Teufelsdiener von Anubis

Ich war der Diener des Teufels. Ich wusste nicht, ob er der Teufel war, aber in jedem Fall war er das mächtigste, brutalste und dunkelste Wesen, dem ich je begegnet bin. Er war mächtiger als sich irgendjemand vorstellen konnte. Kein Wunder, dass ich sein Untergebener war. Auf Lebenszeit. Wenn er erst sein Ziel erreicht hatte und wahre Macht erlangt hatte, würde ich ebenfalls aufsteigen; immerhin war ich von Anfang an dabei gewesen und hatte ihm immer treu gedient.

Ich eilte durch die dunklen, nassen Gänge. Er hatte mich gerufen, ein unbeschreibliches, mächtiges Donnern, das meinen ganzen Kopf ausfüllte und tausendfach darin widerzuhallen schien. Ich weiß nicht, wie ich das Opfer meiner Seele an ihn rechtfertigen soll. Aber das beste an der dunklen Seite war, dass man nichts von seinem Handeln erklären musste.

Er, also seine Krieger, haben meine ganze Familie ausgelöscht, so wie den Rest des Dorfes. Ich wurde freiwillig zu seinem Diener. War man einmal mit ihm in Berührung gekommen, in welcher Weise auch immer, wurde man süchtig. Man wurde begierig, von ihm gerufen zu werden, denn die Berührung durch seinen Geist war wie eine Droge. Besser kann ich es nicht beschreiben.

Ich quetschte mich an einer Gruppe jammernder Gefangenen vorbei, die in Ketten gelegt und von Wächtern getrieben im Gänsemarsch durch die Dunkelheit stolperten.
Mein Meister konnte niemanden töten. Dazu war er noch zu schwach. Aber dafür hatte er ja seine treuen Diener. Noch war er so schwach, dass er bei der Berührung von Blut verbrannte. Er konnte noch besiegt werden, vor allem von den magischen Wesen dieser Welt. Sein wichtigstes Ziel im Moment war also die Vernichtung der Elfen, denn die stellten noch die größte Gefahr dar.

Aber wenn er erst mal das Ritual vollzogen hätte, würde er unbesiegbar sein... Und ich an seiner Seite...
Ich war stolz darauf, all diese Zusammenhänge zu erkennen und Bescheid zu wissen, denn viele interessierten sich nur noch für die Machtberührung durch den Meister und verwandelten sich dadurch langsam zu sabbernden, schwachen Tieren. Widerlich! Das war eindeutig unter meiner Würde!

Ich erreichte endlich seinen Thronsaal, sein Gemach. Verwesungsgeruch schlug mir entgegen. Ich atmete ihn zufrieden ein. So roch mein Zuhause! Ich duckte mich automatisch und näherte mich demütigst meinem Herrn.
Seine gewaltige Stimme dröhnte durch das Gewölbe.
"DU DARFST AUFSEHEN, UNTERTAN!"
Ich richtete mich langsam und höflich auf. Dann sah ich zu ihm hinauf.

Ja, dort saß er auf seinem eindrucksvollen Thron...
Er war mindestens drei Meter groß und der flackernde, schwache Kerzenschein huschte unruhig über seinen Schädel.
Irgendwo tief in den Augenhöhlen brannten zwei rote Augenlichter. Sein Blick lähmte zuerst, wie immer. Er strahlte das pure Böse aus und seine Macht war beinahe greifbar.

Ich verbeugte mich noch ein weiteres mal.
"Was wünscht ihr, mein Gebieter?", fragte ich demütig.
Kaum ein Diener durfte in seiner Gegenwart überhaupt sprechen. Ich war einer seiner wenigen Vertrauten.
"ICH HABE HUNGER, DUNCAN. DIESMAL HAST DU DIE EHRE, MIR EINE SEELE ZU OPFERN!"
Nun, ich erwähnte noch nicht, dass mein Herr weder atmete, noch schlief oder aß. Jedenfalls nicht in dem einen Sinn von "essen". Er ernährte sich von Seelen. Vorzugsweise von mächtigen, also von denen seiner Feinde. Und es war eine unbeschreibliche Ehre, ihm seine tägliche Seele zu opfern.

Ich blickte mich sofort nach dem Opfer um... und erstarrte bei seinem Anblick. Eine wunderschöne, junge Elfe kniete in Ketten auf den Treppen zu seinem Thron. Ich schluckte. Meine Kehle fühlte sich plötzlich rau und ausgetrocknet an. Ich musste husten. Mein Herr schien nichts zu bemerken, so hungrig und gierig wartete er auf ihre Seele. Seine langen Fingernägel schabten unangenehm über die 
steinernen Armlehnen seines Thrones, als er seine knochigen Finger zu Klauen krümmte.

Ich stand immer noch an meiner Stelle und schaute auf die Elfe hinab.
In diesem Moment hob sie ihren Kopf und blickte mich ebenfalls an. Mein Herz krampfte sich zusammen. Ihre grünen Augen glitzerten, sie waren nicht wie die der anderen wimmernden Opfer gebrochen und leer. Sie war wunderschön und selbst das war noch untertrieben. Sie musste ein Engel sein. Sie richtete sich stolz auf. Ihre Augen verweilten immer noch auf mir. Ich setzte einen Schritt vor den andern. Ihre Ketten rasselten leise, als sie sich bewegte.

Kein Jammern, kein Betteln, nur dieser feste, unnachgiebige und durchdringende Blick. Ihre weißen, langen Haare leuchteten sanft. Ich stand jetzt direkt neben ihr. Ich konnte meine Augen nicht von ihren abwenden. Eine einzelne, funkelnde Träne rann ihre Wange herab, ohne dass der Stolz in ihrer Haltung verschwand. Ich beugte mich zu ihr hinab und wischte sie fort. Die Berührung mit ihrer Haut versetzte meinem Herz einen weiteren, brutalen Stich. Es blutete geradezu.

Der Herrscher knurrte ungeduldig. Ich blinzelte verwirrt. Seine Gedanken berührten unwillig meine, forderten mich auf mich zu beeilen. Ich keuchte laut auf, mein Inneres schien von zwei mächtigen Gegnern hin und her gezerrt zu werden. Alles in mir verkrampfte sich. Er verstärkte seinen Druck in meinen Kopf. Ich bekam keine Luft mehr.
Die grünen, strahlenden Augen starrten mich an.
Ich fing an zu zittern und bekam keine Luft mehr.

Gerade als ich glaubte zu ersticken, zerbrach etwas in mir. Man hörte tatsächlich ein unnatürliches Reißen. Mein Gebieter keuchte verwundert auf und seine Augenlichter flackerten ungläubig. Er hatte Angst. Vor mir. Mit einem Ruck zog ich mein Messer, war mit einem Schritt neben ihm und hielt meinen Arm ausgestreckt über ihn. Seine Macht war unbedeutend geworden. Ich schnitt in mein Handgelenk und das Blut floß rot hinaus, rann meinen Arm hinunter und tropfte auf seine schwarze Kutte.

Sein gewaltiger, ohrenbetäubender Schmerzensschrei schien von weit weg zu kommen. Ich beobachtete mein eigenes Blut, das ihn versengte, ohne dass er sich wehren konnte. Er tobte in meinem Kopf. Aber ich war taub für ihn.
Irgendwann wurde ich ohnmächtig und ich weiß nicht, wieviel Blut ich wohl verloren habe.
Ich kippte um aber eine Sekunde vorher wusste ich, dass er tot war. Das letzte, was ich sah, waren zwei große, grüne Augen über mir.

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Tja, ihr fragt euch sicher, ob ich noch lebe. Man sagt ja, Elfen haben magische Heilkräfte. Das ist natürlich von niemandem bewiesen. Aber wahrscheinlich fragt ihr euch... wie kann ich diese Geschichte schreiben, wenn ich tot bin?
 

© Anubis
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