Bis in alle Ewigkeit von Blackheart

Erschöpft sprang er aus dem Sattel. Er war viel zu lange geritten und brauchte eine Pause, wie alle anderen auch. Doch insgeheim tat er sich sehr schwer, sich damit abzufinden. Eigentlich hatte er damit gerechnet heute noch nach kuronthal zu gelangen. Doch irgendjemand wollte ihm einen Strich durch die Rechnung machen. Andererseits hatte es auch seine Vorteile diese Pause hier einzulegen. Immerhin wollte er nicht, dass er und sein Trupp erschöpft und viel zu müde um zu kämpfen in der Ebene ankamen.
Sanft tätschelte er seinem Pferd den Hals, bevor er es dem Stalljungen übergab. Er würde sicher gut dafür sorgen. Zufrieden sah er sich um und musterte seinen Trupp genau. Sie waren seine Freunde, jeder einzelne von ihnen. Eigentlich wollte er keinen von ihnen verlieren und mit keinem von ihnen in die Schlacht ziehen. Doch er hatte keine andere Wahl. Nicht mehr.
"Alles in Ordnung, Sergeant?"
Er winkte ab. "Natürlich. Wir bleiben die Nacht hier und reiten morgen weiter."
"Das haben wir doch noch nie gemacht!", wandte einer von ihnen ein.
"Ich weiß und genau deshalb machen wir es ja. Es ist die einzige Freiheit, dir wir noch haben. Amüsiert euch. Nutzt diese Stunden, die euch gegeben werden."
Einer der Truppe schritt zur Tür und grinste von einem Ohr bis zum anderen. "Ich hoffe, der Wirt hat genug Bier. Ich habe nämlich vor seinen gesamten Vorrat aufzubrauchen. Ich kann mich gar nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal richtig besoffen war. Wer macht mit?"
Mit lauten Rufen stimmte sein ganzer Trupp mit ein. Er lächelte sanft. Dann beobachtete er sie noch, wie sie das Wirtshaus betraten. Einer von ihnen blieb.
"Kommen Sie nicht auch, Sergeant?"
"Ich komme gleich nach."
"Ich kann aber nicht dafür garantieren, dass dann noch Bier existiert. Ihr habt Gol gehört."
"Ich weiß, ich weiß. Ich werde mich beeilen."
Schulterzuckend betrat nun auch der letzte Mann die Taverne. Er selbst wandte sich um und blickte zu den Sternen hinauf. Sie waren gut zu erkennen. Die Nacht war klar, aber kalt, wie jedes Mal, wenn sie kurz davor waren in diese eine Schlacht zu ziehen. Er seufzte schwer.
Eigentlich war er nur ein Niemand, nicht wichtiges. Und doch ...
Wenn die anderen nur wüssten, welche Bürde auf seinen und den Schultern seines Trupps lag. Sie war viel zu groß. Wenn er könnte, würde er seinen Trupp von dieser Bürde befreien und sie auf sich nehmen, auf sich allein. Doch es stand nicht in seiner Macht. Er war nur eine Spielfigur im großen Spiel des Schicksals. Er konnte ihm nicht entkommen. Immer wieder verfluchte er sich dafür seinen Trupp, seinen Kameraden, seinen Freunden das angetan zu haben.
Doch er konnte nicht anders.
"Ist Euch nicht kalt, Ser?"
Verwirrt wandte er sich um. Hinter ihm war eine Magd erschienen. Wahrscheinlich war sie eine Kellnerin in der Taverne. Sie trug einen schweren Mantel, der ihr etwas zu groß war und hielt einen anderen mit beiden Armen fest an ihren Körper. Ihr Haar hatte sie mit einem Band zu einer Kugel gebunden. Sie waren dunkel und hatten einen leichten braunen Schimmer. Ihre Augen faszinierten ihn. Sie waren blau und hell, wie der schönste Tag.
"Ich habe euch von drinnen beobachtet. Eure Männer sagten Ihr wolltet ein wenig hier bleiben und ich dachte ... ich dachte, ein Mantel würde Euch warm halten. Eurer sieht mir, bitte verzeiht, nicht sonderlich dick und recht alt aus."
Er lächelte sanft.
"Das ist er auch. Ich danke dir..."
"Marianne."
"Dann also, danke ich dir, Marianne."
"Bitte kommt bald hinein, sonst werdet Ihr krank."
Er nickte freundlich. Marianne verschwand schnell wieder in die Taverne. Der Niemand legte sich den Mantel um und zog ihn fest an sich. Schon nach wenigen Minuten war ihm warm. Der Mantel hielt wirklich, was er versprach. Er ließ sich Mariannes Bemerkung über seinen eigenen Mantel noch einmal durch den Kopf gehen. Der Mantel war alt. Sehr sogar. Wahrscheinlich waren es inzwischen schon siebzehn Generationen. Der Niemand wusste es nicht mehr. Er hatte schon nach vier Generationen aufgehört mitzuzählen.
Schließlich seufzte er schwer und wandte sich um.
Morgen.
Er schritt auf die Taverne zu, blieb vor der Tür jedoch noch einmal kurz stehen. Morgen würde er dem Jemand begegnen, erneut.
Schließlich betrat er die Taverne und wie nicht anders zu erwarten hörte er Gol. Als dieser den Niemand sah brüllte er durch die ganze Taverne. "Ein Fass Bier für den Sergeant!"

~*~

"Sergeant. Wir müssen los."
Der Niemand griff sich an den Kopf. Er hätte sich nicht darauf einlassen sollen. Gol war der beste Trinker unter ihnen. Er hatte keine Chance gegen ihn gehabt und doch hatte er es versucht. Bei diesem Gedanken musste er grinsen. Schnell stand er auf und legte sich seine Rüstung an. Er würde sie brauchen.
Danach verließ er die Taverne ohne etwas zu essen oder zu trinken. Er hatte keinen Hunger. Er war einfach viel zu aufgeregt, zu nervös. Wie jeder andere seines Trupps. Als er die Tür der Taverne hinter sich schloss, stellte er fest, dass sein Pferd bereits gesattelt und gestriegelt war. Verwirrt hob er eine Augenbraue.
"Wir haben uns die Freiheit genommen alles vorzubereiten!", meinte Gol grinsend. Er saß bereits auf seinem Pferd.
"Genau. Immerhin haben wir dieses Mal zum aller ersten Mal gerastet."
"Genau."
"Das hat gut getan."
"Nun haben wir alle Kraft für den Kampf."
Voller Freude grölten alle los. Auch der Niemand setzte ein. Er brauchte es. Er musste zuversichtlich sein. Wäre er es nicht, gäbe es keinen Lebenssinn mehr für ihn und seine Freunde.
"Sergeant. Da will jemand mit Euch sprechen."
Der Niemand wandte sich um. Hinter ihm stand die Magd, Marianne. In ihren Armen hielt sie jenen Mantel, den sie ihm schon gestern überreicht hatte. Zögernd trat sie vor. Sie setzte einige Male an, wollte sprechen. Jedoch konnte sie sich nie wirklich dazu durchringen. Der Sergeant wartete stumm. Schließlich hielt sie ihm den Mantel entgegen.
"Nehmt ihn an, Ser. Er wird Euch warm halten. Wir haben genug. Ihr braucht ihn dringender. Bitte nehmt ihn an."
Der Niemand lächelte und nahm den Mantel an. Er zog ihn sich sofort über die Schultern. Danach legte er eine Hand auf die Schulter von Marianne. Das Mädchen sah auf und lächelte fröhlich.
"Ich danke dir, Marianne. Ich bin mir sicher, der Mantel wird mich warm halten."
Sie nickte schnell. "Ich wünsche Euch und Eurem Trupp eine angenehme Reise, Ser."
"Danke."
Daraufhin schwang er sich auf das Pferd und wandte sich zu seinem Trupp um.
"Seid ihr bereit für die endlose Schlacht?"
Sie grölten erneut zur Antwort. Sie waren bereit. Ohne Zweifel.
Der Niemand spornte sein Pferd an und seine Kameraden folgten ihm. Wie immer...

~*~

Nun stand er also schon wieder hier, in der Mitte seiner Kameraden. Sein Blick schweifte über kuronthal. Nur wenige kannten noch die Bedeutung des Namens. Zu viel Zeit war vergangen. Am Ende der Ebene konnte er sie sehen. Der Jemand mit seinen Begleitern. Wie auch der Niemand hatte er sieben Männer an seiner Seite, die ihm treu folgten.
Der Niemand hörte, wie jemand neben ihm seufzte.
Er wandte sich um. Es war Gol.
"Es wäre Zeit für Eure Rede, Sergeant."
"Muss das denn sein?", fragte er leicht genervt. Doch er kannte die Antwort schon. Er musste es tun. Das war das einzige, was ihm und seinen Freunden daran noch gefiel.
"Wir werden gleich in den Kampf ziehen, gegen unseren größten Feind und doch habe ich keine Angst. Ihr seid an meiner Seite und bisher haben wir noch jede Schlacht gewonnen, die wir gefochten haben. Warum also sollten wir dieses Mal verlieren? Wir werden alles geben, wie immer und wir werden ihnen zeigen, dass es keiner mit uns aufnehmen kann.
Wer seid ihr?", brüllte er laut, sodass er sicher sein konnte, dass der Jemand ihn hörte.
"Die Krieger des Niemands!", brüllten seine Freunde.
"Wofür kämpfen wir?"
"Für unsere Überzeugung."
"Wie lange kämpfen wir?"
"Bis in alle Ewigkeit."
Danach stürmten sie alle los. Sie spornten ihre Pferde an und zogen ihre Schwerter. Sie wollten bereit sein für ihre ewigen Gegner. Auch der Niemand zog sein Schwert. Er begann zu brüllen und alle stimmten mit ein. Gleichzeitig bildete sich eine einzelne, kleine Träne in seinem Auge. Als er seinen Gegner erkannte, rann sie bereits über seine Wange.
Für alle Ewigkeiten musste er hier her zurückkehren, zusammen mit seinem Trupp. Ewig musste er nach kuronthal, der Ebene der Ewigkeiten kommen, um ewig diese eine Schlacht zu schlagen, in der es keinen Gewinner gab.
Niemand gegen Jemand.
Bis in alle Ewigkeit.
Der Niemand schwang sein Schwert.
In dem Augenblick, in dem das Schwert gegen das Schwert des Jemands prallte, konnte er das Gesicht seines ewigen Feindes erkennen, doch er wusste auch gleichzeitig, dass er es wieder vergessen würde, sobald dieses Leben zu enden wäre und bis dorthin waren es nur noch wenige Minuten.
 

© Blackheart
Vor Verwendung dieser Autoren-EMail-Adresse bitte das unmittelbar am @ angrenzende "NO" und "SPAM" entfernen!
.
www.drachental.de