Der zornige König von Elfenfeuer

Der Tisch war gedeckt. Die Kerzen entzündet und besorgte Diener eilten hektisch durch den großen Bankettsaal. Die versammelten Offiziere und Edelleute hatten bereits Platz genommen und tauschten besorgte Blicke aus oder schauten betroffen auf ihren Teller. Selbst Obrist Gelimar, der Neffe des Königs, bemühte sich nur halbherzig den Mann zu seiner Linken, am Ende der langen Tafel, bei Laune zu halten.
Der Herr der Hauses war verärgert.
Und das war gar nicht gut.
"Wo bleibt das Essen?", rief König Lodewig erbost. "Wer wagt es mich warten zu lassen?"
Zornesröte schoss in das Gesicht des alten Regenten und sein zerzauster, grauer Vollbart zitterte unheilversprechend. Man ließ den König nicht warten. Schon gar nicht auf Burg Eisenstein.
"Es gab heute morgen ein Unglück mit einem Versorgungswagen auf dem Weg hierher", versuchte Obrist Gelimar behutsam seinen Onkel zu besänftigen. "Es wurde berichtet, dass der Hauptweg versperrt war. Vielleicht sind wichtige Zutaten für das Mahl verspätet eingetroffen...?"
"Was kümmert mich das?", entgegnete der König wütend. "Was hat ein verunglückter Wagen mit meinem Wildbret zu tun...," fuhr der alte Herrscher fort und fügte mit vor Wut triefendem Spott hinzu: "..., Neffe?"
Der Obrist rückte mit versteinerter Miene in seinem Stuhl zurück. Ein kurzes Funkeln flog über seine Augen, doch niemand schien es zu bemerken. Alle waren zu sehr damit beschäftigt beschämt ihre Teller anzustarren oder nervös aus dem Fenster zu schauen. Niemand wagte das Wort zu ergreifen. Wäre nicht das ständige Rascheln der geschäftig wuselnden Diener gewesen, es wäre totenstill gewesen in dem großen Speisesaal von Burg Eisenstein. Bis auf das rasselnde Atmen des erzürnten Herrschers, dessen mächtige Brust sich heftig hob und senkte.
Plötzlich sprang der König auf.
"Du!", rief er laut mit dem Selbstbewusstsein des seit Jahren Regierenden und zeigte auf einen jungen Diener mit keckem Nasenschwung, der das Pech hatte, dem Tischende am nächsten zu sein. "Geh und lauf in die Küche. Sag dem Küchenmeister, dass ich meine Mahlzeit sofort haben will!"
Der angesprochene Diener erblasste. Aber er fasste sich schnell genug um unerschrocken die Anweisung entgegenzunehmen.
"Jawohl, mein Gebieter. Wie ihr es befehlt!"
Geschwind reichte er das Gefäß, welches er in seinen jungen Händen hielt, dem nächstbesten Diener, und eilte Richtung Küche. Schnaubend nahm König Lodewig wieder Platz.
Als er kurze Zeit später zurückkehrte, richteten sich alle Blicke auf den jungen Mann. Während die wartenden Gäste teils neugierig, teils hoffnungsvoll schauten, beobachteten die übrigen Diener sorgenvoll ihren Leidensgenossen. Ihre Befürchtungen wurden nicht geringer, als sie die blassen Wangen des Dienstboten bemerkten.
"Und? Welche Botschaft bringst du?", bellte der König den jungen Diener an.
Der junge Kerl versteifte sich. Ein Kloß schob sich durch seinen trockenen Hals und seine Augen streiften hilfeflehend durch den Saal.
"Mein Gebieter, ich...ich...", stammelte er zögernd.
"Was ist?", schrie der König ungeduldig. "Wann wird das Essen endlich serviert?"
Der Diener zuckte zusammen und duckte sich förmlich unter dem wütenden Blick des Königs.
"Ich... konnte nicht...ich..." stammelte er immer noch. Die Anwesenden spürten seine Angst und wurden unruhig. Jeden Moment würde der König ausrasten. Aufmunternd nickte der Obrist dem jungen Mann zu. Hab keine Angst, sagte sein Blick. Du bist nur der Bote.
Das war alles, was der junge Mann an Ermunterung brauchte.
"Ich konnte den Küchenmeister nicht finden, mein Gebieter."
Sofort war es mucksmäuschenstill im Saal. Jedermann zuckte entweder zusammen oder erbleichte. Selbst dem sonst so gelassenen Neffen des Königs entglitten die Gesichtszüge.
Eine Sekunde verging ohne eine Regung des Königs.
Noch eine.
Die Brust des alten Herrschers hob und senkte sich bedenklich. Das Gesicht lief langsam dunkelrot an. Und die Augen verengten sich zu bedrohlichen Schlitzen.
"Was hast du gesagt, Bursche?" knurrte der König gefährlich.
Der Diener bewahrte seine Haltung und wiederholte trotzig: "Ich habe den Küchenmeister nicht gefunden, mein König."
"Wie habe ich das zu verstehen?" hakte der König nach.
"Nun, er war nicht in der Küche, Herr."
"Du treibst ein gefährliches Spiel, du Wanze." Der König stand kurz vor einem seiner gefürchteten Wutausbrüche. "Erkläre dich auf der Stelle!"
Der junge Mann schaute geschwind zu dem Obristen, so als hoffte er um einen letzten Beistand. Doch als dieser ausblieb raffte er seinen verbliebenen Mut zusammen, holte tief Luft und erklärte:
"Nun, als ich auf euer Geheiß die Küche aufsuchte, konnte ich den Küchenmeister nicht finden. Und als ich nach seinem Verbleib fragte, wurde mir mitgeteilt, dass er vor wenigen Minuten die Küche verlassen hat."
"Er hat die Küche verlassen?" fragte der König irritiert. "Wo ist er denn hingegangen?"
Die Diener zuckte mit den Schulter. "Das wusste niemand zu sagen."
König Lodewig schüttelt verwirrt seinen Kopf und kniff seine alten Augen zu. Als er sie wieder öffnete, stand Mord in ihnen geschrieben.
"Du willst mir also mitteilen, dass mein Küchenmeister mir nichts dir nichts seine Küche verlässt..."
Der Diener nickte.
"...einfach so verschwindet...", fuhr der König fort mit sichtlich erregter Stimme.
Der Diener nickte erneut.
"...sein Essen im Stich lässt..."
Zum drittem Mal nickte der Diener, während der Bart des König wie wild zu zucken anfing.
"...während ich, sein König, - der König - auf mein verdammtes Mittagessen warte?!?" schrie der wutentbrannte Herrscher entrüstet, als er sich mit seiner ganzen Gestalt erhob, und dabei seinen verzierten, silbernen Trinkpokal umstieß. Sofort entleerte sich sein Inhalt und blutroter Wein ergoss sich fächerförmig über den Tisch.
"Wache!!!" brüllte König Lodewig herrisch.
"Jawohl, mein König!", bellten die beiden Wachen am Hauptportal des Speisesaals unisono, als sie sich ihrem erzürnten Fürsten zuwandten.
"Bringt mit den Kopf dieses Versagers!"
"Wie ihr befehlt, mein König!" entgegneten die Wachen. Wie auf dem Paradeplatz drehten sie sich um und verließen den Saal auf der Stelle. Ihre Stimmen hallten auf dem breiten Korridor, als sie andere Wachen anwiesen, ihre Plätze an der Tür einzunehmen, während sie weitere Gardisten und Soldaten aufforderten, ihnen im Namen des Königs bei der Suche nach dem verschwundenen Küchenmeister zu helfen.
Im Saal hingegen schauten sich die Gäste betroffen an. Die Diener rutschten unruhig mit den Füßen und nicht wenige blickten hilfesuchend auf den Neffen des Königs. Lediglich der junge Diener, der die Kunde vom Verschwinden des Küchenmeisters gebracht hatte, war geistesgegenwärtig genug, um sich ein Tuch zu greifen und die schlimmsten Rotweinlachen vom Tisch zu wischen.
"Diese fette, verdammte Ratte", knurrte der König kopfschüttelnd, während er sich wieder setzte. "Jetzt hat mir dieser Lump doch tatsächlich den Appetit verdorben."
Das leise Wischen des Putztuches erfüllte für einige Augenblicke den Saal. Sanft stellte der junge Diener den Pokal wieder vor des Königs Platz und schaute seinem Herren anschließend tapfer ins Gesicht.
"Ach, mein König, das sollte euer Schaden nicht sein." meinte er spitzbübisch.
Der Kopf des Angesprochenen ruckte herum und sein Augen verengten sich fragend.
"Wie?"
"Nun", entgegnete der Diener mit hochrotem Kopf, wie ein Schüler, der sich erdreistet hatte, seinem Lehrer eine ungezogene Antwort zu geben. "Ich meinte nur, dass es vielleicht gar kein so großes Malheur ist, dass ihr den Appetit verloren habt, mein König."
War der Junge wahnsinnig? Alle Gäste schauten entsetzt zu und ein Diener im Hintergrund seufzte mitleidsvoll. Doch der junge Diener, der dem Zorn des Königs bereits einmal entronnen war, ließ sich nicht irritieren.
"So wie es in der Küche gerochen hat, war das Essen wohl verbrannt. Oder zumindest angebrannt."
Die Kinnlade des Königs fiel herab.
"Wie bitte?", starrte er entgeistert den Diener an. "Mein Essen ist verbrannt?"
Der Diener nickte wieder einmal. "So hat es den Anschein."
Der König seufzte tief und wimmerte enttäuscht: "Mein schönes Wild. Ach, wie grausam ist doch diese Welt. Wo soll das noch hinführen?"
Um Fassung ringend blickte er zur gewölbten Decke des Speisesaals, bevor er grimmig die lange Tafel entlang blickte.
"Aber auch dafür wird der Küchenmeister bezahlen."
Niemand wollte dem König zu diesem Zeitpunkt widersprechen.

Quälend langsam verging die Wartezeit. Eine lähmende Kälte erfüllte den Saal. Jegliches Gespräch wurde vermieden und sowohl die intrigantesten Höflinge als auch gestandene Kriegsveteranen hatten nur den einen Wunsch, nicht die Aufmerksamkeit des vor Wut schwer atmenden Königs zu erregen. Der einzige Versuch des Obristen, seinen Onkel zu besänftigen, war mit einem barschen Befehl im Keim erstickt worden. Irgendwann drang der beißende Geruch verbrannten Fleisches in den Saal und die Laune des Königs verschlechterte sich zusehends.
"Wo bleiben diese Wachen nur?" grübelte der König. "Es kann doch nicht so schwer sein, diesen fetten Sack von Küchenmeister aufzutreiben."
Die Soldaten im Portalbereich bewegten sich nervös, schafften es aber ihren Blick ungerührt geradeaus gerichtet zu halten.
Weitere, endlose Minuten verstrichen. Schließlich hallten sich nähernde Schritte aus dem anliegenden Korridor. Die Wachen an dem Portal glitten zur Seite und gaben einer der beiden Wachen, die der König mit der Suche beauftragt hatte, den Weg frei.
"Und?" schallte es ihm vom Kopfende der langen Tafel ungeduldig entgegen. "Bringt ihr mir den Kopf des Küchenmeisters?"
Die Wache hielt einige Schritt vor dem Stuhl des Königs an und knallte die Hacken zusammen.
"Melde gehorsamst, dass der Küchenmeister die Burg verlassen hat!"
Ein überraschtes Raunen ging durch den Saal. Alle Köpfe wandten sich gespannt dem König zu.
"Das kann nicht sein", entgegnete der Regent und schaute aus dem Fenster.
"Mit Verlaub, mein König, aber die Torwächter haben berichtet, dass der Küchenmeister die Burg in höchster Eile verlassen hat."
"Verrat. Das ist Hochverrat. Ich werde ihn und seine ganze Familie jagen und hinrichten lassen." Schwer atmend wandte sich der König wieder an den Wachsoldaten. "Holt mir den ersten Koch der Burg!"
"Jawohl, mein König!" bellte die Wache und eilte davon.
Kopfschüttelnd rang der König nach Worten. Manisch stierte er in den Raum. Mutig erhob sich Obrist Gelimar aus seinem Stuhl.
"Mein König. Onkel. Bewahrt den Frieden eures Reiches und versucht nicht Genugtuung bei denjenigen zu finden, die mit dieser Angelegenheit nichts zu tun haben."
Zögernd lehnte Gelimar sich vor. Das in einer prunkvollen Scheide steckende Langschwert an seiner Linken schlug leicht gegen die schwere Eichenholztafel, als er seine Hand besänftigend nach seinem Onkel strecken wollte.
"Ein verdorbenes Mahl ist nicht das Leben eines Menschen wert."
"Wage es nicht", fuhr König Lodewig empor. "Noch regiere ich an diesem Ort! Oder muss ich hier noch mehr Ungehorsam vermuten?"
Gelimar schrak sichtlich bestürzt zurück.
"Nein, mein König." Der Obrist sackte auf seinen Sitz und blickte seinen Onkel zornig an. Nur mit Mühe bekam er seinen Unmut in den Griff, konnte sich aber beherrschen. "Ich bin wie immer euer gehorsamer Diener."
Der König nickte zufrieden und wandte seinen Kopf erwartungsvoll in Richtung des Portals. Schritte kündigten die Rückkehr des Wachsoldaten an.
"Mein König", rief der Wachsoldat entschlossen. "Auch der erste Koch ist verschwunden!"
"Der auch?" Die Wangen des Königs liefen erneut dunkelrot an. So dunkel wie die Rotweinflecken auf dem Wischtuch in der Hand des jungen Dieners, der noch immer in der Nähe des Königs wartete.
"Und der zweite Koch?"
Die schwankende Stimme verriet die Unsicherheit des Soldaten. "Ebenso verschwunden."
Sprachlos, und mit offenem Mund, taumelte der entrüstete Herrscher zurück.
"Ich werde sie alle hinrichten lassen"; murmelte er zunächst leise. Sein massiger Körper erbebte, als er Luft holte.
"Alle!!!" schrie der König aus vollem Hals.
Die Wache wich einen Schritt zurück. Auch einige der Mittagsgäste schreckten auf und keuchten vor Entsetzen. Der Neffe des Königs blickte mit starrer Miene auf seinen Gegenüber, den hilflos mit den Händen ringenden Meister der Finanzen. Selbst der oberste Priester, der einen Stuhl weiter saß, schaute nur entsetzt den Herrscher an und murmelte Stoßgebete vor sich hin.
Der König verließ seinen Platz und schritt rastlos vor der Tafel entlang. Wütend murmelte er Flüche in seinen zuckenden Bart und ballte zornig seine Fäuste, nur um seine Hände tatendurstig wieder zu öffnen.
"Wer ist für das angebrannte Essen verantwortlich?", wollte der König von dem Diener wissen.
"Ich bin mir nicht sicher, aber vermutlich der Küchenmeister oder einer der Köche", antwortete der junge Mann vorsichtig.
"Nicht vielleicht eine der Mägde?"
Mit weit geöffneten Augen schaute der Diener seinen Herrn an.
"Wahrscheinlich nicht, mein König. Oder doch? Ich weiß es nicht", stammelte er nun doch etwas irritiert.
Der König nickte nur und hob an, dem unruhig wartenden Wachsoldaten einen weiteren Befehl zu erteilen.
"Nein, Herr!" rief plötzlich der junge Diener. Mit wildem Blick hielt er dem durchdringenden Starren des Königs stand. "Mit Sicherheit keine der Dienstmägde. Meistens hat der Küchenmeister selbst die Mahlzeiten eurer Majestät höchstpersönlich zubereitet."
An der Tafel nickten erleichterte Höflinge sowohl König als auch Diener zu. Nahebei flog der Kopf des Obristen herum. Der Neffe des Königs beäugte den jungen Mann und ein entschlossenes Blitzen zuckte über sein Gesicht. Dann richtete er seine lodernden Augen wieder in die Ferne, so als ginge ihn die ganze Affäre nichts mehr an.
"So, so", zupfte der König an seinem Bart. "Also keine der Mägde."
Der Diener nickte entschieden.
"Was ist mit dem Wagenfahrer, der die Verspätung verursacht hat?" fragte der König nun den Meister der Finanzen. "Wisst ihr mehr als mein aufsässiger Neffe hier?"
"Eure Majestät, ich war heute morgen mit der Inventur beschäftigt und habe..."
"Bei den Göttern, Mann", unterbrach der König den hageren Minister. "Ich will nichts von eurer verfluchten Inventur wissen. Ich will wissen, warum mein Wild verbrannt ist. Verkohlt und verschwendet. Beim Barte des Allmächtigen!"
Abwehrend hob der Meister der Finanzen seine Hände.
"Und was ist mit dir, Neffe?"
Ohne den Blick seinem Onkel zuzuwenden, antwortete der Obrist gleichgültig: "Soweit ich weiß, hat sich der Kutscher unmittelbar nach seiner Ankunft auf den Weg gemacht, ein neues Rad zu besorgen."
"So?" Kritisch blickte der König seinen regungslos dasitzenden Neffen an. "Hm, und was ist mit den Knechten, die beim Entladen geholfen haben?" Der König begann wie wahnsinnig zu kichern. "Ja, die Knechte. Die sind schuld an dem ganzen Übel. Denen werde ich es heimzahlen."
Der Wachsoldat blickte fragend den jungen Diener an, der wiederum ratsuchend den Minister der Finanzen anstarrte. Dieser sandte mit seinen Augen hilfesuchend nach einer Reaktion Gelimars - doch der Neffe des Königs, der einzige, der in der Vergangenheit den irren Launen des alternden Königs getrotzt hatte, saß nur auf seinem Platz und schaute teilnahmslos in die Ferne.
"Die Knechte. Die Knechte. Und der Koch. Der Lump." Wirres Zeug brummend stapfte der König noch immer vor der Tafel auf und ab, ehe er sich wieder dem bedauernswerten Wachsoldaten zuwandte.
"Wache!", brüllte er so laut, als würde sich der Soldat am anderen Ende des großen Speisesaales befinden. "Sucht die Knechte, die den Wagen entladen haben."
Der Wächter zögerte für einen Augenblick, doch der bohrende Blick des Regenten überwand seine Starre. "Wie ihr befehlt, mein König."
"Du", befahl der König geifernd dem Diener, noch während der Wachsoldat sich umdrehte um davon zu eilen, "gehst in die Küche und holst den Knecht, der das Feuer unter dem Herd schürt. Er hat zu stark geheizt, und wird dafür bezahlen müssen. Hahahah!"
Auch der Diener lief sofort aus dem Saal um dem brutalen Befehl zu befolgen.
Der König schien zufrieden.
"Ich werde meine Genugtuung bekommen." Mit funkelnden Augen rieb er tatendurstig seine Hände. "Oh, ja. Jemand wird dafür bezahlen, dass mein schöner Wildbraten verkokelt und verschmort ist."
Als erstes kam der Diener zurück.
"Mein König," rief er mit zitternder Stimme. "Es ist niemand mehr in der Küche. Entweder haben alle die Burg verlassen oder sich versteckt."
"Verrat!" schrie der König aufgebracht. "Ich will endlich meinen Braten gerächt sehen!"
In diesem Moment kehrte der Wachsoldat zurück. Mit bebenden Schultern, doch tapfer wie ein Soldat nur sein kann, im Angesicht der tobenden Schlacht, präsentierte er sich vor seinem Regenten. Seine Hacken schlugen zusammen und alle Augen richteten sich auf ihn.
"Mein König," rief auch er laut, um das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken. "Die Wachen berichten, dass die Knechte mit dem Wagenführer die Burg verlassen haben, um ihm bei dem Transport des neuen Rades zu helfen."
"Nein!" heulte der König, der inzwischen wieder am Kopfende der großen Speisetafel angelangt war, enttäuscht. "Nein, nein, nein! Dann lasst die Wachen hinrichten, die den Wagenführer und die Knechte haben das Tor passieren lassen."
"Mein König,..." stammelte der Wachsoldat entsetzt.
"Keine Widerrede, Soldat!"
"Jawohl, mein Gebieter!" rief der Soldat fanatisch.
"Bei den Allmächtigen", flehte der Priester endlich, "König Lodewig, kommt zu Sinnen. Ihr fordert die Götter heraus."
"Ich gebe einen Dreck auf diese elenden Götter, die es zugelassen haben, dass mein Braten ruiniert ist!"
"Aber..."
"Kein Aber. Ich will jetzt auf der Stelle einen Kopf rollen sehen! Ganz gleich wer und warum!", brüllte der König mit entsetzlicher Stimme und triefendem Geifer, seine feisten Arme auf den Tisch stemmend. "Sofort!"
Schweigen.
Viele sich duckende, entsetzte Gäste, Soldaten und Diener.
Bis auf einen.
"Euer Wunsch sei mir Befehl, Onkel!" verkündete Obrist Gelimar mit fester Stimme, als er aus seiner gedankenverlorenen Trance erwachte. Ohne Vorwarnung zog er sein glänzendes Schwert und hob seinen Arm.
Als sich seine blutige Waffe wieder senkte, fiel der Kopf des Königs polternd auf den Boden. Eine Fontäne reinsten Lebenselixiers ergoss sich aus dem durchtrennten Hals des einstigen Herrschers und vermischte Blut mit Wein auf der langen Speisetafel, als der leblose Körper des Enthaupteten langsam in sich zusammensackte.
"Nun, er hat es ja so gewollt, nicht wahr?" fragte Gelimar und schaute in die versteinerten Gesichter der Anwesenden.
Auch dem neuen König wollte jetzt keiner widersprechen.
 

© Elfenfeuer
Vor Verwendung dieser Autoren-EMail-Adresse bitte das unmittelbar am @ angrenzende "NO" und "SPAM" entfernen!
.
www.drachental.de