ging nicht
einmal darum, dass sie etwas damit zu tun hatte, aber Ly hatte die Nase
gestrichen voll von dem Gezanke. Schon im Alter von fünf Jahren wurde
ihr schon angst und bang wenn ihre Eltern zusammen in einem Raum sassen.
Sie konnten nicht einmal aneinander vorbeigehen, ohne dass sie sich streiten
mussten. Heute hatte es ihr gereicht, nur wohin sollte sie gehen, ohne
dass ihre Mutter oder noch schlimmer ihr Vater sie finden? Die einzige
Idee, die ihr plausibel vorkam, war der Wald, denn Lys Eltern fürchteten
ihn; wieso sie solche Angst haben, wusste sie nicht. Sie hatte einigemal
ihren Vater gefragt und noch viel mehr ihre Mutter, aber sie wurde immer
abgewiesen. Ly hatte einmal versucht sich davon zu stehlen, um es selbst
heraus zu finden, aber ihr Vater hatte sie abgefangen und sie auf ihr Zimmer
gebracht, wo sie eine Woche lang Hausarrest bekommen hatte. An diesem Tag
hatte sie Geburtstag und zwar ihren zwölften. Aber niemand hatte daran
gedacht.
Zwei Jahre später...
Im Wald ist es ziemlich dunkel. Sie hat zu
ihrem vierzehnten Geburtstag einen Anhänger geschenkt bekommen. Er
hat die Form eines Kreises. Vorne drauf ist ein Tiger abgebildet, hinten
drauf die Vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde. Sie weiss schon von
Anfang an, dass dieser Anhänger etwas besonderes ist. Ly hat ihn mit
der Post bekommen, ohne Absender, nichts. Auf dem Brief stand nur: "Gebrauche
ihn gut."
Jetzt leuchtet er wie eine Taschenlampe. Sie
spürt, dass sie beobachtet wird und ist daher sehr wachsam. Hinter
ihr raschelt es, und sie springt aus ihrer Deckung auf, aber viel zu langsam.
Plötzlich steht hinter ihr ein Mann mit einem sehr schmalen Schwert
in der Hand. Er holt aus und verfehlt sie nur um Haaresbreite. Zum Glück
hat Ly ein bisschen Karate gelernt und hat daher wenigstens eine winzige
Chance zu entkommen. Sie versetzt ihm einen Tritt ins Handgelenk, der ihn
das Schwert fallen lassen lässt. Mit einem wütenden Schrei stürmt
der Unbekannte vor, packt sein Schwert wieder und stürzt sich aus
der gleichen Bewegung heraus auf Ly. Sie wird von den Füssen gerissen,
was ihr wahrscheinlich das Leben gerettet hat, denn das Schwert bohrt sich
dicht neben ihrem Kopf in den feuchten Waldboden. Sie springt auf und rennt
davon. Als sie auf eine Lichtung hinaus stolpert, sieht sie, dass er ihr
folgt. Als er aus dem Wald trat muss sie einen Schrei unterdrücken,
um sich nicht gleich zu verraten, denn was sie sieht ist eine Mischung
aus Wolf und Mensch. Vom Bauch an abwärts ist es ein Wolf, der Rest
ist ein normaler Mensch, wäre es anders, bräuchte es kein Schwert.
Nur, anscheinend hat es die Nase eines Wolfes, denn es kommt ziemlich genau
in ihre Richtung und schnüffelt die ganze Zeit über in der Luft
herum. Ly kriecht auf Händen und Knien weiter und als sie wieder im
dichteren Wald ist, steht sie auf und rennt weiter.
Etwa zwanzig Meter weiter vorne halten sich
die Artgenossen des Dinges, das sie verfolgt, in Deckung. Als Ly einen
Moment verschnauft, umkreisen sie sie und warten bis der Andere aufgeholt
hat. Das geschah in weniger als einer Minute. Ly will schon weiter rennen
als sie ihn hinter sich hört. Sie kommt nicht einmal zwei Schritte
weit. Vor ihr tauchen überall zwischen den Bäumen solche Wolfsdinger
auf. Sie merkt erst jetzt, dass alles genau so geplant ist. Ly dreht sich
im Kreis herum und sieht fast augenblicklich ein, dass sie keinen Fluchtweg
hat. Und als sie sich so herum dreht sieht sie auch, dass einige gleich
aussehen wie der erste, andere aber auch umgekehrt, also oben Wolf, unten
Mensch. Einer, anscheinend der Anführer, kommt auf sie zu. Ly rührt
sich nicht von der Stelle. Es umrundet sie einmal und dann ein zweites
mal. Beim zweitenmal schlägt er ihr so heftig ins Genick, dass sie
bewusstlos zu Boden sinkt.
Weit entfernt in der Zivilisation machen sich
Lys Mutter und ihr Vater höllische Sorgen und geben natürlich
wieder einander die Schuld.
"Ich habe dir tausendmal gesagt, du sollst
auf sie aufpassen!" schreit ihre Mutter.
Darauf antwortet ihr Vater: "Und ich habe
dir tausendmal gesagt, Maria, du sollst deine Tochter richtig erziehen!"
"Wenn du nur immer etwas zu meckern hast.
Wer ist denn nie zu Hause, wer hat sie die ganzen Jahre lang vernachlässigt?
Ich ganz bestimmt nicht, Grey, ich ganz bestimmt nicht!!"
So geht es jetzt schon seit Stunden. Die ganze
Zeit nur dem anderen die Schuld geben statt die Schuld bei sich zu suchen.
Am Nachmittag hat sich Maria beruhigt, doch Grey natürlich nicht.
Schlussendlich hat es Grey soweit gebracht, dass Maria mit Tränen
überströmtem Gesicht aus dem Haus rennt. Später, etliche
Stunden später, beruhigt sich auch Grey. Nach zweieinhalb Stunden
kann er Maria anrufen, die bei ihrer Freundin Sora untergetaucht ist. Zum
Glück hinterlässt Maria immer eine Nachricht wenn sie ausser
Haus ist. Als sie wieder zusammen im Wohnzimmer sitzen, ist es eine Weile
ganz still.
Plötzlich sagt Maria in einem sehr entschlossenem
Ton: "Wir sollten uns weniger streiten und besser zusammen arbeiten, sonst
finden wir unsere Tochter nie wieder. Und ich glaube, wir haben beide bei
der Erziehung von Ly versagt. Nun ja, versagt nicht unbedingt, aber wir
hätten erstens nicht immer vor ihren Augen streiten sollen, und zweitens
hätten wir uns mehr um sie kümmern sollen."
"Ja, und wir haben in den letzten drei Jahren
ihren Geburtstag total vergessen", sagt Grey.
"Nicht drei sondern vier Jahre, denn sie hat
vor einem Monat Geburtstag gehabt", meint Maria.
Grey entgegnet nur noch: " Komm, wir probieren
zu schlafen. Morgen versuchen wir herauszufinden, wo sie stecken könnte
- wenn wir übernächtigt sind bringt das auch nichts."
Als Ly das Bewusstsein wieder erlangt hat,
ist sie an einen Pfahl, der an einen ziemlich dicken Baum gebunden ist,
gefesselt. Sie ist alleine. Diese Wolfsdinger können bleiben wo der
Pfeffer wächst, denkt sie. Wo bin ich? Ach ja, der Anführer hat
mir eins übergebraten, darum weiss ich nicht, wo ich bin.
Ly stemmt sich mit aller Kraft gegen die Fesseln.
Vergeblich. Die sitzen so fest, dass sie sie nicht lockern kann sondern
nur aufstehen oder absitzen. Plötzlich lacht jemand neben ihr, es
ist der gleiche, der sie am Anfang verfolgt hat. Er muss anscheinend die
ganze Zeit ausserhalb ihres Blickfeldes gestanden haben. Jetzt steht er
jedenfalls vor ihr und grinst sie an.
"Was ist so lustig?" fragt sie.
Darauf antwortet er: "Du siehst komisch aus."
"Dasselbe gilt auch für dich", antwortet
Ly giftig.
"Ihr Menschen seid so hässlich, da wird
einem ja gerade übel", jault er.
"Ihr Wolfsdinger seid noch viel hässlicher,
da ist der Arsch meiner Oma ja noch schöner", meint Ly abfällig.
Jetzt gesellt sich der Chef des Rudels zu
ihnen und spricht in ihrer eigenen Sprache zum anderen, woraufhin der sich
verdünnisiert. Der Chef dieser komischen Dinger sieht gar nicht so
schlecht aus. Er hat die Beine bis zum Bauchnabel von einem Wolf, und von
Kopf bis zu den Schultern auch. Der grösste Teil der Arme und des
Oberkörpers waren von einem Menschen.
"Du solltest aufpassen, was du sagst", sagt
er. "Ich heisse Fire und leite die Bande hier."
Ly antwortet nicht sofort, denn ihr kommt
es ein bisschen komisch vor, aber dann sagt sie: "Ich heisse Ly. - Was
seid ihr?", fragt sie.
Fire antwortet erst nach einer geschlagenen
Minute: "Bei euch nennt man uns Werwölfe, aber hier heissen wir ganz
einfach Hunters."
Später erfährt Ly, dass sie in grosser
Gefahr schwebt. Die Hunters töten die, die sie gefangen haben, nachdem
sie sich einen Spass daraus gemacht haben, einen in Sicherheit zu wiegen.
Ly hat diese Information von Zweien, die nicht
weit von ihr entfernt ausgiebig geredet haben.
Noch in der selben Nacht schleicht Ly, nachdem
sie die Fesseln mit dem Messer, das einer der Hunters, nachdem er etwas
geschnitzt hat und unerwartet aufbrechen muss, neben ihr vergessen hatte,
durchtrennt hat, aus dem Lager und bemerkt erst eine Weile später,
dass sie ihren Anhänger nicht mitgenommen hat. Fire hat ihn ihr weggenommen,
als sie noch bewusstlos gewesen war.
Jetzt muss ich wieder zurück und ihn
holen, dachte sie. Na ja, wer keinen Kopf hat, hat eben Beine.
Zurück im Lager versichert sie sich,
dass alle schlafen, und schleicht auf Zehenspitzen zum Schlafplatz von
Fire. Nebenan auf einem Baumstumpf lag ihr Eigentum. Sie nimmt ihn an sich
und schleicht wieder genau so leise davon wie sie gekommen ist.
Am nächsten Morgen stehen Maria und Grey
sehr früh auf, denn sie müssen in die Stadt und eine Vermisstenanzeige
abgeben. Nur haben sie eben kein Auto. Darum müssen sie zu Fuss gehen.
Das wäre ein Marsch von etwa 30 Minuten. Zum Glück nimmt sie
ein sehr netter Autofahrer mit. Nachdem sie die Anzeige abgegeben haben
überlegen sie, wie es weiter gehen soll.
Grey denkt an den naheliegenden Wald und spricht
es dann auch laut aus: "Vielleicht ist sie in den Wald gerannt."
"Wäre schon möglich. Wir haben ihr
ja auch nie gesagt, wieso sie nie in den Wald darf", meint Maria.
"Wenn wir eine Spur finden, irgend einen Beweis,
dass sie im Wald ist, müssen wir sie suchen, ob es uns gefällt
oder nicht", sagt Grey sehr ernst.
Inzwischen irrt Ly ziellos durch den Wald.
Wenn sie nur wüsste, in welcher Richtung Osten wäre, könnte
sie den Ausweg aus diesem Wald auch finden. Doch nicht einmal die Sonne
kann durch dieses dichte Blätterdach scheinen. Darum ist es auch so
dunkel. Na ja, wenigstens hat sie jetzt ihren Anhänger wieder. Der
leuchtet ihr den Weg. Ly wünscht sich fast, hinter dem Gebüsch
in Deckung geblieben zu sein, denn sie wird schon wieder verfolgt. Aber
diesmal nicht von den Hunters sondern von einem Luchs, der auch wieder
halb Mensch, halb Tier ist. Sie wundert sich überhaupt nicht mehr
darüber, denn seit sie unterwegs ist, ist ihr aufgefallen, dass alle
Tiere eine Mischung aus beidem sind. Es hat die Arme und Beine eines Luchsen,
und dazu natürlich auch die Schnelligkeit. Bei den anderen Tiermenschen
ist der Kopf ganz klar entweder tierisch oder menschlich. Bei diesem Exemplar
ist auch der Kopf eine Mischung aus beidem.
Vor ihr ist der Wald plötzlich zu Ende.
Als sie sich umdreht, steht es auch schon vor ihr. Ly schreit hysterisch:
"Bleib weg!"
Der andere ist eher entzückt als eingeschüchtert.
Es setzt zum Sprung an und Ly streckt ihm die Arme entgegen, um ihn von
sich zu halten. In diesem Augenblick, als es springt, spürt Ly ein
Kribbeln in ihrer Handfläche und als sie die Augen, die sie zuvor
geschlossen hat, wieder öffnet, sieht sie, dass es tot ist und zwar
auf der Stelle verbrannt. Ly versteht das nicht, aber sie muss nicht mehr
lange warten, bis sie es heraus finden wird.
Drei Tage darauf hat sie drei Tiere getötet,
die sie angegriffen haben. Und zwar am zweiten mit Wasser, am dritten mit
Luft und am vierten mit einfachen Steinen, die sie durch die Luft sausen
lässt, als ob sie Gewehrkugeln wären. Sie hat längst begriffen,
was los ist. Der Anhänger hat ja hinten drauf Bilder der vier Elemente.
Sie hat die Kräfte am ersten Tag, der mit dem Luchs, das erste mal
übernommen. Jetzt übt sie immer wenn sie eine Pause vom ständigen
Laufen macht. Sie läuft jetzt einfach gerade aus, solange bis sie
an den Waldrand kommt. Schliesslich hört jeder Wald einmal auf.
Fire jagt sein Rudel durch den Wald. Sie müssen
Ly wieder finden. "Der, der sie findet, soll mir den Anhänger bringen",
hat er gesagt. "Was ihr mit ihr tut, lasse ich euch selbst aussuchen."
Wenn sie die Kräfte entdeckt hat, haben wir ein Problem, dachte Fire.
Also suchen sie sie immer weiter.
Als Grey und Maria wieder zu Hause sind, laufen
sie zum Wald hinunter und sehen ihre Befürchtungen bestätigt.
Ly hat langes schwarzes Haar und bindet es daher immer zusammen. Doch jetzt
hängt ihr Haargummi, das einzige, das sie hat, an einem Ast. Wenn
sie es verloren hat wäre sie tagelang am suchen. Wenn sie aber in
den Wald gerannt ist, musste sie mehr auf den Boden achten damit sie nicht
stürzt, und daher wahrscheinlich nicht einmal gemerkt, dass sie es
verloren hat. Es sind auch Fussabdrücke zu sehen. Grey denkt an die
Zeit, als sie noch nicht so viel gestritten haben. An das letzte mal, als
sie zusammen waren, ohne zu streiten, da hatten ihre leuchtend grünen
Augen gefunkelt wie der Sternenhimmel. Später wurde es dann weniger,
da sie sich ja immer streiten mussten. Doch jetzt wünschten sie sich
beide, dass dieser Augenblick nie zu Ende gegangen wäre, und sie ihre
Tochter wieder hätten.
Ly hat den Waldrand fast erreicht. Vor sich
sieht sie ein riesengrosses Feld, das anscheinend dem Bauern dort hinten
gehört. Als sie aus dem Wald treten will hört sie einen Chor
von jaulenden Lauten. Kurze Zeit später steht sie mitten auf dem Feld
und schaut sich nach einem geeigneten Versteck um. Nur, hier gibt es keine
Verstecke. Verzweifelt rennt Ly quer über das Feld. Kaum ist sie beim
Hof angekommen, muss sie feststellen, dass er schon eine ganze Weile verlassen
ist. Mit immer grösser werdender Verzweiflung geht sie ins Haus, damit
die Hunters sie nicht gleich sehen können. Sie weiss allerdings nicht,
was sie tun soll, wenn sie sie finden. Als Ly sich so im Haus umschaut
muss sie feststellen, dass der frühere Besitzer ein Ritter-Liebhaber
war, denn überall sind Rüstungsteile verteilt. Am anderen Ende
des Wohnzimmers hängt ein Kurzschwert. Ly schnappt sich das Schwert
und stellt fest, dass es nicht einmal so schwer ist. Im Stall nebenan findet
sie sogar noch ein sehr gutes Versteck.
Nur, dass es dafür ein bisschen zu spät
ist. Es ist nur einer der Hunters und zwar Claw, dem sie in so Situationen
immer begegnet. Von Anfang an war er es, der sie einfängt. Halt! Das
ist nicht Claw, das ist sein Bruder Cliv! Der ist noch viel rabiater. Tja
das kann ich mir wohl oder übel nicht aussuchen, denkt Ly.
Jetzt kommt er um die Stallecke und stürzt
sich auf sie. Mit einer reflexartigen Bewegung kontert sie den ersten,
zweiten und dritten Schlag. So geht es eine ganze Weile weiter. Ly erkennt
schnell, was Cliv vor hat, denn er fügt ihr nicht wirklich Schaden
zu, sondern macht solange weiter bis sie erschöpft ist. Das dauert
nicht lange, denn sie ist das nicht gewöhnt, wo hingegen Cliv jeden
Tag übt. Plötzlich fliegen beide Schwerter zu Boden, ausser Reichweite
von beiden. Ly packt das Eisenrohr, das sie zuvor gesehen hat, und richtet
das scharfkantige Ende auf Cliv.
Der grinst sie nur an und meint: "Du glaubst
doch nicht im Ernst, dass dieses Stückchen Rohr mich aufhält,
oder?"
Ly hält sich Cliv vom Leib und bewegt
sich auf die Schwerter zu. Er reagiert viel zu schnell, als dass Ly eine
Chance gehabt hätte, ihn wieder zurück zu scheuchen. Er packt
das Rohr, und es bricht ein kleiner Kampf zwischen ihnen aus. Nur hat Ly
das Pech schwächer zu sein. Er reisst ihr das Rohr mit einem kräftigen
Ruck aus den Fingern. Mit einer fliessenden Bewegung dreht er es um 180°
und richtet die Spitze auf Ly. Er treibt sie wie ein verstörtes Vieh
vor sich her. Schlussendlich musste ja kommen was jetzt geschieht. Ly hat
einen Augenblick nicht aufgepasst, was Cliv natürlich sofort ausgenutzt
hat. Jetzt steht sie so, dass sie eine Wand im Rücken hat, und genau
das wollte sie unbedingt vermeiden. Cliv kommt immer näher und sie
kann nicht einmal zur Seite flüchten. Plötzlich stösst sie
mit dem Rücken an die Wand. Mit einem erschrockenen Ausdruck im Gesicht
schaut Ly links und rechts der Wand entlang. Als sie den Blick wieder nach
vorne richtet steht Cliv nur noch zwei Meter weit entfernt, und er kommt
unaufhaltsam näher. Zwei Armeslängen vor ihr bleibt er stehen
und fuchtelt gekonnt vor ihr herum, bevor er ihr die Spitze an die Kehle
drückt.
"Wo ist der Anhänger?", fragt er in einem
Ton, der nur so von Feindseligkeit troff.
Ly bemerkt erst jetzt, dass er ihr unter das
T-Shirt gerutscht ist. Sie nimmt ihn heraus und gibt ihn Cliv. Sie denkt
jetzt sei es vorbei mit ihr, doch Cliv überrascht sie noch einmal,
indem er sich umdreht und geht.
Bevor er ganz um die Ecke gebogen ist, ruft
Ly ihm hinterher: "Was ist an diesem Anhänger so speziell?"
Er antwortet nicht gleich weil er nicht sicher
ist, ob er es ihr sagen darf. Doch dann sagt er es ihr trotzdem: "Seine
Macht. Wer sie entfesselt, wird sie für immer besitzen, ob mit oder
ohne Anhänger." Mit diesen Worten verschwindet er.
Nachdem sie sich halbwegs erholt hat begibt
sie sich auf die Hauptstrasse und erkennt leicht verwirrt, dass sie nicht
weit von zu Hause entfernt ist.
Zwei Dörfer weiter steht sie vor ihrem
Haus und läutet an der Tür. Als ihre Mutter aufmacht stösst
sie einen unterdrückten Schrei aus und umarmt sie übermässig.
Ihr Vater kommt auf sie zu gerannt und schliesst sie in die Arme. Drinnen
muss sie alles erzählen, was sie erlebt hat.
Ihre Mutter meint nur: "Wärst du nur
zehn Minuten später gekommen, dann wären wir schon im Wald um
dich zu suchen."
Eine Woche später geht Ly wieder in die
Schule und darf ihre Geschichte noch einmal erzählen, wobei sie den
Teil mit der Kraft des Anhängers geflissentlich auslässt.
Weiter entfernt müht sich ein gewisser
Fire mit dem Anhänger ab. Er denkt, er gibt seine Macht dem, der weiss
wie man sie benutzt. Erst nach ein paar Tagen vergeblichen Versuchens bemerkt
er, dass er nicht mehr leuchtet, wenn er im Dunkeln ist. Das ist ein eindeutiges
Zeichen. Mit einem wütendem Aufschrei trommelt er sein Rudel zusammen
und begibt sich auf den Weg zu Ly. Er hat Cliv noch beauftragt ihr nach
zu gehen, damit sie wiessen, wo sie wohnt.
Beim Haus angekommen stürmen sie es,
erpressen die Antwort wo Ly steckt, und begeben sich daraufhin zur Schule.
Natürlich hat Fire ein paar zurückgelassen. Wer will denn schon
diese schöne Überraschung mit einem Anruf in der Schule vermasseln.
Ly sitzt an ihrem Pult und wartet darauf, dass
es in die Pause läutet. Als sie nach draussen schaut setzt ihr Herz
einen Moment aus. Vor dem Fenster steht Fire mit seinen Leuten. Ly schaut
schnell weg, aber er hat sie schon gesehen. Jetzt läutet es auch noch.
Alle stürmen in die Pause und Ly versucht sich in der Schülermenge
zu verstecken. Plötzlich schreien einige und deuten auf das Dach.
Dort oben steht Fire und hält einen ihrer Schulkameraden am Kragen
fest und über das Dach. Das sind beinahe sieben Meter! Überall
erscheinen jetzt Hunters mit Schülern in der Hand.
"Ly, wenn du nicht willst, dass diese hier",
er deutet auf Tai und die anderen, "hier gleich hinunter fallen, dann zeigst
du dich besser", brüllt Fire. Dann fügt er noch hinzu: "Oder
vielleicht tun sie deinen Eltern etwas."
Auf einmal steht Tais Bruder Kai neben ihr
und flüstert ihr zu: "Verschwinde, ich versuche sie abzulenken."
Ly antwortet: "Ich kann das Leben dieser Schüler
nicht riskieren, Kai. - Und ausserdem mag ich deinen Bruder mehr als alles
andere, darum erst recht nicht", flüstert Ly. Ly hat Kai und seinem
Bruder alles erzählt, auch das mit dem Anhänger. Sie quetscht
sich zwischen den Schülern hindurch. "Fire, lass ihn und die anderen
bitte gehen, sie haben nichts damit zu tun", ruft Ly.
Er mustert sie einen Moment und gibt den anderen
ein Zeichen, dass sie die Schüler laufen lassen sollen. Aber Tai lässt
er noch nicht runter, sondern dreht sich um und zerrt ihn mit sich. Ly
rennt um das Gebäude herum zur Leiter, die aufs Dach führt. Als
sie ankommt wirft er ihr Tai vor die Füsse. Der wiederum steht aus
der gleichen Rolle, die er gemacht hat, wieder auf und will weiter rennen.
Aber das muss er gar nicht versuchen, denn sie sind umzingelt.
Kurze Zeit später liegen sie gefesselt
auf der Schulter je eines Hunters und sprinten Richtung Wald. Bevor sie
aber hinein gehen, schickt Fire noch einen zu ihrem Haus und holt die anderen,
die ihre Eltern bewacht haben.
Sie bringen sie nicht zu dem Platz, wo Ly am
Anfang war. An diesem Ort ist es ein wenig heller. Sie erinnert sich, dass
Fire etwas von einem Ort wie diesem gesagt hat. Sie setzen sie und Tai
an einem Baumstamm ab, und fesseln sie so daran, dass sie nicht weg können.
Danach sind sie eine Weile allein.
"Es tut mir leid, dass ich dich da mit rein
gezogen habe und ... und..." Ly bricht ab sie ist den Tränen nahe.
"Ist schon gut. Es könnte schlimmer sein.
Du kannst nichts dafür", meinte er.
"Aber wäre ich...", setzt sie an, doch
Tai unterbricht sie:
"Was, nicht in mich verliebt? Du kannst deine
Gefühle nicht einfach so unterdrücken. Und... schau mich nicht
so verdutzt an. Jeder sieht, dass du in mich verliebt bist. Und um ehrlich
zu sein, ich in dich."
Aber bevor sie weiter reden konnten kommen
die Hunters zurück.
In der Schule ist die Hölle los. Bevor
die Hunters verschwunden sind, haben sie das Schulhaus angezündet.
Zum Glück sind alle Schüler und Lehrer bei dem Radau nach draussen
gelaufen.
In dieser Zeit bekommen Tais Eltern von ihrem
zweiten Sohn die Nachricht, dass Tai und Ly entführt worden sind.
Woraufhin sie sich zu Lys Eltern begeben. Die erklären ihnen dann
auch alles. Sehr erfreut sind sie natürlich nicht, dass jetzt Tai
auch noch mit drin steckt.
Fire versucht jetzt schon eine volle Stunde
lang etwas aus Ly heraus zu bekommen. Nur diese schweigt wie ein Grab.
Nicht einmal die Drohung, dass sie Tai töten, wenn sie nicht langsam
spurt, nützt etwas.
Er versucht es noch einmal: "Hast du die Kräfte
der vier Elemente entdeckt oder nicht?"
"Ich habe es dir schon tausendmal gesagt,
dass ich sie nicht habe", sagt sie leicht erschöpft.
"Lügt mich doch nicht an! Der Anhänger
leuchtet nicht mehr. Das ist ein eindeutiges Zeichen dafür, dass er
seine Kräfte abgegeben hat", schreit Fire sie an. Plötzlich steht
er mit einem Ruck auf und lässt sich nicht mehr blicken. Nur zu essen
bekommen sie auch nicht mehr.
"Tai", flüstert sie.
"Was ist?"
"Erschreck nicht", meint sie nur. Mit diesen
Worten sammelt sie die Kräfte und durchtrennt die Fesseln mit Feuer.
Noch in der selben Nacht flüchten sie durch den Wald.
Ly erkennt das Fleckchen wieder, wo sie sich
befinden. Nur noch etwa zweihundert Meter und sie sind wieder im Freien.
Genau dort, wo Ly zum erstenmal heraus gekommen ist. vor ihnen erstreckt
sich das riesige Feld, und dahinter der Hof. Zusammen rennen sie dorthin
und Ly zeigt ihm das Versteck, das sie dort, eben etwas zu späht bevor
Cliv gekommen ist, entdeckt hat. Bis zum Morgengrauen verstecken sie sich
dort.
Dann brechen sie früh auf um nach Hause
zu gehen. Nur dort warten die Hunters auf sie. Zum Glück haben sie
sich angeschlichen, sonst wären sie glattwegs in diese Falle getappt.
Vor der Tür steht ein Wachtposten, aber im Haus scheint keiner der
Hunters zu sein. Ihr Vater steht am geschlossenen Fenster und schaut hinaus.
Als er sie entdeckt hat geht er eine Zeitlang ins Wohnzimmer und schreibt
ihnen etwas. Danach öffnet er das Fenster und wirft ihnen den Brief
zu. Als sie auf ein Zeichen von ihm hin verschwinden, gehen sie Richtung
Süden. Als sie an der Stadt Kaana vorbei sind öffnet, Ly den
Brief.
Vorn drauf steht genau das, was sie getan
haben, also dass sie ihn erst nach Kaana öffnen sollen. Im Brief steht,
dass sie nach Süden müssen. Alles weitere hängt von ihnen
ab. Unterwegs sollen sie laut Brief Leute treffen, die ihnen sagen werden,
was sie zu tun haben. Diese Kräfte sind nicht einfach so in ihre Hände
gelegt worden, steht drin. Sie muss einen Kampf beenden, der Jahrtausende
gedauert hat. Die Magie der vier Elemente bekommt nur der, der ihr auch
würdig ist. Aber Fire hätte sie ganz einfach erzwungen, was wiederum
nur ein Hunter kann. Sie muss dem Kampf zwischen Mensch und den Kreuzungen
zwischen Mensch und Tier ein Ende setzen. Dafür muss sie den mächtigen
schwarzen Zauberer Thirak besiegen.
"Hört sich ja sehr vergnüglich an",
meint Tai mürrisch.
"Du kannst ja nach Hause. Ich kann auch alleine
gehen, du musst nicht mitkommen", antwortet Ly.
Tai entgegnet heftiger als beabsichtigt: "Von
wegen! Ich lass dich nicht alleine. Und ausserdem hat dein Vater mir selbst
noch einen Brief geschrieben, den du nicht gesehen hast, und dort drin
stand, dass du nicht alleine gehst. Ich bin schon lange auserwählt,
um mit dir mit zu kommen. Ist dir noch nicht aufgefallen, dass an mir etwas
anders ist? Sieh mal, jetzt wo wir aus der Zivilisation heraus sind, kann
ich es dir ja zeigen." Er macht eine Handbewegung und er trägt plötzlich
ein Schwert. "Siehst du? Das Schwert gibt mir genau so Kräfte wie
dir. Nur ich kann damit nicht wie mit einem Flammenwerfer umgehen. Du besitzt
die Kraft der vier Elemente, und ich kann mich oder einzelne Teile - wie
eben das Schwert, wie du gesehen hast - unsichtbar machen. Und mein Schwert
tötet alles, was ihm in die Quere kommt. Nur einen Haken hat die Sache,
ich kann nicht beides miteinander machen. Ich glaube, wir müssen beide
noch sehr viel lernen."
Ly ist so perplex über das gehörte,
dass sie einen Moment lang nichts sagt, aber als sie es tut wählt
sie ihre Worte vorsichtiger: "Du hast recht. Entschuldige. Ich glaube,
ich bin etwas zu naiv. Und ausserdem bin ich sehr froh, dass du mitkommst.
Alleine würde ich keine zwei Tage durchhalten."
Zwei Stunden nach ihrem Gespräch sind
die beiden auf dem Weg nach Süden. Als es Abend wird suchen sie in
einem verlassenen Bauernhof einen Schlafplatz. Hier draussen gibt es viele
Höfe, die verlassen sind. Am Morgen laufen sie weiter. Nach etwa zwei
bis drei Stunden begegnen sie wieder Menschen. Dachten sie jedenfalls.
Sie sehen nur von weitem wie Menschen aus. Von näherem betrachtet
sieht man vereinzelte Teile von Tieren.
"Weißt du, wo wir sind?" fragt Ly Tai.
Der zuckt nur mit den Achseln.
Als sie einen, der ziemlich freundlich aussieht,
fragen, wo sie sich befinden, bekommen sie keine Antwort sondern nur ein
Handzeichen was bedeutet, dass sie sich verziehen sollten.
"Sehr freundliche Leute", meint Tai mit einem
angewiderten Gesicht, "na ja hier kommen wir wohl nicht weiter mit fragen.
Komm, wir gehen. Mir gefällt es hier nicht. Wetten, wir kommen hier
nicht mehr so schnell raus wie rein."
Ly schaut ihn nur fragend an.
Da antwortet er: "Ja, hast du denn den Wegweiser
nicht gesehen, an dem wir vorbeigegangen sind? Auf jeden Fall steht da
drauf, dass sich Menschen fernhalten sollen, ansonsten werden sie gehängt.
Und wir sind natürlich im Hänger Dorf gelandet. Sehr passender
Name, wie?"
Ly schaut sich einen Moment unschlüssig
um und geht dann wieder auf die Strasse, die sie vorher sicherheitshalber
verlassen hatten. Nach wenigen Schritten erscheinen überall solche
komischen Leute. Ein paar Augenblicke später sind sie eingekreist.
Da tritt einer vor und fragt: "Was wollt ihr
hier?"
Ly antwortet als erste: "Wir sind nur auf
der Durchreise."
"Ja, das haben diese auch gesagt", er deutet
auf die verschiedenen Häuser, an denen, wie ihnen erst jetzt auffällt,
überall Skelette von Menschen hängen.
Plötzlich greifen sie an. Ly wehrt einige
mit einem Feuerstoss ab. Tai kämpft mit dem Schwert und streckt die
Hälfte nieder. Nach ein paar Minuten steht er an eine Wand gedrängt
da und versucht am Leben zu bleiben. Ly hat sich in dieser Zeit frei gekämpft.
Mit ein paar letzten Steinschüssen, die jetzt immer tödlich sind,
beendet sie das ganze. Steine, also die Elemente Erde mit Luft kombiniert,
können zu gefährlichen Geschossen werden. Augenblicklich rennt
sie zu Tai hin, der zwei Häuser weiter Schwierigkeiten hat, sich zu
wehren. Mit einiger Konzentration hebt sie die zuvor zur Bewegungslosigkeit
erstarrten Tiermenschen hoch und lässt sie einfach in der Luft schweben.
Nachdem sie aus dem Dorf geflohen sind lässt sie die schwebenden fallen.
Sie stürmen in den Wald und machen erst
eine Pause als Tai einen Unterschlupf entdeckt hat. Ly kümmert sich
um die Verletzungen bei Tai und verarztet sie so gut es geht.
Da fragt Tai plötzlich: "Kannst du nicht
mit deinen Kräften heilen?"
"Stimmt ja, auf das bin ich im Moment gar
nicht gekommen", meint sie. "Ich bin ein wenig durcheinander."
Tai nickt verständnisvoll: "Das verstehe
ich gut. Mir geht es nicht anders."
Nach einer Weile schlafen beide ein.
Nicht weit entfernt fragen die Hunters die
Dorfbewohner aus. Fire ist verdammt wütend, dass sie sie verloren
haben.
"Cliv!, Claw! Zu mir", brüllt er über
den Lärm, der entstanden ist. Als sie da sind sagt er ihnen: "Sucht
die Gegend ab. Sie können nicht weit sein. - Ach, und noch etwas",
ruft er ihnen hinterher, "sucht auch im Wald. Wir wissen ja, dass sie eine
Vorliebe dafür haben."
Als sie zurückkommen haben sie eine gute
und eine schlechte Nachricht für Fire. Claw sagt: "Zuerst die gute
oder die schlechte Nachricht?"
"Ach verdammt noch mal, einfach eine!", brüllt
er.
Cliv meint: "Also zuerst die Gute. Wir haben
ihre Spuren gefunden, und sie führen tatsächlich in den Wald.
Wir sind ihnen gefolgt, und sie führten zu einer kleinen Höhle."
"Und jetzt die Schlechte. Sie sind nicht mehr
da", antwortet Claw.
"Was!!! Und ihr seid ihnen nicht nach?!",
schreit Fire sie an.
Cliv stottert etwas zusammen und Claw kommt
ihm zu Hilfe: "Wie könnten wir? Es gibt keine Spuren. Nicht einmal
riechen kann man sie, da es ja in Strömen zu regnen begonnen hat,
bevor wir hier eintrafen."
"Scheisse! Wieso muss es ausgerechnet jetzt
regnen?", jammert Ly.
Tai meint nur dazu: "Na ja, etwas Gutes hat
es ja. Unsere Spuren und unser Geruch werden verwischt."
Halb gehend, halb rennend laufen sie nebeneinander
bis Tai plötzlich stehen bleibt und aufmerksam lauscht. "Ich kann
durch den strömenden Regen nichts hören. Kannst nicht du die
Gegend abtasten?", fragt Tai.
Ly benutzt den Wind, um die Umrisse in Kleinformat
vor sich sichtbar zu machen.
"Wie machst du das?", fragt Tai.
"Ich lasse den Wind durch die Gegend sausen,
und lasse hier, wie du siehst, ein Bild der Umgebung entstehen, wenn der
Wind zurück kommt. Es ist ganz einfach. Ich könnte auch mit dem
Element Erde arbeiten. Aber wie du nichts durch den Regen hören kannst,
kann ich nichts auf dem Boden fühlen ausser den Tropfen."
"Ich hab eine Idee!", ruft Ly unerwartet aus.
"Ich halte den Regen an. Mit dem Element Wasser müsste es grundsätzlich
gehen. Aber die Gefahr besteht, dass wir dann auf der Stelle entdeckt werden.
Denn wir sind nicht mehr alleine. Als du kurz Wasserlassen warst, hab ich
die Gegend noch einmal abgetastet. Die Hunters sind uns auf den Fersen.
Und sie haben Verstärkung mitgebracht. Sie haben einen Wolfstiger
dabei. Ich habe schon von dem in Geschichten gehört. Anscheinend tötet
er alles was ihm zu nahe kommt ausser denen, die etwas vom Wolf oder Tiger
haben. Er soll nicht durch Magie aufhaltbar sein. Aber ich benutze keine
wirkliche Magie. Daher haben wir immerhin eine winzige Chance zu entkommen."
Da fragt Tai: "Weiss denn Fire das nicht?"
"Nein, der hat das Gefühl, man kann damit
zaubern. Dabei benutzt man nur die reinen Naturgewalten, die man daher
auch gut unter Kontrolle halten muss. Wenn man nur einen Fehler macht,
kann es sein, dass man alles in näherer Umgebung auslöscht. Samt
dem, der den Fehler gemacht hat."
Plötzlich erschallt neben ihnen im Wald
ein markerschütterndes Gebrüll. Tai packt Lys Arm und zerrt sie
so schnell hinter sich her, dass sie alle Mühe hat nicht zu stolpern.
Als sie natürlich wieder einmal aus dem Wald und auf eine grosse Lichtung
kommen, was sie so 'gerne' haben, da es ja keine Deckung gibt, rennen sie
bis zur Mitte und merken erst dort, dass sie voll in eine Falle laufen.
Aber es ist bereits zu späht um umzukehren oder weiter zu rennen.
Vor ihnen füllen sich die Lücken zwischen den Bäumen rasend
schnell. Und sie brauchen sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass es
hinter ihnen nicht besser aussieht. Der Kreis zieht sich schnell zusammen.
Alle Hunters haben Pfeil und Bogen bis zum Anschlag gespannt. Sie kommen
so nahe, dass die Pfeile des kleinsten Kreises nur noch wenige Zentimeter
von ihnen weg sind. Dahinter erstrecken sich weitere zwei Dutzend Reihen
Hunters mit Pfeilen. Fire will wohl sicher gehen, dass sie nicht abhauen.
Was wohl ziemlich dumm wäre. Auch wenn sie die erste Reihe durchbrechen
konnten, so hätten sie schon Dutzende von Pfeilen in sich bevor sie
mit ihr ganz fertig wären.
Tai und sie haben sich aus lauter Schreck
umarmt.
Jetzt flüstert er ihr ins Ohr: "Ich lasse
deine Kräfte einen Moment unsichtbar werden. Dann kannst du, ohne
dass man einen orangen Schimmer an deinen Händen sieht, unerwartet
Angreifen. Aber jetzt musst du wirklich alles geben, denn wir haben ja
auch noch den Wolfstiger zu erledigen."
Ly nickt nur leicht und macht sich an die
Arbeit. Kurze Zeit später reisst sie die Arme in die Höhe und
aus ihren Händen ergiessen sich mehrere Wellen Feuer. Alle Hunters
sind nach dieser Feuerwalze am Boden verkohlt. Nur der Wolfstiger ist verschont
geblieben.
Fire schaut aus als ob er gleich anfängt
zu heulen. Er blickt sie an und schreit: "Was habt ihr getan!? Ihr habt
alle meine Verwandten und Freunde getötet. Das war mein ganzes Rudel!"
Sie schauen die bemitleidenswerte Gestalt
von Fire an, drehen sich um und gehen. Doch weit kommen sie nicht. Vor
ihnen steht plötzlich nicht mehr der Wald sondern ein zwei Meter hohes
Tier, das halb Tiger, halb Wolf ist. Fire hat ihn losgebunden. Jetzt muss
Ly schnell überlegen, was sie machen soll, denn lange hat sie nicht
Zeit.
Zuerst benutzt sie die Luft und hebt Tai und
sich hoch, damit sie ausser Reichweite der tödlichen Krallen und Fänge
sind. Danach lässt sie einen Steinregen nieder. Der Wolfstiger brüllt
auf und wirft sich von einer auf die andere Seite. Nach kurzer Zeit fällt
er um und ist tot. Ly bleibt noch eine Weile in der Luft bevor sie landet.
Tai und sie laufen weiter. Fire heult was
das Zeug hält. Noch etliche Kilometer weiter hören sie ihn noch.
Als es Morgen wird sind sie ganz gut erholt.
Nach einem Frühstück, das sie schon so oft eingenommen hatten,
begeben sie sich wieder auf den Weg. Zirka zwei Kilometer weiter begegnen
sie einem Menschen. Sie müssen nicht lange warten, schon haben sie
einen Hinweis darauf, was sie tun müssen, um zu Thirak zu kommen.
Hier kommt man ihnen nicht mit Feindseligkeit entgegen.
Ly fragt den Mann: "Entschuldigen sie, könnten
sie uns vielleicht sagen, wie wir zu einem Druiden namens Fiz kommen?"
"Klar, aber was wollt ihr Teenys denn schon
von einem alten Druiden?", fragt er.
"Wir müssen ihn etwas wichtiges fragen",
antwortet Ly.
Er schaut sie nur mit gerunzelter Stirn an
und bedeutet ihnen ihm zu folgen. Kurze Zeit später sitzen sie in
einem kleinen Zimmer. Ihr Gastgeber ist niemand anderes als der, den sie
angesprochen haben. Wie sich herausstellt ist er auch der einzige Bewohner
dieses Dorfes.
Er erklärt auf ihre Frage hin, ob er
ganz alleine hier sei: "Ja, alles was ihr draussen seht, ist eine Halluzination.
Aber jetzt zu euch. Was verschlägt zwei so junge Dinger wie euch an
so einen abgelegenen Ort wie diesen?"
Darauf antwortet Ly: "Wir sind auf der Suche
nach einem gewissen Thirak. Wir müssen ihn bekämpfen. Nur, wir
wissen nicht mehr als das, was ich ihnen jetzt gesagt habe."
"Aha, da liegt das Problem. Gut, ich werde
euch so viel wie möglich über Thirak berichten. Also Thirak wird
auch der Schwarze Druide genannt. Er ist der mächtigste aller Druiden
überhaupt. Thirak lebt auf dem Schloss des Herzoges von Hilas. Der
Herzog wird im Kerker gefangen gehalten, während Thirak seine Armee
leitet."
Da fragt Tai: "Einfach so? Sie gehorchen ihm?
Ohne Widerstand?"
"Nein, ganz bestimmt nicht. Sie stehen unter
einem Zauber, der sie den Herzog sehen lässt. Und er verstellt die
Stimme so, dass er sich so anhört wie der Herzog selbst. Eine ganz
simple Täuschung."
"So wie das?", fragt Ly. Sie macht ein paar
kleine Handbewegungen und schon hat sie ein Abbild von sich gemacht.
"Nein, nicht ganz. Wenn man ihn angreift,
kann man ihn töten. Bei deiner Abbildung ist es anders. Sie können
dich nicht töten, weil du irgendwo auf dieser Welt sein könntest,
und diese Simulation genau das tut was du ihr an Informationen gegeben
hast. Und du kannst durch sie auch reden. Auch wenn du irgendwo in Australien
wärst", antwortet er leicht verwirrt. Da fragt er plötzlich:
" Wer seid ihr eigentlich?"
"Wieso, ist das so wichtig?", fragt Tai zurück.
Da steht Fiz auf und plötzlich können
Ly und er nur noch den Kopf bewegen. "Ihr bleibt so lange in dieser Position
bis ihr mir gesagt habt, was ihr wollt und wer ihr seid", fordert Fiz.
"Na schön, wenn sie es so wollen", sagt
Ly. Sie konzentriert sich und läuft danach auf Fiz zu, da sie sich
aus der Starre gelöst hat. "Also, ich habe keine Lust es ihnen zu
erzählen", meint sie.
"Du glaubst aber nicht wirklich, du könntest
mir etwas antun, oder? Denn deine kleinen Spiele können mich nicht
aufhalten", erwidert er.
Ly antwortet mit mühsam unterdrücktem
Zorn: "Jetzt halten sie mal die Klappe und lassen sie mich machen. Ich
will ihnen ja gar nichts tun. Also, vertrauen sie mir wenigstens so weit,
dass ich sie anfassen kann?"
Fiz nickt leicht aber vorsichtig. Ly tritt
auf ihn zu und streckt ihm die Hand entgegen. Er ergreift sie und nach
kurzem Blickwechsel und einem nachdrücklichen Nicken von ihm überträgt
Ly das Erlebte auf Fiz, der dann alles in Bildern und Ton in seinem Kopf
sieht und hört. Nach kaum fünf Minuten weiss er alles.
"Tut mir leid, Ly und Tai, dass ich mich so
aufgeführt habe. Ich werde eben des öfteren von Spionen von Thirak
belästigt. Die stellen mir immer die gleichen Fragen wie ihr vorher.
Darum bin ich misstrauisch geworden."
"Schon gut. Aber wären sie so freundlich?",
fragt Tai mit einer Kopfbewegung auf seinen Körper.
"Ach ja, hätte ich fast vergessen, dass
du noch in der Starre bist, entschuldige", sagt er fröhlich. Da meint
er noch: "Und nennt mich nicht immer Fiz. Ich heisse Tharik. Ich hasse
meinen Nachnamen."
Ly fragt ihn verdutzt: "Seid ihr zwei irgendwie
verwandt oder so?"
"Ja, wir sind Zwillingsbrüder. Thirak,
könnte man meinen, sei das böse Abbild von mir", sagt er ein
wenig bedrückt. Da meint er: "Ich glaube, ich muss euch alles von
Anfang an erzählen. Sonst versteht ihr sein Handeln nicht.
Also, Thirak und ich hatten eine friedliche
Kindheit. Im Alter von acht Jahren haben wir angefangen mit Tieren zu experimentieren,
natürlich wussten wir noch nichts von unseren Kräften. Als wir
also gerade an einem Versuch an Libellen waren, da hatten wir plötzlich
eine Riesen-Libelle vor uns, die uns gleich darauf fressen wollte. Thirak
sagte in seiner Angst nur ein Wort, nämlich 'Stop'. Gleich darauf
hielt die Libelle an und verschwand als ob es sie nie gegeben hätte.
Später, etwa mit fünfzehn Jahren, hatte Thirak die besten Noten
in Natur in der Schule, weil er die Pflanzen ganz einfach, dank seinen
Kräften, wunderschön gedeihen liess. Zwei Tage, nachdem wir die
Schule verlassen hatten, starben unsere Eltern bei einem Autounfall. Der,
der in sie hinein gefahren war, verschwand spurlos. Thirak hatte ihn irgendwie
aufgespürt. Als er sich auf den Weg machte, habe ich meinen Kräften
freien Lauf gelassen."
"Entschuldige, aber wieso hast du nicht in
seiner Gegenwart deine Kräfte angewendet?", fragt Ly.
Tharik antwortet: "Weil ich nicht wollte,
dass er eifersüchtig wird, da ich viel stärker war. Auf jeden
Fall konnte ich nun üben. Zwei Jahre, nachdem er gegangen war, kamen
zwei Typen mit Schwertern und nahmen mich im Namen meines eigenen Bruders
gefangen. Als ich vor ihm stand erkannte ich ihn kaum wieder. Da sagte
er: "Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für dich. Die
gute ist, dass ich diesen verdammten Mörder unserer Eltern gefunden
und getötet habe. Die schlechte ist, dass ich noch lange nicht fertig
bin. Er hat ein riesen Gefolge. Die muss ich auch noch ausfindig machen."
Da sagte ich nur, dass er verrückt sei und er nicht alle töten
müsse, nur weil einer der zufälligerweise ihr Anführer ist,
unsere Eltern getötet hat. Da meinte er: "Du musst gar nichts sagen.
Du hast ja deine Kräfte, die, wie ich mit Bedauern herausgefunden
habe, stärker sind als meine. Und ausserdem will ich sie nicht töten
sondern unterwerfen." Kurz nachdem er das gesagt hatte wusste ich, dass
er unter irgend einem Zauber stand, denn so etwas würde der Thirak,
den ich kannte, nie und nimmer machen. Ich habe mich dann hierher versetzt.
Als ich angefangen hatte nach zu forschen wie man einen so starken Zauber
brechen könnte, bin ich auf das Amulett der Vier Elemente gestossen
und habe es dir geschickt, weil ich von ihm erfahren habe, wer die Auserwählte
ist. Es gibt bei solchen Amuletten selten Jungen, die die Kräfte bekommen,
genau so wenig wie Mädchen ein solches Schwert, wie du es trägst,
Tai, bekommen. Nur mit beiden Gegenständen kann man ihm helfen, sodass
er wieder der Alte wird. Das Amulett bekommt nur der, der aufrichtige Gefühle
hat, genau so wie das Schwert, und da ihr euch ja beide gegenseitig liebt,
ist es genau das richtige. Was? Schaut mich nicht so verdattert an. Diese
Gegenstände kommen nur zu denen, die sich wirklich lieben und genau
in eurem Alter sind, und das gibt es nun wirklich nicht viel. Versteht
ihr es jetzt?"
Sie nicken beide.
"Gut, dann könnt ihr bis morgen früh
hier bleiben", meint Tharik freundlich.
Sie reden noch bis spät in die Nacht
hinein.
Am nächsten Morgen verabschieden sich
Tai und Ly nach einem friedlichen Frühstück, das wieder einmal
normal aussieht, von Tharik und machen sich auf den Weg zu Thirak.
"Warte einen Moment", flüstert Ly.
Kurz darauf hört Tai, dass sie verfolgt
werden. Sie rennen hinter einen Baum der dreifach so breit ist wie eine
ausgewachsene Eiche. Als die Reiter in Sicht kommen und prompt vor ihnen
anhalten, sind sie beide gerade noch rechtzeitig in Deckung gegangen. Aber
sie konnten genau so gut vom ersten gesehen worden sein.
Als diese mysteriösen Reiter verschwunden
waren, laufen Tai und sie weiter. Nach einem Tag anstrengendem Laufen legen
sie sich um das Feuer, das Ly gemacht hat, hin und schlafen sofort ein.
Unterdessen machen sich die Eltern von Tai
mehr Sorgen um ihren zweiten Sohn Kai, denn der ist plötzlich auch
nicht mehr auffindbar.
Als Tai aufwacht lässt er die Augen zuerst
noch geschlossen weil irgend etwas in ihrem Nachtlager ist. Anscheinend
muss derjenige, der hier herumschnüffelt, gemerkt haben, dass er aufgewacht
ist, denn plötzlich fällt ein Schatten auf ihn. Er macht die
Augen auf und setzt zum Sprung an, sein Schwert fest umklammert. Doch bevor
er überhaupt dazu kommt auf zu springen steht ihm jemand oder etwas
- denn er kann immer noch nichts erkennen, weil es so finster ist - mit
einem Fuss auf die Brust, und plötzlich berührt ihn etwas kaltes
und spitzes an der Kehle.
"Noch eine Bewegung und du bist so gut wie
tot", flüstert der Unbekannte.
Tai erstarrt mitten in der Bewegung.
Da fragt er/es ihn: "Wo ist das Mädchen?"
Tai antwortet: "Ich weiss nichts von einem
Mädchen."
"Red doch keinen Scheiss!", schreit er jetzt
fast. "Wir haben euch ja beobachtet. Ich weiss, dass du nicht alleine warst."
Der Druck auf seine Kehle erhöht sich
von einem Bruchteil einer Sekunde auf die andere dermassen, dass er Angst
hatte, er würde ihm die Kehle durchschneiden. Minuten (ihm kommt es
vor wie Stunden) später lässt der Druck nach. Er wird unsanft
auf die Füsse gezogen. Tai versucht sich loszureissen, womit er erreicht,
dass der Griff um seine Arme stärker wird und sie zusätzlich
auf den Rücken gebunden werden. In dieser unbequemen Position wird
er auf ein Pferd gesetzt, und hinter ihm steigt jetzt auch noch derselbe
auf, der ihn geweckt hatte. Tai denkt nur noch, dass Ly hoffentlich nicht
erwischt wurde.
Und zur Bestätigung kommt in diesem Augenblick
einer neben sein Pferd geritten, und verkündet: "Chef, wir konnten
die Kleine nicht finden. Sie könnte überall und nirgends sein."
Der Koloss hinter ihm, anscheinend der Chef,
antwortet nicht und reitet los. Da flüstert er ihm ins Ohr: "Thirak
wird sich auch sehr über dich freuen. Die Kleine können wir auch
später suchen. Du kannst nur beten, dass er gerade einen guten Tag
hat, denn er ist nicht so zimperlich wie ich und meine Kameraden. Wenn
du ihm nicht das sagst, was er hören will, stehst du bald nicht mehr
auf den Beinen, sondern windest dich in Schmerzen auf dem Boden. Er wird
dich solange foltern bis er alles weiss."
Tai läuft ein eiskalter schauer nach
dem anderen über den Rücken.
Ly schaut ihnen nach bis sie hinter der Biegung
verschwunden sind, und wartet dann noch einen Moment, bevor sie ihre Unsichtbarkeit
auflöst. Sie hat sich zuerst mit ihrer Kraft unsichtbar gemacht, und
ist dann zu Tais Schwert gelaufen, das er liegengelassen hatte. Mit diesem
in der Hand und seine Macht aktiviert, hatte sie sich angeschlichen und
alles mitgehört. Zum Glück hatten diese Kerle vorher - was sie
durch Zwei erfahren hatte, die sich höllisch freuten, dass sie die
Guten wieder einmal besiegt hatten - einen Kampf gehabt und die herrenlosen
Pferde einfach an die Bäume gebunden gelassen. Jetzt schnappt Ly sich
eines dieser Pferde und bindet die anderen los, damit sie fliehen können.
Bevor sie aufsteigt, holt sie einen Mantel (der ihr bis an die Knöchel
reicht) und zieht sich den noch über, weil es ziemlich kalt ist, und
zieht die Kapuze tief ins Gesicht. So vermummt reitet sie die ganze Nacht
durch hinter den anderen her. Als die vor ihr Reitenden ein Lager aufschlagen,
ist sie etwa einen halben Kilometer weiter hinten.
Als es endlich Morgen wird, haben sie die
Burg des Grafen erreicht. Ly versteckt sich im nahe liegenden Wald, in
einer Hütte, die seit Jahren nicht mehr benutzt wird (woher sie das
weiss ist einfach gesagt, vor der Tür steht "ausser Betrieb"). Aber
es kommt ihr schon komisch vor, dass das ausgerechnet auf einer Hüttentür
steht. Wenige Augenblicke später weiss sie warum. Innen drin hat es
überall Maschinenteile, die entweder total kaputt oder einfach nicht
mehr vorhanden sind - also 'nicht mehr vorhanden' ist vielleicht falsch
gesagt, denn man erkennt immer noch, dass es Metall ist. Es sind einfach
nur noch Klumpen aus geschmolzenem Eisen. Innen ist es viel grösser
als es von aussen den Anschein hatte. Die Hütte muss wohl weiter in
den Hügel führen, vor dem sie steht. Ly räumt ein paar Sachen
weg, damit sie sich hinlegen und nachdenken kann. Jetzt, da sie endlich
ein bisschen Ruhe hat, kann sie darüber nachdenken, wie sie Tai da
raus holt. Nur so einfach ist das nicht. Als sie sich hingelegt hat, ist
sie auf der Stelle eingeschlafen.
Ly träumt von den Hunters, die auf einmal
ihre Freunde sind. Sie helfen ihr in die Burg hinein zu kommen. Aber als
sie drin ist, rennen die Hunters einfach raus. Ly kann ihnen solange hinterher
schreien, dass sie zurück kommen, wie sie will, denn sie bekommt keinen
Ton heraus. Sie läuft alleine durch die Burg und bemerkt, dass sie
verfolgt wird. Ly will sich herumdrehen, aber sie kann es nicht. Sie kann
nur nach vorne sehen. Hinter ihr lacht Thirak vor Freude auf, da sein Opfer
so wehrlos ist. Er will nach ihr greifen, und Ly kann einfach nicht schneller
laufen, also muss es ja passieren, dass er sie erwischt.
Mit einem Aufschrei und schweissgebadet setzt
sie sich auf, und bemerkt erst jetzt, dass sie gefesselt ist. Als sie sich
umschaut sieht sie, dass überall um sie herum Jungen liegen. Sie steht
auf und schleicht zur Tür, die vorher einen Schlüssel hatte.
Natürlich ist jetzt kein Schlüssel mehr da, und die Tür
ist auch verschlossen. Ly setzt sich in eine Ecke und wartet darauf, dass
es hell wird, denn schlafen kann sie so oder so nicht mehr. Sie muss nicht
mehr lange warten.
Tai wird unsanft vom Pferd gezogen. Vor ihm
ragen die Turmspitzen der Burg auf. Sie sind die ganze Nacht hindurch geritten.
"Mach bloss keinen Blödsinn. Thirak wäre
nicht gerade erfreut, wenn wir eine Leiche mitbrächten", warnt der
Boss des Trupps.
Vor dem Tor werden sie schon erwartet. Thirak
steht da und mustert Tai ohne ein Wort. Er ist in einen schwarzen Umhang
gekleidet und hat die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Daher auch,
dass Tai ihn zuerst nicht erkannte. Aber das sollte sich noch ändern.
Wenig später sitzt er in einem Kerker.
In der Zelle nebenan sitzt noch jemand, der gerade schläft. Die Zellen
sind alle nur mit Eisengitter voneinander getrennt. Als er alleine ist
wacht der andere auf und schaut ihn verstohlen an.
Da fragt Tai: "Was? Hast du noch nie jemanden
wie mich gesehen?"
Der andere antwortet: "Tut mir leid. Ich bekomme
hier unten nur selten Besuch. Meistens auch nur von Thirak, der mich quält,
um heraus zu finden, wo der Rest meiner Leute steckt. Wer bist du? Warum
bist du hier?"
"Ich? Ich heisse Tai. Warum ich hier
bin weiss ich nicht. Aber mir blüht bald das selbe wie dir. Ich bin
mit einer Freundin hier her gekommen. Mich haben sie erwischt. Ich hoffe,
sie haben sie noch nicht gefunden. Sie ist die einzige, die hier rein kommt
ohne gesehen zu werden", antwortet er.
Der andere lacht nur und meint: "Hier kommt
niemand rein ohne gesehen zu werden, und wenn, dann ganz sicher nicht mehr
raus. Darauf kannst du Gift nehmen."
"So, das glaube ich weniger", beendet Tai
das Gespräch.
In der Hütte erwacht langsam alles. Ly
sitzt zusammengekauert in der Ecke und hofft darauf, nicht sofort gesehen
zu werden, damit sie sich einen Überblick verschaffen kann. Sie hat
sich aus den Fesseln befreit und wartet jetzt darauf, dass sie sie entdecken.
Kurze Zeit später ist sie umzingelt von kleinen Jungen, die alle jünger
sind als sie selbst. Einer müsste eigentlich erst sechs sein. Doch
als die Tür aufgeht kommt einer rein, der gleich alt ist wie Ly.
"Kai!?", fragt Ly überrascht.
"Ah, Ly, schön, dass du dich auch einmal
blicken lässt. Wo ist Tai?"
"Zuerst möchte ich wissen, warum du hier
bist", meint Ly und schmeisst sich Kai an den Hals.
Da antwortet er: "Ich habe gespürt, dass
Tai etwas zugestossen ist. Ich habe nicht so ausgeprägte Fähigkeiten
wie du und mein Bruder, aber ich kann spüren, wenn jemandem, den ich
kenne, etwas geschieht. Darum bin ich hier. Ich habe auch noch andere Kräfte
und zwar kann ich Sachen einfach so entstehen lassen. Hast du Hunger?"
Ly nickt verwirrt über diese Frage.
Kai drückt die Handflächen zusammen,
und als er sie voneinander nimmt hat er ein Sandwich in der Hand. Ly nimmt
es dankbar an.
"Das kann ich auch. Vielleicht ist das noch
ganz nützlich, wenn wir einmal etwas grösseres machen müssen
und jemand alleine das nicht kann", antwortet Ly mampfend.
"Ja, da hast du wohl recht. Also, bin ich
dabei?", fragt Kai.
Ly schaut ihn an und nickt nur, da sie den
Mund zu voll zum sprechen hat. Nachdem Ly fertig gegessen hat machen sie
den kleinen Jungs auch ein Frühstück.
Kai hat ihr erzählt, dass das Flüchtlingskinder
sind. Thirak habe ihre Eltern gefangen, da sie ihm nicht gehorchten. Die
Kinder konnten fliehen. Als endlich Ruhe ist, können Ly und Kai ungestört
darüber reden, wie sie Tai da raus holen.
Kurz nachdem sie aufgehört haben zu reden,
kommen zwei Handlanger von Thirak. Jetzt steht Tai vor dem improvisierten
Thron und betrachtet den, der vor ihm sitzt.
Da fragt Thirak plötzlich in die unheimliche
Stille hinein: "Wo ist deine Freundin, Tai?"
"Woher kennst du meinen Namen?", fragt Tai
ein bisschen perplex.
Er antwortet: "Ich weiss alles über dich
und deine kleine Freundin."
Tai ist nicht gefesselt. In den paar Minuten,
in denen er schon hier drin ist, hat er etwa zehnmal zur Tür geschaut
und abgewogen, ob es sich lohnt zu fliehen.
"Das kannst du dir gleich aus dem Kopf schlagen.
Vor der Tür stehen Wachtposten. Auch wenn du sie vielleicht überwältigst,
vor der ganzen Burg tummeln sich meine willenlosen Diener", meint Thirak
als er ihn erwischt als er schon wieder zur Tür schaut. "Also? Was
ist mit deiner Freundin?", fragt er noch einmal.
Tai wird die Antwort jetzt nicht geben müssen,
da gerade einer zur Tür herein prescht und aufgeregt mit Thirak flüstert.
Da meint er: "Na, da hast du aber noch einmal
Glück gehabt." Er winkt einen der Wachen zu sich und bedeutet ihm,
er solle Tai in den Kerker zurück bringen. Kurze Zeit später
sitzt Tai fast ein bisschen zufrieden mit sich im Kerker und grübelt
über Fluchtmöglichkeiten nach.
Ly und Kai sind jetzt schon etliche Überlegungen
durchgegangen, und haben alle wieder verworfen. Da schreit Ly plötzlich
leise auf: "Oh mann, ich bin so blöd!!! Ich habe ja Tais Schwert mitgenommen.
Ich muss nur seine Kraft benutzen, um mich unsichtbar zu machen. Nur, jetzt
kommt die nächste Frage. Nämlich wie ich das Schwert verstecke.
Ich kann ja nicht mich und das Schwert verstecken. Tja das können
wir also gleich wieder vergessen. Scheisse!!!"
Nach einer Weile meint Ly aus ihrem gedankenverlorenen
Zustand heraus: "Jetzt hab ich’s! Ich mache ein Doubel von mir, dann kann
ich mich selbst hinein schleichen, und die Wachen rennen unterdessen einem
Phantom hinterher. Das ist mal ein Plan, der funktionieren könnte."
"Ja, da hast du recht. Das könnte tatsächlich
funktionieren. Willst du es versuchen? Oder möchtest du zuerst noch
ein bisschen schlafen? Wir müssen das ganz sicher erst in der Nacht
machen, da am Tag alles zu ist von seinen Dienern", meinte Kai.
Nach kurzer Diskussion wie das genau ablaufen
solle, schlafen beide bis zum Abend.
Tai sitzt immer noch im Kerker und grübelt
nach. Jemand hat ihm Bescheid gesagt, dass er heute nicht mehr gebraucht
wird. Das, hat er gedacht, ist einmal eine gute Nachricht. Tai hat in den
letzten Stunden seinen Nachbarn ausgefragt, und heraus gefunden, dass er
es mit dem Herzog zu tun hat. Der sitzt jetzt schon ein halbes Jahr hier
unten. Als Thirak die Burg erobert hat ist er geflohen. Nur, er ist genau
in die Richtung, aus der Thirak gekommen ist, gelaufen. Also somit geradewegs
in seine Arme. Thirak hat die Burg natürlich nicht selbst erobert
sondern nur in seinem Namen erobern lassen. Warum auch die Finger schmutzig
machen wenn man so zahlreiche Diener hat. Auf jeden Fall haben sie ihn
an der Grenze erwischt. Tai hat heraus gefunden, dass Drake, so heisst
der Herzog Drake von Hilas, der Bruder von dem Mann ist, der Thiraks und
Thariks Eltern getötet hat. Drake hat mit seinem Bruder zusammen geherrscht.
Darum weiss er auch, wo der Rest seiner Leute steckt. Tja, das ist ja mal
eine verzwickte Geschichte, denkt Tai.
Ly schickt ihre Abbildung schon los, als Kai
von seinem Rundgang zurückkommt. Nachdem sie den Lärm der Verfolger
von Lys Doubel hören, sprinten sie den Hang neben der Burg hoch. An
der Seite gibt es eine kleine Tür. Als sie drinnen sind, sind die
Gänge leer. Zu den Kerkern müssen sie durch die halbe Burg hindurch.
Das ist etwas schwieriger. Als sie gerade um eine Ecke biegen wollen, kommt
ihnen ein Wachtposten auf Patrouille entgegen. Jetzt rennen Kai und sie
den ganzen Gang zurück und kommen ganz knapp hinter die nächste
Ecke, bevor der Wächter um die andere Ecke kommt. Jetzt müssen
sie einen anderen Weg suchen.
"Wo sollen wir durch? Kennst du dich hier
aus?", fragt Ly leise.
"Nein. Ich kenne mich hier nicht aus. Kannst
du vielleicht die Kerker mit dem Wind ausfindig machen? Das wäre unsere
einzige Chance", meint Kai.
Zwei Minuten später stehen sie vor der
Kerkertür. Ly tastet noch einmal durch den Raum, um sich zu vergewissern,
dass auch wirklich niemand hinter der Tür ist. Auf der anderen Seite
angekommen stehen sie auch schon vor Tais Zelle. Der wiederum freut sich
riesig.
"Ihr habt euch ja reichlich Zeit gelassen.
Holt mich bitte hier raus", meint Tai.
Kurz nachdem sie auf Tais Bitten hin Drake
auch rausgeholt haben, machen sie sich auf den Weg nach draussen. Ly gibt
Tai unterdessen sein Schwert wieder und erzählt ihm schnell alles,
was ihr nach ihrer Trennung passiert ist.
Draussen stehen sei einer halben Armee gegenüber.
Sie sitzen wieder einmal in der Falle. Ly hat aber schon ein Schutzschild
um sie herum aufgebaut. Aber sie kommen nicht einmal dazu etwas zu tun,
denn in diesem Augenblick erscheint Tharik. Der macht schnell ein paar
Bewegungen und vor ihnen entsteht eine Art Tor. Er schickt sie hindurch
und schliesst es hinter ihnen wieder. Kurz bevor Ly hindurch gegangen ist,
hat Tharik ihr noch etwas übermittelt. Auf der anderen Seite erwartet
sie eine grosse Überraschung.
Überall hat es verschiedene Teile von
Regionen und Ländern. Also da kann Spanien geradewegs an die Schweiz
grenzen. Es hat nicht wirklich einen Himmel, denn wenn man zwischen diesen
Flicken wechselt, steht man beispielsweise auf dem Kopf, weil rund herum
verschiedene Welten sind. Als ob man in einer Kugel wäre, aber man
hat nicht das Gefühl kopfüber zu sein. Als ob jedes Bruchstück
eine eigene Welt wäre.
"Wo sind wir denn jetzt wieder gelandet?",
fragt Tai.
"Wir sind in einer Trainingswelt. Ich erkläre
es euch später", antwortet Ly. "Zuerst müssen wir herausfinden,
wohin die einzelnen Bruchstücke führen. Sonst sind wir in Gefahr,
denn wir sind hier die Feinde. Also müssen wir möglichst gut
hier klar kommen und wissen, in welchem Bruchstück wir uns verstecken
können. Es gibt nur ein einziges, das dafür geeignet ist. Dort
gibt es keine Menschen, darum ist das unsere einzige Chance."
Da meint Drake: "Das könnte noch schwierig
werden, wenn wir nicht wissen in welche Richtung wir gehen. Hier gibt es
weit und breit keine Sonne wo wir uns orientieren könnten."
"Das brauchen wir nicht. Wenn wir von hier
aus weiter gehen kommen wir in eine andere Welt, und von dort kann man
nur geradeaus und nicht mehr zurück", meint Ly.
Nach einer weiteren Diskussion machen sie
sich auf den Weg. Sie weichen allem Leben aus, das ihnen begegnet, um eine
verfrühte Konfrontation aus dem Weg zu gehen. Nach ungefähr zwei
kleineren Kämpfen und zirka 50 verschiedenen Welten haben sie die
ohne Menschen endlich gefunden.
"OK, Ly, jetzt wird es langsam Zeit, dass
du uns das ganze hier erklärst. Ich habe keine Lust mehr Leute einfach
so umzubringen", sagt Kai mürrisch.
"OK, also. Jeder wird morgen in eine andere
Welt gelangen wenn er weiter geradeaus geht. Wir können alle zusammen
gehen, und auch alle zusammen hindurchgehen, aber wir sind nachher auf
uns selbst gestellt. Hier werden wir ausgebildet. Das heisst, dass wir
hier für den Kampf mit Thirak vorbereitet werden. Jeder in seiner
Sache, ob Magie oder Schwertkampf. Das Gute daran ist, wenn wir getötet
werden, landen wir augenblicklich wieder hier und haben keine Verletzungen,
ausser ein paar Kratzer und Übelkeit", erklärt Ly.
Alle schauen ein bisschen betrübt, aber
niemand widerspricht auch nur im geringsten.
Kurz nachdem sie vor der Grenze angekommen
sind, verabschieden sie sich voneinander. Ly hat ihnen gesagt, wenn sie
die Prüfung schaffen, kommen sie automatisch in die nächste Welt.
Am Ende eines Tages wird man von selbst hier her zurück gebracht,
ob gerade mitten im Kampf oder nicht. Dann muss man sie halt wieder holen.
Als letztes tritt Drake über die Grenze. Er hat Ly gefragt was er
tun solle. Sie hat geantwortet, er ist auch ein Auserwählter. Er müsse
auch trainieren. Darum hätte sie ihn und Tai gerettet. Obwohl sie
erst auf Tais Bitten hin gehandelt hat. Aber er ist selbst schuld gewesen,
denn Tai hat den Namen erst beim letzten Bitten erwähnt. Der Herzog
hätte auch selbst seinen Namen sagen können.
Ly befindet sich in einer Welt, in der es nur
Wälder gibt (die sind ja ihre "absoluten Lieblingsorte"). Am Anfang
aller Prüfungen kommt so ein Fenster, wo alles beschrieben ist, was
einen erwartet, und was man tun muss. Sie muss sich mit ihrer Magie ein
Haus bauen aus allen Materialien, die es im Wald gibt, aber sie hat die
Prüfung erst bestanden, wenn sie auch wirklich alle Teile benutzt
hat.
Tai ist in einer Welt gelandet, in der es nur
riesige Tiere gibt. Er muss von allen ein Exemplar töten können,
bevor er weiter kann. Das ist eine der schwersten Prüfungen, die jeder
einmal machen muss.
Kai findet sich in einer Welt wieder, in der
es nur Berge, Eis und Schnee gibt. Er muss sich irgendwie vor der Kälte
schützen. Aber er muss auch noch anderen Leuten, die vorbei kommen,
helfen. Er baut ihnen Häuser, in denen sie nicht frieren, aber er
muss seine Fähigkeiten so benutzen, dass er die Leute darauf durchsuchen
kann, ob sie in Ordnung sind, also freundlich oder feindlich. Wenn er falsch
liegt, merkt er es daran, dass sie ihn töten. Er muss sie ja vorübergehend
in sein Haus lassen, damit er draussen ihr Haus bauen kann. Wenn sie feindlich
wären, würden sie ihn eben töten und sein Haus übernehmen,
und er würde zurück auf Silent kommen. Sie hatten die Welt dort
so genannt, weil es immer so still ist.
Drake landet in einer Welt, in der er sich
gegen schwarze Magie zu verteidigen lernt, auch wenn er keine solche Kräfte
hat. Er kommt nicht in alle Welten, in die die anderen drei gelangen. Machmal
schon, aber höchst selten. Das ist eine Prüfung, die einen ziemlich
fertig machen kann.
Als es Abend wird, gibt es viel in der Welt
Silent zu erzählen. Ly hat die erste Prüfung auf das erstemal
bestanden. Das Haus steht gerade, und ist gegen Einbrecher geschützt,
was eine der nächsten Aufgaben war. Tai hat seine Prüfung mit
Müh und Not gemacht. Er hat ein paar tiefere Kratzer, aber ansonsten
hat er es geschafft. Kai hat erzählt, dass er beinahe getötet
wurde, weil er mit seiner Einschätzung daneben lag. Er hat diese Leute
zum Teufel gejagt. Das Haus von ihm steht auch und lässt weder Kälte
rein, noch Wärme raus. Zehn weitere Häuser stehen und sind bewohnt.
Drake ist ein bisschen verstört. Er hat es auch geschafft, aber irgend
etwas hat ihn ziemlich eingeschüchtert. Er meint, er habe jetzt gesehen,
was Thirak mit seinen Leuten gemacht hat. Und beinahe mit ihm. Darum sitzen
sie jetzt am Feuer und hören ihm gespannt zu, was er noch zu erzählen
hat. "Ich finde, die Welten von Tai und mir sind am schwierigsten", beendet
Drake gerade seine Erzählung vom Tag. Heute ist niemand weitergekommen,
weil man nicht recht wusste was auf einen zukommt.
Am nächsten Morgen stehen alle früh
auf, um sich der neuen Herausforderung zu stellen. Und wiederum kommen
alle am Abend gesund und müde an. Ly ist dort hin gekommen, wo Drake
war, Tai wo Ly gestern war, Kai bei Tais gestrigen Level und Drake dort
wo Kai gestern war.
Da verkündet Ly: "Bei mir, als ich fast
fertig war, ist Tharik noch gekommen. Er sagte, dass wir noch zweimal in
die Levels kommen, in der am Vortag jemand anderes war. Nachher muss jeder
alleine gehen, also die anderen bleiben hier. Das ist die letzte Prüfung.
Jeder muss dort mit seinen Kräften und Stärken zurechtkommen,
und es ist keine der Welten, in denen wir waren, sondern jede, in die einer
von uns kommt, ist auf uns abgestimmt. Das heisst speziell auf unsere Fähigkeiten.
Daraus ist zu schliessen, dass jede Welt anders aussieht."
Zwei Tage später...
Tharik kommt früh am Morgen, oder besser
gesagt ein Klon von ihm, der nicht sprechen kann, aber weiss, in welche
Welt jeder einzelne von ihnen kommt. Er holt zuerst Drake.
Drake befindet sich in einer Welt, in der es
nur Feinde von ihm gibt. Natürlich nicht alle, aber es sind fast alle,
die er irgendwann in seinem Leben bekämpft hatte. Die meisten Kämpfe
waren auf Leben und Tod gegangen. Nur, nie hat einer von beiden gewonnen.
Da hat Drakes Zauberer alle jedesmal in diese Welt verdammt. Jetzt ist
es Drakes Aufgabe, genau diese Leute für sich zu gewinnen, damit sie
ihm beim Kampf gegen Thirak helfen. Aber zuerst muss er erst einmal schauen,
dass er überhaupt überlebt, denn Tharik hat ihn genau inmitten
der grössten Schar von ihnen gesetzt.
Zuerst sind sie verwirrt, aber dieser Effekt
hält leider nicht lange an. Kurz darauf haben alle rundherum die Schwerter
gezogen, und ihre Spitzen kommen Drakes Hals ziemlich nahe.
"Na, wen haben wir denn da?", fragt einer,
den Drake erst nach einem Moment als Orunes erkennt. Er hat ihn vor drei
Jahren hierher geschickt. Es ist auch sein Schwert, das ihm jetzt ziemlich
heftig gegen die Kehle drückt.
"Warte! Warte!", ruft Drake erschrocken.
Da meint Orunes: "Sag mir einen Grund, warum
ich dich nicht gleich auf der Stelle töten sollte. Ich habe eine solche
Wut in den letzten drei Jahren auf dich in mir aufgestaut. Sag, warum ich
dich nicht gleich töten sollte."
Drake schaut ihn jetzt so kalt an wie er es
noch nie getan hat und antwortet: "Du kannst mich töten. Das ist mir
egal. Aber wenn du mich nicht anhörst, wirst du innerhalb von einem
Monat hier getötet liegen."
Nachdem Orunes sein Schwert von seiner Kehle
genommen hat, packen ihn zwei von hinten und binden seine Arme fest auf
den Rücken.
"Mann, es muss wirklich etwas Ernstes sein,
wenn du dich nicht einmal wehrst. Und dazu kommt auch noch, dass du unbewaffnet
bist", meint einer, der rechts von ihm steht. Und wenn Drake sich recht
erinnert ist das Orunes Bruder Jerunen. Orunes ganze Sippe endet oder hat
mitten im Namen das Wort Rune.
Kurze Zeit später sitzt Drake in ihrem
Hauptquartier. Hier muss er ihnen zuerst Fragen über Fragen beantworten.
Beispielsweise wie es jetzt in der wirklichen Welt aussieht. Sie haben
ihm die Arme wieder freigegeben. Orunes und Jerunen sitzen links und rechts
von ihm. Sie meinen zu seiner Sicherheit, damit er sich keine Sorgen machen
muss, dass er angegriffen wird. Aber Drake ist ja nicht dumm. Er weiss
ganz genau, warum sie bei ihm sitzen. Damit er ja nicht abhaut.
"OK. Jetzt aber raus mit der Sprache. Warum
bist du eigentlich hier?", fragt Jerunen.
Da antwortet Drake: "Ihr werdet mich sowieso
auslachen. Also ich möchte euch um eure Hilfe bitten."
Alle brachen, wie gesagt, in schallendes Gelächter
aus. "Glaubst du echt, wir würden dir helfen? Dir, der uns hierher
verbannt hat? Du bist wirklich ein bisschen leichtsinnig", erklärt
Orunes.
"Schön, machen wir es anders. Wenn du
uns nicht hilfst, bist du zum Sterben verurteilt. Ihr alle. Kennst du Thirak
Fiz?", fragt der Herzog.
Der andere antwortet: "Nein, aber du wirst
mir sicher gleich sagen, wer das ist."
"Thirak ist ein schwarzer Druide. Er hat meine
Leute in seiner Gewalt. Nur das wäre meine geringste Sorge. Er will
alle auf dem Kontinent in seine Gewalt bringen. Nur zwei Auserwählte
können ihn aufhalten. Die sind auch hier in diesen Welten. Sie suchen
nach Verstärkung. Ich gehöre zu denen, die auch auserwählt
sind gegen Thirak zu ziehen. Aber wir brauchen Verstärkung", meint
Drake.
Da ruft Orunes aus: "Vergiss es. Gegen schwarze
Druiden werden wir nicht kämpfen."
Drake entgegnet: "Du hast keine Wahl. Wie
gesagt. Thirak will den ganzen Kontinent. Auch diese Welt gehört irgendwie
dazu. Ihr würdet zwei Teenys wirklich eine grosse Hilfe sein."
"Was? Zwei Kinder sollen den besiegen? Spinnt
ihr? Die wissen nicht einmal wie man mit einem Schwert umgeht und wie man
es hält", hält Orunes dagegen.
"Ihr würdet euch wundern. Der Junge hat
ein Schwert. Und das Mädchen hat die Magie der vier Elemente. Das
Schwert des Jungen kann unsichtbar sein, aber er ist dann sichtbar. Er
kann aber auch selber unsichtbar sein, und dann ist aber das Schwert sichtbar.
Zusammen sind das Mädchen und der Junge unschlagbar. Nur, das Problem
ist, dass wir zuerst an Thirak heran kommen müssen. Darum brauchen
wir eure Hilfe. Als Entschädigung seid ihr danach frei", erklärt
Drake.
Da meint Orunes: "Na schön. Wir werden
mitkommen. Aber du musst schwören, dass wir freikommen."
Drake schwört es.
Ly schaut schön verdutzt als da plötzlich
eine halbe Armee vor ihr steht. Drake hatte also die Aufgabe gehabt, diese
Männer zu überreden ihnen zu helfen. Anscheinen hat er sie nur
mit Müh und Not überredet, denn man sieht, dass sie nicht gerade
Freunde von ihm sind. Der Anführer heisst Orunes. Der Vizechef heisst
Jerunen. Als alle einander vorgestellt sind, machen Orunes Leute ein eigenes
Feuer. Sie reden bis spät in die Nacht.
Am nächsten Morgen kommt Thariks Klon
wieder und holt dieses mal Ly.
Nachdem der Klon gegangen ist, ist Ly in der
Welt, in der sie eigentlich nicht sein wollte. Hier sind sie durchgekommen
als sie nach Silent gesucht haben. Hier gibt es haufenweise Wespen, die
einem plagen, und ständig brechen irgendwo ohne Vorwarnung riesige
Brände aus. Hier hat es eben seit Monaten nicht mehr geregnet. Jetzt
muss sie schauen, wie sie die Wespen minimiert, und wie sie die Trockenheit
bekämpft.
Zuerst die Insekten, denkt sie. Also was für
Insekten. Wespen. Was tötet die Wespen? Oder was tötet bitte
Fliegen, was aber keinen Menschen schaden darf, und sie auch nicht ekelt?
Toll! Mal sehen, was sich machen lässt. Im Fenster hat gestanden,
die Wespen muss man nicht töten, sondern sie eine Weile in Schach
halten. Ah, dann ist es kein Problem mehr, denkt Ly. OK, zuerst die Brände.
Sie lässt einen Sturm entstehen, der
von riesigen Regenfälle begleitet ist. die Brände sind innert
kürzester Zeit gelöscht. Das Gute ist, dass sie die Wespen zuerst
aus ihrem Nest gejagt hat. Natürlich hat sie einen Schutz mit dem
Element Luft gemacht. Es ist wie ein Schild. Es kommt niemand mehr an sie
rann, weder Wespe noch Mensch. Mit dem Regen hat sie dann sie Wespen ersäuft.
Alle sind tot. Ly sollte die Wespen zwar nur in Schach halten, aber das
macht nichts, jetzt hat sie einfach alle getötet, das ist wenigstens
nicht verboten. Gut. Jetzt die Fliegen, denkt sie. Mit dem Element Erde
zieht sie haufenweise Vögel an. Diese wiederum fressen die Fliegen.
Damit wären die Probleme hier gelöst.
Zurück bei den anderen erzählt Ly
ihnen, was sie tun musste. Und fragt die anderen auch noch, ob sie wissen
wie man Wespen eigentlich sonst bekämpft, also ohne Magie. Darauf
weiss niemand eine Antwort.
Tai und Kai sind ziemlich überrascht als
sie zurück kommen. Kai meint, dass sie gegen eine halbe Armee von
den Hunters gekämpft haben und ganz einfach gewonnen hatten.
Tai sagt gerade: "Ich glaube, diese Trainingswelt
hat uns allen gut getan."
Am nächsten Morgen kommt Tharik und holt
sie ab. Da meint er: "Ah. Wie ich sehe, hat Drake es geschafft, die Sippe
der Runenkrieger zu überreden mit zu kommen. Das ist gut. Und wie
ich auch mit Freuden festgestellt habe, habt ihr alle", er deutet auf Tai,
Kai , Ly und Drake, "die Tests einwandfrei bestanden, ohne dass einer von
euch unfreiwillig wieder hier in dieser Welt gelandet wäre. Eine Fragen
noch bevor wir gehen. Habt ihr einen Namen für diese Welt? Oder habt
ihr schon vergessen, dass ich euch am Anfang gesagt habe, dass es wichtig
ist, der Welt einen Namen zu geben, weil ihr sie sonst nicht mehr findet?"
"Nein. Wir haben sie Silent genannt, weil
es hier immer so still ist", antwortet Ly.
Da meint Jerunen: "Ein sehr passender Name."
"Unsere Welt heisst Miedo", setzt Orunes dazwischen.
Tharik entgegnet: "Das war mir völlig
klar, dass ihr sie Angst nennt. Ich wusste nur nicht, in welcher Sprache.
Ich muss zugeben, ich bin einigermassen überrascht, dass ihr sie auf
Spanisch benennt habt. - Gut, dann gehen wir mal", sagt Tharik zum Schluss.
Zurück in ihrer normalen Welt sind sie
bei Tharik zuhause. Ly hat ihn gefragt, warum er sie hierher gebracht hat.
Da hat er nur gemeint, dass sie noch lange nicht fertig mit trainieren
sind. Er sagt gerade: "Jetzt werdet ihr im Schwertkampf unterrichtet. Jeder
hat einen der Runenkrieger als Lehrer. Du, Ly, hast als Lehrer Orunes.
Tai kennt sich schon sehr gut im Kampf mit dem Schwert aus. Ihm muss man
nur noch den nötigen Feinschliff verpassen. Sein Lehrer wird Jerunen
sein, er ist der gewiefteste Krieger hier. Nichts für ungut, Orunes.
Du bist genau so gut. Du bist nur der bessere Lehrer für Anfänger,
weil du mehr Geduld hast. Kai, du hast Edrunes als Lehrer und Drake wird
mit Geyrunen sein Können wieder ein wenig auffrischen. Ach bevor ich’s
vergesse. Ihr seid von jetzt an Verbündete. Also schlagt euch nicht
die Köpfe ein. Das gilt vor allem für euch zwei." Er deutet auf
Drake und Geyrunen.
Am Morgen suchen sich die vier Schüler
und ihre Lehrer einen geeigneten Platz zum Üben. Ly hat sich mit Orunes
auf eine Lichtung begeben. Er hat ihr ein prächtiges Schwert gegeben,
das ihm vorher Tharik gegeben hatte. Das Training, stellt sich heraus,
ist nicht so schwer. Als Ly den Schwertkampf nach einer Woche ziemlich
gut drauf hat, fordert Orunes sie zu einem Duell heraus. Beide stellen
sich dem anderen gegenüber auf. Orunes greift an und verfehlt Ly nur
um Haaresbreite. Sie pariert noch etliche weitere Hiebe, doch dann ist
sie einmal dran. Sie weicht einem Hieb von rechts oben nach links unten
aus, und greift ihrerseits an. Sie will ihm das Schwert geradewegs in den
Bauch rammen. Doch Orunes hat dies kommen sehen und weicht aus. Dann folgt
Schlag auf Schlag. Ly drängt Orunes zurück bis er mit dem Rücken
an einem Baumstamm steht. Nach ein paar Hieben hat sie ihm das Schwert
aus der Hand geschlagen und hält ihm die Schwertspitze an den Hals.
Er sieht ein, dass er verloren hat. Aber beim zweiten und drittenmal gewinnt
er.
Da sagt er: "Du bist gut, aber du musst noch
viel üben."
Ly ist froh, dass es Kai nicht viel besser
mit Edrunes ergeht. Sie sind beide jetzt etwa gleich stark. Tai ist jetzt
fast perfekt. Fast niemand kann ihn besiegen. Drake hat wieder alles gelernt
was er vergessen hatte. Er hat sich sogar mit den Runenkriegern angefreundet.
Was man von beiden nicht erwartet hätte.
Nach einem Monat harten Trainings haben selbst
die Anfänger den Schwertkampf fast zur Perfektion gebracht. Jetzt
sind sie alle bereit für den Kampf.
Orunes hat ihnen einen Angriffsvorschlag gemacht.
Sie sollten sich in drei Gruppen aufteilen, damit die Bogenschützen
nicht so ein leichtes Spiel haben. Ly und Tai sind in der dritten Gruppe.
Sie müssen als letztes hinkommen, da die vorangehenden Gruppen ihnen
den Weg frei machen. Sie kommen dann leichter in die Burg. Die erste Gruppe
schlägt sich in der Front der Verteidiger durch. Die Zweite folgt
auf der rechten Seite, dort, wo der Wald ist. Die letzte Gruppe befindet
sich unterdessen im Wald und wartet darauf, dass die versteckten Krieger
sich auf die zweite Gruppe stürzt. Darum werden diese auch in der
Nähe vom Wald sein. Dann kommen Ly und Tai ins Spiel. Sie müssen
die restlichen Krieger mit ihrer Gruppe ausschalten und in die Burg stürmen.
Tharik haben die Gruppennamen überhaupt nicht gefallen. Er hat sie
umbenannt. Jetzt heissen sie Wolf, Luchs und Fuchs. Die Wölfe sind
im Wald. Sobald sie Tharik wie einen Wolf heulen hören, können
sie die Burg stürmen. Für die anderen gilt natürlich der
Ruf desjenigen Tieres, der als Name für die Gruppe steht. So können
sie sich verständigen ohne sich zu verraten. In zwei Tagen ist es
so weit. In der Zwischenzeit haben die Krieger mal eine Pause verdient.
An diesem Morgen hat es geschneit. Darum heben
sich die Krieger von Thirak so gut von der weissen Fläche ab. Nicht
nur die auf dem Feld, sondern auch die im Wald. Alle sind sehr angespannt
und würden am liebsten angreifen. Plötzlich ertönt ein Hornsignal
auf der anderen Seite des verschneiten Feldes, und damit setzt sich die
Truppe an der Front in Bewegung. Tharik gibt der Luchs-Gruppe ihr vereinbartes
Zeichen und der Kampf bricht mit voller Gewallt aus. Kurz darauf ertönt
das Zeichen für die Füchse. Thiraks Truppen sind in der Überzahl,
aber die Krieger von Tharik sind eindeutig die geschickteren. Somit machen
sie den Unterschied wieder wett. Die sind so miteinander beschäftigt,
dass jetzt die Wolfs-Gruppe gehen kann. Tharik ist bei ihnen, er macht
mit den anderen Kriegern den Weg noch ganz frei. Ly und Tai stürzen
in die Burg und machen sich zum grossen Saal auf. Dort angekommen erschlagen
sie zusammen die zwei Wächter und Ly bricht die Tür auf. Thirak
wartet schon auf sie. Er hat den Saal ein bisschen umgestellt.
Da sagt Thirak: "Jetzt seid ihr dran."
Mit diesen Worten greift er an. Ly und Tai
sind aber darauf vorbereitet, denn sie haben das alles mit Tharik besprochen.
Ly hindert ihn daran, sich zu bewegen, was noch schwierig ist, weil Thirak
so stark ist. Darum ist Tharik auch noch mitgekommen. Zusammen halten sie
ihn unter Kontrolle, währendem Tai sein Schwert unsichtbar macht und
es Thirak in den Rücken stösst. Als er es wieder heraus zieht,
bleibt der Fluch daran haften und wird gleichzeitig zerstört.
Draussen bricht der Kampflärm abrupt
ab. Alle fragen sich, was sie eigentlich hier machen und sind total verwirrt.
Thariks Krieger hören auf der Stelle auf, die anderen zu attackieren.
Bei Thirak sieht es genau gleich aus. Er ist
zusammengebrochen und liegt bewusstlos am Boden. Ly und Tai bringen ihn
in Drakes Zimmer, wo er in Ruhe ausschlafen kann. Ly bleibt unterdessen
bei ihm und heilt die Wunde in seinem Rücken. Sie bleibt auch danach
noch bei ihm. Als er aufwacht schaut er alle der Reihe nach an bis er bei
Tharik hängen bleibt.
Die zwei Brüder schauen sich eine Weile
an, dann sagt Tharik: "Könntet ihr uns eine Weile alleine lassen?"
Alle, die im Zimmer sind, drehen sich ohne
ein Wort um und gehen hinaus.
"Kommt, ich lade euch zum Essen ein. Ihr habt
sicher Hunger, und nach diesem Theater, das uns dieser Thirak eingebrockt
hat, müsst ihr bestimmt müde sein. Ich werde euch von meinen
Bediensteten je ein Zimmer herrichten lassen", sagt Drake.
Da meint Ly: "Tai und ich werden gerne dein
Angebot annehmen, was das Essen angeht, aber wir machen uns gleich danach
auf den Heimweg. Wir möchten gerne wieder einmal zu unseren Familien."
"Das kann ich verstehen", antwortet er. Da
fragt er Ly: "Wo ist überhaupt Tai?"
Ly schaut ihn nur einen Augenblick an, wirbelt
auf dem Absatz herum und sucht ihn. Sie findet ihn auf dem Schlachtfeld,
wo er die Leichen untersucht.
Sie fragt ihn: "Was machst du da?"
Er antwortet: "Ich will mich vergewissern,
das mein Bruder nicht tot ist."
"Da kannst du mich aber lange suchen", bekommt
Tai vom Wald her die Antwort.
Tai springt auf und rennt zum Wald, wo er
seinem Bruder geradewegs in die Arme fällt. Ly muss über beide
Ohren grinsen, als Tai sich plötzlich mit einem Ruck von Kai losmacht,
zu ihr herüber schaut, und gleichzeitig rot wie eine Tomate wird.
Zum Abendessen gibt es einen leckeren Hasenbraten
mit Pommes (Was einem hier draussen schon ziemlich überrascht) und
Rimuss zur Feier des Tages. Ly, Tai und Kai blieben dann doch noch über
Nacht.
Am nächsten Morgen erklärt ihnen
Thirak was geschehen ist. Er wurde gefangen genommen und mit einem Tötungsfluch
belegt. Dieser Fluch funktioniert so, dass die Person, die verflucht wurde,
ununterbrochen tötet. Die erste Person war der, der ihm den Fluch
aufgehalst hatte.
Thirak entschuldigt sich bei allen und verschwindet
einfach so, aber nicht alleine, denn Tharik geht mit ihm.
Die Runenkrieger bleiben bei Drake und bilden
jetzt die Armee von ihm.
Ly und die zwei Brüder begeben sich unterdessen
auf den langen Heimweg. Drake hat ihnen noch drei Pferde satteln lassen,
auf denen sie nach Hause reiten können. Er hat ihnen gesagt, wenn
sie durch den Wald reiten, werden die Pferde den Weg schon finden. Sie
sollen sie aber noch im Wald wieder gehen lassen, das heisst absteigen,
ihnen einen Klaps auf den Hintern geben und die Pferde werden von alleine
nach Hause finden.
Die Drei erreichen das Ende vom Wald, steigen
ab und machen genau das, was ihnen Drake gesagt hat. Sie kommen aber nicht
weit. Nicht einmal einen Schritt aus dem Wald. Sie hatten die Hunters ja
total vergessen. Alle Drei wüten unter ihnen wie Berserker und lassen
die Hälfte danach laufen. Sie hatten beschlossen, die Schwerter zu
behalten und in ihren Zimmern auf zu hängen. Sie begeben sich zu Lys
Haus, wo sie schon zehn Meter vor der Tür stürmisch begrüsst
werden, und gleich nachdem sie rein gegangen sind, müssen sie alles
erzählen, wobei sie allerdings die gefährlichen Sachen ein bisschen
herunter spielen.
Am Nachmittag verabschieden sie sich von einander
und Tai, Kai und Ly haben alle drei das Gefühl, etwas verloren zu
haben, aber es will ihnen einfach nicht einfallen. Doch dann merken sie
es alle drei miteinander. Sie haben ihre Kräfte verloren.
Da sagt Ly noch bevor die anderen gehen müssen:
"Tja, ich finde es zwar schade, aber im Grunde sind die auch nicht so wichtig.
Wir haben alle drei ein Schwert, mit dem wir sehr gut umgehen können.
Ich finde, das reicht vollkommen."
Und mit diesen Worten verabschiedet sie sich
endgültig.
© Aileen
Rahl
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