Eigentlich hielt sich Branwens Interesse für
zeitgenössische Kunst in Grenzen. Um ihrer Bildung Genüge zu
tun, besuchte sie zwar hin und wieder die Ausstellungen in den örtlichen
Museen, doch für weitere Mühen reichte ihre Energie nicht aus.
Sie fand die meisten modernen Bilder nichtssagend, wenn nicht scheußlich,
und war der Ansicht, dass hinter der vielen Aussage die Kunstfertigkeit
auf der Strecke geblieben war. Aus diesem Grunde hatte sie auch noch nie
eine Vernissage besucht. Bis jetzt. Und das auch nur, weil es draußen
wie aus Eimern goß und ihr Regenschirm auf dem Rücksitz in ihrem
Auto lag.
Einen Moment lang hörte sie dem schlaksigen,
blonden Mann zu, der eine lange, mit Fremdworten gespickte Rede hielt.
Er war von einer andächtig lauschenden Gemeinde umgeben, die jedes
Wort von seinen Lippen saugte. Rasch drückte sie sich in einen Nebenraum,
der fast leer war. Sie sah sich um. Es hingen Bilder an den Wänden,
die in heiteren Farben strahlten und zum Anschauen lockten. Es waren andere
Bilder als sie zu sehen gewohnt war, vollendet bis in das kleinste Detail,
fremdartig in dem Dargestellten, bizarr und hinreißend schön,
dass die Augen staunten und das Herz lachte. Sie waren keiner ihr bekannten
Stilrichtung zuzuordnen. Am ehesten fühlte sie sich an die phantastische
Kunst erinnert, jedoch ohne halbnackte, muskelschwellende und schwertschwingende
Barbaren, erotische Frauen, die sich lasziv räkelten, ohne die alptraumgeborenen
Dämonengestalten.
Sie blieb vor einem Gemälde stehen, das
eine Hochzeitsgesellschaft zeigte. Das Brautpaar hatte sich, vom Tanz erhitzt,
mit glühenden Wangen unter einen blühenden Baum zurückgezogen
und vergaß die Welt in einem Kuß. Eine alte, zahnlose Frau
sah das und stieß ihrem verhutzelten Mann, der genußvoll an
einer Hähnchenkeule knabberte, den Ellenbogen in die Rippen, grinsend,
voller Erinnerungen.
Es wurde getanzt. Die fliegenden bunten Gewänder,
die wirbelnden Beine und flatternden Haare suggerierten Bewegung. Die Musikanten,
die Fiedler, Flötenspieler und Trommler, mit geröteten Gesichtern
und lachenden Mündern waren so natürlich dargestellt, dass Branwen
glaubte, die Musik zu hören und es ihr in den Beinen zuckte.
"Gefällt es Ihnen?" fragte jemand neben
ihr. Sie sah auf, leicht atemlos. Ein Mann stand neben ihr. Ein junger
Mann, mit meerfarbenen Augen und dunklem, holzbraunem Haar, das bis auf
seine Schultern reichte.
"Gefallen ist gar kein Ausdruck", sagte Branwen
lebhaft und schaute wieder auf das Bild. Ein langohriger Hund mit betont
unschuldsvollem Blick stahl eine Wurst vom Teller eines Mannes, der gerade
mit seiner sich kokett abwendenden Tischnachbarin schäkerte. Sie lachte
darüber. "Das Bild ist wundervoll. Ich könnte es stundenlang
ansehen."
"Dann kaufen Sie es doch", schlug der Mann
vor.
"Ich habe wohl nicht das Geld dafür",
antwortete Branwen bedauernd. "Solche Bilder haben die Angewohnheit, furchtbar
teuer zu sein."
"Das ist halb so wild", sagte der Mann mit
einem fröhlichen Lachen in den Augen. "Die Preise halten sich in moderatem
Rahmen. Das Bild dürfte schätzungsweise so um die 500 Pfund kosten."
"Für ein Kunstwerk ist es nicht teuer."
Der Mann schürzte nachdenklich die Lippen.
"Ich bin mir nicht sicher, meine Dame, ob das Kunst ist. Was Kunsttheorie
angeht, bin ich eine Niete. Ich weiß nur, was ich schön finde,
und was nicht. Obwohl selbst das Häßliche wieder eine gewisse
Schönheit besitzt. Man muß sie nur sehen können."
"Was ist an einer großen, fetten, haarigen
Spinne schön?" wollte Branwen wissen.
"Eine Spinne hat acht leuchtende Punkte als
Augen und sie spinnt Netze, an denen morgens früh Tautropfen wie Kristalle
schimmern."
"Ist das Ihre Philosophie? An allem nur das
Schöne zu sehen?"
"Nicht ‘nur’ sondern ‘auch’, meine Dame",
korrigierte der Mann.
Branwen schmunzelte über die altertümliche
Höflichkeit. "Branwen, nicht ‘meine Dame’. Branwen O’Kearny."
"Ich bin erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen,
Branwen. Mein Name ist Donn, Valerian Donn. Lachen Sie bitte nicht." Er
grinste dabei, so dass sie das Lachen nicht zurückhalten konnte.
"Entschuldigen Sie."
Valerian seufzte in gespielter Resignation.
"So geht es mir öfter. Valerian ist ein römischer Name, der heute
selten ist. Auf englisch klingt er schrecklich. Aber er ist mir lieber
als Jim oder Jack."
"Der Name Branwen ist auch selten geworden,
vor allem außerhalb von Wales."
"Ein Name von tragischer Größe.
Die Königstochter war der Grund weshalb viele Helden der Alten den
Tod fanden und noch mehr von denen, die keine Helden waren. Das hat ihr
das Herz gebrochen. Sie muß eine schöne und liebenswerte Frau
gewesen sein – von beneidenswerter Treue und voll Liebe."
Branwen hörte wie gebannt zu. Valerian
hatte eine klare, klangvolle Stimme. Er sprach mit irgendeinem Akzent,
den sie nicht zuordnen konnte. Er formte seine Sätze in einer Melodie,
die leicht in das Ohr eindrang. Noch nie hatte sie jemanden ähnlich
sprechen hören, mit Ausnahme vielleicht von ihrer Großmutter,
die ihr als kleines Mädchen Geschichten erzählt hatte. Es war
eine Freude, ihm zuzuhören.
"Wenn Sie das Bild haben wollen, sprechen
Sie mit dem Galeristen. Der weißhaarige Gentleman in dem grauen Anzug
dort hinten." Er deutete in den Hauptraum, wo gerade die Rede ihr Ende
fand und beklatscht wurde. Die Menge löste sich in kleine, diskutierende
Grüppchen auf.
"Lieber nicht", meinte Branwen. "Ich fürchte,
ich würde ihn stören. Er unterhält sich gerade. Wie kommt
es, dass die Bilder so günstig sind?"
Valerian lachte, dass seine regelmäßigen
Zähne kurz aufblitzten. "Das ist nun wirklich einfach. Wenn sie so
teuer wie ein van Gogh wären, würde sie keiner kaufen. Und dann
käme so ein Milliardär daherspaziert, der die Bilder als Kapitalanlage
in einen Panzerschrank stecken würde." Er schüttelte sich kurz.
"Das ist ein grauenhafter Gedanke. Bilder müssen angesehen werden,
sonst haben sie ihren Zweck verfehlt."
Branwen zog erstaunt die Augenbrauen hoch.
"Das ist eine seltene Ansicht. Heutzutage gilt doch nur das, was teuer
ist als qualitativ hochwertige Kunst."
"Ich habe keine Ahnung von Kunst. Ich weiß,
was mir gefällt, und was ich mir gern ansehe. Diese Bilder haben einen
Materialwert von vielleicht fünfzig Pfund. Dazu kommen die Arbeitszeit,
einiges an Phantasie und eine geschickte Hand; das läßt sich
ohnehin nicht in Geld umrechnen. Das Bild ist gut, wenn es seinem Betrachter
etwas gibt. Wie soll man das in Geld umrechnen? Vielleicht ist das ja die
Kunst."
"Sie verstehen mehr von Bildern als so mancher
Kunstkritiker. Malen sie?"
"Ein wenig."
"Was denn?"
"Das da." Er nickte zu den Bildern an der
Wand.
Branwen schnappte nach Luft. "Das ist nicht
fair", sagte sie, "mich so auflaufen zu lassen!"
"Ich habe sie nicht auflaufen lassen", versicherte
er mit einem Lachen in den Augen. "Sie sind eine angenehme Gesellschaft.
Was treiben Sie, wenn Sie nicht gerade in Galerien sind?"
"Um ehrlich zu sein, ich bin selten in Gemäldegalerien.
Mein Kunstgeschmack ist eher antiquiert. Ich bin Fotografin."
"Also auch eine Künstlerin. Als Basis
haben wir das gleich Werkzeug: Das Auge. Nur haben Sie die ungleich schwerere
Aufgabe, ein Motiv oder Modell in seinem Wesen zu erfassen und abzulichten."
"Endlich treffe ich einmal jemanden, der nicht
meint, meine Tätigkeit erschöpfe sich in dem Aufs-Knöpfchen-drücken."
Valerian legte lauschend den Kopf schief.
"Entschuldigen Sie, Branwen, aber ich fürchte, ich muß unser
Gespräch jetzt abbrechen. Es schlägt acht, und ich muß
rennen, dass ich meinen Zug noch kriege. Auf Wiedersehen. Es ist mir eine
Freude, Sie kennengelernt zu haben."
"Die Freude ist ganz auf meiner Seite." Branwen
ärgerte sich im Nachhinein, eine so belanglose Floskel gebraucht zu
haben, aber sie meinte ihre Worte so, wie sie es sagte.
Es war etwas anderes, die Bilder zu betrachten,
jetzt, da sie den Künstler kannte. In jedem Bild sah sie ihn und seine
heitere Fröhlichkeit, in der Komposition der Farben hörte sie
sein Lachen und in den liebevollen, oft lustigen Details sah sie das vergnügte
Zwinkern seiner Augen.
Es wurde spät an diesem Abend.
Sie nutzte eine Regenpause, um zu ihrem Auto
zu kommen. Kaum saß sie in den Polstern, als es auch schon wieder
anfing. Ihr Heimweg führte sie am Bahnhof vorbei. Sie erkannte die
Gestalt in einem durchweichten Trenchcoat, die im Licht der Straßenlaterne
die Busfahrpläne studierte. Sie trat auf die Bremse.
"Kann ich Sie ein Stück mitnehmen, Valerian?"
fragte sie durch die herunter gekurbelte Scheibe.
Er stützte eine Hand auf den Rahmen.
"Wenn es auf Ihrem Weg liegt, gern. Ich wohne in Addington Hall, bei New
Addington."
"Sie haben Glück! Steigen Sie ein."
"Danke". Valerian glitt auf den Beifahrersitz.
"Zug verpaßt", erklärte er. "Ich fürchte, ich mache Ihre
Polster naß. Dieses Ding sollte Drenchcoat heißen." Sie lachte
über das Wortspiel.
"Macht nichts, Valerian. Die Zugverbindung
nach New Addington ist wohl ziemlich mies, was?"
"Kann man wohl sagen. Der letzte Zug fuhr
um Viertel nach acht. Bei solchen Gelegenheiten bedaure ich fast, dass
ich kein Auto habe."
"Warum nicht? Es gibt doch schon sehr billige
Gebrauchtwagen."
"Daran liegt es nicht. Ich kann nicht fahren.
Mit diesen Dingern kann ich nichts anfangen."
"Überzeugter Radfahrer?"
"Nein, Fußgänger. Benutzer öffentlicher
Verkehrsmittel. Und für kürzere Strecken habe ich ein Pferd."
"Wirklich?"
"Ja, wirklich."
"Sie sind ein komischer Kauz."
Valerian lachte leise. "Da haben Sie wohl
recht. Aber besser ein komischer Kauz als das zu sein, was heutzutage als
modern gilt."
"Was haben Sie dagegen?"
"Ich habe nicht direkt etwas dagegen. Es ist
schwer zu sagen. Heutzutage geht so vielen Menschen der Sinn für das
Wesentliche ab. Viele verlieren den Blick für das Gute und Schöne
ihrer Welt und verschandeln oder zerstören sie nach dem Bild ihres
eigenen Herzens. Es tut weh, so etwas sehen zu müssen."
Er schwieg und schaute auf den trüben,
gelben Streifen Straße, den die Scheinwerfer aus dem Dunkel schnitten.
Branwen schwieg ebenfalls. Sie glaubte, ihren Beifahrer schon lange zu
kennen und nicht erst seit wenigen Stunden. War es die Vertrautheit verwandter
Geister?
"Es tut gut, jemanden wie Sie kennenzulernen",
sagte sie schließlich. "Ihre Bilder sind wundervoll. Es macht Freude,
sie anzusehen. Leider war die ‘Hochzeit’ schon verkauft." Sie drehte die
Heizung etwas weiter auf. Er mußte in seinen durchweichten Sachen
ja frieren!
"Schön, dass sie Ihnen Freude machen.
Das sollen Sie auch."
"Nur das?"
"Nur das."
"Und was der Redner erzählt hat?"
"Phil ist ein liebenswerter Mensch und ein
Kunstliebhaber. Außerdem redet er gerne. Seine Reden sind Kunstwerke,
beziehen sich aber nicht unbedingt auf meine Intentionen. So wie er es
ausdrückt, ist es doch gleich von weitaus gehobenerer Qualität."
"Das haben Sie hübsch gesagt."
Das Gespräch erstarb. Der Regen flutete
vom Himmel. Nur mühsam konnte der Scheibenwischer seiner Herr werden.
Branwen starrte angestrengt auf die kaum noch zu erkennende Straße.
"Darf ich?"
Sie nickte. Valerian drehte das Autoradio
an. Leise Musik drang aus den Lautsprechern. Valerian legte den Kopf zurück
und schloß die Augen.
So kamen sie nach New Addington. "Die nächste
rechts", sagte er. "Aber vorsichtig, die Zufahrt ist in keinem guten Zustand."
"Ich passe schon auf."
Branwen bog in einen schmalen, ungepflasterten
Weg ein. Dreck spritzte auf, als sie durch Schlaglöcher rumpelte.
Hinter einer Kurve tauchte eine riesige Pfütze auf, deren wahre Ausmaße
sich im Scheinwerferlicht nicht einmal abschätzen ließen. Branwen
reagierte zu spät. Schmutzwasser und Schlamm schlugen über dem
Autodach zusammen und hüllten das Wageninnere kurz in völlige
Dunkelheit. Branwen trat heftig auf die Bremse und würgte den Wagen
ab. Mit einem ächzenden Quietschen kämpften sich die Scheibenwischer
durch die Schlammschicht und gaben nach und nach die Sicht auf eine schwarze,
vom Regen zerhackte Wasserfläche frei. Mit zitternden Fingern drehte
sie den Zündschlüssel. Der Motor wimmerte und wollte nicht anspringen.
"Scheiße!" fluchte sie aus tiefstem
Herzen und schlug mit den Händen aufs Lenkrad.
"Vorschlag", sagte Valerian. "Sie bleiben
heute Nacht in Addington Hall und morgen früh schleppe ich mit Ellak
ihren Wagen zur nächsten Werkstatt."
"Was bleibt mir anderes übrig?" fragte
sie halb ärgerlich, halb resigniert. Sie wollte aussteigen.
"Moment", sagte Valerian und stieg aus. Sie
hörte, wie er um den Wagen patschte und schließlich ihre Tür
öffnete. "Die Pfütze ist ziemlich tief. Wenn Sie erlauben, werden
ich Sie zum Ufer tragen. Ihre Schuhe werden es Ihnen danken."
Branwen starrte ihn entgeistert an. Wieder
diese altmodische Ritterlichkeit! "Nein, vielen Dank." Sie wollte aussteigen,
doch dann fiel ihr Blick auf das Wasser, das nur noch wenige Zentimeter
steigen mußte, um in das Auto hinein zu fließen. Valerian stand
bis an die Waden in der schlammigen Brühe. Sie zögerte und sah
dann empor zu seinem regennassen Gesicht. "Ich habe es mir überlegt,
danke für ihr Angebot. Ich hole nur noch meinen Schirm." Sie langte
auf den Rücksitz, wo dieses wichtige Utensil seinen Stammplatz hatte.
"Nehmen Sie bitte Ihren Kopf beiseite." Sie öffnete ihn über
der Autotür.
Valerian bückte sich unter den Schirm
und hob sie scheinbar mühelos aus dem Auto. Mit einem gekonnten Hüftschwung
warf er die Autotür zu und schritt in die Dunkelheit. Er schritt wirklich,
als gäbe es weder Regen noch das Pfützenwasser, das seine Schuhe
überflutet hatte und ihm nun die Hosenbeine hochkroch. Es war wie
im Film. Sie hielt den Schirm über ihre beiden Köpfe. Doch ihre
Füße wurden naßgeregnet. Am Rande der Pfütze ließ
er sie zu Boden gleiten. "Jetzt aber flott", sagte er.
Gemeinsam rannten sie zu dem großen
dunklen Gebäude, das als ein schwarzes Schemen am Ende der Zufahrt
auf sie wartete. Branwen keuchte, als sie unter dem Vordach anlangten.
Valerian suchte in seinen diversen Mantel- und Hosentaschen nach dem Hausschlüssel,
nicht im mindesten außer Atem. "Ha!" Er angelte in aus der Hosentasche
und fand mit traumwandlerischer Sicherheit das Schlüsselloch. Die
Tür schwang auf und dankbar traten sie in das trockene, nach altem
Holz duftende Dunkel der Diele. Valerian knipste das Licht an und trat
seine aufgeweichten Schuhe von den Füßen. In der gleichen Bewegung
streifte er den triefenden Trenchcoat ab und hängte ihn an die Garderobe.
"Kommen Sie mit, ich zeige Ihnen das Badezimmer.
Sie werden heiß duschen wollen."
Das Badezimmer lag im ersten Stockwerk. Es
war eines der bestausgestatteten Badezimmer, die sie je gesehen hatte.
"Handtücher sind in jenem Schrank dort.
Ich suche einen Jogging-Anzug und einen Bademantel für Sie heraus."
Damit zog sich Valerian zurück.
Branwen zog Schuhe und Strümpfe aus.
Die dicken, flauschigen Matten fühlten sich angenehm unter ihren nackten
Fußsohlen an und wärmten sie. Sie nahm zwei große Handtücher
aus dem Schrank und begann, ihr Haar zu lösen. Sie schaute dabei
in den Spiegel und fragte sich, ob das wirklich sie war, die sich da anschickte,
bei einem fremden Mann zu duschen. Sie, die doch sonst immer so übervorsichtig
war? Bislang hatte sie sich noch nie mit einem Mann eingelassen und sich
auch bemüht, nie etwas zu tun, um einen Mann zu provozieren.
Es klopfte. "Ich habe die Sachen", sagte Valerian.
Branwen öffnete. "Sie können hereinkommen,
ich bin noch angezogen."
Er gab ihr einen weichen, grauen Jogging-Anzug,
einen dicken, tiefblauen Frotteebademantel und Hausschuhe. "Ich hoffe,
die Sachen passen Ihnen, Branwen."
Sie nahm die Kleidung an. "Ich denke schon.
Danke."
Valerian hatte immer noch sein nasses Zeug
an. Er sah aus, als habe er vollständig bekleidet ein Bad genommen.
Es schien ihm nicht übermäßig viel auszumachen. "Lassen
sie sich ruhig Zeit. Ich mache inzwischen das Abendessen. Bis gleich."
Er zog die Tür hinter sich zu.
Branwen sah die geschlossene Tür eine
Weile traumverloren an. Dann drehte sie den Schlüssel herum und zog
sich aus.
Das Badezimmer war in weiß und blau
gehalten, die Armaturen funkelten blitzsauber. Einige der weißen
Kacheln an den Wänden trugen blaue Blumenornamente. Branwen sah sich
ein paar davon genauer an und kam zu dem Schluß, dass er sie selbst
bemalt hatte. Sie lächelte.
Die heiße Dusche tat ihr wohl. Sie wusch
sich die Haare und ließ sich solange das Wasser auf die Haut prasseln,
bis sie sich ganz eingeschrumpelt fühlte.
Der Jogging-Anzug war ihr etwas zu groß.
Sie ging hinunter und folgte dem Geruch von frisch aufgebrühtem Kaffee.
Valerian hatte sich ebenfalls umgezogen und trug nun auch einen bequemen
Jogging-Anzug, dunkelblau mit hellgrauen Streifen. Das Haar hing ihm in
feuchten, schweren Strähnen auf die Schultern. Es wirkte fast schwarz.
So schwarz wie der Kaffee in der Glaskanne vor ihm.
"Schon fertig?" Er sah kurz von seiner Arbeit
- Sandwiches machen - auf und lachte sie mit den Augen an. "Das ging aber
schnell."
"Schnell? Ich hatte schon befürchtet,
viel zu lange das Badezimmer blockiert zu haben."
"Keine Sorge. Dieses Haus ist riesig. Es hat
mehrere Badezimmer."
"Und was tun Sie so allein in diesem riesigen
Haus?" Im selben Moment in dem die Frage ihre Lippen verlassen hatte, bereute
sie sie auch schon. Wie albern mußte das klingen!
"Ich wohne und arbeite hier", gab Valerian
bereitwillig Auskunft. "Ich brauche viel Ruhe. Das Haus ist ideal." Er
türmte die Sandwiches auf einen Teller und plazierte ihn zusammen
mit dem Kaffee, Milch, Zucker, Tassen und Tellern auf einem Tablett. "Gehen
wir in den Salon. Ich habe schon Feuer gemacht. Es ist dort gemütlicher
als hier in der Küche." Er nickte zu einer braunen Tür hin. Branwen
öffnete ihm hilfsbereit.
Das Feuer knisterte und knackte im Kamin,
davor lag ein flauschiger Teppich. Die altersdunkle Sitzgarnitur roch nach
Leder, die Wände waren in den tanzenden Schatten nur zu erahnen. Valerian
setzte das Tablett auf den niedrigen Rundtisch und schob einige herumliegende
Blätter zusammen. "Setzen sie sich. Ich mache noch ein paar Lampen
an."
Während Branwen sich zwischen den Kissen
auf der Couch niederließ, holte Valerian eine Petroleumlampe und
einen Kerzenleuchter. Die Kerzen entzündete er an dem Kaminfeuer.
Branwen lächelte. Sie war immer noch irritiert. Alles war so ... so
fremd. Die Kerzen gaben kaum Licht. Sie erhellten nur den Tisch, das Abendessen
und die Sitzgruppe. Valerian setzte sich ebenfalls und schenkte den Kaffee
ein.
"Das ist echt kontinentaler Kaffee", bemerkte
er, "nicht dieses Bohnenwaschwasser, was man hier auf der Insel normalerweise
als Kaffee serviert bekommt. Ich hoffe, sie mögen ihn. Nehmen Sie
Milch?"
"Viel Milch und Zucker." Valerian reicht ihr
die Tasse, nachdem er die gewünschten Zutaten hineingerührt hatte.
"Danke."
Er selber zog sich mit seinem Kaffee in die
Ecke der Couch zurück. Gemütlich lehnte er sich in den Zwickel
zwischen Arm- und Rückenlehne, ein Bein untergeschlagen. Branwen hockte
sich in die andere Ecke und nippte an dem Kaffee. Er schmeckte sonderbar
fremd und doch gut. Sie nickte anerkennend. "Sie haben recht. So etwas
findet man sonst nicht in Britannien."
Ein paar vorwitzige Strähnen krochen
ihm in die Stirn. Gedankenlos strich er sie zurück. Zwecklos. Sofort
federte eine Locke zurück. Er ließ ihr den Willen.
"Das ist ein ... seltsames Haus", bemerkte
Branwen.
"Genauso seltsam wie sein Besitzer, nicht
wahr?" Valerian beugte sich vor und griff nach einem Schinkensandwich.
"Das habe ich eigentlich nicht sagen wollen.
Aber es stimmt. Sie erinnern mich an eine Sorte Mensch, die sonst nur in
den Romanen vorkommt. Oder in Filmen. Sind Sie sicher, dass Sie echt
sind und nicht nur eine Gestalt meiner überdrehten Phantasie?"
"Probieren Sie ein Sandwich, Branwen. - Nein.
Woher soll ich wissen, ob ich echt bin? Für den Fall, dass ich es
nicht sein sollte, finde ich es nett, dass Sie mich erfunden haben."
Branwen hatte sich ebenfalls ein Sandwich
genommen. "Veralbern Sie mich bitte nicht."
"Entschuldigung. - Mögen Sie Musik?"
"Natürlich ..."
"Lassen Sie mich raten." Valerian schaute
sie abschätzend an. Sein Gesichtsausdruck änderte sich fast unmerklich.
Für einen winzigen Moment verschwand jede Heiterkeit und machte forschendem,
kühlem Ernst Platz, der sofort wieder mit einem vergnügtem Augenzwinkern
weggewischt wurde. "Klassik natürlich. Beethoven, Verdi. Vielleicht
auch Schubert."
"Schumann", korrigierte Branwen bei ihrem
zweiten Sandwich.
"Verzeihung. Modernes: Folk. Irisches, schätzungsweise.
Heavy Metal liegt ihnen wohl gar nicht."
"Stimmt weitgehend", sagte sie. "Ich bin wohl
leicht zu durchschauen."
Ihre Stimme mußte verärgert geklungen
haben, denn für einen Moment war er irritiert. "Nein gar nicht." Valerian
schaute kurz in seine Kaffeetasse, die er in den Händen hielt. "Es
paßt einfach zu ihnen. Ich überlege mir oft, was zu bestimmten
Personen paßt. Das hängt, glaube ich, mit dem Malen zusammen.
Mit der Lebendigkeit."
Branwen schüttelte den Kopf, als wollte
sie eine Fliege vertreiben. Nachdenklich nippte sie an dem Kaffee. Der
Wind trieb den Regen gegen die Fensterscheiben. Er prasselte gegen das
Glas, als ob eine Schulklasse Lausbuben mit vollen Händen kleine Kieselsteine
dagegen werfen würde. Ihre Augen hatten sich mittlerweile an das flackernde
Licht gewöhnt. Die Wände nahmen Gestalt an, mit dunklen Flecken
und Umrissen von Bildern. Über dem Kamin hing ein Wappenschild mit
zwei gekreuzten Degen. Der geschnitzte Schild zeigte einen doppelköpfigen
Vogel.
Valerian erhob sich mit einer geschmeidigen
Bewegung, die Branwen an einen Kater erinnerte, und nahm einen der unförmigen
Schatten von der Wand. Er entpuppte sich als eine kleine, siebensaitige
Harfe aus dunklem Holz. Das Licht flimmerte über die Saiten und ließ
die Perlmutteinlagen aufleuchten. Valerian setzte sich hin, stellte die
Harfe auf sein Knie und strich sich mit der freien Hand beinahe verlegen
seine vorwitzigen Haare aus der Stirn. Branwen lehnte sich zurück
und schmiegte ihren Kopf in den auf der Rückenlehne angewinkelten
Arm. Valerian vermied es, sie anzusehen. Seine Hand strich über die
Saiten, brachte sie ganz zart zum Klingen. Mit schräg gelegtem Kopf
lauschte er. Vor dem Kaminfeuer zeichnete sich sein Profil so scharf ab
wie auf einer Münze. Branwen betrachtete ihn, während er das
Instrument sorgfältig stimmte. Sie bedauerte, ihre Kamera nicht dabei
zu haben. Dann klangen die Akkorde zu seiner Zufriedenheit. Er begann zu
spielen. Erst einige Akkorde, dann Arpeggien, aus denen eine Melodie wurde.
Branwen lauschte hingerissen. Es dauerte eine Weile, bis sie merkte, dass
er eine zweite Stimme dazu sang, ohne Worte. Die Melodie trat langsam zurück
und überließ seiner Stimme die Führung. Jetzt konnte sie
Worte oder Silben hören. Eine Sprache, die sie nicht kannte. Es mußte
eine Ballade sein. Seine Stimme verzauberte sie, malte Bilder in ihrem
Herzen. Es machte nichts, dass sie keines der Worte rationell verstand.
Dann war es vorbei. Das Lied endete wie ein Seufzer, der letzte gebrochene
Akkord verklang. Valerian legte die Hand über die Saiten und brachte
sie zum Schweigen.
Branwen klatschte. "Das war wundervoll!"
Valerian schüttelte den Kopf. "Das sagt
Ihr ... sagen Sie nur, weil Sie keinen Vergleich haben. Es war im großen
und ganzen recht schulmäßig. Zugegeben, mit ein paar eigenständigen
Spielereien." "Ich wünschte, ich hätte nur die Hälfte Ihres
Talentes, Valerian. Ihre Musik ist wunderschön. Was war es?"
"Eine Ballade aus meiner Heimat. Sie erzählt
die Geschichte einer unglücklichen Liebe."
"Was für eine Sprache war das? Es hörte
sich irgendwie keltisch an, finde ich."
"Keltisch?" Valerian krauste die Stirn. "Ja,
Sie haben recht. Es klingt so ähnlich", gab er dann zu. Er ging nicht
weiter darauf ein und Branwen vergaß, was sie wissen wollte.
"Es ist beinahe so wie früher, wenn ich
meine Großmutter in Wales besuchte. Sie konnte fabelhaft erzählen.
Als Sie gesungen haben, fühlte ich mich an die Geschichte von Althea
und Gol erinnert." "Die kenne ich nicht. Erzählen Sie."
Branwen begann. Valerian hörte aufmerksam
zu. Dann plötzlich holte er einen Block hervor und begann zu zeichnen.
Branwen unterbrach sich kurz.
Valerian schaute auf. "Bitte, erzählen
Sie weiter, ich höre zu." Irritiert gehorchte Branwen.
"Darf ich es sehen?" fragte sie, als sie zum
Ende gekommen war. Er klappte den Block zu.
"Nein. Erst wenn es fertig ist. Sie würden
bestimmt auch nicht gerne mit Lockenwicklern ertappt werden."
Branwen ließ die Augenbrauen überrascht
emporrutschen. "Ein ulkiger Vergleich."
"Aber treffend. In vielleicht drei Wochen
wird das Bild fertig sein. Dann können Sie es sehen."
Das Feuer war niedergebrannt, lebte nur noch
glühend in den Scheiten. Es war anheimelnd.
Valerian erhob sich. "Ich weiß nicht,
wie es Ihnen geht, ich jedenfalls bin müde. Mein Tag fängt früh
an."
Eilig stand Branwen auf. "Mir geht es genauso."
Er schob das Funkengitter vor den Kamin und
ergriff den Kerzenleuchter. "Passen Sie auf, wo Sie hintreten", warnte
er.
"Haben Sie kein elektrisches Licht?" fragte
sie.
"Doch, aber erst in der Küche und in
der Diele. Hier mag ich es nicht." Wirklich knipste er auf dem Flur die
elektrischen Lampen an und blies die Kerzen aus.
Branwen blinzelte. Einen flüchtigen Moment
lang konnte sie nicht begreifen, weshalb sie dieses grelle Licht dem warmen,
lebendigen Schein der Kerzen und dem Kaminfeuer vorziehen konnte. Valerian
brachte sie zu einem Gästezimmer im ersten Stock, dann zog er sich
in seine Räumlichkeiten zurück.
Sie verbrachte die Nacht in tiefem, traumlosen
Schlaf. In aller Herrgottsfrühe wurde sie durch das überaus laute,
blechern klingende Geschrei eines echten Landhahnes geweckt. Augenblicke
lang wußte sie nicht, wo sie war, aber dann erinnerte sie sich. Ihr
Wagen steckte in einer riesigen Pfütze in der Auffahrt und sie genoß
die Gastfreundschaft dieses seltsamen Künstlers. Sie zog wieder den
Jogging-Anzug an, weil sie nicht wußte, wo ihre Kleider geblieben
waren. Valerian war bereits auf den Beinen und stand fertig angezogen in
der Küche am Herd. Er war bereits so durch und durch wach, dass Branwen
argwöhnte, er wäre gar nicht im Bett gewesen.
"Guten Morgen, Branwen", grüßte
er munter. "Gut geschlafen?"
"Guten Morgen. Ja, danke der Nachfrage. Sind
sie schon lange auf?"
"Wie man’s nimmt." Valerian unterbrach sich
kurz, um einige fladenartige Gebäckstücke auf der Ofenplatte
zu wenden. "Ich habe die Eier eingesammelt und Ellak versorgt. Mehr noch
nicht."
"In Anbetracht der frühen Stunde ist
das viel. Kann ich irgendwas helfen?"
"Sie können den Tisch decken, da vorne,
am Fenster. Ihre Sachen hängen drüben im Salon vor dem Kamin.
Sie sind trocken geworden." Mit einem Kopfnicken zeigte er ihr, wo er sein
Geschirr verwahrte. Während sie Tassen und Teller auf dem Tisch arrangierte,
bemerkte sie, dass das Küchenfenster auf die Weide hinausging. Draußen
stand ein großes, schwarzes Pferd und rupfte Gras.
"Ist das Ellak?"
"Ja, wenn Sie das Fenster aufmachen, kommt
er her und steckt seinen großen Kopf in die Küche. Er liebt
Gesellschaft." Valerian pickte die Fladen von der Platte und stapelte sie
gekonnt auf einem Teller. Zusammen mit Marmelade, Butter und gekochten
Eiern deponierte er ihn auf dem Tisch. "Sagen Sie, wenn etwas fehlt. Der
Tee kommt noch." Er rückte ihr einen Stuhl zurecht. Als er die dampfende
Kanne auf den Tisch stellte, setzte er sich auch hin.
Branwen schenkte ihnen ein. "Sie machen sich
zuviel Mühe, Valerian."
"Keineswegs. Ich liebe ein gemütliches
Frühstück. Wie finden Sie die Fladen? Altes Familienrezept."
"Sie sind gut. So etwas habe ich noch nie
gegessen."
Valerian kicherte vergnügt vor sich hin.
"Um so besser, wenn es Ihnen schmeckt. Wann muß Ihr Wagen eigentlich
wieder flott sein?"
"Gottogott. Um acht muß ich in der Arbeit
sein!"
"Das schaffen wir spielend", versicherte er.
Wieder hatte Branwen das Gefühl der Unwirklichkeit.
Sie kam sich beinahe so vor wie in so einer blödsinnigen Reklamesendung
für Margarine im Fernsehen. Sogar die Sonne schien so richtig nach
Reklameart durchs Fenster. Ein Lachen stieg in ihr auf und machte sich
in einem unterdrückten Kichern Luft.
Valerian hob erstaunt eine Augenbraue und
lachte dann mit.
"Ich bin so furchtbar albern", brachte sie
schließlich hervor.
"Na und?" Valerian wischte sich die Lachtränen
aus den Augen. "Was war denn so komisch?"
"Ich mußte gerade an diese Reklame im
Fernseher denken und vermißte die freundliche Verkäuferin, die
uns die Margarine durchs Fenster wirft."
Für einen Moment wirkte er irritiert.
"Ich kenne das nicht", gab er dann zu. "Einen Fernseher besitze ich nicht.
Früher einmal war ich fasziniert von den Dingern, bis ich dahinter
kam, dass das nur schlecht erzählte Märchen sind."
"Warum schlecht erzählt?"
"Das meiste ist so hohl. Und es bleibt immer
gleich. Es ... es ist nicht wirklich." Valerian wand sich förmlich.
"Ich kann es nicht in Worte bringen. Es ist ein Gefühl. Am besten
Sie machen sich jetzt fertig und ich kümmere mich um Ellak. Okay?"
"Okay."
Wie bisher arbeitete Valerian sehr schnell.
Als Branwen vor die Tür trat, wartete er bereits hoch zu Roß.
Er hatte dem Pferd ein Zuggeschirr angelegt und saß zwischen den
zusammengelegten Riemen und Seilen auf dem bloßen Pferderücken.
"Kommen Sie." Er beugte sich herunter und streckte ihr die Hand entgegen.
Branwen fürchtete sich ein bißchen
vor dem großen, schwarzen Tier. "Ich kann aber nicht reiten."
"Halb so wild", beruhigte er sie. "Sitzen
können sie ja wohl."
Sie fühlte sich plötzlich emporgehievt
und saß unvermittelt vor ihm, die Beine seitlich herabhängend.
Kaum dass sie oben war, setzte sich Ellak in Bewegung. Einen flüchtigen
Moment verspürte sie Angst. Doch dann wurde ihr bewußt, dass
ihr keinerlei Gefahr drohte. Ellaks Schritt war sanft und wiegte sie, wie
ihr Großvater sie als kleines Kind auf seinem Schoß geschaukelt
hatte. Außerdem lag Valerians Arm mit der Selbstverständlichkeit
eines Sicherheitsgurtes um ihrer Taille. Branwen genoß diesen kurzen
Ritt und sah sich dabei vor ihrem inneren Auge, wie ein Ritter à
la Hollywood mit ihr vor sich auf dem Pferd durch die Lande galoppierte.
Nur ritt Valerian in diesem Schaukelschritt. Viel zu schnell erreichten
sie die Riesenpfütze mit ihrem Auto darin. Gleichmütig patschte
das Pferd hinein und trug sie ans andere Ende. Valerian sprang zu Boden
und half ihr galant beim Absitzen.
"Besser, Sie warten hier, Branwen", sagte
er.
Dann zog er ohne Umstände Schuhe und
Strümpfe aus, rollte Hosenbeine und Ärmel hoch, und ging zurück
zum Auto, Ellak am Halfter führend. Branwen beobachtete interessiert,
wie er zu Werke ging. Das schmutzige Wasser reichte ihm noch immer bis
an die Waden. Ellaks Beine verschwanden bis über die langen Fesselhaare
in der schlammigen Brühe. Eine Reihe gelblichbrauner, runder Verfärbungen
im Wasser markierte ihre Spur. Valerian prüfte den Sitz eines stabilen
Karabinerhakens an dem Zugseil, suchte unter der Heckstoßstange im
Wasser nach der Abschleppöse und klinkte den Haken ein. Ellak legte
sich auf einen ermunternden Zuruf Valerians ins Geschirr. Ohne große
Mühe wurde der Wagen zurück auf die trockene Straße gezogen.
"Ich werde demnächst die Auffahrt reparieren",
brummte er, als er das Seil löste. "Oder aber Enten ansiedeln."
Branwen grinste. "Herzlichen Dank für
Ihre Hilfe und Ihre großzügige Gastfreundschaft", sagte sie
dann und streckte ihm die Hand zu einem - wie sie befürchtete - formellen
Abschiedsgruß entgegen.
"Es war mir ein Vergnügen", antwortete
er, ihre Hand ergreifend.
"Darf ich Sie noch einmal besuchen und vielleicht
ein paar Fotos machen?"
"Wenn Sie sie nicht veröffentlichen gern.
So in drei Wochen vielleicht? Bis dahin habe ich auch das Bild fertig."
"Ich ruf sie an, okay?"
"Kommen Sie einfach vorbei. Ich habe kein
Telefon."
Branwen öffnete die Wagentür und
stellte fest, dass sie den Schlüssel hatte stecken lassen. Aber wer
hätte hier schon das Auto stehlen sollen? "Gut, in drei Wochen also."
Valerian nickte. "Auf Wiedersehen, Branwen."
"Auf Wiedersehen."
Sie stieg ein. Er hob seine Schuhe auf, stopfte
die Strümpfe in die Hosentaschen und schwang sich auf Ellaks Rücken.
Branwen bewunderte seine Eleganz dabei, wie er mit scheinbarer Leichtigkeit
mit einem Sprung hinaufkam. Wie ein Cowboy im Film. Mit einem Seufzer startete
sie den Wagen. Der Motor jammerte und ächzte, gab eine knallende Fehlzündung
von sich. Ellak machte einen erschreckten Satz und stieg, mitten in der
Pfütze. Widerwillig sprang der Motor endlich an. Valerian lachte und
beruhigte Ellak mühelos, wie sie beruhigt feststellte, bevor sie den
Wagen wendete und zur Straße zurückfuhr. Valerian galoppierte
neben dem Auto her, winkte ihr noch einmal fröhlich zu, bevor Ellak
wie vom Bogen geschnellt vorwärts schoß, die Hecke vor der letzten
Kurve übersprang und damit seinen Reiter aus ihrem Blick entführte.
An diesem Morgen kam sie eine Stunde zu spät
in dem Fotolabor an, ihre Kleider sahen von dem nächtlichen Schauer
etwas angegriffen aus und rochen nach Pferd. Aber sie war rundum zufrieden.
In drei Wochen würde sie Valerian Donn wiedersehen. Sie freute sich
schon jetzt darauf. Wenn ihr auch nicht klar war, wie sie die lange Zeit
bis dahin überleben sollte.
An einem schönen, sonnigen Wochenende
war es endlich soweit. Sie packte ihre Fotoausrüstung ein, eine Packung
Mon Cherie für Valerian (im blinden Vertrauen auf die Werbung,
dass das immer das Richtige war) und Karotten für das Pferd. Das erste,
was sie von seinem Anwesen bemerkte war, dass er die Auffahrt repariert
und das Riesenschlagloch aufgefüllt hatte. Dann sah sie das Haus.
Die Front war mit Efeu bewachsen, das Küchenfenster stand weit offen,
davor stand Ellak und hatte seinen Kopf ins Innere gesteckt. Er zog ihn
zurück, als er Branwens Auto herankommen hörte. Sie stieg aus.
Für einen langen Augenblick fühlte sie sich von den dunklen Pferdeaugen
gemustert, dann jedoch entschied er, dass sie keine potentielle Gefahr
darstellte, und wandte sich seiner Tätigkeit in der Küche wieder
zu.
Branwen betätigte grinsend die Türklingel.
Tief drinnen im Haus gongte es. Für eine Weile war das auch das einzige
Geräusch. Dann endlich hörte sie Schritte in der Diele und die
Tür wurde umständlich geöffnet.
Valerian strahlte ihr entgegen. "Hallo!" sagte
er. "Wie schön, Sie wiederzusehen! Ich kann Ihnen leider nicht die
Hand geben." Er trug einen mit Farbkleksen übersäten Kittel und
rieb mit einem Lappen seine Hände ab, die ebenfalls mit bunten Tupfen
übersät war. Ein hellblauer Streifen zog sich quer über
seine Nase.
"Hallo", antwortete Branwen, bemüht,
ein breites Grinsen zu unterdrücken. "Hier bin ich, wie angedroht."
Valerian gab die Tür frei. "Kommen Sie
nur herein. Ich muß mich grad noch ein wenig sauber machen. Sie entschuldigen
mich noch für einen Moment?"
"Aber selbstverständlich. Ich hole inzwischen
die Fotoausrüstung."
"In Ordnung." Mit einem geschickten Tritt
schob er einen Holzkeil unter die Tür.
Branwen kehrte zum Wagen zurück, Valerian
verschwand im Haus. Mit ihrer Fototasche bepackt betrat sie wenig später
die Diele. Es war eine altmodische, holzgetäfelte Diele, mit zahlreichen
Garderobenhaken aus Messing nahe der Tür. Über einem hing der
Trenchcoat, über einem anderen eine verwaschene Jeansjacke. Aus dem
Schirmständer schauten die gekrümmten Griffe von zwei Schirmen,
die eines Golfschlägers und einer Reitgerte. Dazwischen befand sich
der kreuzförmige Griff eines Schwertes. Sie schaute noch einmal hin.
Es war immer noch ein Schwertgriff. In dem Moment kam Valerian die Treppe
herunter, ohne seinen bekleksten Kittel.
"Ein interessantes Sammelsurium haben Sie
da", bemerkte Branwen mit einem bezeichnenden Blick auf den kreuzförmigen,
mit Leder umwickelten Griff. Er sah abgenutzt aus. Jedenfalls abgenutzter
als der des Golfschlägers.
Valerian lächelte unverbindlich. "Es
freut mich, dass Sie gekommen sind, Branwen. Ich habe das Bild fertig bekommen.
Es ist nur noch nicht ganz trocken. Haben Sie Lust auf Tee?"
"Danke, ja. Wozu haben Sie ein Schwert im
Schirmständer?"
"Als Sportgerät. Ich fechte damit. Um
fit zu bleiben."
"Gegen wen?"
"Gegen niemanden. Es ist reine Spiegelfechterei,
wie das Schattenboxen."
Valerian schloß die Haustür und
trug ihre Fototasche in den Salon. Das Tageslicht schien durch die großen
Fenster, gefiltert von hauchdünnen Gardinen, herein. Der hintere Teil
des Salons wurde von einem riesigen Bücherschrank eingenommen, der
von Büchern nahezu überquoll. Die Bilder an den Wänden waren
Reproduktionen von berühmten Meistern. Irgendwie paßte diese
biedere Einrichtung nicht zu dem Bild, das sich Branwen von Valerian gemacht
hatte. Sie gingen hinüber in die Küche. Valerian stutzte und
starrte empört auf Ellaks großen Kopf, der immer noch durch
das Fenster hereinsah und gerade die letzten Salatblätter aus dem
Durchschlag verdrückte.
"Biest", zischte er. Ellak schnaubte unbeeindruckt.
"Das war mein Salat. Du hast doch genug Grünzeug, warum mußt
du dich an meinem vergreifen?"
Branwen hielt sich die Hand vor den Mund,
um nicht laut herauszulachen. Seine Stimme klang nicht verärgert oder
gar böse. Es lag nur ein milder Vorwurf in ihr.
Er setzte das Teewasser auf und stellte eine
Schale mit Keksen auf den Tisch.
"Selbstgebacken?" fragte Branwen.
"Selbstgekauft", antwortete Valerian mit einem
Lachen in den Augen. "Aber sie sind trotzdem gut." Es stimmte, wie sich
wenig später herausstellte.
Nach dem Tee zeigte er ihr sein Atelier, das
oben im Dachgeschoß lag. Es nahm die gesamte Fläche des Hauses
ein und erhielt Licht von großen Dachflächenfenstern zu allen
Seiten. Mehrere Staffeleien standen herum mit verschiedenen unfertigen
Bildern, andere mit Tüchern verhüllte Rechtecke standen in Regalen
mit schmalen Fächern. In der Luft hing ein penetranter Geruch nach
Farben, Lösungsmittel und Firnis, obwohl die Fenster geöffnet
waren. Branwen warf neugierige Blicke auf die unfertigen Bilder.
Eines stellte eine Stadt in einem von Bergen umschlossenen Tal dar, ein
anderes schien ein ganz gewöhnliches englisches Dorf zum Thema zu
haben, von einem weiteren existierte erst die Grundierung mit einer raschen
Skizze eines laufendes Pferdes. Valerian hob eines der umhüllten Rechtecke
auf und plazierte es auf einer leeren Staffel.
"Ich hoffe, es gefällt ihnen." Damit
nahm er das Tuch weg.
Branwen verschlug es die Sprache. Das Bild
war in zwei Register geteilt. Im unteren erkannte sie sich selbst wieder,
an einem Lagerfeuer sitzend in einem beigen Kleid und grünem Mantel,
der ihr wie ein dicker Schleier über den Rücken fiel. Das Feuer
zauberte goldene Glanzlichter auf ihr gelöstes, langes Haar. Sie saß
eifrig vorgeneigt. Ihre Hände gestikulierten. Um sie und das Lagerfeuer
herum saßen Leute, Kinder und Erwachsene, die ihr fasziniert zuhörten,
und mit den Augen an ihren Lippen hingen. Der Hintergrund verlor sich in
einem diffusen Wald. Nebel stieg aus ihm auf und aus diesem Nebel formten
sich die Gestalten der bewegenden Erzählung von Gol und Althea. Branwen
war fassungslos. Das Gemälde war so detailfreudig wie die anderen
von seiner Hand, die sie in der Galerie gesehen hatte. Ständig entdeckte
sie neue Einzelheiten. Und sie wurde es nicht müde, ihr Portrait zu
betrachten. Sie wußte, dass sie nicht häßlich war, aber
es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, sich als schön zu bezeichnen.
Doch die Frau auf dem Gemälde war schön - und sehr lebendig.
Anders als die Frau, die sie tagtäglich in ihrem Badezimmerspiegel
sah. Wenn Valerian sie so sah ...
Sie trat einen Schritt zurück und sah
ihn an. "Ich ... ich weiß gar nicht, was ich sagen soll", begann
sie. "Es ist wundervoll."
Valerians Gesicht strahlte. "Das freut mich.
Am besten lassen wir es noch ein bißchen stehen, bevor wir es einpacken.
Es wird aber noch eine Weile dauern, bis es völlig trocken ist."
Branwen schluckte. "Wie... wieviel bekommen
Sie dafür, Valerian?"
Er sah sie einen Moment lang belustigt an
und schüttelte dann den Kopf. "Sie haben bereits bezahlt, Branwen.
Mit ihrer Freude."
Sie verzichtete auf eine Diskussion. Wie schön,
dass es noch so romantische Idealisten auf der Welt gab, oder zumindest
solche Menschen, die sich romantischen Idealismus leisten konnten.
Sie kehrten in den Salon zurück. "Jetzt
bin ich an der Reihe, wenn Sie nichts dagegen haben."
Valerian hatte keine Einwände. Also rüstete
sie sich mit ihrer Fotoapparat. Bis zum Tee ließ sich Valerian von
ihr herum kommandieren und sie machte jede Menge Aufnahmen von ihm und
Ellak. Als sie beim Tee beisammen saßen, hatte sie ein Großteil
ihres Materials verbraucht.
"Sie bleiben doch die Nacht über, ja?"
fragte Valerian plötzlich.
"Eigentlich wollte ich heute abend nach Hause
fahren", antwortete Branwen.
Valerian zuckte bedauernd die Schultern. "Hoffentlich
müssen Sie wenigstens nicht allzufrüh aufbrechen, so dass wir
noch ausreichend Zeit zum Plaudern haben."
"Das läßt sich arrangieren. Tun
Sie mir einen Riesengefallen und spielen noch ein bißchen auf der
Harfe?"
"Gern. Wenn Sie noch eine Geschichte
erzählen. Sie können wunderbar erzählen."
"Es wird mir eine Freude sein. Doch erst muß
ich Ellak versorgen. Es dauert nicht lange."
"Ich mache derweil den Abwasch." Branwen rollte
die Ärmel ihrer Bluse auf und machte sich fröhlich pfeifend an
die Arbeit. Durch das Küchenfenster sah sie Valerian über die
Weide gehen, dicht gefolgt von dem großen Pferd, das ihn gelegentlich
aufmunternd in den Rücken stupste. Branwen grinste. Der Maler war
ein Original! Der Abwasch war schnell erledigt. Sie stellte gerade die
letzte Tasse zurück in den Schrank, als sie den Knall hörte,
scharf und laut. Branwen zuckte zusammen und ließ vor Schreck die
Tasse fallen. Ein Unfall, dachte sie. Ein Autoreifen ist geplatzt! Doch
das Quietschen von Bremsen blieb aus. Ein zweiter Knall zerriß den
Frieden des Nachmittags, kaum dass der erste verhallt war. Fast gleichzeitig
hörte sie Ellak wiehern und sah ihn über die Weide rennen.
Sie stürzte zum Fenster. "Valerian? Ist
alles in Ordnung bei Ihnen? Valerian?" Sie erhielt keine Antwort.
Ellak stand am äußeren Rand der
Weide und starrte mit gespitzten Ohren in Richtung des Stalles. Von einer
dunklen Ahnung gepackt lief sie hinaus und sah sich um. Rechts neben dem
Haus mußte der Stall liegen.
"Valerian!"
Keine Antwort. Die Ahnung wurde zu Furcht.
Sie lief den Pfad, der um des Haus führte, entlang, bog um die Ecke
und blieb entsetzt stehen, einen Schrei mit den Händen erstickend.
Valerian lag vor der geschlossenen Stalltür, an der zwei große,
verschmierte Blutflecke hervorstachen. Sein Hemd war blutgetränkt,
ebenso der Boden unter ihm. Branwen stand fassungslos da und starrte. Da
bemerkte sie, dass sich sein Brustkorb leicht bewegte. Er lebte noch. Sofort
war sie bei ihm auf den Knien und untersuchte ihn zitternd.
"Valerian", schluchzte sie. "Bitte, sag irgend
etwas." Sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte. Alles was sie je über
Erste Hilfe gewußt hatte, war wie weggeblasen. Sein Gesicht war erschreckend
weiß, die Hände eisig kalt und überall war Blut. Hilflos
drückte sie ihre Hände auf die beiden Wunden in seiner Brust.
"Bitte, bitte, nicht sterben", flehte sie.
Sie fühlte, wie sich seine Rippen hoben
und gegen ihre Hände drückten, der Atem rasselte und pfiff in
seinen Lungen. Mühsam schlug Valerian die Augen auf und schaute sie
mit verschleiertem Blick verständnislos an.
"Nicht bewegen", sagte Branwen erleichtert.
"Es wird alles gut werden. Ich verspreche es. Nicht bewegen. - Ich ...
ich hole nur schnell den Verbandskasten. Ich bin sofort wieder da."
Wie in Trance rannte sie zu ihrem Auto, riß
den Verbandskasten vom Rücksitz und kehrte zu dem Verletzten zurück.
Sie verband ihn mit dem ersten, was ihr in die Finger kam, den großen
Dreiecktüchern, ohne sich die Mühe zu machen, die Wunden freizulegen.
"Ich rufe einen Krankenwagen!" Sie wollte
gerade loslaufen, als sie seine kalte Hand auf der ihren fühlte.
"Kein Telefon", erinnerte er sie mit schwacher
Stimme.
Branwen konnte nicht verhindern, dass die
Tränen aus ihr hervorbrachen. "Aber Sie brauchen einen Arzt und müssen
schleunigst in ein Krankenhaus. Sie sterben sonst. - Ich fahre Sie hin!"
Seine Finger umklammerten ihre Hand schon
ein wenig fester. "Ich sterbe nicht." Er hustete und spuckte helles Blut
aus. "Versprochen." Mühsam versuchte er, sich aufzurichten.
Entsetzt versuchte Branwen, ihn zurückzuhalten.
"Um Himmels Willen, nicht bewegen!"
Valerian keuchte und stemmte sich so weit
hoch, dass er gegen den Stall gelehnt sitzen konnte. "Irgendwie muß
ich doch ins Haus kommen", wandte er ein. "Hier draußen kann
ich nicht bleiben."
"Aber ... Sie sind schwer verletzt ..."
"Es ... geht schon."
"Es geht schon?" Branwen stieß ein verzweifeltes,
hilfloses Lachen aus. "Irgendwer wollte Sie erschießen!"
Valerian lehnte den Kopf gegen die Stalltür.
"Bitte, Branwen, Sie müssen mir glauben. Ich werde nicht sterben."
Seine Stimme hatte an Kraft gewonnen und wirkte in ihrer Eindringlichkeit
überzeugend. Auch seine Wangen schienen wieder etwas Farbe zu haben.
Sie begann, ihm zu glauben. Er schloß die Augen, um Kraft zu sammeln.
Dann streckte er ihr die Hände entgegen. "Helfen Sie mir."
Einen Moment wußte sie nicht, was er
von ihr erwartete. Dann begriff sie. "Das ist Wahnsinn", protestierte
sie. Aber dann legte sie sich seinen Arm um den Nacken und half ihm beim
Aufstehen. Es war sehr mühsam. Schrittchen für Schrittchen führte
sie ihn ins Haus und stützte ihn. Sie ächzte unter seinem Gewicht.
In der Küche ließ sie ihn auf einen Stuhl gleiten. Valerian
stöhnte durch die fest zusammengebissenen Zähne.
"Setzen Sie Wasser auf. Im Eckschrank im Salon
müßte noch etwas Rum sein..."
Branwen beeilte sich, seinen Anordnungen nachzukommen.
Eine seltsame Ruhe erfüllte sie nun. Sie setzte einen großen
Topf Wasser auf und ging hinüber in den Salon. Das Denken fiel ihr
schwer. Sie hatte keinerlei Erfahrungen mit Schußverletzungen, doch
Valerians Reaktion erschien ihr merkwürdig. Bedeuteten die Blutflecke
am Stall, dass die Kugeln durch ihn hindurchgegangen waren? Sie konnte
und wollte nicht darüber nachdenken. Valerian hatte versprochen, dass
er nicht sterben würde. Er mußte es wissen, nicht wahr? Sie
fand den Rum und brachte ihn in die Küche.
Valerian dankte ihr mit einem Blick. "Und
zwei Gläser."
Sie stellte die Gläser zu der Flasche
auf den Tisch. "Meinen Sie, dass das jetzt gut ist?"
Er schenkte zittrig zwei Fingerbreit in jedes
Glas. "Trinken Sie! Es bringt... Ihre Lebensgeister wieder auf Trab."
Branwen nippte an ihrem Glas. Der Rum brannte
auf ihren Lippen, sein Aroma machte sie leicht schwindelig. "Wer hat das
getan? Warum leben Sie noch?" Sie wunderte sich über ihre eigenen
Fragen.
Valerian grinste gequält. "Ich bin nicht
so leicht totzukriegen", sagte er. Er hörte sich an, wie der
Held eines schlechten Abenteuerfilms.
"Bitte nicht." Sie schüttelte schwach
den Kopf. "Ich bin kein Mediziner, aber ich bin auch nicht dumm. Sie dürften
nicht auf den Beinen sein."
Valerian hielt sein Glas mit beiden Händen,
ohne zu trinken. "Sie haben natürlich recht", gab er zu. Er betrachtete
seine Hände, die von seinem Blut gerötet waren. "Es ist schwer
zu erklären." Sein Blick senkte sich in ihre Augen, sie konnte nicht
wegsehen. In seinen klaren grauen Augen spielten weitere Farben wie in
der See. "Ich bin nicht in Gefahr", sagte er eindringlich, mit einer Stimme,
die tief war und sanft, die sich in ihr Ohr schmeichelte. "Die Verletzungen
sind nicht so schlimm wie sie aussehen."
Branwen nickte benommen. "Sie haben wohl recht",
brachte sie mit schwerer Zunge hervor. War es der Alkohol, der sie so benebelte?
Ihr Glas war leer. Natürlich, Valerian mußte recht haben. Wenn
er so schwer verletzt wäre, wie es ausgesehen hatte, könnte er
nicht hier sitzen und mit ihr sprechen.
"Bitte, helfen Sie mir hinauf ins Bad. Ich...
fühle mich ein wenig weich in den Knien."
Branwen half ihm schweigend hinauf in den
ersten Stock. Sein Gewicht lastete schwer auf ihren Schultern, als sie
sich die Treppe hinauf quälten.
Er rang sich ein Grinsen ab, als sie den oberen
Treppenabsatz erreicht hatten. "Danke. Ich denke, ich schaffe es jetzt
alleine."
Branwen fühlte sich noch immer benommen,
wie in einem Traum gefangen. Langsam kehrte sie in die Küche zurück.
Es sah furchtbar hier aus. Systematisch suchte sie nach einem Eimer und
einem Lappen und begann aufzuwischen. Überall war Blut, in der Diele,
auf dem Küchenboden, dem Stuhl, an ihren Händen und Kleidern.
Sie machte sauber, langsam und gründlich. Erst als sie das Wischwasser
ausgegossen hatte und sich mit dem Handrücken über Stirn und
Augen fuhr, merkte sie, dass sie weinte. Wer hatte ihm das nur angetan?
Er tat niemandem etwas zu leide. Er war charmant und so altmodisch und
er malte so hinreißende Bilder. Warum wollte man ihn erschießen?
Und wer?
Sie setzte sich auf den noch feuchten Stuhl
und barg das Gesicht in den Händen. Die Tränen flossen schneller
und reicher. Sie begann zu schluchzen. Durch das geöffnete Fenster
wehte ein warmer Wind. Er strich über ihren Nacken, wie eine sanfte
Berührung. Von draußen hörte sie die dumpfen Hufschläge
von Ellak, der auf der Weide unruhig hin und her lief. Ein Scharren ganz
in der Nähe ließ sie erschreckt auffahren.
Valerian ließ sich gerade auf dem Stuhl
neben ihr nieder. "Nicht weinen, Branwen. Es macht mich ganz unglücklich."
Scheu legte er ihr die Hand auf die Schulter. Noch immer war er tödlich
blaß, mit grauen Schatten unter den Augen. Er trug einen blaugrauen
Jogging-Anzug, seine feuchten Haare hinterließen dunkle Flecken an
den Schultern und er verströmte einen leichten Duft nach Männerseife.
Bis auf seine Blässe und die schwach zitternden Hände erinnerte
nichts daran, dass ihm vor einer guten halben Stunde jemand zwei Kugeln
durch die Brust geschossen hatte, und er eigentlich tot sein müßte.
Branwen rieb eine Hand über ihre schmerzenden Augen. Sie fühlte
sich schwindelig. Valerian legte ihr beschwörend und beruhigend eine
Hand auf den Unterarm. "Es geht mir gut, Branwen, ehrlich. Dank Ihrer Hilfe."
Sie konnte ihn aus ihren tränenverschleierten
Augen kaum erkennen. "Das ist unmöglich", brachte sie mit erstickter
Stimme hervor. "Völlig unmöglich." Danach wußte sie nichts
mehr.
Licht schimmerte durch ihre geschlossenen Lider
und weckte sie. Unwillig zwang sie ihre Augen, sich zu öffnen. Müdigkeit
klebte zäh an ihr und ließ sich nur mühsam abschütteln.
Die Sonne schien durch das Fenster und erfüllte einen Raum mit Licht,
den sie nicht gleich erkannte. Zarte Gardinen wölbten sich im Luftzug,
der zusammen mit Vogelgezwitscher durch das einen Spalt weit geöffnete
Fenster hereinwehte. Sie setzte sich auf und rieb über ihre schmerzenden
Augen. Die Lider fühlten sich geschwollen an. Schlagartig erinnerte
sie sich. Jemand hatte auf Valerian Donn geschossen. In einem Anflug von
Panik sprang sie aus dem Bett, warf sich einen bereit liegenden Bademantel
über und stürzte zur Tür. Schwacher Kaffeeduft drang an
ihre Nase. Verwirrt hielt sie inne. Sie war schon einmal in diesem Zimmer
erwacht und von dem Geruch nach frisch gebrühtem Kaffee und gebratenem
Speck begrüßt worden. Mit einem eigenartigen Gefühl ging
sie hinunter in die Küche.
Valerian stand am Herd und briet Speckstreifen
für das Frühstück in einer schweren eisernen Pfanne.
"Guten Morgen", sagte Branwen. "Geht es Ihnen
gut?" Hinter ihrer Stirn begann es leicht zu summen und ihr war schwindelig
zumute. Hatte sie alles nur geträumt? Der Maler sah nicht aus wie
ein Schwerverwundeter.
Er strahlte sie an. "Sicher. Guten Morgen.
Haben sie gut geschlafen?"
"Nicht besonders, um ehrlich zu sein." Branwen
zog den Bademantel mit einer Hand über der Brust zusammen und lehnte
sich gegen den Türrahmen. Diese Gegenstände schienen momentan
das einzig Reale zu sein. In den Mantel gekuschelt sah sie ihm zu, wie
er das Frühstück vorbereitete. Sie erinnerte sich daran, wie
sie ihn in seinem Blute liegend gefunden hatte, wie sie ihn verbunden und
ins Haus geschafft hatte. Es war keine Erinnerung an einen Traum.
"Warum leben sie noch?" fragte sie plötzlich.
"Sie müßten auf einer Intensivstation liegen oder tot sein.
Wieso stehen sie hier und machen Frühstück?"
Valerian hielt in der Bewegung inne und sah
sie mit offenkundigem Erstaunen an. "Wie bitte?"
Branwen platzte der Kragen. "Verdammt", fauchte
sie. "Versuchen Sie nicht, mich für dumm zu verkaufen. Ich weiß
doch, was ich gesehen habe. Irgend jemand hat Ihnen gestern zwei Kugeln
in die Brust geschossen und sie stehen jetzt hier vor mir, als sei nichts
gewesen. - Versuchen Sie nicht, mir etwas anderes einzureden! Was wird
hier eigentlich gespielt?" Beschwörend starrte sie ihn an, in der
bangen Erwartung, in seinen Augen die Vermutung zu bemerken, dass sie verrückt
sei.
Doch Valerian wandte den Blick ab und ließ
die Schultern hängen. Übertrieben sorgfältig nahm er den
Speck aus der Pfanne und verteilte ihn auf zwei Teller. "Es war nicht so
schlimm, wie es aussah", sagte er lahm.
"Nicht so schlimm? Ich habe gestern all das
Blut aufgewischt..." Sie schlug die Hände vor ihr Gesicht, als
ihr die schrecklichen Bilder vom Vortag wieder gegenwärtig wurden.
"Oh mein Gott", stöhnte sie. "Alles war rot. Ich habe noch nie soviel
Blut gesehen!"
Valerian umfaßte sanft ihre Hände
und zog sie herunter. "Das ist vorbei. Schau mich an. Sieh in mein Gesicht.
Ich bin gesund. Wirklich."
Sie gehorchte und blickte ihn an, sah in seine
klaren, grauen Augen, die so unendlich tief waren. Die furchtbaren Bilder
verschwanden.
"Aber wie kann das sein?"
"Es ist so etwas wie eine Gabe", erläuterte
er zögernd. "Eine Kunst. Wie autogenes Training."
"Autogenes Training?"
"Ja. Die Beherrschung des Körpers durch
die Kraft des Geistes. Auch Heilprozesse lassen sich damit beschleunigen."
"Und das soll ich glauben?"
Valerian zuckte mit den Schultern und ließ
sie los. "Na schön! Sie haben mich erwischt. Ich gebe auf. In Wirklichkeit
bin ich ein Magier aus einer anderen Welt," sagte er leichthin. "Das Frühstück
wartet."
Branwen schnaufte zornig. "Veralbern kann
ich mich alleine. Sie sind nicht fair mit mir."
Der Maler lächelte sie freundlich an.
"Warum sollte ich Sie veralbern, Branwen? Es stimmt schon; ich bin jemand,
den Sie am ehesten als Magier bezeichnen würden. Und ich stamme von
Caer Donn in Asarhaddon."
Branwen starrte ihn an, als ob er den Verstand
verloren habe, und mußte sich erst einmal setzen. Natürlich!
Ein Mann, der so perfekt war wie er, konnte nicht echt sein. Kopfschüttelnd
beobachtete sie, wie er den Tisch fertig zu Ende deckte. Seine Bewegungen
waren so geschmeidig wie eh und je. Nur sein Gesicht mit den jungenhaften,
fröhlichen Augen schien eine Spur ernster und konzentrierter. Er schenkte
den Kaffee ein und setzte sich.
"Ich weiß, was Sie denken", sagte er,
während er einen warmen Toast mit Butter bestrich. "Aber Sie irren
sich. Ich bin weder verrückt noch ein Spinner." Hungrig hieb er seine
Zähne in das Brot.
Branwen verspürte keinen Appetit. Mehr
aus Pflichtgefühl nahm sie auch eine Scheibe und knabberte daran.
"Ich weiß nicht, was ich denken oder glauben soll." Ihr Blick schweifte
durch das geöffnete Fenster hinaus. Über der Weide hing Bodennebel.
Die Morgensonne schmolz bereits seine oberen Schichten. Es würde ein
wunderschöner Tag werden.
Valerian akzeptierte ihr Schweigen und unterbrach
es erst, als sie mit dem Frühstück fertig waren. "Es ist ein
herrlicher Morgen. Was halten Sie von einem Spaziergang oder einen Ausritt?"
"Eine gute Idee", stimmte Branwen zu. "Die
frische Luft wird mir guttun."
"Aber vorher sollten wir uns etwas anderes
anziehen. In dem Dielenschrank oben sind frische Kleider."
Wenig später schlenderten sie gemeinsam
um das Haus. Branwens Schritte wurden langsamer als sie sich dem Stall
näherten. Die Erinnerung an den gestrigen Tag drängte mit Macht
zurück. Sie begann zu zittern. Wie beiläufig legte Valerian den
Arm um ihre Schultern. Er verströmte Ruhe und Sicherheit. Ihre Angst
war wie weggeblasen. Der Stall barg keinen Schrecken mehr für sie.
Die geschlossenen Türen wiesen auf ihrer oberen Hälfte zwei Löcher
mit zersplitterten Rändern auf. Doch zu ihrem Erstaunen waren das
die einzigen Spuren, die von dem Mordversuch zeugten. Ellak wieherte, als
er sie hörte. Valerian rief etwas in seiner keltisch klingenden Sprache
und öffnet die obere Türhälfte. Sofort erschien Ellaks schwarzer
Kopf. Er rieb seinen großen Kopf zärtlich an der Brust seines
Herrn und nahm das trockene Brot, das ihm geboten wurde, entgegen. Valerian
ergriff den Halfter und führte das Pferd heraus und band es an. Branwen
zog sich etwas zurück und sah zu, wie er Ellak putzte und dabei leise
vor sich hin sang. Das Pferd spielte mit den Ohren, um sich ja nichts entgehen
zu lassen. Schließlich war Valerian fertig, löste den Knoten
und brachte ihn auf die Weide.
Auf dem Weg verharrte er plötzlich.
"Was ist los?" fragte Branwen erschrocken.
"Nichts", winkte er rasch ab. Zu rasch. Zögernd
ging er weiter.
"Bitte, lügen Sie mich nicht an."
Valerian warf ihr einen belustigten Blick
zu. "Entschuldigung. Ich glaube, dass ich dahinten ein Aufblitzen gesehen
habe. Vielleicht von einem Auto." Er deutete mit dem Kinn die Richtung
an.
"Sie... Sie meinen, der Mensch von gestern?"
"Möglich."
Branwen schluckte. Wie konnte er so ruhig
bleiben, wenn sein Mörder in der Gegend lauerte? Sie erreichten die
Weide. Valerian nahm Ellak den Halfter ab und ließ ihn frei. Vom
Zaun aus sah er mit halbgeschlossenen Augen zu, wie er sich die Stallsteife
aus den Gliedern rannte.
Branwen lehnte sich neben ihm an das Gatter.
"Ein herrliches Pferd. Was für eine Rasse ist das?"
"Keine Ahnung. Er stammt von daheim. Eigene
Zucht", antwortete er abwesend. Plötzlich versteifte er sich. Sein
Gesicht wurde sehr gespannt und konzentriert. "Gehen Sie zur Seite, Branwen",
sagte er leise.
Sie gehorchte ohne Frage und wich zögernd
zurück, ein unangenehmes Gefühl in ihrer Magengegend. Valerian
drehte sich ohne Hast um und stützte die Ellbogen lässig auf
das Gatter.
"Komm heraus und zeig dich", sagte er zu einem
unweit entfernten Gebüsch, das er unverwandt ansah. Seine Stimme blieb
ganz ruhig, beinahe freundlich.
Einige Sekunden lang geschah gar nichts. Dann
teilten sich die Zweige und ein kleiner Mann trat hervor, einen Revolver
in der Hand. Branwen preßte die Hand auf den Mund um nicht zu schreien.
"Wer bist du und warum willst du mich töten?"
fragte Valerian mit unveränderter Freundlichkeit.
Die Züge des kleinen Mannes verkrampften
sich. Er umklammerte den Revolver fester mit beiden Händen. Der schwankende
Lauf zielte auf Valerians Brust. Schweiß perlte über sein Gesicht
und klebte Strähnen des blonden Haares in sichelförmigen Locken
an die Stirn. "Hannomac", stieß er hervor. "Ich bin Hannomac. Und
ich muß Euch töten."
Kaum hatte der Mann die Worte gesprochen,
da wandelte sich sein Gesichtsausdruck in schieres Entsetzen. Die Waffe
fiel zu Boden, er griff sich an die Brust und stürzte. Valerian und
Branwen waren nahezu gleichzeitig bei ihm. Er nahm den Revolver, sicherte
ihn und gab ihn Branwen.
"Hier. Passen sie auf das Ding auf."
"Was ist mit ihm?" fragte sie, während
sie sich die Waffe in die Hand drücken ließ.
"Er ist ohnmächtig. Ich bringe ihn rein."
Damit hob er ihn auf und trug ihn ins Haus.
Branwen lief voraus und öffnete für ihn die Türen. Im Wohnzimmer
legte er Hannomac auf die große Couch.
"Er wird gleich wieder wach werden", sagte
er bestimmt. "Ich werde ihm ein paar Fragen stellen und dafür sorgen,
dass er sie wahrheitsgemäß beantwortet. Sie brauchen keine Angst
zu haben, Branwen, es wird niemandem etwas geschehen."
"Ich habe keine Angst. Was soll ich mit der
Pistole machen?"
"Spülen Sie sie durchs Klo." Valerian
holte eine durchsichtige Kugel auf einem schwarzen Standring aus seinem
Sekretär und stellte sie auf den Tisch. "So", sagte er. "Mal sehen,
was er zu beichten hat. Halten Sie sich bitte im Hintergrund, Branwen."
Sie nickte und wich gegen die Wand zurück.
Valerian schüttelte Hannomac leicht an
der Schulter. "He, Hannomac! Wach auf."
Der kleine Mann zuckte und schreckte auf.
Er starrte Valerian mit vor Entsetzen geweiteten Augen an. "Bitte, gnädiger
Herr, tut mir nichts! Laßt mich leben!" winselte er zitternd.
"Ich werde dir nichts tun, wenn du mir die
Wahrheit sagst", erwiderte Valerian freundlich. "Aber wage es nicht, mich
anzulügen."
"Ich werde nicht lügen, bestimmt nicht."
"Nun gut. Du wolltest mich töten. Warum?"
"Der Herr Magirus wollte es so."
"Magirus? Warum will er meinen Tod?"
"Ich weiß es nicht, gnädiger Herr.
Wer bin ich denn, dass er seine Gedanken mit mir teilt?" Hannomac zitterte
vor Angst am ganzen Körper.
"Ganz ruhig", beschwichtigte ihn Valerian.
"Es geschieht dir nichts."
Doch er konnte den kleinen Mann nicht beruhigen.
Er zitterte heftiger, krümmte sich in Schmerzen und erschlaffte plötzlich.
Seine Augen blickten nun leer und als er wieder sprach, war seine Stimme
eine andere: Tief, volltönend und arrogant.
"Wie ich sehe, lebst du noch, Valerian. Bedauerlich,
sehr bedauerlich. Dieser Trottel Hanno hat alles verdorben. Dabei sind
diese Feuerwaffen doch narrensicher!"
"Magirus!" zischte Valerian böse.
"Verschwinde und wage es nicht noch einmal,
meine Wege zu kreuzen."
Magirus lachte spöttisch. "Reg’ dich
nicht auf, Valerian. Du weißt, dass das nichts bringt. Und sei versichert,
ich finde dich, wo auch immer du dich verkriechst."
"Ich verkrieche mich nicht", warf Valerian
empört ein.
"Ach was! Ich habe viele Diener. Beim nächsten
Mal kommst du mir nicht davon. Das glaube mir!"
Der kleine Mann wurde ohnmächtig. Valerian
legt ihm die Hand an den Hals und prüfte seinen Pulsschlag.
"Wa... wa... w..." Branwen verstummte, als
sie merkte, dass sie nur Stottern herausbrachte. In welches Irrenhaus war
sie nur geraten? Ihr schwindelte es, sie mußte sich setzen.
"Er ist soweit in Ordnung", bemerkte Valerian,
mehr zu sich selbst. Er beugte sich über die bereitgestellte Kugel
und legte seine Hände darum. Ein blauer Funke glomm in ihrem Innern
auf, begann knisternd zu tanzen und sich zu vervielfältigen, bis kleine,
blauweiße Blitze in der Kugel zuckten. Plötzlich gleißte
grelles Licht auf, gefolgt von einem Knall. Branwen schrie auf und schlug
die Hände vor ihr Gesicht.
"Entschuldigung", hörte sie Valerian
sagen. "Ich hätte Sie warnen sollen. Es ist alles in Ordnung."
Branwen nahm die Hände vom Gesicht und
zwinkerte. Es war, als hätte sie versucht, in die Sonne zu sehen.
Das Zimmer schien dunkel zu sein. Langsam wurde es wieder heller. Die Couch
war leer.
"Was ist passiert? Wo ist dieser Mann?"
"Ich habe ihn nach Hause zurückgeschickt."
Valerian sah um zehn Jahre gealtert aus. Die plötzliche Stille lastete
auf dem Wohnzimmer.
"Ich denke, Sie schulden mir eine Erklärung,
Valerian."
Er hob die Hände in einer ergebenen Geste
und warf ihr den verzweifeltsten Blick zu, den sie je gesehen hatte. Doch
dann nickte er. "Ja, das denke ich auch. Gehen wir in die Küche? Ich
habe noch Erdbeerkuchen... und einen Bärenhunger."
"Gut." Sie gingen in die Küche.
Valerian holte den Kuchen aus dem Kühlschrank
und machte sich daran, Sahne zu schlagen. "Ich habe Ihnen gesagt, dass
ich so etwas wie ein Zauberer bin", erzählte er dabei. "In Ihren Ohren
klingt das nicht sehr wahrscheinlich, ich weiß." Er seufzte leise.
"Ich... ähm... bin mit der Gabe geboren. Mein Volk beherrscht vor
allem die Kunst der Reisen durch Raum und Zeit, neben einigen anderen Dingen."
Er machte eine Pause, um das Rührgerät abzuschalten und die Sahne
in eine Glasschale zu füllen. "Ich bin vor einiger Zeit hierher gekommen,
um nach meinen Vorstellungen leben zu können, was mir daheim nicht
vergönnt ist. Magirus ist ebenfalls von meiner Art. Wir haben uns
noch nie leiden können. Aber bisher hat er mich noch nie über
die Grenzen unserer Heimat hinaus verfolgt."
"Und wo ist das?"
Er zuckte die Achseln. "Ich weiß es
nicht. In einer anderen Zeit und einer anderen Welt." Er verstummte und
setzte sich zu ihr an den Tisch. "Das war es im Prinzip."
Branwen nickte. "Sicher. Natürlich."
Branwen strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Das klingt
irgendwie... wenig glaubwürdig." Sie kreuzte ihre Hände sehr
bewußt vor sich auf der Tischplatte und schaute sie an. Wenn sie
Valerian ins Gesicht sah, würde sie ihm alles glauben. Es war haarsträubend,
was er ihr weismachen wollte; es war haarsträubend, was geschehen
war. Sie ertappte sich dabei, wie sie sich danach sehnte, ihm zu glauben.
"Erzähle mir von deiner Welt."
"Sie ist anders als diese hier", sagte er
leise. "Anders, und doch wieder sehr ähnlich. Asarhaddon ist ein grünes
Land, mit einfachen Menschen, so wie es England vor langer Zeit einmal
war. Die Luft ist so sauber, wie man es sich hier kaum vorstellen kann.
Es gibt keine Autos, keine nennenswerte Industrie. Mein Heim ist Caer Donn,
eine uralte Burg über der Stadt mit einem wundervollen Blick über
das Land. Ich liebe meine Heimat, aber ich kann dort nicht leben. Darum
habe ich die Burg verlassen, um in einer anderen Welt ein neues Zuhause
zu finden. Die Natur hat mich mit einem Talent gesegnet, für das es
in Asarhaddon keine Verwendung gibt."
Die wunderschönen, lebensvollen Bilder.
Weiß Gott, das war ein Talent!
"Eines Tages hatte ich festgestellt, dass
es mir bestimmt ist, zu malen, anstatt ein gutgläubiges Volk als Gottkönig
zu beherrschen. Also habe ich meinen Weggang inszeniert und bin hierher
gekommen, in die beste aller Welten für die Art von Leben, die ich
mir wünschte. - Darf ich dir ein Stück Kuchen geben?"
"Ja, bitte."
Er balancierte mit dem Messer ein Stück
auf ihren Teller und schob ihr das Sahneschüsselchen zu. Die Erdbeeren
leuchteten in einem feurigen Rot und bettelten geradezu um einen belebenden
Klacks Schlagsahne. Es war unmöglich, der Versuchung länger zu
widerstehen. Der Kuchen schmeckte so vorzüglich wie er aussah.
"Ich kann es noch immer kaum glauben", erwiderte
sie. "Aber ich glaube, es ist mir egal."
Valerian antwortete nichts darauf. Er stocherte
in seinem Kuchen herum und machte einen nachdenklichen, abwesenden Eindruck.
Eher zufällig streifte Branwens Blick die Küchenuhr.
Der Schreck fuhr ihr in die Glieder. Scharf
sog sie die Luft ein. "Himmel", stieß sie hervor. "Ich muß
los. Eigentlich für sich wollte ich ja schon gestern zu Hause sein!
Geraldine wird sich Sorgen machen! Geraldine und ich haben eine gemeinsame
Wohnung", fügte sie erklärend hinzu.
Valerian erhob sich. "Ich hole dein Bild."
Kavalier, der er war, brachte er nicht nur das Bild sondern auch ihr Gepäck
in das Auto und hielt ihr die Tür beim Einsteigen auf. "Sehe ich dich
irgendwann wieder?" fragte er, die Tür noch in der Hand. "Vielleicht
nächstes Wochenende? Ich verspreche auch, dass es nicht wieder so
eklige Zwischenfälle geben wird."
"Vielleicht." Branwen lächelte - unverbindlich,
wie sie hoffte. Komischer Kauz hin oder her. Er war der galanteste und
interessanteste Mann, der ihr je über den Weg gelaufen war. "Sag ja",
bat Valerian. "Ich habe kein Telefon."
"Nächstes Wochenende haben ich keine
Zeit. Aber das danach. Wenn du magst."
"Es wird mir eine Freude sein."
Sie startete und winkte im Wegfahren aus dem
Fenster. Im Rückspiegel sah sie seine Gestalt kleiner werden. Er winkte
ebenfalls.
* * *
Es gab kein weiteres Wochenende. Es waren erst
zwei Tage vergangen, als Geraldine etwas atemlos zu ihr in die Dunkelkammer
kam. "Dein Freund wartet vorne auf dich", sagte sie aufgeregt. Natürlich
hatte Branwen ihrer Freundin mit Stolz von ihrer ritterlichen Bekanntschaft
erzählt. Doch war das ein Grund, ihn ihren Freund zu nennen?
"Woher willst du wissen, dass es Valerian
ist? Du kennst ihn doch gar nicht."
Geraldine kicherte. "Er muß es sein.
Er hat vor dem Laden ein Pferd an die Parkuhr gebunden und eine Münze
eingeworfen."
Das konnte nur Valerian sein! "Machst du bitte
hier weiter?" bat sie und eilte nach vorn. War etwas geschehen? Warum kam
er hierher?
Valerian stand im Laden, das Haar verwegen
zerzaust, und betrachtete die Aufnahmen an den Wänden. Er erinnerte
weitläufig an einen Cowboy, mit seiner Jeans, den halbhohen Stiefeln
und der gefütterten, abgewetzten Lederjacke. Und dem Pferd an der
Parkuhr. Durch das Fenster sah Branwen bereits eine Menschenansammlung,
die das Pferd begaffte.
"Sie habe ich hier nicht erwartet", sagte
sie.
Valerian zauberte ein verlegenes, jungenhaftes
Grinsen in sein Gesicht. "Nun ja", dehnte er. "Mir geht es genauso. Ich
bin nur vorbeigekommen, um mich zu verabschieden."
"Verabschieden?" Wenn er ihr in den Magen
geboxt hätte, hätte er sie nicht heftiger treffen können.
Er nickte. "Ja. Ich muß... geschäftlich weg."
"Darf ich erfahren, wohin?"
Leichte Röte überzog seine Wangen.
"Salisbury", sagte er. "Ich weiß nicht, wann ich wiederkomme. Es
kann etwas dauern, bis ich wieder im Lande bin. Ich melde mich dann, okay?"
Branwen nickte langsam.
"Auf Wiedersehen, Branwen", sagte Valerian.
"Ich muß los. Mein Zug fährt gleich." Er gab ihr die Hand. Ein
fester, aufmunternder Händedruck.
"Auf Wiedersehen", murmelte Branwen. Dann
war Valerian wieder verschwunden. Durch das Fenster sah sie, wie er sich
einen Weg durch die Schaulustigen bahnte, die Zügel von der Parkuhr
löste und so souverän aufsaß, wie andere in ihr Auto stiegen.
Er lächelte ihr noch einmal zu und ritt dann davon.
Branwen lauschte, bis die Hufschläge
verklangen. Sie war wie vor den Kopf geschlagen. Was wollte Valerian denn
in Salisbury? Hatte es etwas mit den vergangenen Ereignissen, mit diesem
Magirus zu tun?
"Ein irrer Typ. Was wollte er?" Geraldine
war aus der Dunkelkammer aufgetaucht und stand nun hinter ihr.
"Nur ‘Auf Wiedersehen’ sagen", antwortete
Branwen leise. Es war ihr unmöglich, sich noch auf ihre Arbeit zu
konzentrieren. Gegen Mittag nahm sie sich für den Rest des Tages und
den folgenden frei.
Ihr war ein Verdacht gekommen. Sie nahm sich
kaum die Zeit, Ihre Zahnbürste einzupacken und fuhr stracks nach Süden,
nach Salisbury. Es war bereits kurz vor Sonnenuntergang, als sie eintraf.
Eigentlich gab es hier nur einen Ort, der für Valerian von Interesse
sein konnte. Sie parkte auf dem nun menschenleeren Parkplatz gegenüber
der uralten Kultstätte Stonehenge. Das Monument wie auch die Verkaufsbuden
hatten bereits geschlossen und das Datum lockte auch niemanden von den
New-Age-Freaks oder Neodruiden oder sonstigen Verrückten an. Sie ging
hinüber zu dem hohen Zaun und starrte zu den mächtigen grauen
Steinen hinüber. In ihrer Kindheit hatte sie einen Schulausflug hierher
gemacht. Damals hatte sie erwartet, irgend etwas Rätselhaftes, Geheimnisvolles
zu spüren, irgendeine Botschaft über die Jahrtausende hinweg,
wie es in den Büchern beschrieben wurde, die sie damals verschlungen
hatte. Sie war herbe enttäuscht worden. Es war nichts als eine Ansammlung
gewaltiger Steine. So ähnlich empfand sie auch jetzt. Obwohl... etwas
war anders, jetzt, wo kein Tourist weit und breit zu sehen war und die
abendliche Stille darüber gebreitet lag. Welches Volk hatte sich nur
die Arbeit gemacht, die riesigen Trilithen aufzurichten? Und warum? Und
wo war Valerian?
Als sei er durch ihre Gedanken herbeigerufen
worden, sah sie ihn plötzlich. Er kam ohne besondere Eile entlang
der Straße dahergeritten. "Sie hätte ich hier nicht vermutet",
bemerkte er, als er auf einer Höhe mit ihr war. Elegant saß
er ab.
Branwen lehnte sich gegen den Zaun und hakte
ihre Daumen in die Gürtelösen ihrer Hose. "Stonehenge, ja?" sagte
sie.
Er wurde feuerrot. "Ja", antwortete er verlegen.
"Ich kann nichts dafür."
"Was ist an dem Steinkreis so besonderes?"
"Ich weiß es nicht. Was tun sie eigentlich
hier?"
"Ich überprüfe eine Theorie. Was
sollte ein Mann wie Sie in Salisbury tun, wenn nicht Stonehenge aufsuchen?
Was wollen Sie wirklich hier?"
"Gehen wir ein bißchen von der Straße
weg. Nicht, dass eine Polizeistreife auf uns aufmerksam wird."
Gemeinsam überquerten sie die Straße
und den Parkplatz. Ellak folgte am langen Zügel.
"Eine gute Frage", bemerkte Valerian dabei.
"Und es gibt eine einfache Antwort. Ich muß dringend nach Hause."
"Nach Asarhaddon?"
"Ja. Ich weiß jetzt, was Magirus vorhat.
Meine Anwesenheit daheim ist dringend erforderlich."
"Sagen Sie es mir."
"Es droht ein Krieg."
"Krieg?" Branwen blieb geschockt stehen. "Ein
richtiger Krieg?"
"Ja, ein schlimmer." Valerian senkte den Kopf.
"Warum wollen Sie denn dahin?" entfuhr es
ihr.
"Weil es mein Land ist, Branwen. Meines und
das meiner Vorfahren."
Da war sie wieder, diese altmodische Ritterlichkeit.
Ohne dass es ihnen bewußt wurde, schoben sich ihre Hände ineinander.
"Aber was können Sie schon ausrichten,
wenn Sie dorthin gehen und sich umbringen lassen?" "Ich habe nicht vor,
mich umbringen zu lassen. Außerdem ist das nicht so leicht."
"Scherzen Sie bitte nicht darüber."
"Sie brauchen um mich keine Angst zu haben,
Branwen. Wenn ich rechtzeitig komme, werde ich vielleicht das Schlimmste
verhindern können."
"Sie allein? Mit Zauberei?"
Valerian grinste schief. "Nein, nicht ich
allein. Ich hoffe, dass ich genügend von den Unseren zusammenrufen
kann, um einen Kreis zu bilden. Vielleicht kann Magirus so zurückgedrängt
werden."
"Sie hören sich nicht sehr überzeugt
an."
Valerian schwieg darauf.
Es war für Branwen überdeutlich,
dass er sich seiner Sache alles andere als sicher war. "Ich hätte
nie gedacht, dass ich das einmal erleben muß", sagte sie leise. "Menschen
wie Sie sind selten. Ich meine damit, Menschen mit Ihrem Geist, mit Ihrer
Lebenseinstellung, Ihrer Kunst, Ihrer Freundlichkeit. Vielleicht sollte
ich es nicht sagen, aber ich habe Sie gern. Und dann kommen Sie daher wie
ein mittelalterlicher Ritter und sagen ‘Auf Wiedersehen, ich muß
in den Krieg ziehen und mein Land befreien’. Wir leben im zwanzigsten Jahrhundert."
"Ich aber nicht, Branwen. Ich weiß nicht
einmal, wann ich nach Ihrer Zeitrechnung geboren bin. Als ich das erste
Mal hierherkam, hatten gerade die Römer die Insel verlassen. Meine
Heimat ist nach ihrer technischen Entwicklung dem frühen Mittelalter
dieser Welt vergleichbar. Und dieses Volk will Magirus mit von hier importierten
Gewehren angreifen. Es wird nicht die geringste Chance haben, wenn ich
sie im Stich lasse. Sobald es geht komme ich zurück. Vielleicht schon
in wenigen Tagen."
"Das eben meine ich. Ihr Edelmut ist so selten
heutzutage. Ich möchte Sie nicht in einer anderen Welt oder einer
anderen Zeit wissen, ohne sicher sein zu können, dass Sie gesund sind
oder zu wissen, ob Sie je wiederkommen. Deshalb werde ich mitkommen." Diese
Worte kosteten sie ungeheuer viel. Er mußte sie für eine törichte
Gans halten. Sie warf sich ihm ja förmlich an den Hals.
Valerian legte ihr beide Hände auf die
Schultern und drückte sie an sich. "Ich liebe Sie für Ihre Worte",
sagte er. "Und ich würde Sie gern an meiner Seite wissen, aber ich
glaube nicht, dass ich Ihnen das alles zumuten kann."
"Bitte, lassen Sie das meine Sorge sein."
"Gut, wie Sie wollen. Aber Sie wissen nicht,
worauf Sie sich da einlassen. Wenn mir in Asarhaddon irgend etwas zustoßen
sollte, sitzen Sie dort fest."
"Mein Risiko. Ich werde aufpassen, dass Ihnen
nichts geschieht."
Valerian lachte. "Überzeugt. Warten wir
noch ein bißchen."
Sie warteten bis es ganz dunkel war und auf
der ganzen Länge der Straße keine Scheinwerfer zu sehen waren.
"Ich glaube, es ist Zeit", sagte Valerian
schließlich mit rauher Stimme.
Sie hatten gemeinsam im Auto gesessen und
aneinander gelehnt Radio gehört. Ellak graste in der Nähe. Branwen
nickte unbehaglich. Sie stiegen aus. Branwen verschränkte die Arme.
Es war kalt geworden. Valerian holte Ellak. Gemeinsam überquerten
sie die Straße und gingen den Maschendrahtzaun entlang. An der von
beiden Straßen am weitesten entfernten Stelle blieb Valerian stehen
und gab ihr die Zügel in die Hand. Er holte eine riesige Drahtschere
aus der Satteltasche und begann in aller Seelenruhe, den Zaun durchzukneifen,
bis eine Öffnung entstand, die groß genug war, um das Pferd
hindurchzulassen. Branwen schaute fröstelnd dabei zu, die Zügel
in ihrer Hand fest umklammert. Sie konnte durch das Leder fühlen,
wie Ellak an der Gebißstange kaute und gelegentlich den Kopf bewegte.
Jedesmal verkrampften sich ihre Finger. Wie sollte es nur in Valerians
Heimat werden? Bestimmt gehörten Pferde dort zur Tagesordnung; sie
fürchtete sich schon vor dem gutmütigen Ellak. Valerian verstaute
sein sperriges Gerät wieder in der Satteltasche.
"Danke."
Er nahm ihr die Zügel aus der Hand, trat
das herausgeschnittene Stück Zaun nieder und führte Ellak hinein.
Ein gutes Stück vor ihnen ragten die riesigen Trilithen in den Nachthimmel,
zeichneten sich wie große, schwarze Tore vor den Sternen ab. Am Nachmittag
hatte Branwen nichts bei ihrem Anblick empfunden. Doch jetzt spürte
sie eine geheimnisvolle Ausstrahlung, die ihr Herz flattern ließ
und ein Prickeln durch ihre Adern sandte. Sie beeilte sich, zu Valerian
aufzuschließen, der bereits im Sattel saß.
"Stellen Sie Ihren Fuß in den Steigbügel
und nehmen Sie meine Hand", sagte er.
Mühsam manövrierte sie ihren Fuß
in den Bügel und angelte nach seiner Hand. Dann hatte sie sie. Valerian
zog sie hinter sich aufs Pferd.
"Gut festhalten", mahnte er.
Sie legte gehorsam die Arme um seine Taille
und bemühte sich um einen möglichst sicheren und bequemen Sitz.
Valerian lenkte Ellak langsam in die Mitte des Steinkreises, in der
einen Hand die Zügel, in der anderen hielt er die Kugel. Im Zentrum
des Monumentes blieb das Pferd stehen.
"Schließen Sie die Augen und halten
Sie sich gut fest. Lassen Sie mich unter keinen, unter gar keinen Umständen
los."
"Darauf können Sie Gift nehmen!"
Sie hakte ihre Hände vor seinem Magen
ineinander und kniff ihre Augen zusammen. Wieder hörte sie das Knistern
der Kugel. Ellak wurde unruhig, begann zu tänzeln. Valerian brummte
beruhigend. Dann war da wieder das grelle Licht, es war durch ihre geschlossenen
Lider zu sehen. Eine plötzliche eisige Kälte erfaßte sie,
dann angenehme Wärme Ellak machte einen Satz und stieg schrill wiehernd.
Branwen fühlte, wie sie den Halt verlor und anfing zu rutschen. Sie
schrie auf, als sich ihr Griff löste. Rücklings plumpste sie
in hohes Gras. Verwundert riß sie die Augen auf. Es war noch immer
dunkel, doch die Sterne schienen viel größer und heller als
die, die sie gerade noch gesehen hatte. Die Trilithen von Stonehenge waren
verschwunden. Statt dessen bemerkte sie aus dem Augenwinkel eine kompakte,
schwarze Masse zu ihrer rechten Seite, die einen Teil des Sternenhimmels
verdeckte.
Ellak stampfte nervös und ließ den
Boden erzittern. "Ho!", rief Valerian, "Ho! Ruhig, mein Junge, ruhig!"
Mit seiner Stimme und seinen Händen gelang es ihm, das mächtige
Pferd zu beruhigen. Er saß ab und half Branwen auf die Füße.
"Willkommen auf Caer Donn", sagte er, eine formvollendete Verbeugung ausführend
und einen imaginären Hut schwenkend. "Leider scheint niemand mit unserer
Ankunft gerechnet zu haben." Er musterte Branwen. "Alles in Ordnung?"
"Ja. Es ist nichts passiert."
Valerian nahm Ellak Sattel und Zaumzeug ab
und ließ ihn laufen. "Gehen wir hinein." Er wies auf den mächtigen
Schatten hochragender Mauern und führte sie durch den verwilderten
Garten, in dem sie gelandet waren, ins Haus.
Als sie durch die Eingangstür getreten
waren, erschien ein gelbes Licht vor ihnen und führte sie durch lange
Gänge in ein geräumiges Schlafgemach.
"Was ist das?" fragte Branwen leise.
"Zauberei", antwortete Valerian schmunzelnd.
Er sah sich in dem Gemach um, soweit es von dem trüben Licht erhellt
wurde. Eine dicke Staubschicht lag überall.
"Es sieht so verlassen aus", flüsterte
Branwen.
Valerian nickte nur. Er ging zum Fenster und
stieß den Laden auf. Dann deckte er das Bett auf, sehr behutsam,
um nicht mehr Staub aufzuwirbeln als absolut notwendig. "Schlafen wir erst
einmal. Das Putzen verschiebe ich auf morgen." Sie kletterten so wie sie
waren in das Bett und waren bald eingeschlafen.
Als Branwen am nächsten Morgen erwachte,
war sie allein. Verwirrt setzte sie sich auf. Die Sonne schien ins Zimmer.
Alles war blitzsauber und aufgeräumt. Auf einem Waschtisch stand eine
Schüssel mit einem Krug Wasser und einem frischen Handtuch. An der
halboffenen Tür eines Wandschrankes hing ein langes, grünes Kleid
bereit. Sie ließ sich in das Kissen zurückfallen. Für eine
Weile lag sie regungslos auf dem Rücken, bemüht, ihre Gedanken
zu ordnen. Nach und nach fiel ihr alles wieder ein. "Das muß ein
ganz wilder Traum gewesen sein", brummte sie. Doch gleichzeitig wußte
sie, dass es alles andere als ein Traum war. Wo war Valerian?
Sie stand auf und machte sich auf die Suche.
Ihr Zimmer lag am Ende eines langen, mit Fackelhaltern bestückten
Ganges. Es war unheimlich still. "Valerian?" Sie wagte nicht, laut zu rufen,
die Stille lastete zu schwer auf dem Gemäuer. Zögernd betrat
sie den Gang. Warum hatte er sie allein gelassen? Langsam ging sie den
Gang entlang, mit dem unangenehmen Gefühl, allein in einem riesigen,
ehrwürdigen Museum zu sein. Sie gelangte an eine Wendeltreppe und
stieg sie empor. Die Treppe führte in ein helles Turmzimmer mit großen,
geöffneten Fenstern. Valerian saß dort hinter einem mächtigen
Tisch aus dunklem Holz und starrte in seine Kristallkugel. Bei ihrem Eintreten
sah er kurz auf und konzentrierte dann seine Aufmerksamkeit wieder auf
die Kugel. Obwohl ihr viele Fragen auf der Zunge brannten, schwieg sie.
Sie hätte schwören mögen, dass er in der Nacht nicht geschlafen
hatte. Trotzdem sah er gut gelaunt und frisch aus. Er trug ein besticktes,
goldgrünes Gewand, dessen Schnitt sie nicht näher bestimmen konnte.
Es wirkte irgendwie mittelalterlich, wie aus einem alten Hollywoodfilm.
Es verschaffte ihm eine Aura des Ehrwürdigen. In dem Zimmer fiel ein
großer Spiegel auf, der neben dem Tisch vor der Wand stand. Ihr Spiegelbild
sah unmöglich aus, mit zerknitterter Kleidung und zerzausten Haaren.
Sie seufzte innerlich und begann ihre Haare mit den Fingern zu ordnen.
"Hast du gar nicht geschlafen", fragte sie,
als Valerian sich in seinem Stuhl zurücklehnte.
"So gut wie gar nicht", gestand er. "Es gab
so irrsinnig viel zu tun."
"Hast du das ganze Schloß allein geputzt?"
"Nein, natürlich nicht. Als ich das letzte
Mal gegangen bin, habe ich das Schloß versiegelt. Eigentlich hätte
hier nicht einmal Staub liegen dürfen. Ich habe damals wohl einen
Fehler gemacht." Er verstummte, den Blick nachdenklich auf seine Fingerspitzen
gerichtet. "Ich habe ein bißchen Ordnung gemacht, mich im Land umgeschaut
und versucht, einige meiner Freunde zu erreichen."
"Umgeschaut?"
Valerian nickte. "Mit der Kugel. Ich zeige
es dir."
Die blauen Blitze begannen wieder zu knistern.
Einer züngelte aus der Kugel heraus und berührte den Spiegel.
Im Nu war dieser von einem blauen Gespinst überzogen, dann verschwand
es und statt seiner erfüllte ein Landschaftsbild die Spiegelfläche.
Den Horizont begrenzte eine im Dunst verschleierte Bergkette. Rasch glitt
die Landschaft dahin, wie aus einem Flugzeug aufgenommen. Dann sah sie
eine Siedlung. Das Bild schien darauf zuzustürzen. Dann wurde es langsamer
und glitt in geringer Höhe darüber hinweg, so dass sie die Leute
in den Straßen und Gassen sehen konnte. Dann begann es zu flimmern
und erlosch.
Branwen drehte sich überrascht um. Der
Kristall war erloschen, Valerian lehnte in seinem Stuhl und massierte mit
Daumen und Zeigefinger seinen Nasenrücken. "Was ist mit dir?"
"Nichts, ich bin nur müde."
Branwen nickte verstehend. Sie trat hinter
ihn und begann, seine Schultern und den Nacken zu massieren. Sämtliche
Muskeln waren verspannt, hart und voller Knoten.
"Bist du nicht glücklich, wieder daheim
zu sein?"
"Nicht übermäßig", gestand
er leise. "Ich liebe Asarhaddon und ich mag die Leute hier, weil sie zu
Asarhaddon gehören. Aber es ist schwer, hier glücklich zu sein."
"Obwohl du es so sehr liebst?"
"Liebe allein ist nicht alles."
Für einen Moment erstarrte sie, doch
dann massierte sie weiter. Der letzte Satz hatte traurig geklungen, trotz
der harten Aussage. "Was fehlt dir denn zum Glück?"
"Du wirst es bald merken, Branwen. Möchtest
du dich nicht umziehen? Wir werden bald Besuch bekommen."
"Besuch von wem? Von deinen Freunden?"
"Nein. Das dauert noch etwas. Aus dem Dorf.
Die Leute wären von deiner Tracht höchst überrascht."
"Das grüne Kleid?"
"Ja. Grün steht dir so gut. Wenn du willst,
kann ich dir helfen. Es hat irrsinnig viele Knöpfe. Eigentlich brauchst
du eine Zofe."
"Na schön. Dann ziehe ich es an. Aber
das kann ich alleine."
Valerian lachte leise. "Wie du willst. Findest
du den Weg zurück?"
"Ja. Ruh dich aus."
Er nickte zwar, doch Branwen glaubte nicht,
dass er es wirklich tun würde. Vielleicht brauchte er weniger Schlaf
als ein normaler Sterblicher. Sie fand das Zimmer ohne Schwierigkeiten
wieder. Nachdem sie sich gewaschen und die Zähne gebürstet hatte,
sah sie sich das Kleid näher an. Es hatte tatsächlich sehr viele
Knöpfe, und alle hinten. Mit einem Gefühl, das zwischen Mißtrauen
und Bewunderung schwankte, untersuchte sie jede einzelne Falte. Sie bedauerte
plötzlich, dass sie sich nie für die Mode vergangener Zeiten
interessiert hatte. Wie sollte sie da nur hineinkommen? Sie schaffte es
irgendwie. Gerade hatte sie angefangen, sich mit den unzähligen Knöpfen
abzuplagen, als Valerian nach höflichem Klopfen eintrat.
"Darf ich behilflich sein?"
"Ausnahmsweise." Sie beobachtete im Spiegel,
wie er hinter sie trat und begann, die Knöpfe zu schließen.
Langsam gewann das Kleid an Kontur und umschmiegte eng ihren Körper.
Es stand ihr wunderbar.
"Wem gehört es?" fragte sie unvermittelt.
"Oder pflegst du, Frauenkleider in deinen Schränken zu sammeln?"
Sie sah im Spiegel, wie Valerian den Kopf
hob und einen Moment lang in den Spiegel starrte. Dann wurde sein Blick
wieder lebendig und er sah sie im Spiegel an. "Es gehörte meiner Frau."
Seine Stimme klang härter, als sie es gewohnt war. Sie wußte
nicht, was sie mehr schockte, dieser fremde Klang oder die Tatsache, dass
er verheiratet war. "Unsere Ehe dauerte nur kurz. Sie starb vor... nun...
es müssen etwa hundert Jahre seitdem vergangen sein. In dieser Welt."
Branwen fühlte sich plötzlich schwindelig.
"Und nach deiner Zeit?"
"Fünf Jahre." Valerian neigte den Kopf
und küßte sie zärtlich in die Halsbeuge. "Laß uns
keine Erinnerungen heraufbeschwören. Bitte."
Branwen drehte sich um und schlang die Arme
um seinen Hals. "Ich liebe dich, Valerian", sagte sie inbrünstig.
"Ich liebe dich auch", erwiderte er zärtlich.
"Aber es wird nicht leicht sein."
Sie bestätigten sich ihre Worte mit einem
langen Kuß. Plötzlich versteifte sich Valerian und hob lauschend
den Kopf.
"Was ist?" fragte Branwen irritiert.
Valerian eilte wortlos zum Fenster. Sie folgte
ihm und nun sah sie auch, was seine scharfen Ohren gehört haben mußten.
Ein langer Zug von Menschen näherte sich singend dem Schloß.
Alle hatten ihre Festtagskleidung angelegt und schienen etwas zu tragen.
Die einen hatten Blumen in den Händen oder Körbe in der Armbeuge.
Einige Frauen trugen flache, geflochtene Körbe auf den Köpfen,
andere waren umgeben von Kindern.
"Wer sind all diese Leute?" fragte Branwen
erstaunt.
"Sie leben in den umliegenden Dörfern
und kommen, uns willkommen zu heißen. Wir sollten hinuntergehen und
sie empfangen."
Im Fernsehen hatte Branwen schon viele Empfänge
und Paraden gesehen, doch was sie hier erlebte, stellte alles in den Schatten.
Die Leute kamen in einem endlos erscheinenden Zug und brachten Geschenke.
Sie warfen sich vor ihnen zu Boden und wagten nicht, die Augen zu ihnen
zu erheben. Valerian schien wie ausgewechselt. Seine fröhliche Unbekümmertheit
war einem unnahbaren Ernst gewichen. Er wirkte wie der gestrenge Herrscher
aus einem Märchenbuch. Gelegentlich sprach er zu den Leuten, steif
und wohlgesetzt. Einigen bedeutete er, in das Schloß zu gehen und
in seine Dienste zu treten. Damit schien er den Betroffenen eine große
Freude zu bereiten.
Später schlenderten sie gemeinsam durch
den verwilderten Obstgarten. "Das war alles sehr merkwürdig", sagte
Branwen nachdenklich. "Die Leute scheinen dich geradezu zu vergöttern."
Valerian seufzte aus tiefstem Herzen. "Das
eben ist mein Problem"; sagte er leise. "Und das macht mir mein Leben hier
nahezu unerträglich. Es ist nicht leicht ein Gott zu sein, wenn man
auch nur sterblich ist."
Er klang so bekümmert, dass Branwen ihren
Arm ganz fest um ihn legte.
Das Schloß war jetzt lebendiger, da
nun menschliche Diener seine Gänge und Flure bevölkerten. Aber
sie schienen in einer anderen Welt zu leben. Alle machten einen respektvollen
Bogen um Branwen und Valerian. Wenn sich ein Zusammentreffen nicht vermeiden
ließ, verbeugten sich die Diener so tief, dass es unmöglich
war, ihr Gesicht zu erkennen. Es kostete Branwen Überwindung, dann
einfach vorbeizugehen, ohne die gebeugten Menschen zu beachten.
"Sie betrachten es als große Ehre, hier
zu dienen", erklärte Valerian, aber wenn wir ihnen zuviel Aufmerksamkeit
widmen, ist es ihnen unangenehm. Es macht ihnen sogar Angst."
"Warum kommen sie dann her?"
"Es war schon immer so." Valerian ließ
sich mit der nachlässigen Eleganz einer Katze auf dem bemoosten Rand
eines Brunnens nieder. "Ich bin ein miserabler Herrscher", sinnierte er,
den Kopf leicht zurückgebeugt, um sie ansehen zu können. "Lasse
mein Volk für Generationen allein."
"Nimmt dein Volk es dir übel?"
"Ich glaube nicht." Valerian lachte leise
und rückte etwas beiseite, damit auch Branwen Platz fand.
"Beinahe könnte ich vergessen, dass es
England überhaupt gibt," sagte sie. "Ein komisches Gefühl. Hängt
es mit deiner Zauberei zusammen?"
"Nein. Wohl eher mit der Psyche. Wie heißt
es doch gleich? Aus den Augen, aus dem Sinn."
Branwen schwieg. Was kümmerte sie im
Augenblick England? Sie war hier in Asarhaddon bei Valerian.
Da begann die Luft vor ihnen plötzlich
zu flimmern und teilte sich. Für Sekundenbruchteile erfüllte
gleißende Helligkeit den Garten, dann wurde alles in Dunkelheit getaucht.
Als Branwen mit tränenden Augen wieder sehen konnte, stand ein alter,
weißhaariger Mann vor ihnen. Ein fröhliches Grinsen teilte seinen
gepflegten Bart und er breitete seine Arme aus.
"Valerian, mein Junge! Schön, dich endlich
einmal wieder zu sehen. Es muß Ewigkeiten her sein!"
Valerian war aufgesprungen und fiel ihm unbekümmert
in die Arme. "Shandar! Wie schön, dass du gekommen bist!" Die Männer
lösten sich lachend und schulterklopfend voneinander. "Darf ich dir
Branwen O’Kearny vorstellen? Sie kommt aus England. Branwen, das ist Shandar
von Grahuna, mein bester Freund und Mentor."
Mit freundlichem Lächeln reichte Branwen
dem alten Mann die Hand. Shandar ergriff sie und führte sie mit einer
galanten Verbeugung an die Lippen. "Es freut mich, Eure Bekanntschaft zu
machen, edle Dame." Seine Stimme war tief und samtig.
"Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Herr
Shandar", antwortete sie.
Shandars Bart teilte sich in einem vergnügten
Lächeln. "Ich kenne England", sagte er unverbindlich. "Vor langer
Zeit war ich einmal da. Es herrschte gerade Krieg zwischen den Häusern
Tudor und Lancaster. Wer hat eigentlich gewonnen?"
"Das Haus Tudor. Aber das ist vierhundert
Jahre her."
"Wie die Zeit vergeht!" Shandar warf Valerian
einen kurzen Blick zu. "Vielleicht können wir unser Gespräch
ins Haus verlegen. Es wird langsam frisch hier draußen."
Valerian machte eine einladende Handbewegung.
"Hast du inzwischen umgeräumt oder ist
der Weg noch derselbe wie früher", fragte Shandar, während er
seinem Freund und Schüler folgte.
"Es ist alles beim Alten geblieben."
"Du kommst nicht oft hierher, was Junge?"
"Selten, Shandar."
Sie hatten die Tür noch nicht erreicht,
als die Helligkeit neben dem Brunnen erneut aufblitzte. Neben dem Brunnen
erschien eine schöne Frau mit langen, tiefschwarzen Haaren, die ihr
wie ein Schleier bis zum Gürtel reichten.
Valerian strahlte. "Irina!"
Die Frau blickte sich suchend um und kam dann
auf die Gruppe zugeschwebt. Ihr langes blaues Kleid fiel über die
Füße und sie bewegte sich so vollendet, als würde sie den
Boden gar nicht berühren.
"Valerian!" Selbst ihre Stimme war vollendet.
"Wie schön, dich wieder zu sehen." Sie umarmten sich und küßten
sich auf die Wangen.
Branwen preßte die Lippen aufeinander.
Sie mochte diese vollendete Frau nicht. Obwohl diese ein gutes Stück
kleiner war, als sie selbst, vermittelte sie ihr ein Gefühl der Kleinheit
und Tolpatschigkeit. Irina löste sich von Valerian und begrüßte
Shandar mit der Wärme einer langjährigen Freundin. Dann wurde
sie Branwen vorgestellt, die sie bis dahin gar nicht wahrgenommen hatte.
Die beiden Frauen musterten sich kurz.
"Ich bin erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen,
meine Liebe", sagte Irina mit dem gewinnenden Lächeln einer Fernsehansagerin..
"Die Freude ist ganz auf meiner Seite, meine
Liebe" erwiderte Branwen mit der Freundlichkeit einer Katze, die auf Sahne
hofft. Valerian und Shandar tauschten vielsagende Blicke.
"Gehen wir in den Turm. Ich glaube nicht,
dass uns noch viel Zeit bleibt." Valerian machte eine einladende Geste
zum Tor hin.
"Wen hast du noch gerufen?" fragte Shandar,
als sie zusammen auf das Tor zuschritten. Branwen und Irina schlossen sich
an. Der Höflichkeitssatz von ‘Ladies first’ schien hier keine Geltung
zu haben. Aber vielleicht galten in dieser mittelalterlich anmutenden Welt
andere Regeln. Vielleicht mußten die Männer hier vorangehen,
um die Sicherheit des Terrains zu sondieren.
"Jeden, den ich erreichen konnte", antwortete
Valerian. "Midir wird wohl noch kommen und vielleicht auch Elwe."
Shandar seufzte. "Das sind nicht viel."
"Nein, wahrlich nicht. Aber wir dürften
genug sein."
Sie stiegen die steile Wendeltreppe zu dem
Turmzimmer empor, in dem Branwen Valerian gefunden hatte. Branwen bildete
das Schlußlicht. Sie trat sich zweimal auf den Saum und stolperte.
Neidvoll beobachtete sie, wie elegant Irina ihren Rock mit einem Finger
anhob, gerade genug, um ihre Füße sicher zu setzen und doch
nicht mehr als die Spitzen ihrer kleinen, blauen Schuhe sehen lassend.
Branwen kam sich vor wie ein Trampel. Sie war an kurze Röcke und Hosen
gewöhnt.
Im Turmzimmer schoben sie Stühle zusammen
und ließen sich darauf nieder. Nur Branwen nahm auf der Fensterbank
Platz. Von hier aus konnte sie Valerian sehen und hinaus über das
Land blicken. Es war ein schönes Land. Entfernt erinnerte es an die
sonnigen Höhen von Somerset. Die Luft jedoch war klarer und frischer,
unberührt von dem Lärm und dem Gestank von Autos und Industrie.
Etwas später traf Midir ein, ein junger Mann, der aussah wie ein Bilderbuch-Ire,
und danach Elwe, eine androgyne Gestalt, die Branwen erst nach einer Weile
als Mann erkannte.
Der Abend war inzwischen hereingebrochen.
Diener kamen herein, entzündeten Lichter und stellten Platten mit
Käse, Braten und Brot auf den mächtigen Schreibtisch. Schalen
mit Obst, Krüge mit hellem Wein und geschliffene Gläser. Dann
verschwanden sie wieder wie Schatten.
Nachdem sie gegessen und getrunken hatten,
begann Valerian das Problem zu schildern. Er berichtete von dem Anschlag,
der in England auf sein Leben verübt worden war, und von Magirus’
Waffentransporte in ihre Welt. "Es sind fürchterliche Waffen", schloß
er. "Die Welt, in der ich weilte, hatte einige Kriege damit hinter sich
gebracht. Allein die Bilder davon sind grauenhaft. Und unsere Leute haben
nur Schwerter, Pfeil und Bogen um Kugeln und Schlimmeres abzuwehren."
"Dich haben die Kugeln nicht getötet",
bemerkte Elwe. Seine Stimme war außergewöhnlich melodisch, fast
wie ein Singen.
"Wenn Hannomac ein bißchen besser gezielt
und mein Herz statt meiner Lunge durchlöchert hätte, wäre
ich so tot, wie man sich nur vorstellen kann", erwiderte Valerian trocken.
Shandar hatte die Brauen zusammengezogen und
betrachtete ihn mit einem besorgten, fürsorglichen Blick.
Elwe schürzte die Lippen. "Ich kenne
keine Gewehre oder Pistolen", verteidigte er sich. "Meine Welt ist nicht
so kriegerisch, wie deine. Ich verstehe sowieso nicht, was dich an diesem
England so fesselt, von dem Mädchen vielleicht abgesehen."
"Wir alle entstammen derselben Welt", sagte
Shandar ruhig. "Und keiner von uns kann einen gewissen kriegerischen Sinn
leugnen, auch wenn wir ihn gewöhnlich zu beherrschen gelernt haben.
Auch du Elwe, sonst wärst du nicht auf Valerians Ruf gekommen."
"Ich wußte nicht, worum es geht, sonst
wäre ich daheim geblieben."
"Wie wäre es, wenn du dann nach Hause
gingest", fragte Midir übertrieben freundlich, aber in seinen Augen
funkelte es unheilverkündend.
"Das überlasse getrost mir", erwiderte
Elwe, eine Spur von Schärfe in der Stimme.
Valerian räusperte sich vernehmlich.
"Gewehre in unserer Welt sind eine Katastrophe", sagte er. "Ein Kind könnte
damit zahlreiche Menschen töten. Und Magirus wird sie einsetzen, das
ist gewiß."
"Hast du einen Plan?" fragte Irina und schaute
ihn dabei auf eine Art an, die Branwen veranlaßte, wieder aus dem
Fenster zu blicken.
Kriegerisch! Ja, sie fühlte sich ausgesprochen
kriegerisch. Valerian verschränkte seufzend die Finger ineinander.
"Ich dachte an einen Kreis", sagte er schwer. "Wenn wir unsere Kräfte
in einem Kreis vereinen, können wir ihn bannen. Er kann nicht so stark
sein, dass er gegen uns alle ankommt."
"Vielleicht ist er nicht allein", gab Irina
zu bedenken.
"Jede Minute, die wir reden", warf Shandar
ein, "kann er uns ausspionieren und austricksen. Laßt uns beginnen."
Die anderen nickten zu seinen Worten. Sie
ließen sich im Kreis auf Sitzkissen nieder und legten ihre Hände,
Handfläche gegen Handfläche übereinander, ohne sich jedoch
zu berühren.
Branwen sah diesem Ritual mit gemischten Gefühlen
zu. Sie hatte keine Ahnung, was dieser Kreis bewirken sollte. Doch sie
erinnerte sich an ein Wohnzimmer in einer anderen Welt, wo Valerian einen
kleinen Mann hatte verschwinden lassen. Ein unangenehmes Gefühl stieg
in ihrem Magen auf.
Die fünf Magier saßen regungslos
mit ausgestreckten Armen im Kreis, mit geschlossenen Augen und starren
Gesichtern. Zuerst geschah nichts, doch dann begannen zwischen ihren Händen
blaue Funken zu tanzen. Zuerst bei Shandar und Valerian, dann zwischen
Valerian und Midir, schließlich zwischen Shandar und Irina und zuletzt
auch bei Elwe. Da erst verbanden sie ihre Hände zu einem festen Kreis.
Branwens Haut kribbelte. Sie tauchte tiefer
in die Nische der Fensterhöhlung ein, plötzlich von einer tiefen
Besorgnis erfüllt. Welche Kräfte waren da neben ihr, in diesem
Raum am Werk? Für einen flüchtigen Moment wünschte sie sich
nach Hause zurück. Wenn Valerian etwas zustoßen sollte, würde
sie nie wieder zurückkommen.
Sie ließ ihren Blick über die Magier
gleiten. Valerian, dessen angespanntes Gesicht hölzern wirkte, jeder
Muskel und jede Falte scharf ausgebildet. Er sah so wenig nach dem jungenhaften
Künstler aus, den sie in seinem Haus besucht hatte. Aus diesem Gesicht
sprach Willen, Tatkraft und Entschlossenheit. Midir neben ihm hatte das
gespannte Wesen eines Raubtieres. Wenn sie ihn ansah, fühlte sie sich
an die legendären Fianna erinnert, die in uralten Zeiten die irischen
Hügel durchstreiften. Elwe dagegen hatte die geschlechtslose Schönheit
eines Engels. Die Konzentration auf seinem Gesicht erinnerte sie an die
Statue des Erzengels Michael, der den Drachen durchbohrt, in ihrer Heimatkirche.
Irina wirkte jetzt älter. Mit Befriedigung bemerkte Branwen Linien
von den Nasenflügeln zu den Mundwinkeln und um die Augen. Flüchtig
fragte sie sich, welches Interesse diese Frau wohl an Valerian haben mochte.
Hatten sie einst eine Beziehung gehabt? Mit einem Stich der Eifersucht
erinnerte sie sich daran, dass er verwitwet war. Shandar war mit Abstand
der älteste des Kreises und wahrscheinlich auch der mächtigste.
Sie mußte an einen Berg denken, wenn sie ihn betrachtete, an einen
alten Berg.
Die Zeit floß dahin.
Da schien plötzlich eine Bewegung durch
den Kreis zu gehen, ein Zittern der Hände. Und noch einmal ein stärkeres
Vibrieren. Shandar wurde plötzlich bleich und sank in sich zusammen.
Seine Hand löste sich von Valerians. Auch er wurde plötzlich
totenblaß und wankte. Doch dann griff er nach Shandars schlaffer
Hand. Noch einmal lief ein Zittern durch den ganzen Kreis, dann brach er
vollends auseinander.
Valerian umfaßte den alten Mann bei
den Schultern und bettete ihn sanft auf den Boden. "Shandar!" rief er.
Seine Stimme zitterte vor Besorgnis. "Shandar!"
Midir schob ihm seinen zusammengelegten Mantel
unter den Kopf. "Wie geht es ihm?" fragte er.
"Schlecht", stieß Valerian hervor. Mit
fliegenden Fingern fuhr er seine Halsseiten entlang und suchte den Puls.
Midir nestelte ihm das Gewand auf. Er legte dem Alten beide Hände
auf das Herz. Tiefe Falten äußerster Konzentration erschienen
auf seinem glatten Gesicht. Valerian legte ihm die Hände an die Schläfen
und schloß die Augen.
Branwen beobachtete alles von ihrem Platz
am Fenster aus, bleich und elend, unfähig, sich zu rühren oder
auch nur zu denken. Was, um Himmels Willen, war geschehen?
Shandar stöhnte leise und hob eine Hand
zum Kopf. "Wie ist mir?"
"Wenn du es nicht weißt...", sagte Elwe.
"Der Kreis ist zerbrochen."
Ein leises höhnisches Lachen klang durch
das Zimmer. Rote Linien zischelten über den Spiegel und wichen dann
dem Bild eines Mannes, der Valerian auf den ersten Blick wie ein Bruder
ähnelte. Doch sein Gesicht wirkte dunkler und härter und seine
Stimme war tiefer. Branwen erkannte die Stimme, die aus dem verängstigten
Hannomac gesprochen hatte.
"Ist das alles, was du zu bieten hast, Valerian?"
fragte er spöttisch. "In dem Fall solltest du Caer Donn besser gleich
an mich übergeben. Keinem deiner Menschen wird dabei ein Haar gekrümmt
- und vielleicht lasse ich sogar dich am Leben."
"Verschwinde, Magirus!"
Magirus schüttelte bedauernd den Kopf.
"So wütend kenne ich dich gar nicht. Denk darüber nach. Das Angebot
ist mehr als fair. Wenn du es vorziehst, gegen mich zu kämpfen, wirst
du die Folgen tragen müssen!" Er lachte wieder. Sein Bild verblaßte.
"Er hat einen Fünferkreis gesprengt!"
sagte Shandar. "Ich kann nicht glauben, dass er eine solche Kraft sein
eigen nennt!"
"Wenn der Bastard Caer Donn hat, wird er sich
auf uns stürzen, keine Frage", knirschte Midir. Elwe strich sich mit
Daumen und Zeigefinger über den Nasenrücken. "Das ist die Frage",
meinte er. "Vielleicht gibt er sich ja auch mit Caer Donn zufrieden. Du
bist derjenige, der Streit mit ihm hat, Valerian, nicht wir."
"Magirus wird nicht vergessen, dass ihr diesen
Kreis mit mir geformt habt."
Elwe verzog den Mund. "Nichts als Ärger
hat man! Aber was mich doch sehr interessiert, wie konnte der Kreis zerbrechen?
Eine solche Macht, einen Fünferkreis zu sprengen, hat niemand. Nicht
einmal Shandar in seiner besten Zeit oder du. Geschweige denn dieser Angeber."
Valerian hatte sich einen Pokal Wein genommen
und nippte gedankenvoll daran. "Ich bin völlig deiner Meinung, Elwe.
Das kann nur bedeuten, dass ihm jemand dabei geholfen hat."
Die anderen vier Magier starrten ihn entsetzt
an.
"Einer von uns soll mit ihm paktieren?" fragte
Midir entgeistert.
"Ja. In dieser Zeit befinden sich nur wir
fünf. Das heißt, die anderen können oder wollen nicht kommen."
"Wahrscheinlich hast du recht, Junge", sagte
Shandar bekümmert. "Wer von uns sollte so tief sinken..."
"Bitte, sprich nicht weiter, Shandar. Ich
kann mir nur einen Grund denken, aus dem man mit Magirus ein Bündnis
eingeht und ihn unterstützt."
Er warf Irina einen Blick zu, der sie bis
unter die Haarwurzeln erröten ließ. "Du liebst ihn, nicht?"
Irina reckte trotzig das Kinn. "Ja, ich liebe
ihn. Ist das ein Verbrechen?"
"Du Verräterin!" fauchte Midir. "Fast
hättest du Shandar auf dem Gewissen gehabt!"
"Du hast kein Recht, mich so zu nennen", gab
Irina wütend zurück. "Magirus ist nicht so schlecht, wie Valerian
ihn macht. Er will eine bessere Welt für die Menschen, die uns anvertraut
sind. Mit Maschinen, die das Leben erleichtern. Ihr dagegen laßt
Eure Völker in primitiven Leben dahindämmern und gefallt Euch
als Götter. Du hältst es ja nicht einmal in deinem eigenen Zuhause
aus, Valerian!"
"Wenn meine Leute Maschinen bauen wollen,
sollen sie es tun. Das steht ihnen frei", erwiderte Valerian ungehalten.
"Das führt alles zu nichts", klagte Elwe.
"Ich denke, ich kehre zurück. Du nimmst es mir nicht übel, Valerian,
oder? Wie du sagst, ein neuer Kreis wäre sinnlos."
Valerian nickte gelassen. "Danke für
dein Kommen, Elwe. Wir sehen uns."
"Ich finde den Weg."
Midir räusperte sich verlegen. "Wie es
aussieht, muß ich mich um die Verteidigung von Caer Idril kümmern.
Magirus wird danach ebenfalls die Hand ausstrecken. Oder brauchst du mich
noch?"
"Nein, Midir. Anscheinend muß ich diesen
Kampf allein ausfechten. Ich werde dir später berichten." Dann wandte
Valerian sich Irina zu. "Du solltest besser auch gehen. Und halte dich
von Magirus fern. Es könnte ungemütlich werden."
"Du darfst ihm nichts antun!"
"Er wird Caer Donn nicht bekommen."
Branwen sah der schönen Irina nach. Nur
der alte Shandar war noch geblieben, augenscheinlich noch zu zittrig in
den Knien, um zu gehen. Sie stieg von ihrer Fensterbank herab. Schöne
Freunde, dachte sie. Kein Wunder, dass Val sein Haus in England
vorzog. "Was nun?" fragte sie leise.
"Vielleicht solltet auch Ihr nach Hause zurückkehren,
junge Dame", schlug Shandar vor. "So lange es noch möglich ist."
"Es sind schon so viele gegangen. Ich möchte
bleiben", antwortete sie.
Valerian sah sie dankbar an. "Du bist ein
wahrer Freund", sagte er.
Branwen wandte sich geschmeichelt zur Seite.
"Ich würde dir gerne helfen, aber ich weiß nicht wie."
"Ich weiß es auch nicht." Müde
senkte Valerian seinen Blick in den Pokal und seufzte lautlos.
"Ist Magirus wirklich so stark?" Mit einem
unbehaglichen Gefühl dachte sie an den jungen, herausfordernden Mann
im Spiegel. Vielleicht lasse ich dich am Leben... "Warum haßt
er dich so?" fragte sie interessiert. "Was hast du ihm getan, dass er dich
umbringen will?" Er hatte es versucht und einen seiner Leute geschickt,
um Valerian in einer anderen Welt zu erschießen. Valerian sah alt
aus. Sehr viel älter als der fröhliche Maler, den sie kennengelernt
hatte.
"Ich bin sein Prüfstein", sagte Valerian
ernst. "Wenn er mich überwindet, kann ihn von den anderen keiner aufhalten."
"Das klingt ziemlich überheblich", warf
Shandar ein, "aber es ist so. Valerian ist einer der stärksten Magier,
die ich kenne. Magirus wäre gar kein Problem, wenn er nicht seinen
ganzen Ehrgeiz darauf verwenden würde, Bildchen zu pinseln."
"Ich dachte, das Thema hätten wir schon
ausdiskutiert", antwortete Valerian ärgerlich. Branwen bewunderte
ihn um seine unerschütterliche Gelassenheit. Sie selbst wäre
angesichts solcher Freunde schon längst zur Furie geworden.
"Du weißt, dass du deine Kraft vergeudest",
sagte Shandar wie ein besorgter Vater. "Nichts für ungut. Bist du
mir böse, wenn ich dich mit deiner Freundin allein lasse? Ich bin
sehr erschöpft."
Valerian läutete nach einem Diener, der
Shandar ein Zimmer zu einem der Gästezimmer geleitete.
"Ich verstehe, dass du nicht gern hier bist",
sagte Branwen mitfühlend.
"Es gibt Schlimmeres. Shandar ist schon in
Ordnung. Ich kann mich immer auf ihn verlassen."
"Ist er ein Verwandter?"
"Ein entfernter Onkel." Er lächelte müde.
"Man merkt es ihm an, ja?"
"Ja." Branwen schaute nachdenklich in den
Spiegel. Er zeigte ihre Reflexion in dem ungewohnten Kleid. Ein unbehagliches
Gefühl nahm von ihr Besitz. Wann würde das Glas einen anderen
zeigen? Sie riß sich los. "Kannst du Magirus in einem Zweikampf besiegen?"
"Ich weiß es nicht. Vielleicht. - Aber
es muß einen anderen Weg geben."
Valerian stand auf, schwerfällig, als
ob eine unsichtbare Last auf seinen Schultern ihn niederdrückte. Er
trat an das Fenster, öffnete es und sah hinaus. Branwen trat neben
ihn.
"Asarhaddon ist wunderschön", sagte sie
leise.
Valerian nickte und legte den Arm um sie.
"Ja. Und ich will, dass es so bleibt. Meine Leute sollen ihr Schicksal
selbst bestimmen und nicht zum Spielball von uns Magiern werden."
Branwen erlaubte sich, den Kopf an seine Schulter
zu lehnen und die Aussicht zu genießen. Warme Luft wehte herein und
brachte den Duft des Sommers mit sich. Sie hörte unzählige Vögel.
Daheim wurden die Sommertage immer durch Motoren- und Rasenmäherlärm
gestört. Sie erinnerte sich an den Geruch von Abgasen, der ein natürlicher
Teil ihres Alltags war, weil es ihn hier nicht gab.
Valerian runzelte die Stirn. Seine Augen nahmen
sichtlich nicht wahr, was sie anschauten.
"Man muß ihn überraschen", sinnierte
Branwen.
Valerian sah sie erstaunt an. "Wie meinst
du das?"
"Nun, ich kenne diesen Magirus nicht und von
Magie habe ich auch keine Ahnung. Aber wenn man sich nicht so verhält,
wie es von einem erwartet wird, kann man seinen Gegner so verblüffen,
dass er nicht mehr schnell genug reagieren kann." Sie vermied es, Valerian
anzusehen. Es machte sie nervös, diesen klaren Augen, die geradewegs
in ihre Seele blickten, standzuhalten, wo sie das Gefühl hatte, Unsinn
zu reden. "Bislang hast du genau das getan, was er von dir erwartete, oder
nicht?"
Plötzliches Verstehen malte sich auf
seinen Zügen. "Du hast recht, Branwen!"
"Was ist dein nächster logischer Schritt?"
Valerian seufzte und schaute wieder hinaus.
"Eine Armee zusammenrufen und eine geeignete Strategie ausdenken, mit der
man mit Pfeil und Bogen gegen Gewehre ankommen kann - und es in einem Zweikampf
mit Magirus austragen. Und verlieren."
Branwen drückte ihm mitfühlend den
Arm. "Warum bist du so sicher, dass du verlierst?"
"Weil ich den Krieg nicht ertrage. Wahrscheinlich
werde ich mich vorher ergeben. Das Leben in Asarhaddon wird sich zum Schlechten
wenden, aber wenigstens leben sie. Magirus selbst kann ich allein nicht
magisch angreifen, solange er in seiner Zitadelle sitzt. Diesen Vorteil
gibt er nicht zur Unzeit auf."
Branwen schauderte. Sie mußte wieder
an das Bild im Spiegel denken. Vielleicht lasse ich dich am Leben!
Ein Zittern überlief sie. Und sie bewunderte Valerian für seine
Ruhe, im Angesicht der Gefahr. Magirus würde ihn bestimmt nicht am
Leben lassen. Etwas von Valerians Ruhe übertrug sich auf sie. Es steigerte
sich sogar zur Zuversicht. Sie hatte doch nicht diesen außergewöhnlichen
Mann kennengelernt, nur um ihn sofort wieder zu verlieren.
"Der Spiegel", sagte sie. "Was ist das für
ein Gerät? So etwas wie ein Videophon?"
"Ein was?" Valerian brauchte ein paar Sekunden,
um sich zurechtzufinden. Er lachte leise. "So in der Art. Aber man braucht
Magie dafür."
"Auch wir haben Magie", sagte Branwen nachdenklich.
"Für die meisten ist es Aberglaube oder Scharlatanerie. Vielleicht
ist aber auch mehr dran..."
"Worauf willst du hinaus?"
"Manche Naturvölker glauben, wenn man
ein Foto von einem Menschen macht, habe man mit seinem Bild auch seine
Seele. Beim Voodoo benutzt man eine Puppe, der man anstelle des Opfers
etwas antut. Wenn du Magirus dazu bringen könntest, noch einmal im
Spiegel zu erscheinen, kann ich ein Foto von ihm machen. Würdest du
etwas damit anfangen können?"
"Aber ja!" Valerians Gesicht hellte sich auf.
Seine Augen bekamen wieder Leben. "Laß dich küssen, Branwen!"
Er schloß sie in die Arme und drückte ihr einen Kuß auf
die Lippen. "Er erwartet bestimmt keinen Angriff aus dieser Richtung. Los,
hol deinen Apparat! Magirus soll uns kennenlernen."
Branwen eilte die Turmstiegen hinab. Sie verlief
sich dreimal, bevor sie ihr Gemach fand. Wie gut, dass sie an ihre Ausrüstung
gedacht hatte! Hastig raffte sie alles zusammen und eilte zurück.
Außer Atem kam sie im Turmzimmer an. "Ich werde eine Dunkelkammer
zum Entwickeln brauchen", japste sie. "Und ein paar Chemikalien."
"Kein Problem", versicherte Valerian. "Sag
mir, welche du brauchst."
Branwen spulte die Liste herunter, während
sie die Kamera aufbaute.
Valerian nickte und schickte seine Diener
nach den gewünschten Dingen. "Es wird ein Weilchen dauern, bis alles
beisammen ist", sagte er, während er den Spiegel nach Branwens Anweisungen
so rückte, dass das Tageslicht ihn optimal beleuchtete.
"Es wird noch länger dauern, bis das
Foto entwickelt ist. Ich habe kein Labor", erwiderte sie.
Valerian grinste schief. "Gut Ding will Weile
haben. Ist es so gut?"
"Goldrichtig."
"Ich wußte gar nicht, wie schwer dieses
Monstrum ist." Er strich mit der Hand über den schweren vergoldeten
Rahmen. "Bist du soweit, Branwen? Ich werde jetzt versuchen, die Zitadelle
zu rufen. Und aufpassen, dass Magirus nichts davon merkt. Unser Plan kann
nur gelingen, wenn er absolut ahnungslos bleibt." Ein Glitzern hatte sich
in seine Augen gestohlen, das Branwen irgendwie stutzig machte. Doch sie
kontrollierte nochmals wortlos ihre Kamera.
"Von mir aus kann’s losgehen", sagte sie ein
bißchen zu munter. "Zeige mir was ich auf Zelluloid bannen soll und
ich mache dir ein exzellentes Bild."
Valerian setzte sich an seinen Arbeitstisch
und enthüllte die Kristallkugel. Sehr ruhig und konzentriert legte
er seine Hände darüber, wie damals, in einer anderen Zeit und
Welt, in England. Dann hob er noch einmal den Blick. Seine ernsten, klaren
Augen senkten sich in die ihren. "Ich werde versuchen, die Zitadelle zu
erreichen", sagte er mit seiner samtweichen, eindringlichen Stimme. "Ich
möchte, dass du sie von allen Seiten fotografierst, lückenlos.
Geht das?"
"Ja", antwortete sie. "Ich habe genug Filme
dabei." Ihre Mundwinkel zuckten unwillkürlich, als Valerian sich wieder
der Kugel zuwandte. Hinter seinem Ernst lauerte der Schalk, die Spitzbübischkeit
eines Jungen, der gerade einen neuen Streich ausgeheckt hat.
Diesmal dauerte es ungleich länger, bis
die Kristallkugel zu sprühenden Leben erwachte und auf den Spiegel
übergriff. Das Bild war unscharf, ein Teppich bunter Flecken, der
über die Fläche schoß. Valerian saß starr da, das
Gesicht vor Konzentration ausdruckslos. Schweiß begann sich auf seiner
Stirn zu bilden. Das Bild im Spiegel beruhigte sich. Die Farbflecken wuchsen
zu Formen zusammen und zeigten einen ausgedehnten Landstrich, auf dem Ackerflächen
und Forste einander abwechselten. Im Hintergrund erhob sich eine mauerumwehrte
Stadt, über der wie eine Glucke eine gewaltige, wehrhafte Burg hockte.
Das mußte die Zitadelle sein! Das Bild machte einen Satz. Die Zitadelle
füllte den größten Teil des Spiegels; in allen Einzelheiten
klar erkennbar: Der grauschwarze Felsen, auf dem die Mauern gegründet
waren, die zinnengekrönten Mauern, die Gebäude, und sogar Menschen,
die ihrer Arbeit nachgingen. Branwen tauchte hinter ihren Apparat und fotografierte.
Das Bild änderte sich rasch, wie bei einem Rundflug mit einem Flugzeug
oder Ballon.
Nachdem der Ausgangspunkt wieder erreicht
war, erlosch das Bild. Valerian sank über seiner Kugel erschöpft
zusammen. Branwen war sofort bei ihm und berührte ihn besorgt an der
Schulter. "Val? Alles in Ordnung?"
Er war schweißgebadet. "Ja", stöhnte
er leise. "Ich bin nur... völlig fertig. Er hatte.... starke Barrieren
aufgebaut."
Branwen schenkte Wein in ein Glas und drückte
es ihm in die Hand. Ein paar Minuten lang rührte sich der Magier nicht.
Dann richtete er sich schwerfällig auf und trank mit kleinen Schlucken.
"Wie lange wirst du zum Entwickeln brauchen?"
fragte er.
"Nicht lange", erwiderte sie. "Was mir mehr
Sorgen macht, sind die Abzüge. Es gibt hier kein Fotopapier. Ich muß
es erst herstellen und dabei könnte ich Hilfe gebrauchen."
"Shandar kann das tun. Er hat sich lange genug
ausgeruht." Der Geist eines Lächelns huschte über sein müdes
Gesicht.
"Silbernitrat. Ich brauche vor allem Silbernitrat..."
Sie wurde unsicher. Fotoarbeiten waren eine hochgiftige Sache in einer
Welt wie dieser. Die nötigen Chemikalien mußten erst hergestellt
werden. Bestenfalls würde es Tage dauern. Ihr Mut sank plötzlich.
Vorhin hatte sie im Eifer des Gefechtes nicht weit genug gedacht. Zu Hause,
im Labor waren Entwicklung und Abziehen eine Kleinigkeit. Aber hier? Hätte
sie gewußt, was sie erwartet, hätte sie alles mitbringen können.
Valerian rieb sich mit Daumen und Zeigefinger
die Nasenwurzel. "Ich brauche möglichst große Abzüge, und
gestochen scharf", sagte er. "Es wird am besten sein, wenn du es Zuhause
machst, hm?"
Branwen ließ sich von der Beiläufigkeit
seiner Worte nicht täuschen. "Und so ganz nebenbei hast du mich aus
der Gefahrenzone", bemerkte sie. "Ich lasse dich nicht im Stich."
Valerian stand auf und legte seine Arme um
sie. "Mir ist natürlich wohler, wenn ich dich in Sicherheit weiß",
sagte er. "Und ich brauche diese Bilder so schnell wie möglich und
in einer Spitzenqualität. Du weißt so gut wie ich, dass du dazu
ein modernes Labor brauchst. Shandar wird dich begleiten und wieder hierher
zurückbringen. Vertrau mir."
Branwen gab ihren Widerstand auf. Er hatte
recht und sie wußte das auch. Und doch wollte sie ihn nicht allein
lassen. Sie drückte sich minutenlang an ihn, fühlte das Schlagen
seines Herzens und das flimmernde Zittern seiner erschöpften Muskeln.
"Wie lange kannst du allein standhalten?"
fragte sie schließlich, um einen sachlichen Ton bemüht.
"Lange genug", erwiderte er. Das jungenhafte
Grinsen flammte wieder in seinem Gesicht auf.
Branwen verging fast vor Sorge, als sie zum
zweiten Mal auf diese merkwürdige, sinnverwirrende Weise in Caer Donns
verwildertem Garten ankam. Sie strauchelte, fühlte sich aber sofort
von Shandar am Ellenbogen gestützt. "Alles in Ordnung, mein Kind?"
"Ja. - Sind wir noch rechtzeitig eingetroffen?"
Shandar hob wie witternd das Gesicht. "Ich
denke schon. Es ist weit und breit kein Kampf zu spüren."
Ein Diener trat auf sie zu, begrüßte
sie ehrerbietig und führte sie wieder in das Turmzimmer.
Es hatte sich verändert. Sämtliche
Möbel waren unter breiten Stoffbahnen verschwunden. Neben dem Fenster
stand eine riesige Staffelei mit einer fertig grundierten Leinwand. Auf
dem bedeckten Tisch lag ein Sortiment Pinsel und kleine Farbtöpfchen.
Shandar schaffte es, gleichzeitig die Stirn zu runzeln und die Brauen zu
heben. Die Tür zu einer Nebenkammer flog auf und Valerian stürzte
herein, ein weiteres Farbtöpfchen in den Händen.
"Branwen! Shandar! Wie schön, dass ihr
wieder da seid. Entschuldigt, ich kann niemandem die Hand geben." Seine
Finger und Hände strahlten in allen Farben des Regenbogens.
"Valerian!" Branwen war ungemein erleichtert,
ihn gesund und munter zu sehen. "Alles in Ordnung?" Sie wäre ihm gerne
um den Hals gefallen, aber sie unterdrückte den Impuls. "Ich hatte
solche Angst, dass wir zu spät kommen!" Sie hielt ihm die Mappe mit
den Abzügen hin. "Meisterstücke sind es nicht gerade geworden,
aber ich will ja auch keine Ausstellung damit bestreiten. Wozu brauchst
du sie?"
Valerian hatte die Farbe zu den anderen gestellt
und sich sorgfältig die Finger gereinigt. Gespannt wie ein Kind zu
Weihnachten öffnete er die Mappe und breitete die Fotos aus. "Sie
sind phantastisch!" rief er aus, während er sie ordnete und einige
auswählte. Aneinandergelegt ergaben sie eine vollständige Rundumansicht
der Zitadelle. Valerian schien alles um sich herum völlig zu vergessen.
Er leimte die Bilder zusammen und klebte das Panorama anschließend
auf die Leinwand. Dann griff er zu Palette und Pinsel. Eine Zeitlang verharrte
er in regungsloser Konzentration. Seine Lippen bewegten sich zu geflüsterten
Worten, die mehr und mehr Gestalt annahmen und sich in einer fremdartigen
Melodie bewegten.
Die Falten auf Shandars Gesicht vertieften
sich. Er zog Branwen zu den Sitzkissen und drückte sie nieder. "Bleibt
ruhig sitzen, junge Dame, und lenkt ihn nicht ab. Ich weiß nicht,
was er treibt, aber es ist sehr starke Magie. Ich muß den Turm abschirmen."
Branwen verzichtete auf Fragen.
Shandar legte die Hände auf Valerians
Kristallkugel und fiel in Trance. Valerian begann, ohne seine Intonation
zu unterbrechen, die Farben auf der Palette zu mischen und mit kühnen
Strichen auf der Leinwand mit den Fotos zu verteilen. Der Pinsel hinterließ
eine merkwürdig glühende Spur, die Sekunden später scheinbar
in den Malgrund gesunken war und nur die eigentliche Farbe zurückließ.
Ein flacher Regenbogen überspannte nun die Zitadelle und spiegelte
sich zu Füßen des Felsmassivs. Sie gingen harmonisch ineinander
über. Die Photos verschwanden unter einer deckenden Farbschicht. Die
Einzelheiten wurden mit filigranen Pinselstrichen hervorgehoben oder verfremdet.
Nach und nach büßte der Regenbogen seine Flachheit ein und wurde
zur Kuppel Einmal begann der Spiegel zu flackern und ein Bild wollte sich
formen, doch es fiel kraftlos in sich zusammen.
Valerian verstummte und trat von der Staffelei
zurück. Sein plötzliches Schweigen ließ den Turm still
und einsam erscheinen. Branwen trat zu ihm und legte ihm die Hand auf die
Schulter. Das Bild war anders als alle, die sie bislang von ihm kannte.
Die Zitadelle war noch erkennbar, aber die Wahl der Farben verzerrte den
Eindruck. Eine stumme Bedrohung schien in ihnen zu lauern.
"Magie, Branwen", sagte Valerian mit einem
erschöpften, aber dennoch schadenfrohem Grinsen. Er sah sich kurz
nach Shandar um, der gerade aufstand und sich streckte. "Völlig neu.
Ich habe Magirus in seine Zitadelle gebannt. Die Magie des Eidolon, des
Seelenbildes, gepaart mit der Kraft der Farben und meinem Bann. Das ist
so unorthodox, dass er Jahre braucht, um da wieder herauszukommen."
Shandar kam an seine andere Seite und betrachtete
das Gemälde. Er wurde eine Spur blasser. "Das ist...", begann er.
Der Satz blieb unvollendet.
"Und was ist mit den Menschen?" fragte Branwen
besorgt. "Sind sie auch gebannt?" Sie erschauerte bei der Vorstellung,
ihre Heimatstadt nicht mehr verlassen zu können.
"Ja. Zumindest die, die in der Zitadelle
sind. Die Stadt ist frei. Sie werden sich daran gewöhnen müssen,
nicht mehr von Magirus gegängelt zu werden."
"Wenn sie die Waffen schon haben, können
sie trotzdem angreifen", warnte Shandar.
Valerian zuckte die Schultern. "Wenn es tatsächlich
so weit kommen sollte, wird mir etwas einfallen. Aber ich glaube, ohne
Magirus, der sie antreibt, werden sie uns in Frieden lassen. Laßt
uns nun nach unten gehen. Ich habe einen Bärenhunger."
Shandar nickte und ging voran, um der Dienerschaft
Anweisungen zu geben.
Valerian nahm Branwen in die Arme. "Habe ich
schon danke gesagt? Ohne deine Fotos hätte ich das Eidolon, das genaue
Abbild der Zitadelle, nie schaffen können."
Sie schüttelte den Kopf. "Noch nicht."
"Danke, Branwen." Valerian drückte ihr
einen Kuß auf die Lippen. "Ohne dich wäre ich verloren gewesen.
Kann ich mich mit einer Einladung zu einigen Tagen Ferien auf Caer Donn
revanchieren, bevor wir nach Hause gehen?"
"Wir? Du willst wieder nach England?"
Er hob erstaunt die Brauen. "Aber sicher.
Dort bin ich nichts weiter als ein Mensch. Das gefällt mir."
Branwen lächelte. "Mir auch." Vor allem
gefiel ihr der Gedanke, ihn auch zukünftig in erreichbarer Nähe
zu wissen.
Ende
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