Der Gardist (III) von Dara Drachenkind

Am nächsten Morgen streckte sich der Hauptmann. Vom Fenster her ertönte lautes Hämmern. Nachdem die Müdigkeit langsam verschwunden war, richtete er sich auf und stürmte zum Fenster. Selan lehnte sich weit aus dem Fenster.
Tatsächlich!
Der Drache saß wieder am Übungshof und sah den Tischlern bei der Arbeit zu. Ab und zu hob er einen Balken hoch, um den Tischlern die Arbeit zu erleichtern. Alles in allem schien sich der Drache pudelwohl zu fühlen. Der Schwanz wippte wie bei einer Katze verspielt auf und ab.
Während er frühstückte überlegte er sich, ob der Drache nun wirklich existierte, oder ob er im Narrenturm saß und sich das Ganze nur zusammenträumte. Aber Traum oder nicht, er hatte auf jeden Fall heute einiges vor. Und die Arbeit würde sich nicht von alleine erledigen. Also packte er alles zusammen und machte sich auf.
"Guten Morgen, Rekrut! Habt ihr gut geschlafen?" Das Chaos und die verschreckten Gesichter um sich ignorierend blickte Selan zum Drachen auf.
"Ja, Sir!" Der Drache salutierte.
"Na dann machen wir uns auf, der Schmied Merlen wartet sicher schon gespannt auf dich." Mit diesen Worten drehte sich der Hauptmann um und verließ mit dem Drachen die Baustelle.
Selan hatte gar nicht gewusst, wie recht er gehabt hatte. Mittlerweile war es Stadtgespräch Nummer eins, dass ein Drache der Garde beigetreten war und der Schmied stand schon kopfschüttelnd vor seiner Esse und blickte zum Drachen hinauf.
"Diesem Koloss soll ich also einen Kürass und ein Schwert schmieden? Bei Gott, der Stallmeister kann froh sein, dass die Garde nicht beritten ist!" Mit brüllendem Lachen schlug der Schmied dem Hauptmann kräftig auf die Schulter.
Selan taumelte ein paar Schritte vor und rieb sich die schmerzende Stelle und stimmte in das Lachen mit ein. Der Schmied war bekannt für seine deftigen Scherze und seine mächtigen Hiebe. Trotzdem war er allerorts beliebt, da er ein grundguter und freundlicher Mensch war.
"Na du Drache, du stellst mich da vor ganz schön ein Problem! Ich hab keine Ahnung, wo ich so viel Eisen herbekommen soll, um deine Ausrüstung zu schmieden! Aber ganz im Vertrauen, ich werd bei deinem Kürass wohl etwas sparen, da du eh schon eine recht stattliche Rüstung hast. Aber sag das nicht dem König!" Verschwörerisch zwinkerte Merlen zum Drachen auf und verpasste ihm einen Hieb gegen die Vorderpfote.
"Da ich mir nicht so einfach mir nichts dir nichts einen Gesellen anlachen kann, werde ich wohl ziemlich lange brauchen bis ich alles fertig haben. Es sei denn..." Abschätzend betrachtete er den Drachen von oben bis unten.
"Kann ich euch vielleicht behilflich sein, werter Herr Schmied?" mutmaßte Darsenson.
"Hmm, ich hab da so eine Idee... Dazu müsste dich aber unser geschätzter Hauptmann jedoch zwei Wochen herborgen." Nachdenklich strich sich Merlen über das Kinn.
"Wozu müsste ich unseren Rekruten ausborgen?" Misstrauisch beugte sich Selan vor, der Schmied war ebenfalls für seine schrägen Einfälle bekannt.
"Drachen können ja Feuer speien oder?" fragend blickte Merlen auf.
Der Drache nickte nur.
"Na, das Komplizierteste am Schmieden ist ja, das Feuer in der richtigen Temperatur zu halten. Mein letzter Lehrling hat es einfach nicht auf die Reihe gebracht und darum musste ich ihn schweren Herzens wegschicken. Und alleine ist das fast unmöglich.. Doch wenn Darsenson mit seinem Feuer meine Esse beheizen würde, könnte ich schnell und effizient arbeiten."
"Doch nicht hier im Burghof!" stöhnte Selan entsetzt auf, er sah schon alle Gebäude in Flammen stehen.
"Hmm, ich denke nicht, dass das klug wäre, aber vor der Stadt... Ich habe dort eine kleine Esse, wenn ich größere Dinge schmieden muss, da könnte es gehen." Versonnen blickte der Schmied noch immer zum Drachen auf.
Selan schickte ein Stoßgebet zu den Göttern und seufzte tief. "Nun gut, dann soll er dir helfen. In zwei Wochen sind auch frühestens die Uniform und die Schuhe fertig. Vorher kann ich eh nichts mit ihm anstellen..." Er schüttelte den Kopf, wenn das nur gut ging.
"Gut! Du kannst gehen, Selan! Ich muss mit Darsenson nun die Feinheiten des Schmiedens besprechen und da können wir dich nicht brauchen." Mit diesen Worten komplimentierte der Schmied Selan weg.
Unschlüssig stand Selan noch einige Minuten da, aber weder Drache noch Schmied nahmen ihn noch wahr, sie waren zu sehr in die Diskussion über Schmieden und Feuer vertieft. "Was soll’s, ich hab sowieso genug anderes zu tun..." Mit diesen Gedanken drehte er sich um und wandte sich zum Gehen.

In den nächsten Wochen sah man weder den Drachen noch den Schmied, doch das laute Hämmern und das brüllende Lachen der Beiden war in der ganzen Stadt zu hören. Es schien, dass sich die Beiden wunderbar verstanden.
Selan schaute zwar ein paar Mal vorbei, kam sich jedoch völlig unnötig vor, da die beiden ihn meistens gar nicht wahrnahmen.
Ständig kamen die Stadtbewohner und Höflinge bei dem jungen Hauptmann vorbei, um sich über den Lärm zu beschwerten. Selan antwortete meist recht kühl darauf, dass sie froh sein sollten, dass die Stadt nur von Lärm bedroht sei und nicht von einer verheerenden Feuerbrunst, ausgelöst durch den Feueratem des Drachen. Der Hauptmann genoss es zu sehen wie alle darauf hin zusammenzuckten und wortlos verschwanden. Zu seiner Belustigung bekam er über die Gerüchteküche zu hören, dass sich der Verkauf der Schutzamulette gegen Feuer vervielfacht hatte.

Nach zwei Wochen unaufhörlichen Lärms marschierte der Schmied mit stolz geschwellter Brust vor dem Drachen zu dem Schloss hinauf. Der Drache trug den neuen Harnisch und das gigantische Schwert hing in einem komplizierten Gehänge am Rücken zwischen den Flügeln. 
Atemlos verfolgten die Bewohner der Stadt die Beiden und seufzten erleichtert auf, als das Ungetüm an ihnen vorüber war.
Am inneren Tor wartete Selan schon auf die Beiden. "Na endlich seid ihr beiden Störenfriede wieder da! Die Stadt hat schon lange genug unter eurem Lärm zu leiden gehabt. Komm, Darsenson, deine Schuhe sind fertig geworden. Du sollst zur Ankleide kommen." Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte sich der Hauptmann um und ging forschen Schrittes Richtung Schuster.
Empört blickte der Schmied ihm nach. "Na bei dem Kerl ist wohl eine Schraube locker! Immerhin haben wir zwei Wochen geschuftet um dieses Wunderding zu basteln! Wenn der wüßte, was Drachenfeuer für eine Auswirkung auf gewöhnliches Eisen hat!! Aber jetzt soll er dumm sterben!" grollte der Schmied innerlich und nickte dem Drachen aufmunternd zu, der mit hängendem Kopf Selan hinterher schlich. Für ein so riesiges Ding war Darsenson wahrlich empfindlich und weichherzig. Merlen hatte die Wochen mit dem Drachen genossen. Es gab wohl kaum ein Wesen auf dieser Erde, das so humorvoll, intelligent und ehrenvoll war.

Selan tat es jetzt schon wieder Leid, dass er so unhöflich gewesen war. Ein Drache allein war schon beeindruckend, aber ein Drache in golden schimmernder Rüstung mit einem Schwert auf dem Rücken war einfach nur einschüchternd. Aber wie der Drache so schuldbewusst hinter ihm hertapste konnte man nur schlechtes Gewissen bekommen. Ihm entfuhr ein Seufzer und er drehte sich zum Drachen um. "Es tut mir leid, Rekrut. Du hast meinen Rüffel nicht verdient, aber du musst verstehen, dass mir ein Drachengardist etwas über den Kopf wächst..."
Ein Grinsen leuchtete auf dem Drachengesicht auf. "Ja, Sir! Ich will versuchen euch so wenig wie möglich zur Last zu fallen."
"Ist schon gut, Rekrut! Wir beide schaffen das schon!" Selan merkte wie das Lächeln des Drachen auch ihn ansteckte. Gut gelaunt wandte er sich um und marschierte weiter.

Der Schuster stand schon vor der Tür, rechts neben ihm zwei gigantische Stiefel. Mit fahrigen Fingern fuhr er sich durch den Bart und blickte zum Drachen auf. "Da sind eure riesigen Dinger! Ich hoff sie halten lange, weil ich nicht so bald neue machen möchte!! Das war einfach schrecklich! Allein die Sole besteht aus zehn Tierhäuten! Mir tun heute noch die Finger weh! Und dann noch dieser Lärm!! Wie soll man da arbeiten!!"
Der Drache ließ schuldbewusst den Kopf hängen. Er hatte gar nicht bemerkt, dass sie so laut gewesen waren.
Selan schaute aufmunternd zu ihm auf und wandte sich dann wieder dem Schuster zu. "Aber nun ist die Arbeit ja geschafft. Und ich bin mir sicher, dass Darsenson gut auf seine Stiefel aufpassen wird. - Und nun, Rekrut, zieh dir doch deine Stiefel an!"
Vorsichig nahm der Drache den ersten Stiefel in die Vordekralle. Dann hob er sein Hinterbein und versuchte nicht umzufallen. Immerhin stand er normalerweise auf vier Beinen! Langsam schob er seine Krallen hinein und setzte den Fuß wieder zu Boden. Den gleichen Balanceakt vollführte er beim zweiten Stiefel. Etwas unsicher stand er jetzt da und blickte auf seine Stiefel hinunter.
Stolz hatte der Schuster dem Vorgang zugesehen. "Nun geh schon ein paar Schritte, damit ich sehen kann, ob alles passt!"
Darsenson nickte langsam und setzte den ersten Fuß vor. Mit lauten Knirschen zerrissen seine Krallen das Leder und der zerfetzte Schuh blieb am Boden liegen. Der Drache zuckte schuldbewusst zusammen und blieb mit der anderen Pfote erstarrt stehen.
"NEIN!! Das kann nicht sein!! Die ganze Arbeit!! Kaputt!! Ich halt's nicht aus!! Du Tölpel, du! Kannst du nicht vorsichtiger gehen!!" Der Schuster raufte sich seine Haare und blickte mit irrem Blick auf den Drachen. "Zwei ganze Wochen Arbeit sind hin! Du, du, du..." Wie verrückt geworden hämmerte der Schuster auf die Vorderpfote des Drachens ein, bevor er einfach niedersank und seiner Verzweiflung freien Lauf ließ.
"Aber, aber, Zentar, wer wird denn gleich verzweifeln! Der König wird dir sicher alles ersetzen... Und nun ruh dich mal aus. Die Schuhe können noch warten. Vielleicht redest du mit dem Schmied wegen einer etwas stabileren Sole, hmm?!" Unbeholfen tätschelte Selan die Schulter des zitternden Schusters.
"Ja, i...ich glaub, ich muss mich hinlegen und schlafen... Hab kaum geschlafen wegen dem Lärm und..." Langsam rappelte er sich auf und verschwand in seiner Werkstatt.
Drache und Hauptmann starrten ihm noch einen Moment nach.
"Ich wollte den werten Meister nicht so in die Verzweiflung treiben. Ich war doch so achtsam, da mir so etwas schon schwante..." Dem Drachen war die Verzweiflung deutlich anzuhören.
"Dir gibt niemand die Schuld, Rekrut. Der Schlafmangel und die harte Arbeit waren wohl zuviel für ihn... Komm, lass uns gehen, ich glaube, Kasner der Schneider ist auch mit deiner Uniform fertig. Ich bin schon gespannt, ob er daran gedacht hat, dass du schwerlich Knöpfe zumachen kannst." Ohne sich umzublicken ging er los. Der Rekrut würde ihm schon folgen. Selan hoffte, dass er den Drachen etwas aufgeheitert hatte. Er war ein guter Schwertlehrer und ein passabler Hauptmann, aber er tat sich schwer mit den Gefühlen anderer und fühlte sich meist sehr hilflos.
Darsenson blickte unschlüssig zwischen der Werkstadt des Schusters und dem davon eilenden Hauptmann hin und her. Es kam ihm nicht richtig vor, den armen Kerl einfach so allein zurückzulassen. Schnell blickte er nach rechts und links, ob ihn jemand beobachtete, und dann zog er aus dem Nichts ein kleines Paket und legte es vor die Türe. Er hoffte, dass er das Richtige für ihn gefunden hatte. Schnell drehte er sich um und folgte dem Hauptmann, darauf achtend, dass er mit seinem Schwanz nichts umwarf. Er musste eingestehen, dass es ein Drache in so engem Gelände nicht leicht hatte.

Beim Schneider herrschte ein wahres Chaos. Ein gutes Duzend Schneider rannten aufgeregt hin und her und so mancher starrte entsetzt zum Drachen auf.
"Ein paar Gehilfen mehr??? Du hast ja fast die gesamte Schneidergilde hier versammelt, Kasner!" entfuhr Selan.
"Nein, nein, das sind schon ein paar mehr... Hast du einen Ahnung wie schwer es ist, eine Uniform für einen Drachen zu schneidern??? Erst schien alles einfach nur groß, aber dann kam mir, dass Drachen ja keinen Knöpfe öffnen können und eine Zofe kommt ja auch nicht in Frage und da hab ich dann bei der Gilde um Rat gefragt. Und dann wollte jeder an dem Ruhm teilhaben einem Drachen eine Uniform zu schneidern..."
"Ruhm??? Wo ist da Ruhm??" Verwirrt starrte Selan seinen Freund an.
"Es kommt immer darauf an wie man eine Sachlage darlegt, Selan. Man kann einerseits von einem Wahnsinn sprechen, einer Qual, einer schier unbezwingbaren Aufgabe. Oder von einer Chance zu beweisen, dass man der Beste der Besten ist, einem, dem keine Aufgabe zu schwer ist. Du verstehst doch oder?" Mit breitem Grinsen im Gesicht legte er die Schulter um Selan.
"Du hast sie belogen?" Der Hauptmann war verwirrt.
"Nein, nein!! Sagen wir doch, ich habe das Ganze in einem anderen Licht präsentiert... Belogen wäre falsch. Ich habe sie nie im Zweifel gelassen, dass es eine schwere Aufgabe mit wenig Lohn ist. Aber ich habe die Vorteile hervorgehoben..." Sofern es möglich war grinste Kasner noch breiter. Er wirkte wie eine Katze, die einen ganzen Topf Sahne ausgetrunken hatte.
"Wie auch immer... Bist du fertig?" Selan beäugte seinen Freund misstrauisch. Eine solche Gerissenheit hätte er ihm nicht zugetraut.
"Beinahe, ich denke eine erste Anprobe ist schon drinnen... Morgen sind wir dann sicher fertig." Selbstbewusst führte der Schneider den Hauptmann durch das Chaos an fleißigen Handwerkern.
"Hast du daran gedacht, dass die Schuppen des Drachen womöglich die Uniform zerfetzen?" fragte Selan vorsichtig nach, als er an das Debakel mit den Stiefel dachte.
"Wofür hältst du uns? Hier sind die besten Schneider des ganzen Landes versammelt und du glaubst, wir übersehen so etwas? Also wirklich...", Kasner schüttelte gespielt ungläubig den Kopf, "wir haben die Uniform mit magisch verstärkten Stoffen und ebenfalls magisch biegsam gemachtem Eisen gearbeitet."
"DU HAST WAS?? Das ist ja unbezahlbar!!! Bist du denn von Sinnen, woher soll ich denn das Geld für so eine Uniform nehmen?? Woher hast du überhaupt so was??" Selan blieb wie angewurzelt stehen und starrte seinen Freund entsetzet an.
"Du vergisst, dass die begabtesten Schneider hier sind um sich zu beweisen. Und so mancher von uns hat es schon zu großen Ruhm, Ansehen und natürlich auch Verbindungen gebracht. Und einer von uns kannte einen großen Magier, der ihm noch die Bezahlung der letzten Robe schuldig war und so..."
"Ich fass es nicht! Du kannst doch nicht..." unterbrach Selan ihn.
"Natürlich kann ich und da der König in deinem Dekret sehr deutlich gemacht hat, dass wir keine Kosten scheuen sollen, hab ich getan was möglich war, die beste Uniform aller Zeiten zu schneidern." Kasnar grinste immer breiter. "Und da das Wort seiner Majestät Gesetzt ist, denke ich, ist die Finanzierung kein Problem."
"Du bist gut, du musst dem König ja auch nicht die Rechnung vorlegen!" stöhnte der verzweifelte Hauptmann.
"Wenn es den werten Herren helfen würde, könnte ich für einen Teil der Rechnung aufkommen. Ich besitze einen großen Hort und mir dünkt, ich könnte einen Teil des Schatzes abgeben, obwohl dies natürlich meiner Drachenseele schmerzt", mischte sich Darsenson ein.
"Nein, nein, wenn seine Majestät sich all das wünscht, soll er es auch bekommen und natürlich auch dafür zahlen!" wehrte der Schneider ab.
Selan wirkte sich dem nicht so sicher, aber er schwieg. Vielleicht würde er später darauf zurückkommen.
"Naja, zurück zu unserer Entwicklung der Drachenuniform. Wir haben uns anstatt der üblichen Knöpfe für besser handhabbahre Haken entschieden, die wir möglichst in der opulenten Ausstattung der Uniform versteckt haben. Wir hoffen damit den Vorstellungen seiner Majestät möglichst nahe zu kommen. Für die Flügel haben wir Schlitze in der Uniform wie auch im Umhang vorgesehen. Ihr seht also, wir haben an alles gedacht!" erläuterte der Schneider in voller Begeisterung.
Beide, Drache und Hauptmann, konnten nur sprachlos nicken.
"Nun, Darsenson, tu uns doch den Gefallen und probier doch mal die Uniform an, damit wir die letzten Kleinigkeiten anpassen können", munterte Kasner den Drachen auf.
Vorsichtig nahm der Drache die Hose in die Vorderkrallen und versuchte sie mithilfe der gut gemeinten Erläuterungen der Anderen anzuziehen. Er war ja noch nie auf die Idee gekommen sich so etwas anzuziehen oder hatte jemals jemanden dabei beobachtet. Nach einigem Kampf hatte er es jedoch mit Bravour geschafft und wandte sich der Uniformjacke zu. Er hatte schnell heraus wie man die Haken der Jacke schloss. Er hängte sich mit der Spitze der Kralle in den runden Teil ein und zog es über den Haken drüber. Vor lauter Konzentration ließ er ein kleines Stück seiner Zunge heraushängen.
Selan konnte sich nicht entschließen ob er weinen oder lachen sollte. Vor ihm stand ein Drache in der rüschenreichen Gardeuniform, dem die Zunge heraushing. Darsenson hatte nur lächerlicher gewirkt als er sich in Liegestütz versucht hatte.
Als der Drache vollständig bekleidet war brach ein Beifall der Erleichterung bei den Schneidern aus.
"Nun, was sagt ihr!! Bis auf ein paar Kleinigkeiten passt es doch perfekt! Da und dort noch ein paar Stiche und fertig ist es! Und dann stellt sich nur noch die Frage der Grundausbildung bis wir unseren Drachengardisten im Dienst bewundern können!!"
"Ach ja, die Grundausbildung!!! Ich hab noch keine Ahnung, wie ich das machen soll! Wo find ich nur einen Schwertpartner für dich!!! Du kennst doch nicht zufällig einen Riesen oder einen anderen Drachen, der Interesse hätte?" brach es aus Selan heraus. Er war sich so lange sicher gewesen, dass es nur ein Traum sein könne und dann hatte er dieses Thema immer weiter hinaus geschoben. Und jetzt war es zu spät!
"Nein, werter Hauptmann, ich kenne zwar zu meinem großen Bedauern schon andere, aber jene kommen leider nicht Frage. Aber ich hätte einen anderen Vorschlag zu machen..." Etwas verlegen blickte der Drache auf seinen Vorgesetzten hinunter.
"Was denn, ich bin für jeden Vorschlag offen!" In Selan begann ein Hoffnungsschimmer aufzuleuchten.
"Wartet einen Moment, ich werde es euch am besten zeigen..." seufzte der Drache immer verlegener.
Selan und alle Anderen beobachteten verwundert wie ein violetter Nebel den Drachen umgab und ihn langsam verhüllte. Geblendet wandten sich alle ab, als ein greller Blitz den ganzen Hof erleuchtete.
Als alle wieder sehen konnten blickten sie verdattert auf einen nackten jungen Mann, der nur einen Harnisch trug und in Bergen von Stoff stand. Seine Haare waren grellrot, die Augen violett und er hatte ein reptilartiges Aussehen.
"Da..Da...Darsenson?" Nur mühsam kam die Frage über die Lippen des Hauptmannes.
"Ja, Hauptmann. Ich kann mich in die Gestalt eines Menschen verwandeln." Verlegen starrte der Drache auf seine nackten Füße hinunter.
"Warum hast du denn das nicht früher gesagt? Ich mein, das hätte uns soviel Ärger erspart. Und wieso hat sich dein Harnisch und dein Schwert deiner Größe angepasst?"
"Ich hatte mehrere Beweggründe, warum ich euch diese Tatsache verschwiegen habe, werter Hauptmann. Zu aller erst dachte ich, dass es euch bewusst sei, dass Drachen dies beherrschen und es wäre der Befehl seiner Majestät, diese Tatsache zu übersehen. Dann muss ich zu meiner Schande gestehen, dass mir dieser Aufwand, der zu meinen Ehren abgehalten wurde, mir große Kurzweil bereitet hat.
Der nächste Beweggrund war, dass es für Drachen unangenehm, ja beinah schmerzhaft ist, sich in so kleine Gestalt zu pressen. Stellt euch doch vor, ihr müsstet eure Gestalt in die Form eines Flohs pressen! Zum anderen ist diese Gestalt, und damit möchte ich euch nicht verärgern, doch sehr beschränkt in seinen Fähigkeiten.
Und der letzte Grund ist, dass wir Drachen nicht allzu lang in dieser Form bleiben können ohne, dass sich unser Befinden rasant verschlechtert.
Um eure letzte ehrenwerte Frage zu beantworten, der Harnisch und das Schwert sind deshalb mit meiner Größe mitgeschrumpft, da das Eisen mit meinen Feueratem in Berührung kam. Wir haben diese erstaunliche Bewandtnis schon während des Schmiedens festgestellt. Doch dünkt es mir, dass dies nicht die einzige Auswirkung auf dieses Metal war, doch jene müssen erst ausgetestet werden."
Selan starrte nur wortlos auf den Drachen und versuchte zu verdauen was gerade geschehen war.
"Ihr seid mir doch nicht gram, werter Herr Hauptmann! Ich wollte nicht Ungemach bereiten! Bitte verzeiht mir meinen schändlichen Fehler!" Darsenson blickte Selan ängstlich an.
"N..N..Nein i..ich denke nicht, dass ich euch gram bin. Versteh jedoch bitte, dass das einfach zuviel für mich ist. Wir sprechen uns morgen... Kasner, gib ihm doch bitte eine Uniform für seine Menschengestalt. Und jetzt verzeiht, aber ich muss mich hinlegen." Mit diesen Worten schlich der verdatterte Hauptmann vom Hof direkt auf sein Zimmer zu. Für heute hatte er genug!
 

© Dara Drachenkind
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