Diese Geschichte ist ab 2007 am Drachentaler Wettbewerb leider nicht mehr teilnahmeberechtigt,
da sie in den vorherigen Jahren zu wenig Punkte erhalten hat.
 
Sternenstaub von Cyrion

Einst, als die Erde noch unberührt und selbst das stolze Geschlecht der Elben noch jung war, stürzte ein riesiger Feuerball in einer Neumondnacht vom Sternenhimmel und verbrannte alles in seiner Reichweite zu Asche.
Fünf Tage und fünf Nächte brannte dieser Feuerball sich in die Erde, bis ein längliches Loch sich tief in den Boden bohrte. Die Elben begutachteten das Geschehen des Feuerballs mit leichter Neugier, hatten sie nicht schon zuvor den Fall der Sterne beobachtet - doch diesmal war etwas entscheidend anders...
Am Ende der fünften Nacht nach dem Fall des Sterns kroch ein Wesen, ungesehen selbst von den scharfen Augen der meisten Elben, in der Zeit wo die Nacht dem Tage weicht, aus dem Loch der Erde. Es war eine Kreatur von ungeheurer Größe, aber zugleich unbeschreiblicher Anmut und grausam anmutender Schönheit.
Nur der Elb Calondriel, der in der Morgendämmerung einen Waldweg entlang streifte, sah wie die Kreatur einer Stichflamme gleich gen Himmel stieg und der aufgehenden Sonne entgegen flog. Calondriel gab der Kreatur deshalb den Namen "D'areco" - Flammender - und Zeit seines Lebens mangelte es ihm nie wieder an Zuhörer, wenn er von seiner Begegnung mit dem Feuerwesen berichtete.

So vergingen die Jahre. So viele, dass selbst ein Elb sagen konnte, er lebe schon seit einer geraumen Ewigkeit.
In dieser Zeit hatte niemand wirklich an Calondriels Geschichte von der Flammenden Kreatur geglaubt. Die anderen Elben und vor allem die Kinder hörten gerne die Sage von D'areco, die im Laufe der Jahre von vielen Barden ausgeschmückt und weitergedichtet wurde, und in der D'areco nicht ein Feuerball, sondern ein zu einem göttergleichen Boten erhoben wurde, der vom Himmel herabgesandt wurde, um den Lebewesen der Erde - seien es jetzt Elben, Menschen oder Zwerge - als Licht und Wärme zu dienen, das ihnen das Leben schenkt. Und diese Geschichte lebte weiter, egal in welchem Volk und egal in welcher Sprache.

Die Kreatur jedoch, die nicht zu Unrecht "Flammender" getauft wurde, lebte in einer Höhle auf einer vulkanisch sehr aktiven Insel im Osten des Landes.
Sein Leben verging nicht, die Kreatur wusste, dass es unvergänglich war, oder wie die Lebewesen dieses Planeten zu sagen pflegten: unsterblich. Doch dabei wusste es auch, dass das nicht alles war, aber selbst all die Jahrtausende, die es schon auf seiner Insel verbracht hatte, ließen ihn nicht auf den Sinn kommen, den sein Dasein mit sich brachte. So hatte die Kreatur aufgegeben nachzusinnieren und war wie viele Unsterbliche zu der Ansicht gelangt, dass Zeit alle Probleme löse, und seine Quelle der Zeit war unerschöpflich.
Einzig jedes Mal, wenn die Kreatur seinen Blick zum Nachthimmel wendete, um dem Lauf der Sterne zu folgen, deren Formationen es zur Genüge kannte, spürte es, wie sich tief in seinem Inneren etwas regte. Fast schien das Geschöpf dann Spuren von Gefühlen zu empfinden, die es zu empfinden gar nicht imstande war.
Und immer, wenn das Geschöpf sich einsam fühlte, richtete es seinen Blick auf die leuchtende Scheibe, deren Wärme ihn immer behütete und hegte. So lebte jene Kreatur sein Dasein, suchend nach der Antwort auf die Frage, die in seiner Seele brannte.

Doch eines Tages verspürte das Geschöpf einen lockenden Drang, als ob es gerufen wurde - und auch schien etwas in seinem Inneren darauf zu antworten. Anfangs zögerlich, denn es hatte seit vielen hundert Jahrtausenden seine Insel nicht verlassen, folge die Kreatur dem Ruf nach Süden, doch spürte es selbst durch das Zögern hindurch seine eigene Sehnsucht und den Wunsch zum Ursprung jenes lockenden Rufes zu gelangen...
Mit jeder Stunde beschleunigte die Kreatur ihre Geschwindigkeit, bis es in der Nacht, einer Sternschnuppe gleichend, über den Himmel schoss und für das Auge eines Betrachters genauso schnell wieder verschwunden war wie er erschien. Wochenlang flog das Geschöpf nach Süden, doch der Drang nahm nicht ab, eher steigerte sich seine innere Unruhe, als ob etwas in ihm ihn zur Eile drängen würde und ihm sagen würde, dass die Zeit, die für das Geschöpf immer unbedeutend war, nun drängte.
An einem Mittag eines drauffolgenden Tages entdeckte das Geschöpf ein weiteres, das zu seinem Erstaunen von seiner Art war. Erstaunt war es über die Erkenntnis nicht alleine zu existieren, denn noch nie zuvor war es einem seinesgleichen begegnet.
Die Farben der Flammen des anderen waren nicht rotgolden, wie seine, sondern in einem kalten bläulich-weiß, doch waren es unverkennbar Flammen. Die Kreatur ließ sich von einem Aufwind in die Höhe des anderen heben, und so flogen sie in ruhiger Zweisamkeit denselben Weg, dem Ruf folgend, den beide verspürten.

Eine Woche später erreichten sie eine Insel, die kaum halb so groß war wie die, auf der der rotgoldene früher gelebt hatte, doch barg diese im Gegensatz nicht wenig Leben. Die Insel schien ein einziger Berg zu sein, der aus dem Meer in die Höhe ragte, nur die Spitze war abgetragen und bot ein Plateau dar, auf dem Dicht an Dicht, wie die Kreatur erkannte, viele seiner Artgenossen sich niedergelassen hatten.
Das Farbenspiel war herrlich, doch hatten die neuen Ankömmlinge nur Augen für das eine Exemplar ihrer Art, das in der Mitte, ringartig von den restlichen umgeben, majestätisch ruhte. Seine Flammen waren Nuancen, wie die, die nur das Meer aufbieten konnte - von einem dunklen, satten Blau bis hin zu einem weichen, lebendigen Grün - und ebenso unruhig und unberechenbar.
Das rotgoldene Geschöpf ließ sich neben den anderen nieder und kostete das ungewöhnliche Gefühl des Zusammenseins schweigend aus, das für ihn vollkommen neu war. Bis zum Einbruch der Nacht hin trafen noch wenig weitere jener Kreaturen ein und reihten sich in den Ring ein.
Als bei Nacht der Vollmond aufging richteten alle Kreaturen, auch der rotgoldene, der nicht einmal genau wusste, was er tat sondern nur seinem Instinkt folgend, ihre Köpfe zum Sternenhimmel und stießen glockenartige und vollkommen für ihre Gestalt unpassende Töne heraus. Manche heller und manche tiefer, doch wie auch die Farben ihrer Flammen, niemals gleich.
Und dann setzte der Klang des meerfarbenen Geschöpfes ein. Sein Ton war tiefer als der jedes anderen im Kreis. Mächtig und ewig reichte der Klang bis zum Himmel.
Urplötzlich leuchtete er auf, die Flammen umschlossen den mächtigen Leib und mit einem gewaltigen Sprung stieß sich die größte der Kreaturen vom Boden des Plateaus ab.
Die anderen, die noch wenige Sekunden zuvor noch im Gesang eingestimmt waren, verstummten und folgten schweigend der scheinbar endlosen Bahn ihres Ältesten. Minuten später, die den ewigen Geschöpfen wie Jahre erschienen, flammte der Himmel hell auf und das Grollen einer tiefen Kehle war zu hören, scheinbar unendlich weit weg, doch erreichte der Laut das Innere jedes der Kreaturen auf der Hochebene. Und plötzlich war das Licht erloschen und der Sternenhimmel leuchtete, wie er es immer tat und es immer tun wird.
Da entfaltete der erste seine Schwingen und flog davon, der dunklen Nacht entgegen. Einer nach dem anderen verließ das Plateau, als ob nichts geschehen wäre. Die rotgoldene Kreatur war eines der letzten, das endlich den Rückweg antrat.
Auf dem Weg nach Norden fiel ihm aber plötzlich etwas ungewöhnliches am Nachthimmel, den er bis auf jeden einzelnen Stern genau kannte, auf. Im Norden war ein neuer Stern auf dem dunkelblauen Samt erschienen - ein Stern, der ein blaugrünes Leuchten von sich gab, das an die Tiefen des Meeres erinnerte.
Nun begriff das Geschöpf die Antwort auf seine Frage und wusste, dass es seine Bestimmung war, eines Tages auch einen Platz dort oben einzunehmen, dort - neben seinen Brüdern und Schwestern.

Noch heute erzählt man sich die "Sage von D'areco", doch wissen nicht viele ihren Ursprung und noch weniger die wahre Geschichte. D'areco wurde der Gott des Feuers und Bote des Himmels, doch kennt man ihn in diesem Zeitalter mehr unter einem seiner anderen Namen: "Drache"...
 

© Cyrion
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