Normalerweise hatte die Garde Probleme Nachwuchs
zu finden. Es war ja auch kein Wunder, schlechte Bezahlung, schlechter
Ruf und kaum Aufstiegschancen. Ganz zu schweigen von den Arbeitsbedingungen...
Nachtarbeit war keine Seltenheit, genauso wenig wie stundenlanges im Regen
rumstehen. Und dann erst diese Uniform! Selan schnaubte. Er fragte sich
schon seit langem, wie krank derjenige gewesen sein musste, der so was
für eine Uniform hielt... Das Ganze war von oben bis unten mit Rüschen
und Schleifen versehen, und dazu noch Lackschuhe! Er kam sich vor wie ein
aufgeblasener Geck aus dem vor-vorigen Jahrhundert...
Doch heute hatte er einen Brief zugesendet
bekommen, in dem jemand tatsächlich um die Aufnahme in die Stadtgarde
bat. Ungläubig blickte er auf den Brief herunter. Der schien ja wirklich
ein Spinner zu sein! Nicht nur, dass der Brief in einem wahrlich veralteten
Deutsch verfasst war, nein, das Ganze war feinsäuberlich auf einer
Pergamentrolle verfasst worden. Wer verwendet das denn heutzutage noch???
Aber sein Lebenslauf schien in Ordnung sein.
Was man nicht von den anderen Gardisten sagen konnte. Man meldete sich
nur "freiwillig" wenn man was ausgefressen hatte oder einfach hoffnungslos
ungeschickt war. Natürlich gab es ein paar Ausnahmen, die aus reiner
Überzeugung zur Garde gegangen waren. Das waren die größten
Narren. Schon nach ein paar Wochen wurde ihnen alle Begeisterung ausgetrieben,
aber dann war es zu spät. Erst einmal bei der Garde beigetreten gab
es keinen Weg mehr raus. Dafür hatte der König schon gesorgt,
seine Majestät hatte jedes erdenkliche Schlupfloch in den Gesetzen
gestopft. Einmal Gardist immer Gardist... Er seufzte. Wirklich jede noch
so kleine Chance auf Freiheit hatten die Schreiber des Königs aufgespürt
und vernichtet. Er hatte Jahre gebraucht, bis er das eingesehen hatte,
es gab einfach kein Entkommen...
Na für diesen armen Tropf war es auf
jeden Fall auch schon zu spät. Der Schreiber hatte den Brief gesehen
und die ehrenhafte Aufnahme genehmigt. Dranar Darsenson war verdammt sein
Leben in der Garde zu verschwenden.
"Hauptmann! Hauptmann!" Ein junger Gardist
rannte die Stufen hinauf und rief immer wieder hektisch nach Hilfe.
"Was is denn?" Selan hob nicht einmal richtig
den Kopf, der Junge war ihm wohlbekannt. Er hatte ihn am Tor eingeteilt,
in der Hoffnung so etwas mehr Ruhe vor ihm zu bekommen. Kargan war einer
derjenigen, die einfach zu dumm waren, um einen anständigen Beruf
zu erlernen.
"Drau.. Drau..." Ganz aufgeregt gestikulierte
der Gardist in Richtung Stadtgrenze.
"Jetzt mal ganz ruhig, ja! Tief durchatmen
und dann ordnungsgemäßer Bericht!" Selan schaute Kargan verwundert
an. So durcheinander hatte er ihn noch nie erlebt.
Verzweifelt blickte der Gardist um sich und
trat nervös von einem Bein aufs andere. "Drau.. Draußen i..ist
e..ein Dr..Drache."
"DRAUSSEN IST WAS???" Selan starrte ungläubig
in das Gesicht des Jungen.
Der nickte nur stumm und blickte mit großen
Augen sein Vorbild an.
Noch immer verwirrt schnappte Selan sich seine
Uniformjacke und stürzte an Kargan vorbei nach draußen. Sah
der Junge denn jetzt schon Gespenster?? Für verrückt hätte
er den Jungen bisher nicht gehalten.
Im Laufschritt überquerte er den Hof
und die Stadt, bis er vor dem Tor stand. Verwundert starrten ihm einige
Passanten nach. Man sah nicht oft, dass ein Gardist durch die Stadt lief.
Die meisten bewegten sich so langsam wie möglich und versuchten ja
nicht aufzufallen, was in dieser Uniform nicht leicht war. Die grellen
Farben und die opulente Ausstattung waren nicht dazu gedacht unbeobachtet
zu bleiben. Dennoch gelang es den meisten Gardisten, sich erfolgreich um
die Arbeit zu drücken und einfach zu verschwinden wenn sie benötigt
wurden.
Leicht außer Atem erklomm Selan die Stufen
zum Wachturm und blickte aus dem Ausguck - und starrte direkt in zwei neugierig
wirkende Augen. Mit einem entsetzten Aufschrei stolperte er ein paar Schritte
nach hinten und starrte in die Augen. Das konnte wohl nicht sein! Immerhin
war er im ersten Stock! Langsam bewegten sich die Augen vom Fenster weg
und er konnte immer mehr von dem gigantischen Drachenkopf erkennen. Soweit
er es beurteilen konnte, war der Drache von oben bis unten mit glänzenden
roten Schuppen versehen und zwei spitze, gewundene Hörner verzierten
seinen Kopf. Da der Drache freundlich zu grinsen versuchte, hatte Selan
einen ausgezeichneten Ausblick auf die rasiermesserscharfen Zähne.
Ein Schauern lief ihm über den Rücken als er sich vorstellte
zwischen den Zähnen zermalen zu werden. Nach einigen fassungslosen
Momenten riss er sich zusammen. Der Drache schien "harmlos" zu sein. Ansonsten
würde die Stadt ja wohl nicht mehr stehen. Also sollte er einmal herausfinden,
was ein Drache von ihm wollte.
Er straffte die Schultern und beugte sich
aus der Luke. Wenn möglich wollte er doch Aug in Aug mit dem Drachen
sprechen. Der Drache war noch viel riesiger als er sich vorgestellt hatte.
Der mächtige Körper war von oben bis unten mit Schuppen versehen
und spitze Zacken standen ihm vom Rückgrat ab. Aber am Beeindruckensten
waren die riesigen Flügel, die sich um den Körper des Drachen
legten. Wenn er vor das Tor getreten wäre, hätte er dem Drachen
kaum über die Krallen gereicht. Er war froh nicht nach draußen
gegangen zu sein, denn er fühlte sich doch erheblich sicherer, wenn
etwas Mauer zwischen ihm und dem Drachen war. Auch wenn er bezweifelte,
dass die Stadtmauer viel Schutz bieten würde.
Er hatte schon den Mund geöffnet, als
ihm ein weiters Problem in den Kopf kam. Wie spricht man bloß einen
Drachen an? Hatten sie Adelstitel? Er wüsste nichts dergleichen, andererseits
lieber zu höflich, als dass er den Drachen beleidigte.
Er räusperte sich. "Eure Hochwohlgeborener
Drache. Ich äh, ich bin Hauptmann Selan. Darf ich euer Begehr erfahren?"
Vorsichtig blinzelte er zu dem Drachenkopf hinauf. Hatte er den richtigen
Titel erwischt?
"Hauptmann Selan, der neue Rekrut Dranar Darsenson
meldet sich zum Dienst!!" Der Drache richtete sich ruckartig auf und hob
die Pfote zum Salut.
Selan konnte nicht anders, er starrte mit
weit aufgerissenem Mund den Drachen an. Das konnte wohl nicht wahr sein,
oder? Ein Drache meldet sich zum Dienst? "Geht denn so was?" fuhr es ihm
durch den Kopf.
"Ihr seid Dranar Darsenson? Der Neue?" Man
konnte seine Ungläubigkeit hören. Mit fahrigen Händen fuhr
er sich durch die Haare. "Ihr wollt Gardist werden? Seid ihr euch sicher?"
Der Drache nickte nur.
"Ich ähh will euch ja nicht verärgern,
aber ich glaube nicht, dass das geht..." stotterte der Hauptmann unsicher.
"Wegen den Gesetzen und so... Ich mein', immerhin sind wir ja eine Garde,
die nur aus Menschen besteht, wenn ihr wisst, was ich meine. Nichts gegen
euch natürlich, ihr wärt sicher eine Bereicherung für unsere
äh Einheit."
"Wenn ihr euch darüber Sorgen macht,
kann ich euch beruhigen, werter Herr Hauptmann! Ich habe das Gesetzbuch
genau studiert und es steht nichts vermerkt, dass ein Drache kein Gardist
werden kann. Um die Wahrheit zu sagen muss ich gestehen, dass ich mich
gewundert habe, wie wenig über die Aufnahmebedingungen für diese
so ehrenhafte Einheit vermerkt ist."
"Ist auch kein Wunder, wir können ja
auch nicht wählerisch sein" dachte Selan so bei sich.
"Aber ihr werdet mich sicher verstehen, werter
Drache, dass ich in eurem, naja - speziellen Fall erst den König fragen
muss... Ich denke, das geht über meine Befugnis..."
Der Drache nickte. "Mir ist ähnliches
auch schon in den Sinn gekommen. Wobei ich nicht eure Autorität in
Frage stellen möchte. Aber da seine Majestät Kuraanus der Dritte
den wahrhaft ehrenwerten Ruf hat, sich genau an die Gesetzte, die er in
seiner Gnade erlassen hat, zu halten, mache ich mir keine Sorgen."
Unsicher lächelnd nickte der Hauptmann.
"Ich mach mich dann mal auf zum König. Macht euch keine Sorgen, wenn
es länger dauern sollte. Ihr kennt doch die Bürokratie... Der
Amtsschimmel ist ja bekanntlich langsam..." Selan räusperte sich.
Er begann Blödsinn zu reden. Er nickte noch einmal knapp dem Drachen
zu und trat dann von der Luke zurück.
Als er aus der Sichtweite des Drachen war,
lehnte er sich gegen die Wand und fuhr sich durchs Haar. Seine Beine waren
weich und er zitterte am ganzen Leib. Er hatte tatsächlich mit einem
Drachen gesprochen! Einem DRACHEN!!! Das konnte wohl nicht wahr sein, oder?
Und er lebte noch!! Ungläubig schüttelte er den Kopf. Allerdings
sollte er lieber nicht zu lange warten, es würde einige Zeit benötigen
beim König vorzusprechen. Er wollte ja nicht, dass der Drache womöglich
ungeduldig wurde.
Während er durch die Stadt lief, fiel
es ihm siedendheiß ein, dass er etwas unternehmen musste, damit keine
Panik in der Stadt ausbrach. Wie er das anstellen sollte, war ihm schleierhaft,
einen Drachen konnte man ja nicht so ohne weiters verstecken! Bald würde
ihn schon jemand sehen und dann wäre die Hölle los!
Während er durch die Stadt lief, überlegte
er fieberhaft, wie er es anstellen könnte, dass sich erstens die Panik
so klein wie möglich hielt und zweites kein Idiot auf den Drachen
schoss oder etwas ähnlich Dummes tat.
In der Hauptzentrale der Garde angekommen
schickte er seine Männer aus, damit sie verkündeten, dass ein
großer Illusionist sich einen Scherz erlaubt und vor dem Stadttor
eine riesige Drachenillusion abgesetzt hatte. Selan hoffte darauf, dass
es funktionieren würde. Er persönlich bezweifelte, dass irgendjemand
darauf reinfallen würde. Aber er hatte einfach keine Zeit sich etwas
Besseres auszudenken.
Kaum dass er allen klar gemacht hatte, was
sie tun sollten, eilte er schon weiter an den Königshof. Wie er an
all den Wachen, Schreibern und Herolden vorbeikommen sollte, war ihm ein
Rätsel. Er würde sich lieber mit zehn Schwiegermüttern und
drei Drachen auseinander setzten, als mit der Bürokratie am Königshof.
Kuraanus war kein König wie man ihn sich
vorstellte. Er war weder ein mächtiger Krieger, noch ein weiser oder
gütiger Herrscher. Seine Majestät war eigen. Er liebte nicht
die Jagd oder schöne Frauen. Nein, er liebte Gesetzte, Paragrafen,
Protokolle...
Bei Kuraanus musste alles absolut korrekt
sein. Nichts machte ihm mehr Vergnügen als neue Gesetzte zu erfinden.
Er wollte alles geregelt wissen, einfach alles! Wenn es ihm möglich
gewesen wäre, hätte er jedem Bewohner seines Landes vorgeschrieben
wie oft sie am Tag zu atmen hätten.
Außerhalb seiner Hauptstadt wurde so
manches Dekret des Königs schlicht und einfach ignoriert. Aber hier
am Königshof, direkt unter der Nase des Monarchen, konnte man nicht
so einfach Gesetzte übersehen.
Die ersten paar Räume brachte er noch
gut hinter sich. Dort waren seine Männer positioniert, die blickten
ihm zwar verwirrt nach, ließen ihn aber passieren. Man sah nicht
häufig den Hauptmann im Palast, vor allem nicht ohne Vorladung! Vor
der eichenen Tür, die den inneren Bereich kennzeichnete, atmete er
nochmals tief durch, ab jetzt würde es schwierig werden. Von hier
an waren die Türen mit den persönlichen Wachen des Königs
gesichert, überall lauerten Herolde, die nach seinem Begehr fragen
würden, und Schreiber mit Formularen, die noch schnell auszufüllen
waren, bevor man den König sehen konnte.
Er straffte seine Schultern versuchte seine
Uniform zu richten und öffnete die Tür. Irgendwie würde
er es schon schaffen. Sich nur nicht aufregen lassen! Wenn er sich jetzt
ungeschickt anstellte, konnte es Tage dauern, bevor er vorgelassen würde.
Der zuständige Herold ignorierte ihn
nach Kräften und betrachtete interessiert seine Fingernägel.
Die Wachen beobachteten ihn kurz gelangweilt bevor sie wieder starr auf
die Wand starrten. Eisiges Schweigen lag in der Luft, während Selan
von einem Bein auf das andere trat.
Nach einigen Momenten wagte der Hauptmann
sich zu räuspern. Immerhin hatte er es eilig! Er wollte hier nicht
versauern.
"Jaaa?" Mit aufreizend langsamer Gestik wandte
sich der Herold Selan zu.
"Ich möchte zum König" versuchte
er es vorsichtig. "Es ist dringend" setzte er sicherheitshalber nach.
"Ja, ja... Jeder hat es hier dringend und
will unbedingt zum König! Aber dir wird ja sicher klar sein, dass
wir nicht jeden rein lassen können oder?"
"Ich bin ja auch nicht jeder, sondern
Hauptmann der Garde!" Selan platzte beinahe der Kragen, er hatte ja nicht
ewig Zeit!
"Ich sag ja nicht jeder! Glaubst du, du hast
hier irgendwas zu sagen? Was meint ihr?" Mit einem gemeinen Lächeln
wandte er sich zu den Wächtern, die ebenso bösartig grinsend
nickten. "Also was ist denn jetzt soooo unglaublich wichtig?" Der
Herold blickte wieder interessiert auf seine Finger und bedachte den Hauptmann
nicht einmal mit einem Seitenblick.
Jetzt war es genug! Selan ballte seine Hände,
am liebsten würde er diesem Lackaffen eine in seine grinsende Visage
geben. Er hatte heute mit einem verrückten Drachen gesprochen, der
noch immer vor den Tor stand und sicher ungeduldig werden würde. Wer
weiß, wann ihn der Geduldsfaden riss und er einfach die ganze Stadt
vernichtet? "Wenn du es wissen willst: draußen vor dem Tor steht
ein Drache und will der Garde beitreten!!!"
"Hahahahaha! Wer hätte das gedacht! Unser
superschlauer Hauptmann ist auf die Illusion hereingefallen! Ich glaub´s
nicht!" Der Herold begann schallend zu lachen und klopfte sich auf die
Schenkel. Auch die Wachen stimmten in das schadenfrohe Gelächter ein.
Jetzt war es genug! Mit einem Aufschrei der
Verzweiflung stürmte er los, stieß die Wache zur Seite und stürmte
durch die Tür. Hinter ihm starrten ihm die verdutzten Wächter
nach. Doch das bekam er nicht mehr mit, weil er ohne Halt durch alle Vorräume
rannte und dabei wie ein Verrückter schrie. "Lasst mich durch, ich
muss zum König!!!!"
Erst im Thronsaal hielt er an und blickte
sich panisch um. Rings um ihn standen verwirrte Höflinge und der König
starrte missbilligend auf ihn hinab.
Selan bemühte sich mit gemäßigteren
Schrittes vor den Thron zu treten. Innerlich legte er sich die Worte zurecht.
Außerdem befürchtete er, dass wenn er jetzt stehen bleiben würde,
er nicht mehr den Mut hätte weiterzugehen.
"Eure Majestät, verzeiht mir meinen ungehobelten
Auftritt, aber ich habe euch etwas sehr Dringendes zu sagen. Vor dem Tor
steht ein Drache, der der Garde beitreten möchte. Ich weiß,
das klingt unglaubwürdig, Majestät, aber es ist die Wahrheit!"
Beschwörend blickte Selan zum König auf.
"Ich hab schon davon gehört... Ich hätte
nicht gedacht, dass mein Hauptmann auf eine Illusion hineinfällt!
Die ganze Stadt redet schon davon..." Kuraanus blickte erzürnt auf
den vor ihm Knienden hinunter.
Selan konnte es nicht fassen! Zum ersten Mal
hatten seine Leute wirklich ganze Arbeit geleistet! "Majestät,
ich gab die Anordnung, dieses Gerücht zu verbreiten, da ich eine Panik
in der Stadt befürchtete. Es ist ja nicht alltäglich, dass ein
Drache vor den Toren steht."
Nachdenklich blickte der König auf seinen
Vasallen hinab. Der junge Hauptmann schien nicht verrückt zu sein.
Er wirkte nur etwas verzweifelt. Was, wenn die Geschichte der Wahrheit
entsprach, auch nicht verwunderlich war. Kuraanus musste Selan zugestehen,
dass er es in Rekordzeit geschafft hatte, die Türsteher hinter
sich zu lassen. Er hatte dafür gesorgt, dass nur diejenigen mit den
wirklich dringenden Anliegen zu ihm kamen. Darum hatte er ja auch all die
Hindernisse mit den Herolden eingebaut. Wenn er ehrlich war, musste er
zugeben, dass es ihm auch Spaß machte, seine Höflinge etwas
zu ärgern.
"Nun gut, dann schauen wir uns mal diesen
Drachen an..." Der König erhob sich und ging an seinem Hofstadt
vorbei nach draußen. Alle starrten ihm verwirrt nach. So einen Bruch
der Protokolle hatte es bei diesem König noch nie gegeben.
Nach einigen atemlosen Augenblicken stürzten alle zur Tür, keiner
wollte sich dieses Schauspiel entgehen lassen.
Selan ließ sich mehr Zeit, die Ereignisse
des heutigen Tages machten sich bemerkbar und er fühlte sich unsäglich
müde. Nur sein Pflichtgefühlt brachte ihn dazu sich hinter der
schaulustigen Menge her zu schleppen.
Immer mehr Leute schlossen sich der Prozession
an, so dass es beinahe schien als würde sich die ganze Stadt aufmachen
den Drachen zu sehen.
"Weißt du, wohin wir gehen? Warum der
König zum Tor geht?" flüsterte ein Stadtbewohner einem anderen
zu.
"Ich glaube, er will den Illusionisten strafen.
Unser König hat sicher ein Gesetzt dagegen!" entgegnete dieser verschwörerisch.
"Da könntest du Recht haben, unser König
hat wirklich ein Gesetz gegen alles!" antwortete der Erste lachend.
Selan schüttelte den Kopf. Er hatte wirklich
nicht erwartet, dass sein Plan so gut aufging. Die ganze Stadt war fix
überzeugt es mit einem Illusionisten zu tun zu haben. Andererseits
war ein Drache, der Gardist werden wollte, wohl doch zu verrückt.
Insofern konnte der Hauptmann die Leute ja auch verstehen.
Endlich beim Tor angekommen befahl der König
dem diensthabenden Gardisten, das Tor zu öffnen und winkte Selan
zu sich her. Dem Hauptmann entfuhr ein Seufzer, er hatte gehofft, nicht
mit nach draußen kommen zu müssen.
Majestätisch schritt Kuraanus vor das
Tor, Selan folgte ihm mit einem halben Schritt Abstand. Die Leute blickten
sich verwirrt an, sollten sie nun dem König folgen oder nicht? Doch
als dieser das Tor hinter sich gelassen hatte, gab er dem Torsteher das
Zeichen, das Tor wieder zu schließen.
"Nun Hauptmann, jetzt sehen wir uns einmal
an, was dein Drache zu sagen hat." Mit herrschaftlicher Geste wandte
der König sich nun dem Ungetüm zu.
"Nun Drache, was ist euer Begehr?"
"Eure Majestät, sein Name ist Dranar
Darsenson!" wandte Selan entsetzt ein. Hoffentlich wäre der Drache
jetzt nicht erzürnt.
Der König gab ihm mit einer knappen Geste
zu verstehen, dass er schweigen sollte.
"Eure Majestät, mein Wunsch ist es, als
Gardist in euere Dienste zu treten!" Der Drache richtete sich auf, salutierte
erst und versuchte sich dann in einer Verbeugung.
Selan verbiss sich das Lachen, das aus ihm
heraus zu brechen drohte. Der Drache gab ein wahrlich komisches Bild ab,
als er versuchte, einen höfischen Knicks nachzuahmen.
Kuraanus versuchte es gleich gar nicht und
brach in brüllendes Gelächter aus.
"Ihr seid mir ja einer! Will Gardist werden!"
Nur mühevoll fing sich der König wieder. "Nun, wie kommt ihr
darauf, dass ich euch aufnehme?" Er wischte sich die Lachtränen aus
den Augen.
"Eure Majestät, ihr habt mich schon in
euer ehrenwertes Regiment aufgenommen! Hier, seht das Dekret eures stolzen
Hauptmannes Selans! Es wurde sogar von euch Hochselbst unterzeichnet!"
"Was? Zeigt her!" Forsch ging der König
auf den Drachen zu und riss ihm den Brief aus den Krallen.
Selan wunderte sich, wie der riesige Drache
es wohl bewerkstelligt haben könnte, so etwas Kleines wie einen Brief
in seinen gigantischen Krallen gehalten und gar geöffnet zu haben.
Andererseits waren Drachen ja magische Wesen, wer wusste, wozu sie fähig
waren!!
Noch verwunderter war er darüber, dass
der König überhaupt keine Angst zu haben schien! So ungern Selan
es zugab er fragte sich, ob der König wohl den Mut der Dummheit besaß.
Jeder mit Verstand musste doch vor so einem Untier Angst haben!!
Immer und immer wieder las der König
sich den Brief durch und kontrollierte die Echtheit des Siegels. Es bestand
gar kein Zweifel, dass es echt war. In seinem Kopf rasten die Gedanken.
Kurz spielte er mit den Gedanken, Selan in den Kerker werfen zu lassen,
obwohl er wusste, dass den Hauptmann keine Schuld traf. Aber irgendwer
musste schuld sein und bevor er in den Ruf kam sich zu irren, sollte lieber
ein anderer in den Kerker gehen. Bevor seine Integrität ins Wanken
kam, würde er über Leichen gehen!
Außerdem was würden bloß
die anderen Herrscher sagen! Er würde zum Gelächter werden mit
einem Drachen als Gardist!
Andererseits... Andererseits wäre es
etwas Besonderes einen Drachen als Gardist zu haben. Und er wäre eine
schlagkräftige Unterstützung seiner etwas heruntergekommenen
Garde...
Und er könnte Arodroß, diesem Exotensammler,
eines auswischen. Weil was ist schon ein Einhorn oder ein sprechender Tiger
gegen einen Drachengardisten!!!
Langsam legte sich ein Grinsen auf das Gesicht
des Königs, das war ja fast so gut wie Gesetze machen!!
"Nun, Drache, es scheint alles seine Richtigkeit
zu haben. Ich weiß gar nicht, warum Hauptmann Selan mich wegen einer
solchen Kleinigkeit rufen lässt! Ich gratuliere euch zu euerer Aufnahme
in die Garde. Selan wird sich persönlich um eure Ausbildung und natürlich
auch um eure Ausstattung sorgen. Denn ihr benötigt natürlich
alles, was ein normaler Gardist auch hat, nicht wahr, Hauptmann?" Mit einem
boshaften Grinsen wandte Kuraanus sich nun an Selan.
Der Hauptmann konnte nur nicken. Wie sollte
er die Ausbildung eines Drachens übernehmen? Und meinte der
König wirklich die gesamte Ausrüstung?
"Also, begebt ihr euch gleich morgen zum Schneider,
Schuster und Waffenschmied. Ich werde dir gleich heute eine Vollmacht zukommen
lassen. Und ich erwarte jeden Tag einen ausführlichen Bericht.
Ich lass euch nun allein, damit ihr euch bekannt machen könnt." Nochmals
Selan zunickend wandte der König sich um. Das würde ein Spaß
werden!
© Dara
Drachenkind
Vor Verwendung dieser Autoren-EMail-Adresse
bitte das unmittelbar am @ angrenzende "NO" und "SPAM" entfernen!
|