Ein Fremder in der Nacht von Falcon An Cu
5: Neue Freunde

"Ich habe beschlossen, weiterhin den Drachen zu jagen", sagte Ecthelion abends am Feuer. "Es ist zum großen Teil meine Schuld, dass er sich wieder an den Sterblichen vergehen kann, das kann ich nicht zulassen. Natürlich kann ich nicht von euch erwarten, dass ihr mich begleitet, das wäre zu gefährlich."

Keiner sagte ein Wort, das brauchten sie aber auch nicht. Der Fürst las in ihren Augen, dass keiner bereit war, ihn zu verlassen, egal wie gefährlich es werden würde.

"Wir sind nicht in die richtige Richtung gegangen, wir sollten unserem Zwergenfreund folgen, er ist auf dem rechten Pfad", sagte Nala plötzlich.
"Woher weißt du das?" fragte Trakktor.
"Der Herr des Flusses hat zu mir gesprochen, glaube mir, wir sind auf der falschen Fährte. Er sprach von den kleinen Leuten, den Zwergen", verbesserte sie sich, als sie die Gesichter ihrer Freunde sah. "Sie sind in Gefahr. Angurth hat erfahren, dass sich ein kleiner Stamm in den nordöstlichen Bergen niedergelassen hat. Ein Halbbruder von Gloin ist ihr Führer, sein Name ist Gróin II. Er hat es zu großem Reichtum gebracht, als Handelsposten zwischen den glitzernden Grotten und Erebor. Wir müssen ihn erreichen, bevor die Sonne zehnmal aufgegangen ist. Schaffen wir es nicht, sind er und sein Volk verloren."

Trakktor schlug sich aufs Bein. "Bei Beor, dieses Mistvieh wird den Biss meiner Axt zu spüren bekommen, lasst uns Fundin folgen."

Die Elben schauten sich gegenseitig an, sie alle hatten schon einmal gegen Drachen gekämpft, doch bisher war noch nie ein so großer und alter ihr Feind gewesen.

**

Raul und Fundin tranken mehr als ein Glas Wein zusammen. Fundin konnte sich rühmen, fast jede Zwergenbehausung (etwas größere Städte versteht sich) gesehen zu haben. Nachdem Raul ihm von Gróin dem II erzählte, wurde er sehr aufmerksam.

Zuerst dachte Fundin, dass dieser Mensch ihn auf den Arm nehmen wollte, da er selber noch nie von Gróin gehört hatte. Doch nach mehreren Gläsern Wein machten die beiden Pläne, um noch am kommenden Morgen aufzubrechen nach Marab-Dum.

Der jungen Elbin gefiel das ganze Gerede über Bergbau und Schmiedekunst nicht sonderlich, sie war ein Naturkind und dunkle Höhlen machten ihr Angst. Nach einer Stunde gelangweiltem Rumsitzens ging sie nach draußen, um den Nachtwind zu genießen. Ihre Laune besserte sich schlagartig, als sie eine groß gewachsene Gestalt sah, die auf einem Pferd die Straße auf sie zugeritten kam. Sie freute sich immer, wenn sie außerhalb ihres Landes auf Elben traf. Sie rief dem Mann einen Gruß herüber, der ebenso erstaunt wie erfreut zurück grüßte. Nenvîriel hatte schon eine Menge hübscher Elben gesehen, doch dieser dunkelhaarige Fremde verzauberte sie sofort, er hatte eine seltsame Art an sich, die sie sofort in ihren Bann zog.
"Ich grüße dich, mein hübsches Kind. Sage, sind dir in letzter Zeit Fremde begegnet? Ich suche einige Freunde von mir. Es waren Elben, drei an der Zahl. Auch ein Mensch war in ihrer Begleitung, ebenso ein Zwerg mit einer gewaltigen Axt. Sag, hast du sie gesehen?"

"Nein! Das habe ich nicht, ich reise seit Wochen alleine", log sie. Sie trug seit ihrer Kindheit einen silbernen Ring, der sie vor Gefahren schützen sollte. Sie fühlte bei diesem Elb eine Gefahr, irgendetwas war mit ihm nicht so wie es den Anschein hatte.

"Nun, wenn das so ist, werde ich meine Suche wohl weiterführen müssen, dennoch hab besten Dank, kleine Elbenmaid." Mit diesen Worten ritt er davon. Erst jetzt bemerkte Nenvîriel, dass ihm ein Adler folgte.

Sie verlor kein Wort über den Fremden, als sie zu dritt am nächsten Morgen aufbrachen.

Am Nachmittag des gleichen Tages trafen Ecthelion, Gilmor, Falcon, Trakktor und Nala in der Siedlung ein. Die drei Elben hatten beschlossen, vor dem Dorf zu warten, sie wollten mit ihrem Auftauchen nicht zuviel Aufmerksamkeit erregen. Nach einer halben Stunde kamen Trakktor und Nala zurück.

"Er ist heute morgen aufgebrochen, in Begleitung des Dorfschmieds und einer Elbenfrau." Trakktor berichtete, was er erfahren hatte. "Er scheint mehr Elben zu kennen, als er mir je gesagt hat", fügte er mit einem Lächeln hinzu.
"Dann kann er noch nicht so weit sein, wir könnten ihn noch vor Einbruch der Nacht einholen."
"Nein, Falcon. wir müssen rasten, wir sind jetzt seit zwei Tagen ununterbrochen gewandert, es nützt nichts, wenn wir dem Drachen schlafend begegnen."
"Ecthelion hat Recht, ich brauche Ruhe, meine Wunden verheilen nur langsam", sagte Trakktor.

Sie suchten sich einen ruhigen Platz, wo sie den Nachmittag nutzten, um sich auszuruhen. Sie berieten sich über ihr Vorgehen, wenn sie auf den Drachen treffen würden, doch wie immer kamen sie zu keinem guten Ergebnis. "Ich habe diese Jammerei satt, dieses Biest hat mich jetzt lange genug von zuhause ferngehalten. Lindan war nicht der einzige, der Freunde hatte. Wenn wir zusammen halten, können wir auch dieses Monster schlagen. Wir müssen nur das Schlachtfeld bestimmen."

Ecthelion schrieb etwas auf ein Pergament, rollte es zusammen und überreichte es Falcon. "Bringe dieses Schreiben so schnell wie möglich nach Dol Banred, besorge dir ein Pferd und folge unserer Spur. Möge Manwe deinen Schritt beschleunigen, mein Freund." Falcon machte sich ohne Fragen sofort auf den Weg. Ein Lächeln lag auf seinem Gesicht, das war der Fürst wie er ihn kannte. Fest in seiner Hand hielt er die Nachricht für Hauptmann Deor.

**

Fundin hatte in seinem Leben schon viele Zwergenstädte gesehen. Sein ganzes Leben hatte er damit verbracht, seine Brüder auf ganz Mittelerde zu besuchen. Deshalb war er überrascht, als er durch die Hallen von Gróin ging. Von außen sah man kaum, dass hier eine so große Anzahl Zwerge lebte und arbeitete. Die Straßen waren breit und mit einem guten Granit belegt, der bläulich schimmerte. An den Wänden waren wundervolle Reliefs, an denen immer noch gearbeitet wurde.

Fundin sah Springbrunnen, die eindeutig elbischer Natur waren. Es war ihm schon am Eingangstor aufgefallen, dass Elbenhandwerker hier mitgearbeitet hatten. Sie kamen an gewaltigen Treppen vorbei, die hauptsächlich nach unten führten. Dennoch blieb ihr Führer, ein junger Zwerg, der sich als Flór Hammerhaar vorgestellt hatte, auf der geraden Hauptstraße. 

Nenvîriel fühlte sich gar nicht wohl in ihrer Haut, immer wieder flüsterte sie: "Wie könnt ihr nur unter der Erde wohnen?" Fundin tat so, als wenn er sie nicht hörte, er war begeistert.

Nach stundenlanger Wanderung kamen sie an ein zweites Tor. Die helle Sonne blendete sie für einen Moment. Raul lächelte, als er ihre Gesichter sah. Er konnte sich noch an den Tag erinnern, an dem er zum ersten Mal diese Tor durchschritten hatte. Sie blickten auf ein großes Tal, das völlig von Bergen umgeben war. Ein silberner Fluss zog sich durch einen wundervollen Wald.

"Dies, meine Freunde, ist das Tal des Friedens, hier leben wir mit den Elben in Harmonie und Frieden. Hier herrscht Aranwe aus Turgons Haus, ein weiser Elb aus Gondolin. Durch seine Macht und unsere Verschwiegenheit haben wir all die Jahre überlebt. Und wir haben gut daran getan, uns nicht in die Angelegenheit der Menschen einzumischen."

Fundin und Nenvîriel standen staunend am Fuß der Treppe. Die Sonne versank in diesem Moment hinter den Bergen. Der Wald füllte sich mit Lichtern. "Sie lieben die Nacht mehr als den Tag", sagte Flór. 

Nenvîriel hatte Tränen in den Augen. "Das ist wunderschön." Sie konnte ein Schluchzen kaum unterdrücken. "Wie konntet ihr die ganzen Jahre unentdeckt bleiben, und uns jetzt einfach so hierher führen?" Fundin schwante nichts gutes.
"Na, ihr werdet hier bleiben müssen, oder wir müssen euch töten. Die Wahl liegt bei euch." Flór antwortete mit einem schiefen Grinsen.
Beide rissen vor Schreck die Augen weit auf.
"Das war ein Scherz! Aranwe wird mit euch sprechen wollen. Und wenn er euch für würdig befindet, werdet ihr euch frei entscheiden können, was ihr macht. Wenn ihr allerdings feindliche Absichten habt, werdet ihr euch nach dem Gespräch an das alles hier nicht mehr erinnern. Schaut, einer unserer Wächter!" Der Zwerg zeigte auf einen Bergadler der seine Kreise hoch oben über dem Wald zog.

"Wenn ich darf, werde ich hier bleiben!" flüsterte Nenvîriel Fundin zu. "Wie schnell diese Elben doch ihre Meinung ändern", dachte er.

**

Die kleine Karawane lagerte an einem kleinen See. Sie hatten Waren aus Erebor dabei. Druin war zufrieden, die Geschäfte waren gut gelaufen. Sein Geldbeutel war prall gefüllt. In zwei Tagen wären sie wieder zu Hause, daher hatte er eine etwas längere Rast angeordnet, damit seine Zwerge ihre Kleidung und ihre Ausrüstung in Ordnung bringen konnten. Schließlich sollten sie nicht wie eine Horde Orks aussehen, wenn sie vor ihrem König standen.

Druin schaute auf seine Weggefährten, eine kleine Gruppe von neun Zwergen und zwei Zwergenfrauen. Alle waren ihm ans Herz gewachsen in den Jahren, in denen er mit ihnen solche Expeditionen unternahm. Er freute sich schon auf das Fest, das ihnen zu Ehren abgehalten werden würde. Er nahm einen tiefen Schluck aus seinem Humpen.

Ein gewaltiger Schatten verdunkelte den Mond. Frelór hatte das Gefühl, ein eisiger Wind streifte ihn. Und dann ging plötzlich alles ganz schnell. Ein Feuerball explodierte mitten in ihrem Lager. Druin, der nahe beim Lagerfeuer geschlafen hatte, verbrannte mit drei weiteren Zwergen auf der Stelle. Panik und Verwirrung ließ die restlichen Zwerge auseinanderstieben. Frelór warf sich hinter einen Felsen, so ein Feuer hatte er schon einmal gesehen. Ein Drache hatte ihr Lager überfallen.

Er musste mit ansehen, wie diese Bestie seine Gefährten einen nach dem anderen fing, um sie dann auf grauenvolle Weise zu töten. Auf der anderen Seite des Lagers formierten sich drei seiner Freunde. Es waren gute Krieger, jeder von ihnen hatte an der Schlacht der fünf Heere teilgenommen. Angurth zerschmetterte sie mit einem Schlag seines Schwanzes. Frelór weinte, er wollte aufspringen, um sich in den Kampf zu stürzen, wollte mit seinen Freunden sterben. Doch er konnte nicht, sein Körper gehorchte nicht seinem Willen. Er musste mit ansehen wie der schwarz-rote Drache seine Freundin fraß.

"KOMM HERAUS, DU WURM!!! MEIN APPETIET IST GESTILLT, DEINE FREUNDE WAREN JA FETT GENUG; BESONDERS DIE FRAU!" Frelór schaute vorsichtig hinter seinem Felsen hervor. Neben dem See lag ein großer Drache, der sich genüsslich mit einer Klaue ein Stück Zwerg aus seinen Zähnen pulte. Er zitterte am ganzen Körper. "NUN KOMM SCHON RAUS, WENN ICH DICH FRESSEN WOLLTE, HÄTTE ICH DAS SCHON GETAN." Frelór ging langsam um den Felsen herum, in seiner Hand hielt er noch immer seine Axt. Der Kopf des Drachen wandte sich ihm zu und Frelór schaute Angurth in die Augen. Da unterlag der gute Zwerg vollkommen dem Zauber des Drachen.

"ICH HABE EINIGE SCHÖNE SACHEN GEFUNDEN, DOCH SAGE MIR GUTER ZWERG! NICHT ALLES STAMMT AUS EREBOR, ODER?? ICH RIECHE ELBENMAGIE AN IHNEN. UND WO WOLLTET IHR HIN? HIER IN DER NÄHE GIBT ES DOCH GAR KEINE ZWERGENSIEDLUNG. WENN DU MIR SAGST, WAS ICH WISSEN WILL, VERSCHONE ICH DEIN LEBEN. VERSPROCHEN!!!!"

Frelór wollte nichts sagen, er brachte alle Willenskraft auf, die er noch besaß. Stur hob er seinen Arm und rannte auf den Drachen zu. Er sah seine Freunde sterben, Wut flammte in ihm auf. Er würde diesem Biest nicht von seiner Heimat erzählen, lieber würde er ehrenhaft sterben. Er dachte an seine bevorstehende Heirat und er dachte an seine Braut, die dieses Biest gefressen hatte.

"SCHADE", dachte Angurth, nachdem er den zerschmetterten Frelór liegen ließ und sich in die Luft erhob.

Druis tauchte auf, sie hatte sich direkt nach dem Feuerangriff in den See geworfen und im Schilf versteckt. Traurig schaute sie auf ihre Freunde, die verbrannt und zerfetzt auf dem Boden lagen. Durchnässt und verängstigt machte sie sich auf den Weg nach Marab-Dum, um ihren König zu warnen.
 

© Falcon An Cu
Vor Verwendung dieser Autoren-EMail-Adresse bitte das unmittelbar am @ angrenzende "NO" und "SPAM" entfernen!
.
Und schon bald geht's hier weiter zum 6. Kapitel...

.
www.drachental.de