Die Simian-Katze von ArgRIB Skywalker |
"Na, dich haben sie ja nach allen Regeln der Kunst rausgeschmissen." Der Skar saß auf einer Mauer in der warmen Sonne, ließ seine Beine und seinen langen, glatten Schwanz in der Luft hängen und genoss die warme Sonne auf seinem schwarzen Fell. Entgegen den meisten Bewohnern der Stadt, welche sich gegen die heißen Strahlen der Sonne in helle, luftige Gewänder hüllten, schien diesen Skar die Hitze nichts auszumachen. Statt eines dieser Gewänder trug er nur eine einfache Hose und eine fast zu klein wirkende Lederweste. Seine raubkatzenähnlichen Fangzähne zeigten sich, als er die junge Frau, welche ihn aus der Gasse böse anfunkelte, schadenfroh angrinste. "Was weißt du schon, Katze?",
fragte die wütende Frau zurück. 'Katze' war eine Bezeichnung,
die den angesprochenen Skar meist dazu brachte, dem Sprecher die Kehle
zu zerreißen.
Nun grinste der Skar wieder, die Frau versuchte
wenigstens an den Augen einen sicheren Unterschied festzustellen, es gelang
ihr nicht. Die Skar waren den Menschen so fremd, dass seine Gesten alles
bedeuten konnten, zumal sie gerade nicht in der Stimmung war, sich mit
solchen Fragen auseinander zu setzen. Die Worte des Skar machten sowieso
klar, wie sein Gesicht zu deuten war.
Der Skar ließ sich mit einer Geschmeidigkeit
von der Mauer gleiten, welche nur diesen katzenhaften Wesen inne war. Die
beiden Hände in die schmalen Hüften gestemmt, baute sich der
Skar vor ihr auf. Die Frau musterte ihn skeptisch. Die meisten Skars waren
zwar geschickt, aber eher schmächtig, nicht kräftiger als sie
selbst, nun schien dieser einer von den Zäheren zu sein.
Also, das war doch... In einem Augenblick hatte
die junge Frau ein langes Messer in der Hand und führte einen Angriff
auf das Gesicht des Skars aus. Dieser war nun natürlich schon behände
zurück gesprungen und grinste sie an.
Die Frau zwang sich, sich zu beruhigen, betont gelassen steckte sie ihr Messer wieder weg und erwiderte ernst und ruhig: "Nein, ich habe einen Auftrag und gedenke ihn zu erfüllen." Ein Fauchen löste sich aus der Kehle des
Skar, erstarrt und ungläubig schaute er sie an. Dann grinste er wieder
und lehnte sich gelassen gegen die Lehmmauer, auf der er eben noch saß.
"Das ist mein Auftrag", erwiderte die Frau
gelassen.
"Ich werde meinen Auftrag erledigen", beharrte
die Frau.
... Der Skar saß wieder auf seiner Mauer
und genoss mit geschlossenen Augen die Sonne in der Wüstenstadt.
Der Skar reagierte nun doch und schaute zu
der jungen Frau herunter. Dann antwortete er gelassen: "Nun, wir Katzen
fangen uns Ratten zum Essen."
Der Skar schloss noch einmal die Augen, entschied
dann aber, dass es interessant werden könnte und ließ sich in
die Gasse fallen. Geschickt kam er vor der Frau auf und fragte: "Was ist?
Hasst du eine Idee, wie du Ihn beeindrucken willst?"
Der Skar schaute mit großen Augen überrascht,
dann stieß er einen Laut aus, was wohl äquivalent zum menschlichen
Seufzen war und war mit einem Satz wieder auf der Mauer. Von dort aus meinte
er: "Vergiss es, diese Katze ist ein Gerücht, niemand weiß überhaupt,
was sie eigentlich ist. Eine Statue, ein Amulett, eine Waffe. Niemand weiß
es."
Der Skar zischte überrascht, dann drehte
er sich auf den Bauch, legte seinen Kopf auf seine Arme und schaute zu
der Frau herunter. Sein Schwanz spielte in der Luft.
Wieder dieses 'Seufzen' des Skar. "Wo hast
du diesen Unsinn aufgetrieben? Eine Legende mit einer Legende erklären,
sehr intelligent. Und da rühmt ihr Menschen euch doch immer, so klug
zu sein. Aber Verstand scheint ihr keinen zu haben."
Der Skar schloss die Augen, streckte sich ein wenig und legte sich wieder in die Sonne. Für ihn war das Thema abgeschlossen, er ahnte zwar schon, was sie von ihm wollte, doch für solche Spiele war er nicht zu haben. Legenden suchen, na sicher. "Hilfst du mir, sie zu finden?", fragte sie
frei heraus. Der Skar reagierte nur, indem er sich auf die andere Seite
drehte.
Die junge Frau versuchte sich zu beruhigen und zwang sich sachlich und professionell an die Sache heranzugehen. "Hör mir zu, Skar!", sprach sie den auf der Mauer liegenden an. "Hör mein Angebot an und dann kannst du immer noch ablehnen. Obwohl ich bezweifle, dass du es dann noch wirst." ... Die Sonne brannte ungehindert auf den heißen Wüstensand. Die Frau stapfte hinter dem Skar her, welcher das Knui an den Zügeln führte. Sie hatte sich gegen die Sonne nun auch in das typische Gewand der Wüste gehüllt. Der weiße Stoff hielt die Hitze ein wenig ab und der leichte Wind, der über die Dünen ging, war zwar ebenso warm, doch er sorgte dafür, dass es unter den vielen, luftigen Schichten des Gewandes nicht stickig wurde. Kopfschüttelnd schaute sie zu dem Skar, der trotz seines schwarzen Fells nichts gegen die Sonne anhatte. Die helle Sonne ließ das Fell des Skar glänzen, musste ihn aber doch fast braten. Sie selbst hielt es auch unter dem weißen Stoff kaum aus. "Warum trägst du nicht auch das Talldar,
wie alle anderen Skar auch?", fragte sie ihn.
Schweigend stapften beide durch die Wüste.
Die junge Frau hatte im Grunde keine Ahnung, wo es hin ging. Sie hatte
zwar dem Skar einen Ort genannt, von dem sie in ihrem Inneren genau wusste,
dass er der richtige ist, doch wusste sie nicht, wo dieser Ort lag. Und
dazu brauchte sie ja ihren Führer. Und dieser war ohne weitere Fragen
losgezogen.
"Wie weit ist es noch?" frage sie zum
wiederholten Mal.
Wetter? Die Frau schaute in den wolkenlosen Himmel, aus dem die Sonne unbarmherzig herab brannte. Hier brannte jeden Tag die Sonne gleich stark, sie hatte noch kein anderes Wetter erlebt. Selbst so etwas wie Sommer und Winter schien es nicht zu geben. Gut, sie war noch nicht lange hier in der Wüste, dennoch, bis auf einen Sandsturm hatte sie noch keine Wetterunbequemlichkeiten beobachten können. Und danach sah es nun wirklich nicht aus. Der leichte Wind, der über den Sand strich, konnte kaum den kleinsten Staub aufheben, der auf den Dünen lag. "Warum hast du eigentlich doch eingewilligt,
mich zu diesem Mythos zu führen?", fragte sie, um das Schweigen
zu brechen.
... Sie waren an dem Ort angekommen, sie spürte es einfach. Schon früh hatte sie gelernt, sich auf ihr Gefühl zu verlassen. Deshalb konnte sie auch den Häschern des Kaisers entfliehen und in der großen Wüstenstadt abtauchen. Die Frau schüttelte sich innerlich, das war Geschichte. Sie schaute sich um. Es war ein blühender
Ort mitten in der Wüste. Eine Oase in einem tiefen Tal sorgte für
genug Wasser. Allerdings fragte sie sich, wieso die Dünen das Tal
noch nicht erobert hatten, nichts war für den Wind einfacher, als
den ganzen Sand der Wüste hier herein zu wehen. Doch das war nicht
ihr Problem, sie hatte einen Auftrag.
Der Skar kam gerade wieder und händigte
ihr einen bunt bemalten, etwa Handspannen großen Holzstab aus. "Dein
Pfandstab", meinte er, "und hier das restliche Geld. Es kommen nicht viele
Reisende her, also sind die Unterbringungskosten für die Knui
auch nicht so hoch."
Es war ein merkwürdiger Ort. Natürlich lebten hier viele Skar, auch einige, die ähnlich wie ihr Führer ohne diese hellen Gewänder herum liefen. Doch was sie am meisten verwunderte war, dass es hier Menschen gab. Dunkelbraune, fast schwarze Haut, doch Menschen. Sie hätte nicht gedacht, dass es so weit vom Kaiserreich entfernt noch möglich war auf Menschen zu treffen. Allerdings half ihr das auch nicht weiter. Hier würde wohl kaum einer die Kaisersprache sprechen, zumal selbst wenn sie sich verstehen würden, würden sie wohl kaum nach einer Simian-Katze fragen können. Werkatzen waren Legenden und selbst diese Legenden lebten einsam und mieden Kontakte mit Normalsterblichen. Ziellos schlenderte sie durch die wenigen Straßen,
der Skar folgte ihr schweigend. Es war ein merkwürdiger Ort. Da es
bis auf den paar Palmen an der Oase keine Bäume gab, waren die meisten
Häuser hier Lehmhütten. Lehm schien überhaupt in der Wüste
der Grundbaustoff zu sein, selbst die Stadt, aus der sie aufgebrochen waren,
bestand größtenteils aus Lehmbauten. Nur waren diese im Vergleich
zu hier ungleich größer. Hier schien eher Zweckmäßigkeit
vorzuherrschen, kleine, ungeschmückte Hütten.
Es war irgendwie befremdend, durch die Stadt zu gehen und das, obwohl ihnen kaum jemand mehr als einen Blick würdigte. Sie mochten zwar Fremde sein, doch abgesehen von einigen Kindern schienen sie kaum eines Aufblickens würdig. In der großen Stadt lebten die wenigen Menschen und die Skar deutlich voneinander getrennt und den Kindern wurde bei Strafe verboten, zu den gefährlichen Skar zu gehen. Und hier spielten Skar- und Menschenkinder sorglos miteinander. Und dann gab es noch die Tiere. In der großen
Stadt gab es kaum Haustiere. Nicht weil kein Platz gewesen wäre, man
hätte ja etwas Größeres bauen können. Nein, es gab
einfach keine Haustiere, weil es nicht der Sitte der Skar entsprach Tiere
zu halten. Freiheit war ihre Philosophie und dies gilt auch für alle
Tiere. Zumal alles außer Nutztiere nur zusätzliche Esser darstellten.
"Du kannst dich doch mit den Leuten hier verständigen", sprach sie ihren Führer an, "kannst du bitte nach eine Taverne fragen. Wenn es hier Menschen gibt, werden sie sicher auch so etwas wie Bier haben." ... Sie hatte sich schon auf schlechte Neuigkeiten eingestellt, doch es gab eine Kneipe und es gab auch so etwas wie Bier. Jedenfalls etwas weit entfernt verwandtes davon. Ihr reichte es. Sie verstand es sowieso nicht, wenn andere Menschen von gutem Bier schwärmten, es gab Bier, das schmeckte nicht, und Bier, das konnte man trinken. Bier war für sie nicht zum feinschmecken, sondern hatte nur einen Zweck. Sie schaute sich in der kleinen Kneipe um.
Ihr Führer saß ihr gegenüber und trank ein typisches Skar-Getränk,
welches sie in hundert Jahren nicht runter kriegen würde. Die Taverne
war klein und auch kaum besucht. Durch die Lehmwände war es verhältnismäßig
frisch und auch die aus Lehm gefertigten Bänke und Klötze, welche
wohl Tische sein sollten, strömten frische Kühle aus.
Ihr Blick schweifte weiter. Der Barmann stand hinter seiner Theke, ebenfalls aus Lehm, und wischte, wie es sich für Barmänner gehörte, an einen Glas. Allerdings schien das Tuch ziemlich trocken zu sein. Sie bezweifelte, dass viel Wasser zum Säubern der Gläser genutzt wurde. Sie mochte sich nicht vorstellen, wie viele schon aus ihrem Glas getrunken hatten, seit es zum letzten Mal richtig mit Wasser gewaschen worden war. Eine rötlich-braun gestreifte Katze kam aus einer Tür, hinter der wohl die Privaträume des Barmannes lagen. Mit einem Satz war sie auf die Theke gesprungen und stolzierte nun über die Selbige, schaute sich selbstsicher im Raum um. Die junge Frau schaute nicht schlecht, als die Katze bei dem Barmann angekommen war und dieser ihr eine Schale vorsetzte, die genau dasselbe zu enthalten schien, was sie in ihrem Bierhumpen hatte. Erstaunt schaute sie zu, wie die Katze das Bier ausschleckte und dabei immer wieder zu ihnen herüber schaute. "Schau mal, die Katze da", die Frau tippte
den Skar an.
Inzwischen hatte diese Katze beinahe das ganze Schälchen ausgetrunken, sie ließ nur einen kleinen Rest zurück und sprang von der Theke. Mit aufgestelltem Schwanz kam sie auf den Tisch der beiden Fremden zu, sie würdigte den Skar keines Blickes, dieser ihr allerdings auch nicht. Langsam strich sie nun der Frau um die Beine. Die junge Frau beugte sich herunter um die Katze zu streicheln, sanft strich sie mit den Fingern durch das rotbraune Fell. "Hübsche Katze?", fragte der Skar nicht
wirklich interessiert. Die Frau nickte.
... Das Schnurren einer Katze weckte sie. Die Frau
lag in einem einfachen Bett im Gastbereich der Taverne. Sie hielt die Augen
geschlossen, es war noch Nacht und sie wollte schlafen.
"Steh auf, ich möchte dir etwas zeigen",
sagte das Mädchen und ein herzliches Lächeln zeichnete sich auf
ihr Sommersprossengesicht.
"Willst du nun aufstehen?", fragte das Mädchen
freundlich, "ich weiß, du suchst etwas. Ich könnte dir dabei
helfen."
Die Frau wollte überrascht fragen, was
das zu bedeuten hätte, doch das rothaarige Mädchen legte wieder
ihren Finger auf die Lippen und bedeutete ihr, ihr zu folgen.
Die junge Frau war unruhig. Wäre dieser Skar mit seinem nervtötenden, wissenden Grinsen nicht gewesen, wäre das Ganze höchst unheimlich. In der mondhellen Nacht folgte sie einem fremden Mädchen, welches hier, in dem in der Nacht wie verlassen wirkenden Ort, einfach nicht hinein passen wollte. Und nicht nur sie, sondern auch hunderte von Katzen. Sie strichen durch die Schatten, über die Dächer der Häuser, durch die Gassen, doch alle folgten deutlich ihnen. Bald, nach dem Gefühl der Frau mussten sie fast den ganzen Ort durchquert haben, kamen sie zu einer Hütte, vor welcher das Mädchen stehen blieb. Mit einem Lächeln deutete sie auf das Haus und sagte: "Hier wohne ich, kommt doch herein, ich möchte euch etwas zeigen." Die junge Frau schaute sich noch einmal um.
Ihr war aufgefallen, dass auf einmal alle Katzen verschwunden waren. Nur
noch sie und der Skar standen mit dem Mädchen draußen vor der
Tür. Jetzt war ihr eindeutig unheimlich zumute. Dennoch sagte ihr
irgendein Gefühl, dass alles richtig war. Also trat sie durch die
offen gehaltene Tür.
... Staunend schaute die Frau sich um. Der alte
Krater Leon war tatsächlich nach etwa einer Minute aufgestanden und
durch die halb offene Tür in den Raum dahinter geschlüpft. Immer
noch unsicher waren die Frau und auch der Skar ihm gefolgt.
Der alte Kater war zwischen den Kissen auf
dem Boden bis zu einem besonders hohen Kissenberg stolziert und legte sich
auf eines der Kissen am Fuße des Kissenberges. Auf diesem Kissenberg
ganz oben auf einem goldfarbenen Kissen lag die einzige Katze, die ihnen
aufmerksam zuschaute.
"Schön, dass ihr hier seid,", sagte die
Katze, "willkommen in meinem Heim."
Die Frau blieb stumm, sie war immer noch von
den Dingen wie von einer Lawine überrollt.
Die Werkatze sprang von ihrem Kissenthron und
strich der immer noch unsicheren Frau um die Beine.
"Nun, wenn dem so ist, denke ich, dass wir
fertig sind", meinte die Katze, "ihr könnt gehen."
© ArgRIB
Skywalker
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