Der Gardist (I) von Dara Drachenkind

Normalerweise hatte die Garde Probleme Nachwuchs zu finden. Es war ja auch kein Wunder, schlechte Bezahlung, schlechter Ruf und kaum Aufstiegschancen. Ganz zu schweigen von den Arbeitsbedingungen... Nachtarbeit war keine Seltenheit, genauso wenig wie stundenlanges im Regen rumstehen. Und dann erst diese Uniform! Selan schnaubte. Er fragte sich schon seit langem, wie krank derjenige gewesen sein musste, der so was für eine Uniform hielt... Das Ganze war von oben bis unten mit Rüschen und Schleifen versehen, und dazu noch Lackschuhe! Er kam sich vor wie ein aufgeblasener Geck aus dem vor-vorigen Jahrhundert...
Doch heute hatte er einen Brief zugesendet bekommen, in dem jemand tatsächlich um die Aufnahme in die Stadtgarde bat. Ungläubig blickte er auf den Brief herunter. Der schien ja wirklich ein Spinner zu sein! Nicht nur, dass der Brief in einem wahrlich veralteten Deutsch verfasst war, nein, das Ganze war feinsäuberlich auf einer Pergamentrolle verfasst worden. Wer verwendet das denn heutzutage noch???
Aber sein Lebenslauf schien in Ordnung sein. Was man nicht von den anderen Gardisten sagen konnte. Man meldete sich nur "freiwillig" wenn man was ausgefressen hatte oder einfach hoffnungslos ungeschickt war. Natürlich gab es ein paar Ausnahmen, die aus reiner Überzeugung zur Garde gegangen waren. Das waren die größten Narren. Schon nach ein paar Wochen wurde ihnen alle Begeisterung ausgetrieben, aber dann war es zu spät. Erst einmal bei der Garde beigetreten gab es keinen Weg mehr raus. Dafür hatte der König schon gesorgt, seine Majestät hatte jedes erdenkliche Schlupfloch in den Gesetzen  gestopft. Einmal Gardist immer Gardist... Er seufzte. Wirklich jede noch so kleine Chance auf Freiheit hatten die Schreiber des Königs aufgespürt und vernichtet. Er hatte Jahre gebraucht, bis er das eingesehen hatte, es gab einfach kein Entkommen...
Na für diesen armen Tropf war es auf jeden Fall auch schon zu spät. Der Schreiber hatte den Brief gesehen und die ehrenhafte Aufnahme genehmigt. Dranar Darsenson war verdammt sein Leben in der Garde zu verschwenden.

"Hauptmann! Hauptmann!" Ein junger Gardist rannte die Stufen hinauf und rief immer wieder hektisch nach Hilfe.
"Was is denn?" Selan hob nicht einmal richtig den Kopf, der Junge war ihm wohlbekannt. Er hatte ihn am Tor eingeteilt, in der Hoffnung so etwas mehr Ruhe vor ihm zu bekommen. Kargan war einer derjenigen, die einfach zu dumm waren, um einen anständigen Beruf zu erlernen.
"Drau.. Drau..." Ganz aufgeregt gestikulierte der Gardist in Richtung Stadtgrenze.
"Jetzt mal ganz ruhig, ja! Tief durchatmen und dann ordnungsgemäßer Bericht!" Selan schaute Kargan verwundert an. So durcheinander hatte er ihn noch nie erlebt.
Verzweifelt blickte der Gardist um sich und trat nervös von einem Bein aufs andere. "Drau.. Draußen i..ist e..ein Dr..Drache."
"DRAUSSEN IST WAS???" Selan starrte ungläubig in das Gesicht des Jungen.
Der nickte nur stumm und blickte mit großen Augen sein Vorbild an.
Noch immer verwirrt schnappte Selan sich seine Uniformjacke und stürzte an Kargan vorbei nach draußen. Sah der Junge denn jetzt schon Gespenster?? Für verrückt hätte er den Jungen bisher nicht gehalten.
Im Laufschritt überquerte er den Hof und die Stadt, bis er vor dem Tor stand. Verwundert starrten ihm einige Passanten nach. Man sah nicht oft, dass ein Gardist durch die Stadt lief. Die meisten bewegten sich so langsam wie möglich und versuchten ja nicht aufzufallen, was in dieser Uniform nicht leicht war. Die grellen Farben und die opulente Ausstattung waren nicht dazu gedacht unbeobachtet zu bleiben. Dennoch gelang es den meisten Gardisten, sich erfolgreich um die Arbeit zu drücken und einfach zu verschwinden wenn sie benötigt wurden.

Leicht außer Atem erklomm Selan die Stufen zum Wachturm und blickte aus dem Ausguck - und starrte direkt in zwei neugierig wirkende Augen. Mit einem entsetzten Aufschrei stolperte er ein paar Schritte nach hinten und starrte in die Augen. Das konnte wohl nicht sein! Immerhin war er im ersten Stock! Langsam bewegten sich die Augen vom Fenster weg und er konnte immer mehr von dem gigantischen Drachenkopf erkennen. Soweit er es beurteilen konnte, war der Drache von oben bis unten mit glänzenden roten Schuppen versehen und zwei spitze, gewundene Hörner verzierten seinen Kopf. Da der Drache freundlich zu grinsen versuchte, hatte Selan einen ausgezeichneten Ausblick auf die rasiermesserscharfen Zähne. Ein Schauern lief ihm über den Rücken als er sich vorstellte zwischen den Zähnen zermalen zu werden. Nach einigen fassungslosen Momenten riss er sich zusammen. Der Drache schien "harmlos" zu sein. Ansonsten würde die Stadt ja wohl nicht mehr stehen. Also sollte er einmal herausfinden, was ein Drache von ihm wollte.
Er straffte die Schultern und beugte sich aus der Luke. Wenn möglich wollte er doch Aug in Aug mit dem Drachen sprechen. Der Drache war noch viel riesiger als er sich vorgestellt hatte. Der mächtige Körper war von oben bis unten mit Schuppen versehen und spitze Zacken standen ihm vom Rückgrat ab. Aber am Beeindruckensten waren die riesigen Flügel, die sich um den Körper des Drachen legten. Wenn er vor das Tor getreten wäre, hätte er dem Drachen  kaum über die Krallen gereicht. Er war froh nicht nach draußen gegangen zu sein, denn er fühlte sich doch erheblich sicherer, wenn etwas Mauer zwischen ihm und dem Drachen war. Auch wenn er bezweifelte, dass die Stadtmauer viel Schutz bieten würde.
Er hatte schon den Mund geöffnet, als ihm ein weiters Problem in den Kopf kam. Wie spricht man bloß einen Drachen an? Hatten sie Adelstitel? Er wüsste nichts dergleichen, andererseits lieber zu höflich, als dass er den Drachen beleidigte.
Er räusperte sich. "Eure Hochwohlgeborener Drache. Ich äh, ich bin Hauptmann Selan. Darf ich euer Begehr erfahren?" Vorsichtig blinzelte er zu dem Drachenkopf hinauf. Hatte er den richtigen Titel erwischt?
"Hauptmann Selan, der neue Rekrut Dranar Darsenson meldet sich zum Dienst!!" Der Drache richtete sich ruckartig auf und hob die Pfote zum Salut.
Selan konnte nicht anders, er starrte mit weit aufgerissenem Mund den Drachen an. Das konnte wohl nicht wahr sein, oder? Ein Drache meldet sich zum Dienst? "Geht denn so was?" fuhr es ihm durch den Kopf.
"Ihr seid Dranar Darsenson? Der Neue?" Man konnte seine Ungläubigkeit hören. Mit fahrigen Händen fuhr er sich durch die Haare. "Ihr wollt Gardist werden? Seid ihr euch sicher?"
Der Drache nickte nur.
"Ich ähh will euch ja nicht verärgern, aber ich glaube nicht, dass das geht..." stotterte der Hauptmann unsicher. "Wegen den Gesetzen und so... Ich mein', immerhin sind wir ja eine Garde, die nur aus Menschen besteht, wenn ihr wisst, was ich meine. Nichts gegen euch natürlich, ihr wärt sicher eine Bereicherung für unsere äh Einheit."
"Wenn ihr euch darüber Sorgen macht, kann ich euch beruhigen, werter Herr Hauptmann! Ich habe das Gesetzbuch genau studiert und es steht nichts vermerkt, dass ein Drache kein Gardist werden kann. Um die Wahrheit zu sagen muss ich gestehen, dass ich mich gewundert habe, wie wenig über die Aufnahmebedingungen für diese so ehrenhafte Einheit vermerkt ist."
"Ist auch kein Wunder, wir können ja auch nicht wählerisch sein" dachte Selan so bei sich.
"Aber ihr werdet mich sicher verstehen, werter Drache, dass ich in eurem, naja - speziellen Fall erst den König fragen muss... Ich denke, das geht über meine Befugnis..."
Der Drache nickte. "Mir ist ähnliches auch schon in den Sinn gekommen. Wobei ich nicht eure Autorität in Frage stellen möchte. Aber da seine Majestät Kuraanus der Dritte den wahrhaft ehrenwerten Ruf hat, sich genau an die Gesetzte, die er in seiner Gnade erlassen hat, zu halten, mache ich mir keine Sorgen."
Unsicher lächelnd nickte der Hauptmann. "Ich mach mich dann mal auf zum König. Macht euch keine Sorgen, wenn es länger dauern sollte. Ihr kennt doch die Bürokratie... Der Amtsschimmel ist ja bekanntlich langsam..." Selan räusperte sich. Er begann Blödsinn zu reden. Er nickte noch einmal knapp dem Drachen zu und trat dann von der Luke zurück.
Als er aus der Sichtweite des Drachen war, lehnte er sich gegen die Wand und fuhr sich durchs Haar. Seine Beine waren weich und er zitterte am ganzen Leib. Er hatte tatsächlich mit einem Drachen gesprochen! Einem DRACHEN!!! Das konnte wohl nicht wahr sein, oder? Und er lebte noch!! Ungläubig schüttelte er den Kopf. Allerdings sollte er lieber nicht zu lange warten, es würde einige Zeit benötigen beim König vorzusprechen. Er wollte ja nicht, dass der Drache womöglich ungeduldig wurde.
Während er durch die Stadt lief, fiel es ihm siedendheiß ein, dass er etwas unternehmen musste, damit keine Panik in der Stadt ausbrach. Wie er das anstellen sollte, war ihm schleierhaft, einen Drachen konnte man ja nicht so ohne weiters verstecken! Bald würde ihn schon jemand sehen und dann wäre die Hölle los!
Während er durch die Stadt lief, überlegte er fieberhaft, wie er es anstellen könnte, dass sich erstens die Panik so klein wie möglich hielt und zweites kein Idiot auf den Drachen schoss oder etwas ähnlich Dummes tat.
In der Hauptzentrale der Garde angekommen schickte er seine Männer aus, damit sie verkündeten, dass ein großer Illusionist sich einen Scherz erlaubt und vor dem Stadttor eine riesige Drachenillusion abgesetzt hatte. Selan hoffte darauf, dass es funktionieren würde. Er persönlich bezweifelte, dass irgendjemand darauf reinfallen würde. Aber er hatte einfach keine Zeit sich etwas Besseres auszudenken.
Kaum dass er allen klar gemacht hatte, was sie tun sollten, eilte er schon weiter an den Königshof. Wie er an all den Wachen, Schreibern und Herolden vorbeikommen sollte, war ihm ein Rätsel. Er würde sich lieber mit zehn Schwiegermüttern und drei Drachen auseinander setzten, als mit der Bürokratie am Königshof.
Kuraanus war kein König wie man ihn sich vorstellte. Er war weder ein mächtiger Krieger, noch ein weiser oder gütiger Herrscher. Seine Majestät war eigen. Er liebte nicht die Jagd oder schöne Frauen. Nein, er liebte Gesetzte, Paragrafen, Protokolle...
Bei Kuraanus musste alles absolut korrekt sein. Nichts machte ihm mehr Vergnügen als neue Gesetzte zu erfinden. Er wollte alles geregelt wissen, einfach alles! Wenn es ihm möglich gewesen wäre, hätte er jedem Bewohner seines Landes vorgeschrieben wie oft sie am Tag zu atmen hätten.
Außerhalb seiner Hauptstadt wurde so manches Dekret des Königs schlicht und einfach ignoriert. Aber hier am Königshof, direkt unter der Nase des Monarchen, konnte man nicht so einfach Gesetzte übersehen.
Die ersten paar Räume brachte er noch gut hinter sich. Dort waren seine Männer positioniert, die blickten ihm zwar verwirrt nach, ließen ihn aber passieren. Man sah nicht häufig den Hauptmann im Palast, vor allem nicht ohne Vorladung! Vor der eichenen Tür, die den inneren Bereich kennzeichnete, atmete er nochmals tief durch, ab jetzt würde es schwierig werden. Von hier an waren die Türen mit den persönlichen Wachen des Königs gesichert, überall lauerten Herolde, die nach seinem Begehr fragen würden, und Schreiber mit Formularen, die noch schnell auszufüllen waren, bevor man den König sehen konnte.
Er straffte seine Schultern versuchte seine Uniform zu richten und öffnete die Tür. Irgendwie würde er es schon schaffen. Sich nur nicht aufregen lassen! Wenn er sich jetzt ungeschickt anstellte, konnte es Tage dauern, bevor er vorgelassen würde.
Der zuständige Herold ignorierte ihn nach Kräften und betrachtete interessiert seine Fingernägel. Die Wachen beobachteten ihn kurz gelangweilt bevor sie wieder starr auf die Wand starrten. Eisiges Schweigen lag in der Luft, während Selan von einem Bein auf das andere trat.
Nach einigen Momenten wagte der Hauptmann sich zu räuspern. Immerhin hatte er es eilig! Er wollte hier nicht versauern.
"Jaaa?" Mit aufreizend langsamer Gestik wandte sich der Herold Selan zu.
"Ich möchte zum König" versuchte er es vorsichtig. "Es ist dringend" setzte er sicherheitshalber nach.
"Ja, ja... Jeder hat es hier dringend und will unbedingt zum König! Aber dir wird ja sicher klar sein, dass wir nicht jeden rein lassen können oder?"
"Ich bin ja auch nicht jeder, sondern Hauptmann der Garde!" Selan platzte beinahe der Kragen, er hatte ja nicht ewig Zeit!
"Ich sag ja nicht jeder! Glaubst du, du hast hier irgendwas zu sagen? Was meint ihr?" Mit einem gemeinen Lächeln wandte er sich zu den Wächtern, die ebenso bösartig grinsend nickten. "Also was ist denn jetzt soooo unglaublich wichtig?" Der Herold blickte wieder interessiert auf seine Finger und bedachte den Hauptmann nicht einmal mit einem Seitenblick.
Jetzt war es genug! Selan ballte seine Hände, am liebsten würde er diesem Lackaffen eine in seine grinsende Visage geben. Er hatte heute mit einem verrückten Drachen gesprochen, der noch immer vor den Tor stand und sicher ungeduldig werden würde. Wer weiß, wann ihn der Geduldsfaden riss und er einfach die ganze Stadt vernichtet? "Wenn du es wissen willst: draußen vor dem Tor steht ein Drache und will der Garde beitreten!!!"
"Hahahahaha! Wer hätte das gedacht! Unser superschlauer Hauptmann ist auf die Illusion hereingefallen! Ich glaub´s nicht!" Der Herold begann schallend zu lachen und klopfte sich auf die Schenkel. Auch die Wachen stimmten in das schadenfrohe Gelächter ein.
Jetzt war es genug! Mit einem Aufschrei der Verzweiflung stürmte er los, stieß die Wache zur Seite und stürmte durch die Tür. Hinter ihm starrten ihm die verdutzten Wächter nach. Doch das bekam er nicht mehr mit, weil er ohne Halt durch alle Vorräume rannte und dabei wie ein Verrückter schrie. "Lasst mich durch, ich muss zum König!!!!"
Erst im Thronsaal hielt er an und blickte sich panisch um. Rings um ihn standen verwirrte Höflinge und der König starrte missbilligend auf ihn hinab.
Selan bemühte sich mit gemäßigteren Schrittes vor den Thron zu treten. Innerlich legte er sich die Worte zurecht. Außerdem befürchtete er, dass wenn er jetzt stehen bleiben würde, er nicht mehr den Mut hätte weiterzugehen.
"Eure Majestät, verzeiht mir meinen ungehobelten Auftritt, aber ich habe euch etwas sehr Dringendes zu sagen. Vor dem Tor steht ein Drache, der der Garde beitreten möchte. Ich weiß, das klingt unglaubwürdig, Majestät, aber es ist die Wahrheit!" Beschwörend blickte Selan zum König auf.
"Ich hab schon davon gehört... Ich hätte nicht gedacht, dass mein Hauptmann auf eine Illusion hineinfällt! Die ganze Stadt redet schon davon..." Kuraanus blickte erzürnt auf den vor ihm Knienden hinunter.
Selan konnte es nicht fassen! Zum ersten Mal hatten seine Leute wirklich ganze Arbeit geleistet! "Majestät, ich gab die Anordnung, dieses Gerücht zu verbreiten, da ich eine Panik in der Stadt befürchtete. Es ist ja nicht alltäglich, dass ein Drache vor den Toren steht."
Nachdenklich blickte der König auf seinen Vasallen hinab. Der junge Hauptmann schien nicht verrückt zu sein. Er wirkte nur etwas verzweifelt. Was, wenn die Geschichte der Wahrheit entsprach, auch nicht verwunderlich war. Kuraanus musste Selan zugestehen, dass er es in  Rekordzeit geschafft hatte, die Türsteher hinter sich zu lassen. Er hatte dafür gesorgt, dass nur diejenigen mit den wirklich dringenden Anliegen zu ihm kamen. Darum hatte er ja auch all die Hindernisse mit den Herolden eingebaut. Wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass es ihm auch Spaß machte, seine Höflinge etwas zu ärgern.
"Nun gut, dann schauen wir uns mal diesen Drachen an..." Der König erhob sich und ging an seinem Hofstadt vorbei nach draußen. Alle starrten ihm verwirrt nach. So einen Bruch der Protokolle hatte es bei diesem König noch nie gegeben. Nach einigen atemlosen Augenblicken stürzten alle zur Tür, keiner wollte sich dieses Schauspiel entgehen lassen.
Selan ließ sich mehr Zeit, die Ereignisse des heutigen Tages machten sich bemerkbar und er fühlte sich unsäglich müde. Nur sein Pflichtgefühlt brachte ihn dazu sich hinter der schaulustigen Menge her zu schleppen.
Immer mehr Leute schlossen sich der Prozession an, so dass es beinahe schien als würde sich die ganze Stadt aufmachen den Drachen zu sehen.
"Weißt du, wohin wir gehen? Warum der König zum Tor geht?" flüsterte ein Stadtbewohner einem anderen zu.
"Ich glaube, er will den Illusionisten strafen. Unser König hat sicher ein Gesetzt dagegen!" entgegnete dieser verschwörerisch.
"Da könntest du Recht haben, unser König hat wirklich ein Gesetz gegen alles!" antwortete der Erste lachend.
Selan schüttelte den Kopf. Er hatte wirklich nicht erwartet, dass sein Plan so gut aufging. Die ganze Stadt war fix überzeugt es mit einem Illusionisten zu tun zu haben. Andererseits war ein Drache, der Gardist werden wollte, wohl doch zu verrückt. Insofern konnte der Hauptmann die Leute ja auch verstehen.
Endlich beim Tor angekommen befahl der König dem diensthabenden Gardisten, das Tor  zu öffnen und winkte Selan zu sich her. Dem Hauptmann entfuhr ein Seufzer, er hatte gehofft, nicht mit nach draußen kommen zu müssen.
Majestätisch schritt Kuraanus vor das Tor, Selan folgte ihm mit einem halben Schritt Abstand. Die Leute blickten sich verwirrt an, sollten sie nun dem König folgen oder nicht? Doch als dieser das Tor hinter sich gelassen hatte, gab er dem Torsteher das Zeichen, das Tor wieder zu schließen.
"Nun Hauptmann, jetzt sehen wir uns einmal an, was dein Drache zu sagen hat." Mit herrschaftlicher Geste wandte der König sich nun dem Ungetüm zu.
"Nun Drache, was ist euer Begehr?"
"Eure Majestät, sein Name ist Dranar Darsenson!" wandte Selan entsetzt ein. Hoffentlich wäre der Drache jetzt nicht erzürnt.
Der König gab ihm mit einer knappen Geste zu verstehen, dass er schweigen sollte.
"Eure Majestät, mein Wunsch ist es, als Gardist in euere Dienste zu treten!" Der Drache richtete sich auf, salutierte erst und versuchte sich dann in einer Verbeugung.
Selan verbiss sich das Lachen, das aus ihm heraus zu brechen drohte. Der Drache gab ein wahrlich komisches Bild ab, als er versuchte, einen höfischen Knicks nachzuahmen.
Kuraanus versuchte es gleich gar nicht und brach in brüllendes Gelächter aus.
"Ihr seid mir ja einer! Will Gardist werden!" Nur mühevoll fing sich der König wieder. "Nun, wie kommt ihr darauf, dass ich euch aufnehme?" Er wischte sich die Lachtränen aus den Augen.
"Eure Majestät, ihr habt mich schon in euer ehrenwertes Regiment aufgenommen! Hier, seht das Dekret eures stolzen Hauptmannes Selans! Es wurde sogar von euch Hochselbst unterzeichnet!"
"Was? Zeigt her!" Forsch ging der König auf den Drachen zu und riss ihm den Brief aus den Krallen.
Selan wunderte sich, wie der riesige Drache es wohl bewerkstelligt haben könnte, so etwas Kleines wie einen Brief in seinen gigantischen Krallen gehalten und gar geöffnet zu haben. Andererseits waren Drachen ja magische Wesen, wer wusste, wozu sie fähig waren!!
Noch verwunderter war er darüber, dass der König überhaupt keine Angst zu haben schien! So ungern Selan es zugab er fragte sich, ob der König wohl den Mut der Dummheit besaß. Jeder mit Verstand musste doch vor so einem Untier Angst haben!!
Immer und immer wieder las der König sich den Brief durch und kontrollierte die Echtheit des Siegels. Es bestand gar kein Zweifel, dass es echt war. In seinem Kopf rasten die Gedanken. Kurz spielte er mit den Gedanken, Selan in den Kerker werfen zu lassen, obwohl er wusste, dass den Hauptmann keine Schuld traf. Aber irgendwer musste schuld sein und bevor er in den Ruf kam sich zu irren, sollte lieber ein anderer in den Kerker gehen. Bevor seine Integrität ins Wanken kam, würde er über Leichen gehen!
Außerdem was würden bloß die anderen Herrscher sagen! Er würde zum Gelächter werden mit einem Drachen als Gardist!
Andererseits... Andererseits wäre es etwas Besonderes einen Drachen als Gardist zu haben. Und er wäre eine schlagkräftige Unterstützung seiner etwas heruntergekommenen Garde...
Und er könnte Arodroß, diesem Exotensammler, eines auswischen. Weil was ist schon ein Einhorn oder ein sprechender Tiger gegen einen Drachengardisten!!!
Langsam legte sich ein Grinsen auf das Gesicht des Königs, das war ja fast so gut wie Gesetze machen!!
"Nun, Drache, es scheint alles seine Richtigkeit zu haben. Ich weiß gar nicht, warum Hauptmann Selan mich wegen einer solchen Kleinigkeit rufen lässt! Ich gratuliere euch zu euerer Aufnahme in die Garde. Selan wird sich persönlich um eure Ausbildung und natürlich auch um eure Ausstattung sorgen. Denn ihr benötigt natürlich alles, was ein normaler Gardist auch hat, nicht wahr, Hauptmann?" Mit einem boshaften Grinsen wandte Kuraanus sich nun an Selan.
Der Hauptmann konnte nur nicken. Wie sollte er die Ausbildung eines Drachens übernehmen? Und meinte der König wirklich die gesamte Ausrüstung?
"Also, begebt ihr euch gleich morgen zum Schneider, Schuster und Waffenschmied. Ich werde dir gleich heute eine Vollmacht zukommen lassen. Und ich erwarte jeden Tag einen ausführlichen Bericht. Ich lass euch nun allein, damit ihr euch bekannt machen könnt." Nochmals Selan zunickend wandte der König sich um. Das würde ein Spaß werden!
 

© Dara Drachenkind
Vor Verwendung dieser Autoren-EMail-Adresse bitte das unmittelbar am @ angrenzende "NO" und "SPAM" entfernen!
.
Und schon geht's weiter zum 2. Teil...
.
www.drachental.de