Alpine Flugsicherung von Peter Lässig

Die Sonne brach sich in den silbernen Schuppen des prächtigen jungen Drachen, der seinen Leib, immer noch ein wenig steif von der vergangenen Nacht, aus seiner gemütlichen Höhle im Dachsteingebirge ins Freie schob. Er streckte und lockerte seine Flügel, gähnte herzhaft und kratze sich seine Brust. "Wieder ein Tag. Mal sehen, was heute auf dem Speiseplan steht", dachte er sich und hielt seine Schnauze prüfend in den Wind. Er zog die noch kalte, kristallklare Morgenluft dieses wunderbaren Frühsommertages ein und schmeckte die frische Briese. Da war doch... da gab es... Der appetitliche Duft seines Frühstücks in Spe lag in der Luft. "Also heute frischer Gamsbraten", dachte sich Arakharhontius und stieß sich kraftvoll ab, sich voller Vorfreude die Lippen leckend.
Übermütig glitt er durch die Luft, bald die Wolkendecke durchbrechend und geschickt einem Flugzeug ausweichend, das im Landeanflug auf den nicht allzu weit entfernten Flughafen war.

Arakharhontius bereitete es ein stilles Vergnügen, diese metallenen Vögel zu betrachten und sich mit ihnen im fröhlichen Wettkampf zu messen. Menschen. Sie mochten nun zwar in der Lage sein zu fliegen, aber niemals würden diese schwerfälligen Flugapparate sich mit ihm in Punkto Geschwindigkeit und Aerodynamik messen können. Freilich machte er sich für die Menschen unsichtbar, denn das hatte Arakharhontius bald lernen müssen in all den Jahrzehnten, die er hier in den Alpen verbracht hatte: Nicht alle Menschen waren glücklich darüber, einen Drachen zu sehen, viele wollten Drachen gar töten, die meisten jedoch fürchteten sie einfach.

Arakharhontius folgte nun dem Flugzeug und ließ sich von dem durch die Triebwerke verursachten Sog durch die Lüfte ziehen, hie und da ein wenig zur Kurskorrektur mit den Flügeln schlagend, bald nahe an der Stelle wo er sein Frühstück einzunehmen gedachte.
Der silberne Drache tauchte in einem eleganten Bogen unter dem Flugzeug hinweg, wurde wieder sichtbar und ging in seinen Jagdflug über, der der Gams auf dem Felsvorsprung keine Chance lassen sollte. Arakharhontius' Frühstück war gesichert.
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"Herr Brandstetter! Schaun’s a moi do her!" Der junge Fluglotse war kreidebleich als er seinen älteren Kollegen zu seinem Monitor zerrte und auf den sich bewegenden Punkt zeigte, der auf dem Radarschirm der Salzburger Flugsicherung zu sehen war.
"Ja, und, was soll damit sein, Herr Obermeier? Das ist ganz normal der Flug LH748 von Wien kommend." "Ja, scho’, aber do ist doch der zweite Punkt gleich hinter dem Flugzeug. Des schaut so aus, als ob irgendwas hinter dem Flugzeug herfliegt. Der Pilot hat’s auch auf seinem Schirm, war aber nicht beunruhigt, i hob grad mit eam g’sproch’n über Funk."
"Wenn der Pilot nicht beunruhigt ist, sollten Sie es auch nicht sein, Herr Obermeier", meinte Herr Brandstetter grinsend. Und zum grenzenlosen Erstaunen Obermeiers fingen all seine Kollegen an zu lachen. "Ich verstehe beim besten Willen nicht, was daran so komisch ist. Da ist was hinter dem Flugzeug, es könnte zu einer Kollision kommen..." "Das wird es mit Sicherheit nicht, Herr Obermeier", unterbrach ihn Herr Brandstetter. "Schaun’s, der Punkt fällt eh schon zurück - und da isser a scho’ weg."
Obermeier starrte ungläubig auf den Radarschirm. Er glaubte es einfach nicht. Das zweite Signal war in der Tat verschwunden. Er konnte es sich doch nicht eingebildet haben? Andererseits, wohl doch, so wie seine Kollegen reagiert hatten. War da wirklich keine Gefahrensituation gewesen?
"Mach Dir nichts draus, Werner", sagte ein jüngerer Kollege. "Trink erst mal einen Kaffee auf den Schreck und dann erzählen wir Dir eine kleine Geschichte."
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Arakharhontius leckte sich genüsslich seine Lippen sauber. Das war ein schmackhaftes Frühstück gewesen. Was für ein Drachenleben! Fressen, Schlafen, in der Luft herumtollen – nur eines fehlte. Er seufzte. Schon lange hatte kein anderer Drache mehr seine Pfade gekreuzt. Zwar gab es Gerüchte, dass in den Salzburger Alpen noch ein anderer Drache, ein sogenannter Tatzelwurm, leben würde, aber begegnet war er ihm noch nie. Er war alleine.
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Das Geräusch der Triebwerke einer weiteren sich im Landeanflug befindlichen Maschine riss ihn aus seinen Gedanken. Offensichtlich musste es für die Menschen wieder etwas Besonderes in dieser Gegend geben, denn es gab Zeiten, da flogen am Tag nur ganz vereinzelt diese metallenen Vögel über die Berge zu diesem Flughafen, und dann gab es wieder Tage, an denen sie buchstäblich Schnauze an Schwanz landeten. Anscheinend war es heute wieder so weit.
Erneut erhob sich Arakharhontius, diesmal ein wenig schwerfälliger - kein Wunder nach dieser opulenten Mahlzeit -, in die Lüfte und näherte sich dem Flugzeug. Dabei machte er wie immer von seiner Magie Gebrauch, um für Menschenaugen unsichtbar zu sein.
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"Hallo Jungs", meldeten sich die Piloten des deutschen Urlauberjets, die diese Strecke regelmäßig flogen, bei der Salzburger Flugsicherung. "Unser treuer Freund gibt uns mal wieder Geleit."
"Treuer Freund? Geleit? I versteh des net", hob Obermeier an und hätte beinahe seinen Becher mit heißem Kaffee fallen gelassen als er auf seinem Monitor nicht nur den blinkenden Punkt des Fliegers sondern erneut den zweiten Punkt ganz dicht an dem ersten aufblinken sah. "W-Was ist das...", stammelte der junge Fluglotse.
"Ah, eine neue Stimme", meldete sich der Pilot wieder. "Ihr habt ihn noch nicht eingeweiht, Jungs, oder?"
"Nein, wir wollten es ihm gerade erzählen", meldete sich nun Brandstetter zu Wort. Aus dem Lautsprecher konnte Obermeier nun ein herzhaftes Lachen vernehmen. "Bringt es aber dem Jungen schonend bei, dass uns ein Drache am Leitwerk hängt und euch in eurer Arbeit unterstützt".
"Drache? Verarscht’s mi jetzt oder was?", wollte Obermeier wissen.
"Nein, wirklich nicht. Schaun’s Herr Obermeier, wir erklären es Ihnen", fing Brandstetter an. 
"Es ist wirklich kein Schmäh, und keiner von uns hier hätte das geglaubt. Aber wir haben diesen Drachen schon gesehen, vor vielen, vielen Jahren. Damals waren wir noch direkt am Flughafen angesiedelt. Die Flugsicherung ist ja erst seit 2002 hier draußen.
Jedenfalls, auch mein Vater, der schon in den frühern 50er Jahren am Salzburger Flughafen gearbeitet hat, kannte diesen Drachen. Keiner wusste woher er kam und warum er da war. Aber er war da und hat, keine Ahnung wie und warum, den Piloten geholfen, ihre Maschinen sicher zu landen. Sie wissen doch, dass der Salzburger Flughafen vor allem während der Fönstürme und der Berge ringsum ein wenig schwieriger zum Anfliegen ist. Und damals war ja die Technik noch lange nicht so weit, als dass das Landen da eine ganz sichere Angelegenheit gewesen wäre. Wie auch immer, ab und an hat  sich der Drache den Piloten und auch den Fluglotsen gezeigt. Ich sag Ihnen, diesen Anblick kann man einfach nicht vergessen."

Brandstetter geriet ins Schwärmen. "Seine silbernen Schuppen glitzerten wie Kristalle im Sonnenlicht, als er über dem Flughafen seine Kreise zog. Ich war damals noch ein kleiner Bub und mein Papa hat mich mitgenommen zum Flugzeuge Anschauen. Ich kann mich noch erinnern, damals sollte eine Super-Constiallation landen. Das war damals das Passagierflugzeug. Atlantikfähig. Und da tauchte der Drache auf, von dem mir mein Papa immer schon erzählt hatte, ich hab ihm das damals nie geglaubt..."
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Arakharhontius lächelte; mit seinen telepathischen Fähigkeiten hatte er die Funksprüche zwischen dem Piloten dieses Jets und dem Fluglotsen, der am Mikrofon der Flugsicherung saß, belauschen können. Ja, er hatte sogar die Geschichte des älteren Mannes vernommen, der offensichtlich Brandstetter genannt wurde.
Natürlich wusste Arakharhontius nicht, wer dieser Mann genau war, aber er konnte sich noch erinnern an jenen heißen Sommertag, an dem er auf dem damals kaum belebten Rollfeld zwei Menschen erspähte, offensichtlich Vater und Sohn. Er hatte auf jegliche Tarnung verzichtet und war dann sogar prahlerisch gelandet; er würde die erstaunten, aber doch auch unsäglich glücklichen Kinderaugen dieses Knaben niemals vergessen. Er hatte sich von diesem Kind später sogar seine empfindliche Schnauze tätscheln lassen.  Und dieses damalige Kind war wohl dieser ältere Mann, den er im Hintergrund sprechen gehört hatte.

Der silberne Drache änderte seine Richtung und machte eine elegante Wende, die thermischen Winde nutzend, um zu seiner Höhle zurückzukehren. Eines konnte dieser Mensch namens Brandstetter nicht wissen: Vielleicht hatte Arakharhontius vor langer Zeit den Piloten bei ihrer Landung ja tatsächlich geholfen - zumindest hatte es wohl so auf sie gewirkt.
Warum er das jemals getan hatte wusste er jedoch selber nicht; vielleicht war es einfach jugendliche Neugierde und purer Leichtsinn gewesen. Oder aber Ausfluss seiner Einsamkeit. Aber das alles war jetzt für ihn passé.

Er seufzte und ging in einen Sturzflug über, als er ein Reh erblickte, das unvorsichtigerweise nicht früh genug die Deckung des Waldes suchte. Man musste schließlich Beute schlagen wenn sich schon die Gelegenheit bot. Und es sah einfach zu appetitlich aus.
Jedenfalls waren ihm mittlerweile die Menschen gleichgültig geworden. Er wusste, dass viele seiner Artgenossen sie regelrecht hassten, er verurteilte die anderen Drachen dafür mit Sicherheit nicht. Ihm selbst hingegen waren Menschen nur egal. Solange sie ihn in Ruhe ließen würde er sich nicht in ihre Belange einmischen. Sollten sie doch weitermachen wie bisher in ihrer Ignoranz, sinnlose Kriege führen, Tiere zum Sport töten oder in Tropenwäldern und in geschützten Gebieten Alaskas nach Öl bohren, er würde sich schon zu wehren wissen, sollte man ihn angreifen. Aber eigentlich wollte Arakharhontius einfach nur seine Ruhe.
Mit Sicherheit begleitete er diese Fuggeräte nicht um der Menschen willen, auch wenn sich das manche der Zweibeiner einbildeten, so wie dieser Brandstetter oder der Pilot. Es machte ihm einfach Spaß, in den Abwinden zu gleiten und sich von dem Sog der Triebwerke mitziehen zu lassen, aber die Flugzeuginsassen interessierten ihn nicht weiter. Sollten sie doch machen, was sie wollten...

Ein lauter Knall störte Arakharhontius in seiner Mahlzeit. Er blickte auf und sah am Horizont einen jener kleineren Flugapparate, die ihn besonders faszinierten: Sie waren schnittiger und ein wenig schneller, waren also auf diese Weise im sportlichen Wettkampf eher ein adäquater Partner für einen Drachen.
Nur, irgendwas war bei diesem Metallvogel anders. Abgesehen davon, dass nach diesem Knall nun gar kein Geräusch mehr zu hören war, dieser schwarze, klebrige Rauch, der dem Metallvogel wie ein Kometenschweif folgte, war kein Anblick, der Arakharhontius in irgendeiner Weise vertraut gewesen wäre. Lag da nicht auch noch ein eigenartiger Geruch in der  Luft? Die Flugbahn dieses Vogels war ebenfalls etwas ungewöhnlich, sehr steil nach  unten...
Neugierig erhob sich Arakharhontius mit kräftigen Flügelschlägen und beäugte den Flugapparat genauer. Definitiv war hier etwas anders als sonst und als er noch ein wenig näher kam drangen Geräusche an sein empfindliches Gehör. Er brauchte einige Momente, um diese Geräusche einzuordnen, es waren Schreie, Schreie von Menschen in Panik und Todesangst.
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"Ausfall beider Hecktriebwerke! Wir versuchen Notlandung auf Salzburg-Airport, Ende!" Der Funkspruch hallte wie ein Donnerschlag durch den dunklen Raum der Flugsicherung. Ein Krisenstab war eiligst zusammengerufen worden,  Berechnungen wurden angestellt, Ambulanzen und Feuerwehren wurden auf die Rollbahn geschickt. Die Maschine war noch circa fünfzig Kilometer entfernt vom Flughafen, noch über den Bergen. Eine Notlandung wäre dort unmöglich.

Brandstetter wischte sich über die Stirn. Das war der erste Notfall seit gut fünfzehn Jahren. Aber er musste voller Bewunderung zugeben, der jüngste im Team, der frisch ausgebildete Obermeier, legte - im Gegensatz zu der Geschichte mit dem Drachen - eine gerade zu stoische Gelassenheit und Professionalität an den Tag. Geschäftig delegierte er Aufgaben und gab dem Piloten Anweisungen. Offensichtlich waren beide Triebwerke gleichzeitig ausgefallen. Ob es eine Explosion gegeben hatte, konnte man nicht feststellen, nur, beide Düsen ließen sich auch nicht mehr zuschalten. Später würde man den Flugschreiber auswerten müssen, wenn ...ja, wenn die Maschine sicher gelandet war. Brandstetter ertappte sich dabei, dass er fast schon verzweifelt auf das Radargerät starrte. Der blinkende Punkt des Jets näherte sich quälend langsam dem Ziel. Rapide hingegen nahm die Höhe ab.
Langsam sickerte es in Brandstetters Bewusstsein, dass er etwas ganz bestimmtes auf dem grünen Radarschirm zu erblicken hoffte, nämlich das Aufblitzen eines zweiten Punktes, nahe an dem ersten...
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Inzwischen war Arakharhontius in die unmittelbare Nähe des Flugzeugs gekommen und wurde wieder unsichtbar. Er sah die Maschine in einem sehr steilen Winkel auf die verschneiten Gletschergipfel zusteuern. Sein scharfer Drachenblick glitt in das Innere des Flugzeugs. Da saßen Männer und Frauen und Kinder, manche schrieen in Angst, andere beteten. Manche saßen bloß apathisch da. Die Gedanken dieser Menschen droschen auf Arakharhontius Bewusstsein ein: Die letzten Gedanken an geliebte Angehörige, an nie gelebte Leben, an unerfüllte Träume, an Sorgen, die im Angesicht des Todes auf einmal so nichtig waren.
Weshalb Arakharhontius' Blick auf das kleine Mädchen fiel, das inmitten des ganzen Chaos hingebungsvoll ein Bild auf ihren Knien betrachtete, konnte er später nicht mehr sagen. Aber dieser Anblick rührte ihn zutiefst und jetzt erst bemerkte er, was das Kind da in den Händen hielt: Ein offensichtlich von ihr gezeichnetes Bild von einem Drachen, der ein Kind auf seinem Rücken trug. Mensch und Drache waren darauf friedlich vereint, diese Zeichnung spiegelte tiefe Freundschaft und Vertrauen wider.
Arakharhontius wusste nun endlich, was zu tun war.
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Der Schädel des Piloten drohte zu platzen als in seinem Kopf eine Stimme dröhnte: "Mensch, Du tust nun genau das, was ich sage, wenn ihr nicht sterben wollt!"
Der Pilot saß wie elektrisiert in seinem Sitz und sah seinen Copiloten an. Dieser war noch ein wenig blasser geworden. "Ich... ich habe es auch gehört."
"Wir haben es auch gehört!" erschall eine Stimme aus dem Lautsprecher. In der Flugsicherung hatte nun Brandstetter übernommen, seine Stimme klang trotz der nahezu auswegslosen  Situation erleichtert. "Wir haben keine Zeit für Erklärungen, folgen Sie einfach den Instruktionen, die Sie nun erhalten werden."
Die Stimme des Piloten zitterte: "Wir haben jetzt etwas im Radar direkt vor uns, ein Flugobjekt keine fünfzig Meter vom Flugzeug entfernt, aber ich kann nichts sehen. Wir werden gleich kolli..."
"Nun hör mir gut zu, Mensch!" donnerte die Stimme. "Habe Vertrauen und mache nun nichts. Ich werde die Kontrolle über diesen Metallvogel übernehmen. Und noch was. Sorge dafür, dass das Geschrei der anderen Menschen bei dir ein Ende nimmt. Mein Gehör ist sehr empfindlich!"
"Wer...was...", stammelte der Pilot.
"Keine Fragen, gehorche einfach, Mensch, wenn Du leben willst!" grollte der Drache, der um das Flugzeug kreiste, und tauchte nun elegant unter dem sich immer noch im Sinkflug befindlichen Rumpf hinweg zu dem Heck der Maschine.
Der ölige Rauch biss in Arakharhontius' Augen und Nasenlöchern. Offensichtlich kam er aus diesen beiden Ausbuchtungen am Heck dieses Vogels, die anscheinend für dessen Antrieb vorgesehen waren.

Ein Ruck ging durch die Maschine und Taschen purzelten aus den Handgepäcksablagen als der Sturzflug abrupt gestoppt wurde.
Genau in diesem Augenblick ertönte die immer noch bebende Stimme des Piloten: "Bitte bleiben Sie angeschnallt und in der Notlandehaltung auf Ihren Sitzen. Es ist ein..." - hier versagte die Stimme des Piloten kurz - "...ein Helfer geschickt worden, der uns bei der Notlandung auf dem Salzburger Flughafen helfen wird. Ich versichere Ihnen, es besteht kein Grund zur Beunruhigung. Wir werden in wenigen Minuten landen. Nach der Landung begeben Sie sich bitte zu den gekennzeichneten Notausgängen und verlassen das Flugzeug über die Rutschen. Auf keinen Fall darf Gepäck mitgenommen werden beim Ausstieg und die Schuhe sind zuvor auszuziehen."
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Arakharhontius stöhnte auf als er seinen Körper unter das Flugzeug stemmte und es damit stabilisierte. Auf diese Weise konnte er es sozusagen huckepack zu dem Flughafen bringen. Er musste Kontakt mit diesen Menschen aufnehmen, mit denen der Pilot in Kontakt stand, um ihnen seinen Plan mitzuteilen.

"Sofort einen Schaumteppich auf Runway 5!" bellte Obermeier in das Mikrofon und nach wenigen Augenblicken waren die Feuerwehrfahrzeuge auf dem Rollfeld unterwegs, es aus großen Kanonen mit einem dicken Teppich aus Schaum eindeckend.
Obermeier lehnte sich zurück und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Der Pilot war bereits informiert, dass er unter keinen Umständen das Fahrwerk ausfahren dürfe.
Brandstetter stand neben ihm, seine Augen geschlossen und sein Gesicht in tiefster Konzentration zu einer Fratze verzerrt, als er mit dem Drachen telepathisch kommunizierte und seinen Plan entgegennahm.
Arakharhontius wollte das Flugzeug mit seinem Köper soweit abbremsen, damit es dann bäuchlings auf dem Schaumteppich aufsetzen konnte. Der kritische Moment würde der sein, an dem der Drache unter dem Flugzeug hinwegtauchen musste, um nicht zerquetscht zu werden.
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Die Landebahn kam in Sichtweite und die Maschine glitt sanft darauf zu. Gebannt blickte der Pilot auf den Höhenmesser, der kritische Augenblick musste bald kommen: Noch hundert Meter, noch siebzig Meter, noch fünfzig Meter... Er hatte die Anweisung, auf dem Schaumteppich eine Bauchlandung vorzunehmen und erst auf ein ausdrückliches Kommando hin die Maschine mit dem Steuerruder zu stabilisieren.
"Viel Glück, Mensch! Es ist soweit. Jetzt!", dröhnte die Glockenstimme im Kopf des Piloten. Ein Schlingern ging durch das Flugzeug und der Höhenmesser zeigte nur noch wenige Meter an. Der Pilot packte das Steuer und stabilisierte sofort den trudelnden Jet, ihn nun sachte auf dem dicken Schaumteppich aufsetzend. Im Passagierraum war es totenstill, jeder hielt den Atem an.

"Wir sind unten", ertönte die matte Stimme des Piloten aus dem Lautsprecher und bei den Leuten der Flugsicherung brach lauter Jubel aus.
"Das war eine Meisterleistung an Koordination, Herr Obermeier", lobte Brandstetter. Dieser wurde verlegen. "Für diese Fälle wurden wir in Wien geschult. Nicht aber darauf, dass Drachen uns als Fluglotsen assistieren. Ohne ihn ...ich mag gar nicht daran denken, was passieren hätte können."
"Hätten sie eine Chance gehabt?" fragte ein anderer Kollege. "Nein", entgegnete Obermeier. "Beide Triebwerke sind ausgefallen. Die Fokker ist kein guter Gleiter. Vor einigen Monaten gab es so einen ähnlichen Vorfall, am Münchner Flughafen. Auch beide Triebwerke ausgefallen. Nur da waren freie Felder wo die Maschine notlanden konnte. Aber in den Bergen hätten die nirgends landen können."
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Arakharhontius kreiste über dem Flughafen, unsichtbar für die Menschen, die nun eiligst aber diszipliniert über die Notrutschen das Flugzeug verließen. Einige leicht verletze Passagiere wurden zu den bereitgestellten Krankenfahrzeugen gebracht.
Sein scharfer Drachenblick erfasste das kleine Mädchen als sie gerade die Rutsche hinunter glitt, das Drachenbild an ihre Brust gepresst wie ein kostbarer Schatz.
Als sie mit ihren Eltern über das Rollfeld ging wandte sie sich mit einem Mal um und blickte in Richtung des Drachens. Arakharhontius war im ersten Augenblick verunsichert, ob er überhaupt den Unsichtbarkeitszauber angewandt hatte, aber er war in der Tat unsichtbar für Menschenaugen. Und dennoch, das Mädchen winkte ihm eindeutig zu und sein feines Gehör vernahm eine Kinderstimme: "Danke, dass du uns gerettet hast, lieber Drache. Ich wusste, dass du uns helfen wirst. Ich habe immer an dich geglaubt. Vielleicht kommst du mich ja mal besuchen, ich würde dich sooo gerne einmal streicheln. Tschü-üß."
 

© Peter Lässig
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