Die Simian-Katze von ArgRIB Skywalker

"Na, dich haben sie ja nach allen Regeln der Kunst rausgeschmissen."
Der Skar saß auf einer Mauer in der warmen Sonne, ließ seine Beine und seinen langen, glatten Schwanz in der Luft hängen und genoss die warme Sonne auf seinem schwarzen Fell. Entgegen den meisten Bewohnern der Stadt, welche sich gegen die heißen Strahlen der Sonne in helle, luftige Gewänder hüllten, schien diesen Skar die Hitze nichts auszumachen. Statt eines dieser Gewänder trug er nur eine einfache Hose und eine fast zu klein wirkende Lederweste.
Seine raubkatzenähnlichen Fangzähne zeigten sich, als er die junge Frau, welche ihn aus der Gasse böse anfunkelte, schadenfroh angrinste.

"Was weißt du schon, Katze?", fragte die wütende Frau zurück. 'Katze' war eine Bezeichnung, die den angesprochenen Skar meist dazu brachte, dem Sprecher die Kehle zu zerreißen.
Das Einzige, was es bei dem in der Sonne sitzenden Skar allerdings hervorrief, war ein kurzes Zischen durch das nun drohend gezeigte Gebiss. Nur dass das kurz gezeigte Fletschen der Zähne für die Frau kaum anders aussah, als das Grinsen von eben.

Nun grinste der Skar wieder, die Frau versuchte wenigstens an den Augen einen sicheren Unterschied festzustellen, es gelang ihr nicht. Die Skar waren den Menschen so fremd, dass seine Gesten alles bedeuten konnten, zumal sie gerade nicht in der Stimmung war, sich mit solchen Fragen auseinander zu setzen. Die Worte des Skar machten sowieso klar, wie sein Gesicht zu deuten war.
"Nun, Menschenkind, ich weiß zumindestens, was 'Finde die Simian-Katze' heißt. Etwa soviel wie..."
"Ich weiß, was das heißt", fuhr ihn die junge Frau an, das hatte sie nun wirklich nicht gebraucht.

Der Skar ließ sich mit einer Geschmeidigkeit von der Mauer gleiten, welche nur diesen katzenhaften Wesen inne war. Die beiden Hände in die schmalen Hüften gestemmt, baute sich der Skar vor ihr auf. Die Frau musterte ihn skeptisch. Die meisten Skars waren zwar geschickt, aber eher schmächtig, nicht kräftiger als sie selbst, nun schien dieser einer von den Zäheren zu sein.
Der Schwanz des Skar bewegte sich langsam, fast lauernd, als dieser fragte: "Was hasst du nun vor, Mädchen?"

Also, das war doch... In einem Augenblick hatte die junge Frau ein langes Messer in der Hand und führte einen Angriff auf das Gesicht des Skars aus. Dieser war nun natürlich schon behände zurück gesprungen und grinste sie an.
"Wass hassst du nun vorr?", wiederholte er die Frage, durch die Zähne etwas schwerer zu verstehen, "ich meine außer Skarrrs abzustechen. Willsst du sogarr vielleicht Ihn abstechen?"

Die Frau zwang sich, sich zu beruhigen, betont gelassen steckte sie ihr Messer wieder weg und erwiderte ernst und ruhig: "Nein, ich habe einen Auftrag und gedenke ihn zu erfüllen."

Ein Fauchen löste sich aus der Kehle des Skar, erstarrt und ungläubig schaute er sie an. Dann grinste er wieder und lehnte sich gelassen gegen die Lehmmauer, auf der er eben noch saß.
"Du willst sicher die Simian-Katze suchen?"

"Das ist mein Auftrag", erwiderte die Frau gelassen.
"Dann sollte ich dich vielleicht darauf hinweisen, dass diese Katze eine Legende und 'Finde die Simian-Katze' eine Redensart ist", meinte der Skar ernst.

"Ich werde meinen Auftrag erledigen", beharrte die Frau.
"Nun gut", meinte der Skar und gab die Gasse frei, "viel Spaß."

...

Der Skar saß wieder auf seiner Mauer und genoss mit geschlossenen Augen die Sonne in der Wüstenstadt.
"Hey, Katze, hast du nichts Besseres zu tun, als den ganzen Tag auf der faulen Haut zu liegen?"
Die Stimme der Frau drang zwar deutlich in sein Ohr, doch er reagierte nicht. Als diese vergeblich auf eine Antwort wartete, rief sie erneut zu dem Skar:
"Sag mal, wovon lebst du eigentlich, wenn du den ganzen Tag nichts tust?"

Der Skar reagierte nun doch und schaute zu der jungen Frau herunter. Dann antwortete er gelassen: "Nun, wir Katzen fangen uns Ratten zum Essen."
Die Frau schauderte innerlich, sagte dann aber, die Mauer hoch schauend: "In dieser Stadt gibt es keine Ratten. Komm runter da, ich muss mit dir reden."

Der Skar schloss noch einmal die Augen, entschied dann aber, dass es interessant werden könnte und ließ sich in die Gasse fallen. Geschickt kam er vor der Frau auf und fragte: "Was ist? Hasst du eine Idee, wie du Ihn beeindrucken willst?"
"Ich werde ihm die Simian-Katze bringen", erwiderte diese ernst.

Der Skar schaute mit großen Augen überrascht, dann stieß er einen Laut aus, was wohl äquivalent zum menschlichen Seufzen war und war mit einem Satz wieder auf der Mauer. Von dort aus meinte er: "Vergiss es, diese Katze ist ein Gerücht, niemand weiß überhaupt, was sie eigentlich ist. Eine Statue, ein Amulett, eine Waffe. Niemand weiß es."
"Nun, ich weiß es."

Der Skar zischte überrascht, dann drehte er sich auf den Bauch, legte seinen Kopf auf seine Arme und schaute zu der Frau herunter. Sein Schwanz spielte in der Luft.
"Was ist es denn?", fragte er mit mehr Interesse, als er zum Ausdruck geben wollte.
Die Frau ließ einen Augenblick verstreichen bevor sie antwortete: "Sie ist eine Katze."
Der Skar rollte mit den Augen und wollte sich schon abwenden, als die Frau fortfuhr: "Eine Werkatze, um genau zu sein."

Wieder dieses 'Seufzen' des Skar. "Wo hast du diesen Unsinn aufgetrieben? Eine Legende mit einer Legende erklären, sehr intelligent. Und da rühmt ihr Menschen euch doch immer, so klug zu sein. Aber Verstand scheint ihr keinen zu haben."
"Ich habe meine Quellen", erwiderte die Frau stur, "und meine Quellen sind zuverlässig."

Der Skar schloss die Augen, streckte sich ein wenig und legte sich wieder in die Sonne. Für ihn war das Thema abgeschlossen, er ahnte zwar schon, was sie von ihm wollte, doch für solche Spiele war er nicht zu haben. Legenden suchen, na sicher.

"Hilfst du mir, sie zu finden?", fragte sie frei heraus. Der Skar reagierte nur, indem er sich auf die andere Seite drehte.
"Katze, ich rede mir dir!" Die Menschenfrau schien nun etwas wütend zu sein über das Verhalten des Skar.
Dieser brummte etwas und meinte: "Also wenn du so mit uns Skars umgehst, ist es kein Wunder, dass Die dich rausgeworfen haben."
"Ich wurde nicht rausgeworfen, ich habe einen Auftrag bekommen", erwiderte sie trotzig.
"Rausgeworfen auf unbestimmte Zeit", beharrte der Skar.

Die junge Frau versuchte sich zu beruhigen und zwang sich sachlich und professionell an die Sache heranzugehen. "Hör mir zu, Skar!", sprach sie den auf der Mauer liegenden an. "Hör mein Angebot an und dann kannst du immer noch ablehnen. Obwohl ich bezweifle, dass du es dann noch wirst."

...

Die Sonne brannte ungehindert auf den heißen Wüstensand. Die Frau stapfte hinter dem Skar her, welcher das Knui an den Zügeln führte. Sie hatte sich gegen die Sonne nun auch in das typische Gewand der Wüste gehüllt. Der weiße Stoff hielt die Hitze ein wenig ab und der leichte Wind, der über die Dünen ging, war zwar ebenso warm, doch er sorgte dafür, dass es unter den vielen, luftigen Schichten des Gewandes nicht stickig wurde. Kopfschüttelnd schaute sie zu dem Skar, der trotz seines schwarzen Fells nichts gegen die Sonne anhatte. Die helle Sonne ließ das Fell des Skar glänzen, musste ihn aber doch fast braten. Sie selbst hielt es auch unter dem weißen Stoff kaum aus.

"Warum trägst du nicht auch das Talldar, wie alle anderen Skar auch?", fragte sie ihn.
Der Skar schaute zurück, bleib kurz stehen und wartete, bis sie zu ihm aufgeschlossen hatte. Dann erwiderte er: "Ich stamme aus einer Sippe, die weiter südlich lebt, auf der anderen Seite der Wüste. Wir sind etwas zäher."
"Hinter der Wüste gibt es weitere Länder?", fragte sie, weniger aus Interesse, als den schweigsamen Skar zum Reden zu bringen.
"Natürlich, habt ihr Menschen gedacht, hinter der Wüste hört die Welt auf?" Unglauben schwang in den Worten des Skars mit.
Die Frau schwieg dazu. Wenn sie mit sich selbst ehrlich war, hatte sie geglaubt, diese Wüste sei das Ende der Welt.

Schweigend stapften beide durch die Wüste. Die junge Frau hatte im Grunde keine Ahnung, wo es hin ging. Sie hatte zwar dem Skar einen Ort genannt, von dem sie in ihrem Inneren genau wusste, dass er der richtige ist, doch wusste sie nicht, wo dieser Ort lag. Und dazu brauchte sie ja ihren Führer. Und dieser war ohne weitere Fragen losgezogen.
Sowieso ein merkwürdiger Skar, grübelte die Frau, er hatte ihr Angebot natürlich prompt ausgeschlagen, es schien ihr fast so, als hätte er sich drüber amüsiert. Doch als sie sich entmutigt einen anderen Führer suchen wollte, hatte er sich ihr ohne weitere Bedingungen angeboten. Sie wurde nicht schlau aus ihm. Und nun stapfte sie mit diesem fremden Skar durch den heißen Sand.

 "Wie weit ist es noch?" frage sie zum wiederholten Mal.
"Genauso weit, wie ich bei der letzten Frage sagte, nur eben um diese Wegspanne kürzer", war die Antwort.
Die Frau seufze. "Und wann sind wir da?"
"Das hängt davon ab", antwortete der Skar, als sei das Aussage genug.
"Und wovon hängt es ab?" fragte sie fast resigniert. Sie hatte inzwischen mitbekommen, dass es nichts brachte, sich über den Skar aufzuregen.
"Vom Wetter", meinte dieser.

Wetter? Die Frau schaute in den wolkenlosen Himmel, aus dem die Sonne unbarmherzig herab brannte. Hier brannte jeden Tag die Sonne gleich stark, sie hatte noch kein anderes Wetter erlebt. Selbst so etwas wie Sommer und Winter schien es nicht zu geben. Gut, sie war noch nicht lange hier in der Wüste, dennoch, bis auf einen Sandsturm hatte sie noch keine Wetterunbequemlichkeiten beobachten können. Und danach sah es nun wirklich nicht aus. Der leichte Wind, der über den Sand strich, konnte kaum den kleinsten Staub aufheben, der auf den Dünen lag.

"Warum hast du eigentlich doch eingewilligt, mich zu diesem Mythos zu führen?", fragte sie, um das Schweigen zu brechen.
Der Skar blieb einen Moment stehen, sein Blick glitt über den Horizont. Langsam meinte er: "Nenne es Mitleid, Neugierde, Langeweile, oder auch Gewinnsucht, Suche nach Ruhm, Pflichtbewusstsein. Andererseits vielleicht auch göttliche Fügung, Eingebung. Was weiß ich denn?"
Ungläubig rollte sie mit den Augen.

...

Sie waren an dem Ort angekommen, sie spürte es einfach. Schon früh hatte sie gelernt, sich auf ihr Gefühl zu verlassen. Deshalb konnte sie auch den Häschern des Kaisers entfliehen und in der großen Wüstenstadt abtauchen. Die Frau schüttelte sich innerlich, das war Geschichte.

Sie schaute sich um. Es war ein blühender Ort mitten in der Wüste. Eine Oase in einem tiefen Tal sorgte für genug Wasser. Allerdings fragte sie sich, wieso die Dünen das Tal noch nicht erobert hatten, nichts war für den Wind einfacher, als den ganzen Sand der Wüste hier herein zu wehen. Doch das war nicht ihr Problem, sie hatte einen Auftrag.
Manchmal glaubte sie sogar selber dran.

Der Skar kam gerade wieder und händigte ihr einen bunt bemalten, etwa Handspannen großen Holzstab aus. "Dein Pfandstab", meinte er, "und hier das restliche Geld. Es kommen nicht viele Reisende her, also sind die Unterbringungskosten für die Knui auch nicht so hoch."
Dann stellte er sich mit verschränkten Armen hin und schaute sie aufmerksam an. Er wollte wohl wissen, wie es nun weiter ging.
Sie seufze und schaute sich um. Sie waren hier richtig, das spürte sie, nun mussten sie diese Werkatze finden.

Es war ein merkwürdiger Ort. Natürlich lebten hier viele Skar, auch einige, die ähnlich wie ihr Führer ohne diese hellen Gewänder herum liefen. Doch was sie am meisten verwunderte war, dass es hier Menschen gab. Dunkelbraune, fast schwarze Haut, doch Menschen. Sie hätte nicht gedacht, dass es so weit vom Kaiserreich entfernt noch möglich war auf Menschen zu treffen. Allerdings half ihr das auch nicht weiter. Hier würde wohl kaum einer die Kaisersprache sprechen, zumal selbst wenn sie sich verstehen würden, würden sie wohl kaum nach einer Simian-Katze fragen können. Werkatzen waren Legenden und selbst diese Legenden lebten einsam und mieden Kontakte mit Normalsterblichen.

Ziellos schlenderte sie durch die wenigen Straßen, der Skar folgte ihr schweigend. Es war ein merkwürdiger Ort. Da es bis auf den paar Palmen an der Oase keine Bäume gab, waren die meisten Häuser hier Lehmhütten. Lehm schien überhaupt in der Wüste der Grundbaustoff zu sein, selbst die Stadt, aus der sie aufgebrochen waren, bestand größtenteils aus Lehmbauten. Nur waren diese im Vergleich zu hier ungleich größer. Hier schien eher Zweckmäßigkeit vorzuherrschen, kleine, ungeschmückte Hütten.
Und einige Zelte, wie sie an dem Ende einer Straße sehen konnte.

Es war irgendwie befremdend, durch die Stadt zu gehen und das, obwohl ihnen kaum jemand mehr als einen Blick würdigte. Sie mochten zwar Fremde sein, doch abgesehen von einigen Kindern schienen sie kaum eines Aufblickens würdig. In der großen Stadt lebten die wenigen Menschen und die Skar deutlich voneinander getrennt und den Kindern wurde bei Strafe verboten, zu den gefährlichen Skar zu gehen. Und hier spielten Skar- und Menschenkinder sorglos miteinander.

Und dann gab es noch die Tiere. In der großen Stadt gab es kaum Haustiere. Nicht weil kein Platz gewesen wäre, man hätte ja etwas Größeres bauen können. Nein, es gab einfach keine Haustiere, weil es nicht der Sitte der Skar entsprach Tiere zu halten. Freiheit war ihre Philosophie und dies gilt auch für alle Tiere. Zumal alles außer Nutztiere nur zusätzliche Esser darstellten.
Und hier gab es mehr Katzen, Hunde, Vögel und Tiere, die sie noch nie gesehen hatte. Und die meisten waren keine Nutztiere sondern deutlich als Haustiere zu erkennen.

"Du kannst dich doch mit den Leuten hier verständigen", sprach sie ihren Führer an, "kannst du bitte nach eine Taverne fragen. Wenn es hier Menschen gibt, werden sie sicher auch so etwas wie Bier haben."

...

Sie hatte sich schon auf schlechte Neuigkeiten eingestellt, doch es gab eine Kneipe und es gab auch so etwas wie Bier. Jedenfalls etwas weit entfernt verwandtes davon. Ihr reichte es. Sie verstand es sowieso nicht, wenn andere Menschen von gutem Bier schwärmten, es gab Bier, das schmeckte nicht, und Bier, das konnte man trinken. Bier war für sie nicht zum feinschmecken, sondern hatte nur einen Zweck.

Sie schaute sich in der kleinen Kneipe um. Ihr Führer saß ihr gegenüber und trank ein typisches Skar-Getränk, welches sie in hundert Jahren nicht runter kriegen würde. Die Taverne war klein und auch kaum besucht. Durch die Lehmwände war es verhältnismäßig frisch und auch die aus Lehm gefertigten Bänke und Klötze, welche wohl Tische sein sollten, strömten frische Kühle aus.
Die junge Frau strich mit der Hand über den festen Lehm des Tisches. Wenn hier einmal ein Bier ausgeschüttet würde, dürfte es ziemlich schnell aufweichen und ziemlich matschig werden.

Ihr Blick schweifte weiter. Der Barmann stand hinter seiner Theke, ebenfalls aus Lehm, und wischte, wie es sich für Barmänner gehörte, an einen Glas. Allerdings schien das Tuch ziemlich trocken zu sein. Sie bezweifelte, dass viel Wasser zum Säubern der Gläser genutzt wurde. Sie mochte sich nicht vorstellen, wie viele schon aus ihrem Glas getrunken hatten, seit es zum letzten Mal richtig mit Wasser gewaschen worden war.

Eine rötlich-braun gestreifte Katze kam aus einer Tür, hinter der wohl die Privaträume des Barmannes lagen. Mit einem Satz war sie auf die Theke gesprungen und stolzierte nun über die Selbige, schaute sich selbstsicher im Raum um. Die junge Frau schaute nicht schlecht, als die Katze bei dem Barmann angekommen war und dieser ihr eine Schale vorsetzte, die genau dasselbe zu enthalten schien, was sie in ihrem Bierhumpen hatte. Erstaunt schaute sie zu, wie die Katze das Bier ausschleckte und dabei immer wieder zu ihnen herüber schaute.

"Schau mal, die Katze da", die Frau tippte den Skar an.
"Es ist eine Katze mit rotbraunem Fell, was ist schon dabei?" fragte Dieser uninteressiert.
"Aber die Katze trinkt Bier", beharrte die junge Frau drauf.
"Hast Recht, ist eigentlich ziemlich eklig", meinte der Skar nach einem Blick zur Theke, "aber gut, das tust du ja auch."
"Das meine ich nicht", meinte die Frau ungeduldig, "ich habe noch nie eine Katze Bier trinken sehen."
"Du bist ja auch noch nie hier gewesen", brummte der Skar und nippte an seinem Getränk.

Inzwischen hatte diese Katze beinahe das ganze Schälchen ausgetrunken, sie ließ nur einen kleinen Rest zurück und sprang von der Theke. Mit aufgestelltem Schwanz kam sie auf den Tisch der beiden Fremden zu, sie würdigte den Skar keines Blickes, dieser ihr allerdings auch nicht. Langsam strich sie nun der Frau um die Beine. Die junge Frau beugte sich herunter um die Katze zu streicheln, sanft strich sie mit den Fingern durch das rotbraune Fell.

"Hübsche Katze?", fragte der Skar nicht wirklich interessiert. Die Frau nickte.
"Dann nimm sie doch mit und stell sie als Simian-Katze vor", schlug er dann vor, "vielleicht reicht es zum Überzeugen, wenn sie Bier trinkt."
Die Frau unterbrach ihr Streicheln und schaute den Skar an.
"Erstens ist die Simian-Katze eine Werkatze, zweitens heißt diese hier bestimmt nicht Simian und drittens gehört sie wohl dem Barmann."
"Na sicher", knurrte der Skar, "erstens, Katzen gehören niemandem, zweitens kannst du sie nennen wie du willst und drittens könnten wir dann wieder nach Hause." Er stand auf.
"Wo willst du hin?" fragte die Frau alarmiert.
"Das Gesöff ist ja nicht auszuhalten", kam als Antwort, "ich suche mir ein sonniges Plätzchen."

...

Das Schnurren einer Katze weckte sie. Die Frau lag in einem einfachen Bett im Gastbereich der Taverne. Sie hielt die Augen geschlossen, es war noch Nacht und sie wollte schlafen.
"Du solltest aufstehen", sprach eine helle Mädchenstimme.
Mit einem Ruck saß die junge Frau im Bett. Genau am Fußende stand ein junges Mädchen. Keine Tochter der schwarzhäutigen Menschen hier im Ort, sondern mit einer Haut, die im Mondlicht noch heller zu sein schien, als die der Frau. Langes rotes Haar fiel ihr auf die Schulter und auf ihr schlichtes Kleid, welches sie trug.

"Steh auf, ich möchte dir etwas zeigen", sagte das Mädchen und ein herzliches Lächeln zeichnete sich auf ihr Sommersprossengesicht.
Die Frau war verwirrt, Menschen mit dieser Haut kannte sie aus dem Kaiserreich, weit nördlich. Was suchte dieses Mädchen hier? Wie kam sie überhaupt in ihr Zimmer? Den Blick, den sie zur Tür warf, zeigte ihr, dass diese immer noch verschlossen war, der Riegel noch davor lag. Es hatte irgendwie etwas Unwirkliches an sich. Sie konnte das Gefühl nicht beschreiben, es war dennoch zu stark, um es zu ignorieren.

"Willst du nun aufstehen?", fragte das Mädchen freundlich, "ich weiß, du suchst etwas. Ich könnte dir dabei helfen."
"Wer bist du?", wollte die Frau wissen, doch das Mädchen legte einfach einen Finger auf ihre Lippen und sagte leise: "Folge mir einfach."
Die junge Frau schwang sich, immer noch zweifelnd, aus dem Bett. Das Mädchen führte sie durch die kleine Taverne nach draußen, wo nicht nur der Mond und ihr Führer warteten, sondern auch fast hundert Katzen.

Die Frau wollte überrascht fragen, was das zu bedeuten hätte, doch das rothaarige Mädchen legte wieder ihren Finger auf die Lippen und bedeutete ihr, ihr zu folgen.
"Ich habe ihr gleich gesagt, dass du ihr Löcher in den Bauch fragen würdest", meinte der Skar mit einem Grinsen.
"Du kennst sie?", fragte die Frau. "Wer ist das? Was hat das zu bedeuten?"
Der Skar schwieg und legte stattdessen, wie das Mädchen, seinen Zeigefinger auf den Mund. Dabei grinste er, so dass all seine spitzen Zähne zu sehen waren.

Die junge Frau war unruhig. Wäre dieser Skar mit seinem nervtötenden, wissenden Grinsen nicht gewesen, wäre das Ganze höchst unheimlich. In der mondhellen Nacht folgte sie einem fremden Mädchen, welches hier, in dem in der Nacht wie verlassen wirkenden Ort, einfach nicht hinein passen wollte. Und nicht nur sie, sondern auch hunderte von Katzen. Sie strichen durch die Schatten, über die Dächer der Häuser, durch die Gassen, doch alle folgten deutlich ihnen.

Bald, nach dem Gefühl der Frau mussten sie fast den ganzen Ort durchquert haben, kamen sie zu einer Hütte, vor welcher das Mädchen stehen blieb. Mit einem Lächeln deutete sie auf das Haus und sagte: "Hier wohne ich, kommt doch herein, ich möchte euch etwas zeigen."

Die junge Frau schaute sich noch einmal um. Ihr war aufgefallen, dass auf einmal alle Katzen verschwunden waren. Nur noch sie und der Skar standen mit dem Mädchen draußen vor der Tür. Jetzt war ihr eindeutig unheimlich zumute. Dennoch sagte ihr irgendein Gefühl, dass alles richtig war. Also trat sie durch die offen gehaltene Tür.
Dahinter war ein kleiner Raum, auf einem Kissen ruhte eine einzelne, alte Katze mit silbernem grauem Fell. Ansonsten gab es nur eine weitere Tür und ein Kerzenständer, der etwas Licht spendete.
Das Mädchen hatte die Tür hinter ihnen geschlossen und trat an die Tür, die weiter in das Haus hinein führte, zu den Beiden sagte sie: "Gebt mir kurz eine Minute, folgt dann einfach Leon hier herein."

...

Staunend schaute die Frau sich um. Der alte Krater Leon war tatsächlich nach etwa einer Minute aufgestanden und durch die halb offene Tür in den Raum dahinter geschlüpft. Immer noch unsicher waren die Frau und auch der Skar ihm gefolgt.
Es war ein großer Raum, hell erleuchtet mit unzähligen Kerzen. Außerdem hatten sich fast zwanzig Katzen in dem Raum versammelt. Alle lagen alleine oder zu zweit auf Kissen oder streunten durch den großen Raum. Nicht eine der Katzen schien den Besuchern besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Die Frau hatte das Gefühl, als hätte sie das heute schon einmal erlebt.

Der alte Kater war zwischen den Kissen auf dem Boden bis zu einem besonders hohen Kissenberg stolziert und legte sich auf eines der Kissen am Fuße des Kissenberges. Auf diesem Kissenberg ganz oben auf einem goldfarbenen Kissen lag die einzige Katze, die ihnen aufmerksam zuschaute.
Es war die Katze aus der Taverne.
Die Frau war sich ganz sicher, dies war eindeutig die rotbraune Katze aus der Taverne, welche vom Bier getrunken hatte.

"Schön, dass ihr hier seid,", sagte die Katze, "willkommen in meinem Heim."
Die Frau brauchte eine ganze Weile, bis sie es wirklich begriff. Dennoch war es unmöglich zu leugnen, die Katze sprach zu ihnen. Erstaunt brachte die Menschenfrau kein Wort heraus.
Die Katze schien es auch nicht erwartet zu haben, munter sprach sie weiter:
"Nun, werte Gäste, ich bin Simia. Ihr habt mich gesucht, was kann ich für euch tun?"

Die Frau blieb stumm, sie war immer noch von den Dingen wie von einer Lawine überrollt.
Der Skar, der ihre Unsicherheit bemerkte, fing wieder an zu grinsen.
"Nicht einfach zu erklären, was Menschenkind?", fragte er gehässig. "Du kannst der Königin schlecht sagen, dass du sie mit zur Stadt bringen wolltest, damit dich die Leute in ihre Gesellschaft lassen. Dass du etwas brauchst, für dein kleines Ego."

Die Werkatze sprang von ihrem Kissenthron und strich der immer noch unsicheren Frau um die Beine.
"In die Stadt, oh, eine nette Idee", meinte die Katze schnurrend, "doch erzähl, was willst du? Was sagst du zu dem frechen Geschrei des Alten?"
Die Frau war immer noch wie erstarrt. Doch dann zwang sie sich zur Ruhe und sagte: "Es ist so etwa, wie der Skar erzählt hat, auch wenn ich es nicht so ausgedrückt hätte."
"Oh, wie er gesagt hast, du bräuchtest mich, damit du zu einem gewissen Kreis dazu gehören kannst. Das ist mir gegenüber nicht sehr nett, meinst du nicht auch?"
Die Werkatze wandte sich ab und sprang wieder auf ihren Polsterthron.

"Nun, wenn dem so ist, denke ich, dass wir fertig sind", meinte die Katze, "ihr könnt gehen."
"Wartet", rief die Frau erschrocken, "komm mit uns, ich denke, es lohnt sich auch für dich."
Die Katze schnurrte desinteressiert und begann ihr Fell abzulecken.
Der Skar beugte sich zu der jungen Frau und flüsterte: "Du musst bedenken, unsere gute Simia ist erstens ein nettes, verwöhntes Mädchen, zweitens eines der magischsten Wesen überhaupt, drittens hier die unangefochtene Prinzessin und viertens eine Katze."
Die Werkatze hatte aufgehört sich zu putzen und schaute neugierig zum Skar herüber.
Die Menschenfrau musterte sie und meinte dann: "Gut, dann sollte sie nicht nur von den ganzen Katzen hier verwöhnt werden, sondern ich werde sie verwöhnen. Sie ist hier die Prinzessin, in der Stadt soll sie die Königin sein. Außerdem bekommt sie einen Kratzbaum und so viel Fisch wie sie mag."
Mit einem weiten Satz sprang die Simian-Katze von ihrem Kissen und strich der Frau schnurrend zwischen den Beinen. "Fisch klingt gut, wann geht es los?"
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© ArgRIB Skywalker
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