Am nächsten Morgen streckte sich der
Hauptmann. Vom Fenster her ertönte lautes Hämmern. Nachdem die
Müdigkeit langsam verschwunden war, richtete er sich auf und stürmte
zum Fenster. Selan lehnte sich weit aus dem Fenster.
Tatsächlich!
Der Drache saß wieder am Übungshof
und sah den Tischlern bei der Arbeit zu. Ab und zu hob er einen Balken
hoch, um den Tischlern die Arbeit zu erleichtern. Alles in allem schien
sich der Drache pudelwohl zu fühlen. Der Schwanz wippte wie bei einer
Katze verspielt auf und ab.
Während er frühstückte überlegte
er sich, ob der Drache nun wirklich existierte, oder ob er im Narrenturm
saß und sich das Ganze nur zusammenträumte. Aber Traum oder
nicht, er hatte auf jeden Fall heute einiges vor. Und die Arbeit würde
sich nicht von alleine erledigen. Also packte er alles zusammen und machte
sich auf.
"Guten Morgen, Rekrut! Habt ihr gut geschlafen?"
Das Chaos und die verschreckten Gesichter um sich ignorierend blickte Selan
zum Drachen auf.
"Ja, Sir!" Der Drache salutierte.
"Na dann machen wir uns auf, der Schmied Merlen
wartet sicher schon gespannt auf dich." Mit diesen Worten drehte sich der
Hauptmann um und verließ mit dem Drachen die Baustelle.
Selan hatte gar nicht gewusst, wie recht er
gehabt hatte. Mittlerweile war es Stadtgespräch Nummer eins, dass
ein Drache der Garde beigetreten war und der Schmied stand schon kopfschüttelnd
vor seiner Esse und blickte zum Drachen hinauf.
"Diesem Koloss soll ich also einen Kürass
und ein Schwert schmieden? Bei Gott, der Stallmeister kann froh sein, dass
die Garde nicht beritten ist!" Mit brüllendem Lachen schlug der Schmied
dem Hauptmann kräftig auf die Schulter.
Selan taumelte ein paar Schritte vor und rieb
sich die schmerzende Stelle und stimmte in das Lachen mit ein. Der Schmied
war bekannt für seine deftigen Scherze und seine mächtigen Hiebe.
Trotzdem war er allerorts beliebt, da er ein grundguter und freundlicher
Mensch war.
"Na du Drache, du stellst mich da vor ganz
schön ein Problem! Ich hab keine Ahnung, wo ich so viel Eisen herbekommen
soll, um deine Ausrüstung zu schmieden! Aber ganz im Vertrauen, ich
werd bei deinem Kürass wohl etwas sparen, da du eh schon eine recht
stattliche Rüstung hast. Aber sag das nicht dem König!" Verschwörerisch
zwinkerte Merlen zum Drachen auf und verpasste ihm einen Hieb gegen die
Vorderpfote.
"Da ich mir nicht so einfach mir nichts dir
nichts einen Gesellen anlachen kann, werde ich wohl ziemlich lange brauchen
bis ich alles fertig haben. Es sei denn..." Abschätzend betrachtete
er den Drachen von oben bis unten.
"Kann ich euch vielleicht behilflich sein,
werter Herr Schmied?" mutmaßte Darsenson.
"Hmm, ich hab da so eine Idee... Dazu müsste
dich aber unser geschätzter Hauptmann jedoch zwei Wochen herborgen."
Nachdenklich strich sich Merlen über das Kinn.
"Wozu müsste ich unseren Rekruten ausborgen?"
Misstrauisch beugte sich Selan vor, der Schmied war ebenfalls für
seine schrägen Einfälle bekannt.
"Drachen können ja Feuer speien oder?"
fragend blickte Merlen auf.
Der Drache nickte nur.
"Na, das Komplizierteste am Schmieden ist
ja, das Feuer in der richtigen Temperatur zu halten. Mein letzter Lehrling
hat es einfach nicht auf die Reihe gebracht und darum musste ich ihn schweren
Herzens wegschicken. Und alleine ist das fast unmöglich.. Doch wenn
Darsenson mit seinem Feuer meine Esse beheizen würde, könnte
ich schnell und effizient arbeiten."
"Doch nicht hier im Burghof!" stöhnte
Selan entsetzt auf, er sah schon alle Gebäude in Flammen stehen.
"Hmm, ich denke nicht, dass das klug wäre,
aber vor der Stadt... Ich habe dort eine kleine Esse, wenn ich größere
Dinge schmieden muss, da könnte es gehen." Versonnen blickte der Schmied
noch immer zum Drachen auf.
Selan schickte ein Stoßgebet zu den
Göttern und seufzte tief. "Nun gut, dann soll er dir helfen. In zwei
Wochen sind auch frühestens die Uniform und die Schuhe fertig. Vorher
kann ich eh nichts mit ihm anstellen..." Er schüttelte den Kopf, wenn
das nur gut ging.
"Gut! Du kannst gehen, Selan! Ich muss mit
Darsenson nun die Feinheiten des Schmiedens besprechen und da können
wir dich nicht brauchen." Mit diesen Worten komplimentierte der Schmied
Selan weg.
Unschlüssig stand Selan noch einige Minuten
da, aber weder Drache noch Schmied nahmen ihn noch wahr, sie waren zu sehr
in die Diskussion über Schmieden und Feuer vertieft. "Was soll’s,
ich hab sowieso genug anderes zu tun..." Mit diesen Gedanken drehte er
sich um und wandte sich zum Gehen.
In den nächsten Wochen sah man weder den
Drachen noch den Schmied, doch das laute Hämmern und das brüllende
Lachen der Beiden war in der ganzen Stadt zu hören. Es schien, dass
sich die Beiden wunderbar verstanden.
Selan schaute zwar ein paar Mal vorbei, kam
sich jedoch völlig unnötig vor, da die beiden ihn meistens gar
nicht wahrnahmen.
Ständig kamen die Stadtbewohner und Höflinge
bei dem jungen Hauptmann vorbei, um sich über den Lärm zu beschwerten.
Selan antwortete meist recht kühl darauf, dass sie froh sein sollten,
dass die Stadt nur von Lärm bedroht sei und nicht von einer verheerenden
Feuerbrunst, ausgelöst durch den Feueratem des Drachen. Der Hauptmann
genoss es zu sehen wie alle darauf hin zusammenzuckten und wortlos verschwanden.
Zu seiner Belustigung bekam er über die Gerüchteküche zu
hören, dass sich der Verkauf der Schutzamulette gegen Feuer vervielfacht
hatte.
Nach zwei Wochen unaufhörlichen Lärms
marschierte der Schmied mit stolz geschwellter Brust vor dem Drachen zu
dem Schloss hinauf. Der Drache trug den neuen Harnisch und das gigantische
Schwert hing in einem komplizierten Gehänge am Rücken zwischen
den Flügeln.
Atemlos verfolgten die Bewohner der Stadt
die Beiden und seufzten erleichtert auf, als das Ungetüm an ihnen
vorüber war.
Am inneren Tor wartete Selan schon auf die
Beiden. "Na endlich seid ihr beiden Störenfriede wieder da! Die Stadt
hat schon lange genug unter eurem Lärm zu leiden gehabt. Komm, Darsenson,
deine Schuhe sind fertig geworden. Du sollst zur Ankleide kommen." Ohne
auf eine Antwort zu warten, drehte sich der Hauptmann um und ging forschen
Schrittes Richtung Schuster.
Empört blickte der Schmied ihm nach.
"Na bei dem Kerl ist wohl eine Schraube locker! Immerhin haben wir zwei
Wochen geschuftet um dieses Wunderding zu basteln! Wenn der wüßte,
was Drachenfeuer für eine Auswirkung auf gewöhnliches Eisen hat!!
Aber jetzt soll er dumm sterben!" grollte der Schmied innerlich und nickte
dem Drachen aufmunternd zu, der mit hängendem Kopf Selan hinterher
schlich. Für ein so riesiges Ding war Darsenson wahrlich empfindlich
und weichherzig. Merlen hatte die Wochen mit dem Drachen genossen. Es gab
wohl kaum ein Wesen auf dieser Erde, das so humorvoll, intelligent und
ehrenvoll war.
Selan tat es jetzt schon wieder Leid, dass
er so unhöflich gewesen war. Ein Drache allein war schon beeindruckend,
aber ein Drache in golden schimmernder Rüstung mit einem Schwert auf
dem Rücken war einfach nur einschüchternd. Aber wie der Drache
so schuldbewusst hinter ihm hertapste konnte man nur schlechtes Gewissen
bekommen. Ihm entfuhr ein Seufzer und er drehte sich zum Drachen um. "Es
tut mir leid, Rekrut. Du hast meinen Rüffel nicht verdient, aber du
musst verstehen, dass mir ein Drachengardist etwas über den Kopf wächst..."
Ein Grinsen leuchtete auf dem Drachengesicht
auf. "Ja, Sir! Ich will versuchen euch so wenig wie möglich zur Last
zu fallen."
"Ist schon gut, Rekrut! Wir beide schaffen
das schon!" Selan merkte wie das Lächeln des Drachen auch ihn ansteckte.
Gut gelaunt wandte er sich um und marschierte weiter.
Der Schuster stand schon vor der Tür,
rechts neben ihm zwei gigantische Stiefel. Mit fahrigen Fingern fuhr er
sich durch den Bart und blickte zum Drachen auf. "Da sind eure riesigen
Dinger! Ich hoff sie halten lange, weil ich nicht so bald neue machen möchte!!
Das war einfach schrecklich! Allein die Sole besteht aus zehn Tierhäuten!
Mir tun heute noch die Finger weh! Und dann noch dieser Lärm!! Wie
soll man da arbeiten!!"
Der Drache ließ schuldbewusst den Kopf
hängen. Er hatte gar nicht bemerkt, dass sie so laut gewesen waren.
Selan schaute aufmunternd zu ihm auf und wandte
sich dann wieder dem Schuster zu. "Aber nun ist die Arbeit ja geschafft.
Und ich bin mir sicher, dass Darsenson gut auf seine Stiefel aufpassen
wird. - Und nun, Rekrut, zieh dir doch deine Stiefel an!"
Vorsichig nahm der Drache den ersten Stiefel
in die Vordekralle. Dann hob er sein Hinterbein und versuchte nicht umzufallen.
Immerhin stand er normalerweise auf vier Beinen! Langsam schob er seine
Krallen hinein und setzte den Fuß wieder zu Boden. Den gleichen Balanceakt
vollführte er beim zweiten Stiefel. Etwas unsicher stand er jetzt
da und blickte auf seine Stiefel hinunter.
Stolz hatte der Schuster dem Vorgang zugesehen.
"Nun geh schon ein paar Schritte, damit ich sehen kann, ob alles passt!"
Darsenson nickte langsam und setzte den ersten
Fuß vor. Mit lauten Knirschen zerrissen seine Krallen das Leder und
der zerfetzte Schuh blieb am Boden liegen. Der Drache zuckte schuldbewusst
zusammen und blieb mit der anderen Pfote erstarrt stehen.
"NEIN!! Das kann nicht sein!! Die ganze Arbeit!!
Kaputt!! Ich halt's nicht aus!! Du Tölpel, du! Kannst du nicht vorsichtiger
gehen!!" Der Schuster raufte sich seine Haare und blickte mit irrem Blick
auf den Drachen. "Zwei ganze Wochen Arbeit sind hin! Du, du, du..." Wie
verrückt geworden hämmerte der Schuster auf die Vorderpfote des
Drachens ein, bevor er einfach niedersank und seiner Verzweiflung freien
Lauf ließ.
"Aber, aber, Zentar, wer wird denn gleich
verzweifeln! Der König wird dir sicher alles ersetzen... Und nun ruh
dich mal aus. Die Schuhe können noch warten. Vielleicht redest du
mit dem Schmied wegen einer etwas stabileren Sole, hmm?!" Unbeholfen tätschelte
Selan die Schulter des zitternden Schusters.
"Ja, i...ich glaub, ich muss mich hinlegen
und schlafen... Hab kaum geschlafen wegen dem Lärm und..." Langsam
rappelte er sich auf und verschwand in seiner Werkstatt.
Drache und Hauptmann starrten ihm noch einen
Moment nach.
"Ich wollte den werten Meister nicht so in
die Verzweiflung treiben. Ich war doch so achtsam, da mir so etwas schon
schwante..." Dem Drachen war die Verzweiflung deutlich anzuhören.
"Dir gibt niemand die Schuld, Rekrut. Der
Schlafmangel und die harte Arbeit waren wohl zuviel für ihn... Komm,
lass uns gehen, ich glaube, Kasner der Schneider ist auch mit deiner Uniform
fertig. Ich bin schon gespannt, ob er daran gedacht hat, dass du schwerlich
Knöpfe zumachen kannst." Ohne sich umzublicken ging er los. Der Rekrut
würde ihm schon folgen. Selan hoffte, dass er den Drachen etwas aufgeheitert
hatte. Er war ein guter Schwertlehrer und ein passabler Hauptmann, aber
er tat sich schwer mit den Gefühlen anderer und fühlte sich meist
sehr hilflos.
Darsenson blickte unschlüssig zwischen
der Werkstadt des Schusters und dem davon eilenden Hauptmann hin und her.
Es kam ihm nicht richtig vor, den armen Kerl einfach so allein zurückzulassen.
Schnell blickte er nach rechts und links, ob ihn jemand beobachtete, und
dann zog er aus dem Nichts ein kleines Paket und legte es vor die
Türe. Er hoffte, dass er das Richtige für ihn gefunden hatte.
Schnell drehte er sich um und folgte dem Hauptmann, darauf achtend, dass
er mit seinem Schwanz nichts umwarf. Er musste eingestehen, dass es ein
Drache in so engem Gelände nicht leicht hatte.
Beim Schneider herrschte ein wahres Chaos.
Ein gutes Duzend Schneider rannten aufgeregt hin und her und so mancher
starrte entsetzt zum Drachen auf.
"Ein paar Gehilfen mehr??? Du hast ja fast
die gesamte Schneidergilde hier versammelt, Kasner!" entfuhr Selan.
"Nein, nein, das sind schon ein paar mehr...
Hast du einen Ahnung wie schwer es ist, eine Uniform für einen Drachen
zu schneidern??? Erst schien alles einfach nur groß, aber dann kam
mir, dass Drachen ja keinen Knöpfe öffnen können und eine
Zofe kommt ja auch nicht in Frage und da hab ich dann bei der Gilde um
Rat gefragt. Und dann wollte jeder an dem Ruhm teilhaben einem Drachen
eine Uniform zu schneidern..."
"Ruhm??? Wo ist da Ruhm??" Verwirrt starrte
Selan seinen Freund an.
"Es kommt immer darauf an wie man eine Sachlage
darlegt, Selan. Man kann einerseits von einem Wahnsinn sprechen, einer
Qual, einer schier unbezwingbaren Aufgabe. Oder von einer Chance zu beweisen,
dass man der Beste der Besten ist, einem, dem keine Aufgabe zu schwer ist.
Du verstehst doch oder?" Mit breitem Grinsen im Gesicht legte er die Schulter
um Selan.
"Du hast sie belogen?" Der Hauptmann war verwirrt.
"Nein, nein!! Sagen wir doch, ich habe das
Ganze in einem anderen Licht präsentiert... Belogen wäre falsch.
Ich habe sie nie im Zweifel gelassen, dass es eine schwere Aufgabe mit
wenig Lohn ist. Aber ich habe die Vorteile hervorgehoben..." Sofern es
möglich war grinste Kasner noch breiter. Er wirkte wie eine Katze,
die einen ganzen Topf Sahne ausgetrunken hatte.
"Wie auch immer... Bist du fertig?" Selan
beäugte seinen Freund misstrauisch. Eine solche Gerissenheit hätte
er ihm nicht zugetraut.
"Beinahe, ich denke eine erste Anprobe ist
schon drinnen... Morgen sind wir dann sicher fertig." Selbstbewusst führte
der Schneider den Hauptmann durch das Chaos an fleißigen Handwerkern.
"Hast du daran gedacht, dass die Schuppen
des Drachen womöglich die Uniform zerfetzen?" fragte Selan vorsichtig
nach, als er an das Debakel mit den Stiefel dachte.
"Wofür hältst du uns? Hier sind
die besten Schneider des ganzen Landes versammelt und du glaubst, wir übersehen
so etwas? Also wirklich...", Kasner schüttelte gespielt ungläubig
den Kopf, "wir haben die Uniform mit magisch verstärkten Stoffen und
ebenfalls magisch biegsam gemachtem Eisen gearbeitet."
"DU HAST WAS?? Das ist ja unbezahlbar!!! Bist
du denn von Sinnen, woher soll ich denn das Geld für so eine Uniform
nehmen?? Woher hast du überhaupt so was??" Selan blieb wie angewurzelt
stehen und starrte seinen Freund entsetzet an.
"Du vergisst, dass die begabtesten Schneider
hier sind um sich zu beweisen. Und so mancher von uns hat es schon zu großen
Ruhm, Ansehen und natürlich auch Verbindungen gebracht. Und einer
von uns kannte einen großen Magier, der ihm noch die Bezahlung der
letzten Robe schuldig war und so..."
"Ich fass es nicht! Du kannst doch nicht..."
unterbrach Selan ihn.
"Natürlich kann ich und da der König
in deinem Dekret sehr deutlich gemacht hat, dass wir keine Kosten scheuen
sollen, hab ich getan was möglich war, die beste Uniform aller Zeiten
zu schneidern." Kasnar grinste immer breiter. "Und da das Wort seiner Majestät
Gesetzt ist, denke ich, ist die Finanzierung kein Problem."
"Du bist gut, du musst dem König ja auch
nicht die Rechnung vorlegen!" stöhnte der verzweifelte Hauptmann.
"Wenn es den werten Herren helfen würde,
könnte ich für einen Teil der Rechnung aufkommen. Ich besitze
einen großen Hort und mir dünkt, ich könnte einen Teil
des Schatzes abgeben, obwohl dies natürlich meiner Drachenseele schmerzt",
mischte sich Darsenson ein.
"Nein, nein, wenn seine Majestät sich
all das wünscht, soll er es auch bekommen und natürlich auch
dafür zahlen!" wehrte der Schneider ab.
Selan wirkte sich dem nicht so sicher, aber
er schwieg. Vielleicht würde er später darauf zurückkommen.
"Naja, zurück zu unserer Entwicklung
der Drachenuniform. Wir haben uns anstatt der üblichen Knöpfe
für besser handhabbahre Haken entschieden, die wir möglichst
in der opulenten Ausstattung der Uniform versteckt haben. Wir hoffen damit
den Vorstellungen seiner Majestät möglichst nahe zu kommen. Für
die Flügel haben wir Schlitze in der Uniform wie auch im Umhang vorgesehen.
Ihr seht also, wir haben an alles gedacht!" erläuterte der Schneider
in voller Begeisterung.
Beide, Drache und Hauptmann, konnten nur sprachlos
nicken.
"Nun, Darsenson, tu uns doch den Gefallen
und probier doch mal die Uniform an, damit wir die letzten Kleinigkeiten
anpassen können", munterte Kasner den Drachen auf.
Vorsichtig nahm der Drache die Hose in die
Vorderkrallen und versuchte sie mithilfe der gut gemeinten Erläuterungen
der Anderen anzuziehen. Er war ja noch nie auf die Idee gekommen sich so
etwas anzuziehen oder hatte jemals jemanden dabei beobachtet. Nach einigem
Kampf hatte er es jedoch mit Bravour geschafft und wandte sich der Uniformjacke
zu. Er hatte schnell heraus wie man die Haken der Jacke schloss. Er hängte
sich mit der Spitze der Kralle in den runden Teil ein und zog es über
den Haken drüber. Vor lauter Konzentration ließ er ein kleines
Stück seiner Zunge heraushängen.
Selan konnte sich nicht entschließen
ob er weinen oder lachen sollte. Vor ihm stand ein Drache in der rüschenreichen
Gardeuniform, dem die Zunge heraushing. Darsenson hatte nur lächerlicher
gewirkt als er sich in Liegestütz versucht hatte.
Als der Drache vollständig bekleidet
war brach ein Beifall der Erleichterung bei den Schneidern aus.
"Nun, was sagt ihr!! Bis auf ein paar Kleinigkeiten
passt es doch perfekt! Da und dort noch ein paar Stiche und fertig ist
es! Und dann stellt sich nur noch die Frage der Grundausbildung bis wir
unseren Drachengardisten im Dienst bewundern können!!"
"Ach ja, die Grundausbildung!!! Ich hab noch
keine Ahnung, wie ich das machen soll! Wo find ich nur einen Schwertpartner
für dich!!! Du kennst doch nicht zufällig einen Riesen oder einen
anderen Drachen, der Interesse hätte?" brach es aus Selan heraus.
Er war sich so lange sicher gewesen, dass es nur ein Traum sein könne
und dann hatte er dieses Thema immer weiter hinaus geschoben. Und jetzt
war es zu spät!
"Nein, werter Hauptmann, ich kenne zwar zu
meinem großen Bedauern schon andere, aber jene kommen leider nicht
Frage. Aber ich hätte einen anderen Vorschlag zu machen..." Etwas
verlegen blickte der Drache auf seinen Vorgesetzten hinunter.
"Was denn, ich bin für jeden Vorschlag
offen!" In Selan begann ein Hoffnungsschimmer aufzuleuchten.
"Wartet einen Moment, ich werde es euch am
besten zeigen..." seufzte der Drache immer verlegener.
Selan und alle Anderen beobachteten verwundert
wie ein violetter Nebel den Drachen umgab und ihn langsam verhüllte.
Geblendet wandten sich alle ab, als ein greller Blitz den ganzen Hof erleuchtete.
Als alle wieder sehen konnten blickten sie
verdattert auf einen nackten jungen Mann, der nur einen Harnisch trug und
in Bergen von Stoff stand. Seine Haare waren grellrot, die Augen violett
und er hatte ein reptilartiges Aussehen.
"Da..Da...Darsenson?" Nur mühsam kam
die Frage über die Lippen des Hauptmannes.
"Ja, Hauptmann. Ich kann mich in die Gestalt
eines Menschen verwandeln." Verlegen starrte der Drache auf seine
nackten Füße hinunter.
"Warum hast du denn das nicht früher
gesagt? Ich mein, das hätte uns soviel Ärger erspart. Und wieso
hat sich dein Harnisch und dein Schwert deiner Größe angepasst?"
"Ich hatte mehrere Beweggründe, warum
ich euch diese Tatsache verschwiegen habe, werter Hauptmann. Zu aller erst
dachte ich, dass es euch bewusst sei, dass Drachen dies beherrschen und
es wäre der Befehl seiner Majestät, diese Tatsache zu übersehen.
Dann muss ich zu meiner Schande gestehen, dass mir dieser Aufwand, der
zu meinen Ehren abgehalten wurde, mir große Kurzweil bereitet hat.
Der nächste Beweggrund war, dass es für
Drachen unangenehm, ja beinah schmerzhaft ist, sich in so kleine Gestalt
zu pressen. Stellt euch doch vor, ihr müsstet eure Gestalt in die
Form eines Flohs pressen! Zum anderen ist diese Gestalt, und damit möchte
ich euch nicht verärgern, doch sehr beschränkt in seinen Fähigkeiten.
Und der letzte Grund ist, dass wir Drachen
nicht allzu lang in dieser Form bleiben können ohne, dass sich unser
Befinden rasant verschlechtert.
Um eure letzte ehrenwerte Frage zu beantworten,
der Harnisch und das Schwert sind deshalb mit meiner Größe mitgeschrumpft,
da das Eisen mit meinen Feueratem in Berührung kam. Wir haben diese
erstaunliche Bewandtnis schon während des Schmiedens festgestellt.
Doch dünkt es mir, dass dies nicht die einzige Auswirkung auf dieses
Metal war, doch jene müssen erst ausgetestet werden."
Selan starrte nur wortlos auf den Drachen
und versuchte zu verdauen was gerade geschehen war.
"Ihr seid mir doch nicht gram, werter Herr
Hauptmann! Ich wollte nicht Ungemach bereiten! Bitte verzeiht mir meinen
schändlichen Fehler!" Darsenson blickte Selan ängstlich an.
"N..N..Nein i..ich denke nicht, dass ich euch
gram bin. Versteh jedoch bitte, dass das einfach zuviel für mich ist.
Wir sprechen uns morgen... Kasner, gib ihm doch bitte eine Uniform für
seine Menschengestalt. Und jetzt verzeiht, aber ich muss mich hinlegen."
Mit diesen Worten schlich der verdatterte Hauptmann vom Hof direkt auf
sein Zimmer zu. Für heute hatte er genug!
© Dara
Drachenkind
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