Glimmal's Wille von Jens Eppinger

Langsam, ganz langsam kehrte sein Bewußtsein zurück. 
Der dunkle Schleier vor seinen Augen wich schmerzhaften hellen Punkten.
Er schluckte. Ein unangenehmes Pochen setzte in seinem Schädel ein. 
Mühsam, aber mit Erfolg, rollte er sein wundes Haupt von der kalten Steinwand, an der er hart geruht hatte.
Ein Röcheln, ein Husten – dann Stille. 
Seine Finger tasteten vorsichtig über sein staubiges Gesicht. Getrocknetes Blut, Sand und Schweiß.
Seine feuchte Zunge fuhr über aufgesprungene Lippen. Blut. Angewidert spie er aus, während seine Finger die geschlossenen Lider erreichten. 
Leben kehrte in seinen geschundenen Körper zurück. Jeder Muskel, jeder Knochen verursachte ihm Höllenpein. Bitter lächelnd rieb er sich den Staub aus den Augen. Endlich.
Verschwommen materialisierten sich vor ihm die vagen Umrisse seiner Umgebung. Er konnte sehen. 

„Hast ganz schön was abgekriegt, Junge. Ein Wunder, daß du noch lebst.„

Sofort schlossen sich seine Augen. Sein verzerrtes Gesicht suchte Schutz in seinen rauhen Händen. Der donnernde Hall der tiefen Baritonstimme hämmerte wie ein Gong in seinem Hirn. 

„Bei den Winden! Still Gekrôn!„ Die gepreßten Worte kamen nur mühsam über seine spröden Lippen. „Was ist passiert?„ Schwerfällig langte er nach der Wand aus Stein. Sie war feucht. Er ignorierte den penetranten Geruch von Schweiß und Blut und bettete seinen Kopf in die gewohnte Position eines Schlafenden.

„Denrách marre, esker sek kirh?„ Als er keine Antwort erhielt, versuchte er noch einmal seine brennenden Augen zu öffnen.

„Du mußt schon deutlicher werden, Junge.„ Wieder schmetterten die dröhnende Worte durch seinen Kopf. Unbarmherzig, wie ein Schmiedehammer der auf einen Amboß schlägt. 

„Du bist keiner von uns.„ Schwerfällig wand er sein Haupt wieder in die Richtung  aus der er die Stimme vermutete. Scheinbar endlose Lidschläge später hatte er seine müden Augen geöffnet; soweit, daß er die schemenhaften Konturen seines Gegenübers sehen konnte. 

Lange feuerrote Haare, zu zwei Zöpfen geflochten. Eine rosige, faustgroße Knollennase, sowie ein gewaltiger Rauschebart, der bis zu den Zehenspitzen reichte.

„Du bist ein Norge„, wisperte der gebrochene Mann tonlos und lehnte sich stöhnend zurück.

Der gedrungene Hügelzwerg nickte. „Ganz recht, mein Junge. Und du bist einer von diesen Wilden.„

„Huerraiya. Mein Volk ist frei.„ Der junge Barbar streckte seine muskulösen Beine weit von sich. Seine breiten Arme schienen unter einer gewaltigen Spannung zu leiden. Unter Schmerzen reckte er seine steifen Glieder und blickte an sich herab. Seine lederne Rüstung bestand nur noch aus klaffenden Löchern und geplatzten Nähten. Blutige Striemen und notdürftig genähte Wunden kamen bei genauerer Betrachtung zum Vorschein. 
Als er seinen Kopf durch den kleinen Raum schweifen ließ, wurden seine Befürchtungen bestätigt. Er und der Norge waren gefangen.

Die karg eingerichtete Zelle war quadratisch. Vier Schritt breit und ebenso lang. Ihre geweißelten Steinwände eine unüberwindbare Barriere für die kraft- und mutlosen Insassen. Eine in der Nordwand aus schmalen, verrosteten Stäben bestehende Gittertür und ein fußgroßes, in die obere Hälfte der Südwand gehauenes Fenster versperrten den erhofften Weg ins Freie. 
Der mit feinem Sand bedeckte Boden wies neben spitzen Pflastersteinen Nahrungsreste und Fäkalien auf.
Die einfache Blechschüssel zu ihren Füßen enthielt die letzten Krumen harten Brots. Einer schlichten Henkersmahlzeit gleich.

Der junge Huerraiya musterte den Halbling genauer. Sein klarer Blick und sein selbstgefälliges Grinsen zeugten von purer Selbstsicherheit. 
Die silbernen Kreolen in seinen fleischigen Ohrläppchen und die zwei goldenen Ringe an seinen kurzen Fingern ließen ihn, trotz der mißlichen Lage, würdevoll erscheinen. 
Im Gegensatz zu ihm trug der lächelnde Norge ein abgenutztes Kettenhemd unter der abgetragenen Lederrüstung. Eine abgewetzte Lederhose und ein Paar ausgetragene Lederstiefel komplettierten sein imposantes Äußeres. 

„Wo sind die anderen? Was ist mit unserem Schiff? Wer wagt es mich gefangenzuhalten?„
Sein abrupter Versuch aufzustehen wurde ebenso rasch gestoppt, wie sein impulsiver Wortschwall. 

Drei Männer erschienen urplötzlich an dem schäbigen Gitter. Der erste von ihnen entriegelte die Tür. Nachdem sie eingetreten waren hielt der zweite dem Huerraiya eine ausgestreckte Partisane an die Kehle. Die zungenförmige Klinge der Stabwaffe ritzte seine Haut und hielt den abwartenden Barbaren auf Distanz. 
Der dritte der in knielangen Waffenröcken gewappneten Wächter befahl dem Norgen aufzustehen. 

„Zeit für euch, Meister Donnerstein.„ 

Sein rauher Akzent und seine dunkle Hautfarbe bestätigten die Vermutung des Huerraiya. Er war ein Gefangener der Sabyrer. Jenen menschenverachtenden Sklavenhändlern des prächtigen Kalifats im Süden Amberlonias. 

Die drei Wächter trugen je eine leicht gepolsterte Kuppet auf ihren Häuptern. Gekrümmte Säbel baumelten an den Gürteln ihrer dunkelblauen Röcke. Schiere Mordlust spiegelte sich in ihren Augen wider. Es schien als hofften sie darauf, daß sich die Gefangenen einen Fluchtversuch erlaubten, doch diesen Gefallen wollte er ihnen nicht gönnen. Noch nicht.
 
Mißmutig erhob sich der stolze Hügelzwerg und schritt gelassen an ihm und den Wächtern vorbei nach draußen. Der Barbar schätze seine Größe auf knappe anderthalb Schritt. 

„Warte nicht auf mich. Junge„, war das letzte was er sagte, dann zogen sich die lachenden Wächter mit ihrem Gefangenen zurück. Dem Knarren der Gittertür und den leiser werdenden Schritte der Aufseher folgte die unerträgliche Stille. 
Der Barbar erhob sich. Torkelnd erreichte er das Gitter und hielt sich krampfhaft an den Streben fest. Zwei lodernde Fackeln und ein schmuckloses Kohlenbecken gegenüber der Zelle erleuchteten den schmalen Gang. Von irgendwo erklang ein krächzendes Husten, gefolgt von einer harschen Ermahnung still zu sein. 
Der junge Huerraiya sah an die Decke. Spinnweben und brüchiges Gestein. Eine Staubwolke rieselte träge zu seinen Füßen herunter. Sein anschließender Versuch das Gitter aus den Angeln zu heben endete in einem erstickten Aufschrei. Nein, noch konnte er seinen gestählten Körper zu keinem Kraftakt bewegen. 
Mutlos kehrte der Barbar zurück in seine Ecke und sank kraftlos in die Knie. Nachdenklich fuhren seine schmutzigen Finger durch das schulterlange rötliche Haar. Seine haselnußbraunen Augen suchten schließlich das Sonnenlicht, das wie ein winziger Hoffnungsschimmer durch das kleine Fenster schien. 
Wieder rappelte er sich auf und langte nach der höher gelegenen rechteckigen Öffnung in der Südwand. Seine Muskeln schienen zu explodieren als er sich qualvoll an der Wand nach oben zog. Endlose Augenblicke später hatte er es geschafft. Seine Hände hielten verkrampft sein beträchtliches Körpergewicht, als er röchelnd nach draußen sah.

Die heiße Luft und der aufgewirbelte Staub kitzelten in seiner Nase, doch diesmal hielt er stand. Sein trüber Blick nahm mehrere Baracken, sowie einen steinernen Springbrunnen wahr. Mehrere spärlich bekleidete Männer schlichen über den kreisförmigen Hof, angetrieben von einem Dutzend blaugewandter Wächter. Einige der Sabyrer unterhielten sich in ihrer rauhen Sprache, während andere in gebrochener Gemeinsprache die gepeinigten Männer antrieben. 
Der blaue Himmel und das gleißende Sonnenlicht sorgten für die gewohnte Atmosphäre der menschenfeindlichen Wüstenregion. 

Ein Klicken ließ den Barbaren innehalten. Ruckartig ließ er sich auf den Boden fallen. Stolpernd kam er zum Stehen, als die Zellentür geöffnet wurde. 
Eine verhüllte Gestalt trat herein, verborgen in einem mit Dreck befleckten Kaftan. Zitternd hielten ihre Hände einen irdenen Krug und eine brüchige Tonschüssel. Als sie einen Schritt vor dem Huerraiya stehen blieb, blickten ihre dunklen Augen scheu empor. 

„Bringen Essen„, erklang ihre zaghafte Stimme. Behutsam reichte sie ihm das Geschirr und wand sich beschämt zur Seite. 
Der Barbar nahm seine Ration entgegen. Sein fragender Blick wurde von einem Kopfschütteln der gebrechlichen Person beantwortet. 

„Wo bin ich? Wo sind die anderen?„ Er trat nach vorne, doch die verängstigte Gestalt zog sich zurück.

„Nicht reden, kriegen Prügel.„ Zögernd sah der Barbar zu, wie sie rasch die Zelle verließ und entschlossen die Tür verriegelte. Dann war sie verschwunden. Lautlos, so wie sie erschienen war. 

„Wer wagt es Ulgar den Stier wie einen Ochsen einzupferchen?„ 
Doch sein markerschütterndes Gebrüll blieb unbeantwortet. Erschöpft trank er von dem frischen Wasser und langte nach dem kalten Reis in der Schüssel. Mißmutig stillte er seinen Hunger, doch der Gedanke an den Norgen ließ ihn stocken. Bereitwillig stellte er die halbvolle Schüssel und den Krug auf den Boden und lehnte sich abwartend an die Wand. 

Er schien geschlafen zu haben. Ein schlürfendes Geräusch riß ihn aus seinen Träumen. Erschrocken fuhr er hoch, doch die abwehrende Geste des trinkenden Norgen beruhigte ihn.

„Sachte, Junge. Ich bin´s bloß.„ 
Der Barbar sank zurück. Seine Augen weiteten sich entsetzt, als er die tiefe, blutverkrustete Kopfwunde des Halblings erblickte. Seine furchige Nase wies mehrere Kratzer auf. Um sein rechtes Bein war ein blutgetränkter Lumpen gewickelt. 
Der Norge setzte den Krug ab und lächelte breit in Ulgars Gesicht. 

„Graubär. War verdammt stark, die Bestie. Doch es geht nichts über eine geschliffene Axt. Zwergenarbeit. Drônnischer Herkunft, nehme ich an. Verwundert mich, daß diese Bastarde solche Waffen besitzen. Wahrscheinlich gehörte sie einem Bruder.„

Der Barbar nickte stumm. Der gelassene Blick des Hügelzwerges beeindruckte ihn. Diese sonderbaren Halblinge kannten wirklich keine Furcht.

„Du hast einen Graubär erschlagen? Du allein?„ Ulgar konnte es nicht fassen. Seine Brüder und er hatten ein solches Untier durch die ganze Tundra gehetzt, bis sie das monströse Ungeheuer in einem Talkessel gestellt hatten. Das Untier hatte mehrmals ihren stolzen Stamm angegriffen. Zwölf Krieger und drei Frauen waren dem Koloß zum Opfer gefallen. Und nun erledigt ein alternde Hügelzwerg das blutrünstige Tier im Handumdrehen? Gut, er war verwundet worden, doch sollte dieser Kämpfer gewandter sein als seine furchtlosen Stammesbrüder? 

„Hmmm„, entgegnete der Norge gelangweilt. „Kannst seinen Kopf ja draußen bewundern, wenn du dran bist.„

„Dran bin? Was meinst du damit?„ Ulgar beugte sich weit zu ihm herüber. „Ich soll kämpfen? Um meine Freiheit?„

Der Zwerg schüttelte sein rotes Haupt. Amüsiert gackerte er wie ein eitler Pfau. Als er seine kurzen Stummelfinger auf die Schenkel schlug, war es mit Ulgars Beherrschung vorbei. Seine rechte Hand schloß sich blitzschnell um den wulstigen Hals des Halblings, während seine Linke zum Schlag ausholte. Doch der alte Norge hatte den Angriff vorhergesehen. Mit unglaublicher Leichtigkeit fing seine kleine Hand Ulgars herabsausende Faust im Flug auf. Die andere griff nach dem ungeschützten Handgelenk des Barbaren und drückte schraubstockartig zu. 
Ulgar war zu verblüfft, um der Verteidigung des Norgen Paroli zu bieten. Ein stechender Schmerz durchfuhr seinen Arm, so daß er keuchend ab ließ. 

„Versuch das nie wieder, Junge! Wenn du hier überleben willst, spar dir deine Kräfte. Ein Kampfsklave stirbt in der Arena und nicht in der Zelle.„

Ulgar glotzte so überrascht, wie ein Karpfen an der hochgezogenen Angelschnur. „Kampfsklave? Du meinst wir müssen Kämpfen? Jeden Tag? Bis wir zu alt oder zu schwach geworden sind?„

Der Norge nickte. „Ganz richtig, mein Junge. So ist das Gesetz. Jeden Tag Übungskämpfe und der tägliche Drill. Am Wochenende Schaukämpfe vor dem Volk. Bei besonderen Anlässen Auftritte vor dem Hundesohn Shador persönlich.„

Ulgar schluckte. Langsam kehrte er zurück in seine Nische. „Wo sind meine Brüder? Sind sie auch Gefangene?„

Der Halbling senkte sein Haupt. Einige Augenblicke vergingen. Dann hob er sein Gesicht und sah dem Barbaren direkt in die Augen. „Nein, Junge. Du bist der einzige, den sie aufgelesen haben. Die Wächter sagten du hättest leblos am Strand zwischen Unmengen von Treibgut gelegen.„

Ulgar zitterte. Ein Frösteln überlief seinen muskulösen Körper. Schuldgefühle trieben salzige Tränen in seine Augen. Von Weinkrämpfen geschüttelt sackte der Barbar in sich zusammen und verharrte schluchzend in tiefer Trauer.

„Ich habe es gewußt, verdammt. Rêklar hatte es vorausgesehen. Ich hätte ihm glauben sollen. Dieser verfluchte Seher.„

„Was habt ihr auch auf Schiffen zu suchen? Haust ihr nicht in der Wildnis, so wie die Nénjerás?„
Der Norge blickte ihn müde an. Dann reichte er ihm die halbvolle Schüssel Reis herüber.
„Iß, Junge. Du mußt zu Kräften kommen. Du wirst den ersten Kampf nicht mit einem leeren Magen überstehen.„

Gedankenverloren starrte der Huerraiya auf den Boden. Tränen hatten sich mit dem weißen Sand vermischt. „Wir kamen von Artrokis, der größten Hafenstadt des Namenlosen Reichs. Acht meiner Brüder, Rêklar der Seher, einige Kauffahrer und ein Dutzend Abenteurer. Der Kapitän der Sturmbraut galt als erfahrener Mann. Doch dieser Sturm war unberechenbar. Das letzte was ich weiß war, daß ich gegen die Reling gefegt und anschließend über Bord geschleudert wurde.„

„Wo wolltet ihr hin? Nyrmillia nehm´ ich an, hm? Wohin auch sonst auf dieser erbärmlichen Welt.„ 
Der Norge leckte über seine wulstigen Lippen. Aufmunternd stieß er mit seinem großen Fuß an Ulgars Knie. „Ich habe meine Familie lange nicht mehr gesehen. Weiß gar nicht, ob sie mich noch kennen.„

„Wie lange bist du hier in diesem Loch?„ 

Ein mattes Gelächter und ein resignierendes Kopfschütteln waren die einzige Antwort des Hügelzwerges. 

„Junge, die Zeit vergeht hier wie im Flug. Du glaubst nicht, wie schnell das Leben hier an dir vorüber zieht. Genieße die Zeit in der Arena. Je länger du lebst, desto eher wird man sich an dich erinnern.„

„Wie ist dein Name? Meister Donnerstein?„ Ulgar kaute zur Abwechslung auf dem geschmacklosen Reis. Als der Norge wieder keine Antwort gab, stellte er sich vor.

„Ich bin Ulgar der Stier. Sohn von Torag dem Bewahrer des Stammes und Träger des weißen Büffelfells. Sohn von Erkar, der Herrin der Hügel und Spenderin allen Lebens der Weiten des Schattenkamms. Sieger über Asháák Brágghár, dem Verfemten.„

Als der Norge unbeeindruckt zu ihm aufsah, wand der Barbar sich murmelnd ab.

„Namen werden dir hier nichts nützen, Junge. Selbst wenn du hunderten von Orkhäuptlingen den Schädel eingeschlagen hast. Du bleibst was du bist, ein Sklave.„

„Niemals, ich bin frei.„ Wutentbrannt schleuderte Ulgar die Schüssel an die gegenüberliegende Wand. Das schmucklose Tongefäß zerbarst geräuschvoll in hunderte von Scherben. 
„Zeig mir meinen Gegner und werde ihn zerquetschen, wie den widerlichen Hals eines Goblins.„

Bevor der Norge ihn beschwichtigen konnte erklangen Schritte in dem schwach beleuchteten Gang. Fremdländische Stimmen erhoben sich zu einer wütenden Diskussion, als fünf der dunkelhäutigen Wächter vor dem Gitter stehen blieben.

„Du da, Riese. Du mitkommen zu Mâssek!„ Der brüllende Aufseher langte nach seiner Peitsche, einer mit Stahlkugeln verstärkten Neunschwänzigen Katze.
Das Schloß wurde entriegelt. Quietschend wurde die Tür zur Seite gerückt, als drei der mit gezückten Krummsäbeln bewaffneten Männer eintraten. 
„Binde ihn! Den Norgen auch.„ Der bullige Kerkermeister schwang zur Unterstreichung seine Peitsche. 
Der vierte Wächter hielt einen Strick in den Händen. Hämisch grinsend trat er vor den Barbaren, nur um im nächsten Moment heulend zu Boden zu gehen. Ulgars gezielter Tritt in seinen Unterleib kam schnell und unerwartet. Bevor die drei Waffenträger vor ihm reagieren konnten, hatte der Huerraiya einen von ihnen gepackt und ihn auf seine Kumpane geworfen. Polternd kegelten die drei Aufseher in die andere Ecke der Zelle, während Ulgar den erbeuteten Säbel schwang. 
Doch ein sauberer Streich der herabsausenden Peitsche fegte ihm die gekrümmte Klinge schmerzhaft aus der Hand.

Der Norge schrie und rappelte sich auf. „Du Narr, willst du uns umbringen? Als ob sie darauf nicht gewartet hätten.„

Der fette Kerkermeister bleckte seine gelben schiefen Zähne. „Ich dich töten, Sklave. Aber erst Mâssek dich wollen sehen.„

Ulgars gnadenloser Blick durchbohrte den abwartenden Wächter. Widerwillig ließ er sich von den überrumpelten Aufsehern fesseln. 
 

Der stolze Huerraiya wurde durch scheinbar endlose Gänge geführt. Seine Bewacher hatten einen undurchdringlichen Kreis um den gefesselten Barbaren gebildet. Ihre Hände ruhten auf den verzierten Schäften der mächtigen Krummsäbel. Diesmal waren sie gewarnt.
Der feiste Kerkermeister hatte die Führung übernommen. Hin und wieder passierten sie ähnliche Zellen, deren körperlich durchtrainierte Insassen ihnen stumme Blicke zuwarfen. Lachend hatte der Anführer der Wächter gegen die Stäbe ihrer Türen getreten. Nein, Sabyrer kannten keinen Respekt. Sich selbst oder anderen Kulturen gegenüber. 
Ulgars Blicke hatten unter den menschlichen Gefangenen keinen seiner Brüder entdecken können. Nordländer, Nénjerás, einige Zwerge und selbst ein oder zwei Elfen. Alle männlich, ohne Ausnahme.
Der Norge hatte Ulgar viel Glück gewünscht. Offenbar wußte er genau, was ihn erwartete. Die wohl erste eindringliche Musterung durch den Besitzer dieser Kampfschule. 

Stolpernd zerrten ihn die Wachen durch eine leere Halle. Ulgar hob den Kopf. Lichtstrahlen fielen durch die mit Stroh bedeckte Decke.
Der Boden war gefegt. Eine alte Frau trat mit einem Reisigbesen aus einer unscheinbaren Tür in der Westwand und schlurfte gebeugt an ihnen vorüber. 
Köstliche Düfte mischten sich in seine Nase. Offenbar hatten sie die Küche passiert. Ulgar versuchte sich umzudrehen, doch die vorsichtigen Wächter stießen ihn vorwärts. 
Endlich erreichte die kleine Gruppe eine gewaltige Tür. Zwei mit Partisanen bewaffnete Aufseher traten nickend zur Seite, als der gigantische Torflügel nach außen schwang. 

Ulgar blinzelte. Das helle Sonnenlicht blendete seine empfindlichen Augen. 
Kampfeslärm und das energische Geschrei exerzierender Männer hämmerte in seinen Schädel. 
Aus den Augenwinkeln bemerkte er mehrere halbnackte Sklaven. Jeder von ihnen schwang ein hölzernes Schwert in präziser Kombination vor seiner Brust. Das kommandierende Gebrüll ihrer Lehrer übertönte das gelegentliche Aufeinandertreffen der Klingen bei ihren Ausfällen. 
Etwa fünfzig Schritte später blieb die Gruppe stehen. Ulgar wurde eine hölzerne Treppe hoch geführt und blieb mit dem Rücken zu ihnen stehen. 
Langsam gewöhnten sich seine Augen an das grelle Licht. Er befand sich in mitten eines rechteckigen Innenhofs. Schäbige Baracken, Zellenblöcke und luxuriöse Aufenthaltsräume bildeten die befestigten Winkel des sandigen Platzes, der über und über mit trainierenden Männern und Aufsehern gefüllt war. 
Ein mit Fresken versehener Springbrunnen plätscherte zu seinen Füßen. Er sah an sich herab. Er stand auf einer hölzernen Plattform, etwa anderthalb Schritt über dem Boden.
Die Wachen hatten sich neben ihm formiert. Bedrohlich baute sich der Oberaufseher vor ihm auf. Der Griff seiner Peitsche stieß sich hart in Ulgars Rippen. 
Als sein fauliger Atem in knappen Atemzügen Ulgars Nase erreichte, kämpfte der Barbar gegen die tobenden Magenkrämpfe an. 

„Du jetzt sprechen mit Mâssek. Rede nur wenn gefragt. Versuche kein Trick, sonst ssschhhht...„
Mit einem diabolischen Grinsen beschrieb die schwammige Hand des Wächters eine durchtrennte Kehle. Die vier Männer um ihn glucksten. 
Ulgar richtete seinen Blick auf den hölzernen Thron, den zwei dunkelhäutige Diener eifrig vor ihm absetzten. Keuchend plazierte einer von ihnen ein reich besticktes Sitzkissen in mitten des noblen Mobiliars, während der andere einen gereichten Fächer aus Pfauenfedern hastig auf und nieder wedelte. 
Schlagartig neigten alle Anwesenden ihre Häupter. Ein kurzer Hornstoß signalisierte Mâsseks Erscheinen. Einer der Wächter schlug Ulgar mit der flachen Hand in den breiten Nacken. Sein anschließend schmerzverzerrtes Gesicht sprach Bände. 

Der Besitzer der prächtigsten Kampfschule des Südens war ein fetter, ekelhafter Eunuch. Begleitet von einer aufreizenden Leibwächterin, einer exotischen Shey-Laya, räkelte sich der schnaufende Koloß in den bereitgestellten Thron aus Teakholz. 
Die Neuankömmlinge hatten die Plattform über eine knarrende Hängebrücke betreten. Sie führte zu einem der hervorgehobenen Gebäude der Schule und endete vor einem gläsernen Portal.
Weiß und trostlos. Mit Sand und Staub bedeckt unterschied sich die Außenwand der Residenz nicht minder von Ulghars Zelle. 
Als der fettleibige Mâssek endlich eine weniger anstrengende Sitzhaltung eingenommen hatte, deutete seine mit Ringen bestückte Rechte auf den Huerraiya. 

„Du gefällst mir, Barbar. Du hast Muskeln, Statur und Kampfeswillen. Ich kenne eure Rasse. Viele von euch haben hier die Herzen der Zuschauer erobert. Und viele haben ihre Freiheit durch glanzvolle Siege in der Blutarena erlangt.„

Ulgar entgegnete nichts. Sein Blick musterte den buntgekleideten Eunuchen. Eine grünlich schimmernde Pumphose aus Seide. Eine karmesinrote Weste über einem schneeweißen Hemd und der violett gefärbte Turban auf seinem Haupt hätten einen Hofnarren nicht besser schmücken können. Mâsseks breite Plattfüße steckten in weichen Pantoffeln. 
Die breiten Lippen, die großen Augäpfel, sowie seine pechschwarze Haut ließen auf eine außergewöhnliche Herkunft schließen. Fremd, aber exotisch. 
Ganz gegen Ulgars Erwartungen klang Mâsseks Stimme keineswegs hoch. Die melodische, weiche Tonlage des aufgedunsenen Emporkömmlings erinnerte eher an den einschmeichelnden Klang einer elfischen Zunge. 

Die Lage des Barbaren schien hoffnungslos. Fünf Wachen um ihn herum. Eine katzenartige Amazone vor ihm. Zwei muskelbepackte Diener neben des Sklavenhalters Thron. Und das arrogante Lachen eines wohl kampfunfähigen Reichen. 

„Du sagst nichts? Bedeutet dir dein Leben weniger als mir? Ich könnte aus dir einen angesehenen Krieger machen. Einen, den man mit Respekt behandeln und fürchten würde.„
Mâssek lehnte sich zurück und nestelte an einer tiefen Tasche seiner feinen Hose. Den Blick auf den Huerraiya gerichtet zog er ausdruckslos ein kleines Döschen hervor. Behende öffneten seine dicken Finger das kostbare Stück. Als er langsam den feinen Schnupftabak auf seinen Handrücken rieseln ließ, ergriff der Kerkermeister das Wort. Seine rasante Gestik und die dringliche Tonlage ließen Mâssek unbeeindruckt. Bis der Wächter hektisch mit der Peitsche auf sich selbst und dann auf seine Männer wies.
Mâssek holte tief Luft und zog den teuren Tabak grunzend in seine breiten Nasenflügel. Seine Augen weiteten sich lustvoll. Nickend ließ er den brabbelnden Aufseher fortfahren, bis er den sabyrischen Wortschwall mit einem lauten „Chejob„ abrupt beendete. 

Anerkennend neigte er sein Haupt vor dem erstaunten Ulgar, der unwillkürlich einen Schritt zurück trat. 
„Der Wächter spricht von deinem Mut und deinem Kampfeswillen. Er verachtet dich und will dein Leben.„ Der korpulente Sabyrer legte eine rhetorische Pause ein. Dann deutete er wieder auf den Barbaren. 
„Ich glaube in dir steckt wahrhaftig ein mutiger Kämpfer. Zeig mir deine Stärke! Kämpfen sollst du, um deine Ehre und um dein Leben. Hier und jetzt.„
Ein Wink ließ die fünf unschlüssigen Wachen die Plattform verlassen. Die beiden kahlköpfigen Sklaven bezogen mit verschränkten Armen Stellung hinter dem Thron. 
Ulgar sah sich um. Man hatte seine Fesseln durchtrennt. Er war frei. Doch ein Blick über seine Schulter verdeutlichte seine aussichtslose Lage. Wachen, Sklaven und kein Weg ins Freie.

„Alanya hier ist ein Juwel ihrer stolzen Rasse.„ Lässig deutete der Sabyrer auf die fauchende Shey-Laya, die angriffslustig nach vorn trat. Ihre wilde schwarze Mähne und ihre leuchtenden grünen Augen wurden nur von ihrem gestählten Körper übertroffen. Sie trug eine knappe blutrote Tuchrüstung. Leichte Sandalen zierten ihre schlanken Füße. Ein glänzendes Stirnband aus hellgrünen Schlangenleder ihren Kopf. 
Ihre Hand- und Fußgelenke waren mit klimpernden Goldkettchen versehen, die jede ihrer geschmeidigen Bewegungen untermalten. 
Doch den Barbaren interessierte nur der anderthalb Schritt lange Kampfstab, den die bezaubernde Alanya mit makelloser Technik vor seiner Nase schwang. 

Ein schriller Kriegsschrei, begleitet von dem wohl raffiniertesten Ausfallschritt veranlaßte den verdutzten Huerraiya zu einer reflexartigen Abwehr seiner Hände. Krachend schlug der hölzerne Stab auf Ulgars bloße Handgelenke. Feuer, ein Brennen. Doch die Knochen blieben heil. Stöhnend rieb der angeschlagene Hüne seine lädierten Pranken, als er knapp dem zweiten Angriff entging. Pfeifend zerteilte die stumpfe Waffe nur Luft über Ulghars Haupt. 
Mâssek lachte amüsiert auf, als die furienhafte Amazone den scheinbar chancenlosen Barbaren an den Rand der knarzenden Plattform trieb. 
„Zeig es ihm, mein Mädchen! Erledige das primitive Ungeheuer!„

Ulgar wankte. Dies war nicht sein erster Zweikampf. Doch die unberechenbare Entschlossenheit der impulsiven Leibwächterin lähmte seinen Körper und Verstand. 
Wieder tauchte er unter einem gut angesetzten Hieb hinweg und rettete sich – vorläufig.
Als die kreischende Amazone zu einem vernichtenden Beidhandschlag ansetzte, sah Ulgar seinen Moment gekommen. Entschlossen fing er den wuchtigen Schlag mit beiden Händen ab und entriß der übermütigen Shey-Laya den Stab. Er biß auf die Zähne. Die qualvollen Schmerzen waren unerträglich. Ulgar schluckte einen Aufschrei hinunter und zerbrach die leichte Waffe über seinem Knie. 
Ein flüchtiges Funkeln ihrer Augen war ihre einzige Reaktion. Dann hämmerte die flinke Faust der agilen Frau in seine Brust. Ein dumpfer Klatschlaut und der Barbar torkelte erneut. 
Verwirrt schüttelte er den Kopf. So etwas hatte er noch nicht erlebt. Diese Wilde übertraf seine kühnen Schwestern bei Weitem. Als die siegessichere Shey-Laya den wohl besiegten Barbaren mit einem gewaltigen Tritt vor Mâsseks Thron beförderte, war es wieder um seine Beherrschung geschehen. 
Brüllend rappelte er sich hoch. Seine Halsschlagadern schienen seine purpurrote Haut beinah zu sprengen. Berserkergleich stürmte er mit weit geöffneten Armen auf die Amazone und begrub sie unter seinem massiven Körpergewicht. Noch bevor die Wachen einschreiten konnten, fuhr Ulgars rechte Faust wie ein Dampfhammer dreimal auf ihr aschfahles Gesicht herunter.

„Wartet, er bringt sie um!„ Mâsseks erstaunter Ausruf ließ die Wachen zögern. 
Ein Rinnsal dunklen Bluts breitete sich unter der schwer getroffenen Shey-Laya aus. Das Knacken zerberstender Knochen ließ den Sklavenhalter überzeugen. Der Huerraiya hatte es tatsächlich geschafft. 
Schnaufend kämpfte Ulgar um einen festen Stand. Als er sich bebend von der regungslosen Amazone erhob spiegelten seine Augen Verwirrung und Entsetzen wider. Ein zufriedenes Grinsen überflog sein schweißnasses Gesicht. 
Mâssek applaudierte. Ein kurzer Blick in das einst so feine und nun zerstörte Gesicht der Amazone ließ seine Enttäuschung schwinden.
„Wundervoll. Du hast es geschafft.„ Mit einem verächtlichen Ausdruck seiner Miene ließ er die Tote von den beiden Sklaven entfernen.
„Ich hätte eh nichts mehr mit ihr anfangen können„, säuselte er süffisant und gab den Wächtern den Befehl den Barbaren zurückzubringen. 
 

Ulgars Körper zitterte. Nervös starrte er von seinen trommelnden Fingern auf seinen Schenkeln zu dem dösenden Halbling hinüber. Der rothaarige Norge hatte seine faltige Stirn in seine kleine Rechte gebettet. Eingefallen kauerte er an der spärlichen Steinwand und nur ab und zu zuckte sein verwundetes rechtes Bein. 
Der Huerraiya überdachte seine Lage. Niemals hätte er geglaubt eine Frau derart brutal töten zu können. Doch was bedeutete Leben in dieser Welt. Hatte es nicht Sie oder Er geheißen? Hätte sie ihn etwa verschont? Oder hätte sie sich seiner auf eine noch viel grausamere Art entledigt?
Der Barbar wußte nur eines. Er hatte sich Respekt verschafft. Sein erster Schritt in Richtung Freiheit.
Als der Norge seine Position verlagerte, stieß ihn Ulgar mit der Fußspitze an. Erschrocken riß der Hügelzwerg seine schweren Lider auf. Sichtlich erfreut lächelte er dann in seinen feuerroten Bart und nickte ihm anerkennend zu. 

„Gratuliere, Junge. Wen durftest du auf die Bretter schicken?„ Die dunklen Augen des Norgen glänzten erwartungsvoll. Neugierig rieb er sich die rosige Nase. 

Der Hüne winkte ab. „Eine Frau, Sehr schön, aber sehr gefährlich.„

„Eine Frau?„, der Norge rümpfte seine gewaltige Knollennase. „Hier gibt es keine Sklavinnen. Höchstens Mâsseks Leibwächterin, aber die darf sich frei bewegen.„

„Jetzt nicht mehr.„ 

Mißtrauisch beugt sich der Norge vornüber. „Moment, Junge. Du hast gegen Alanya gekämpft? Verstehen wir uns richtig?„ Unwillkürlich klappte sein grober Kiefer nach unten und offenbarte eine massive Reihe erstaunlich gut gepflegter Zähne.
Als der Huerraiya außer einem kurzen Kopfnicken nichts erwiderte, setzte der verwunderte Halbling erneut an.

„Alanya, häh? Du hast diese Shey-Laya besiegt? Die Brenk den Malmer mit ihren bloßen Händen gefällt hat? 

„Ich kenne keinen Malmer entgegnete Ulgar gereizt. Mißmutig blickte er zu dem kleinen Fenster hinauf. Die Dämmerung brach herein. Wieviele Nächte würde er hier in diesem Loch verbringen? Würde er seine Brüder auf dem Schattenkamm jemals wieder sehen? Resigniert senkte er sein Haupt und starrte auf den Boden. 

„Du sagtest wir kämpfen zur Schau. Warum opferst dieser Mâssek seine beste Kämpferin auf einem schlichten Hof? Keine zahlenden Zuschauer, kein Beifall.„

Der Norge knabberte an seinen dreckigen Fingernägel. Seelenruhig polierte er sie anschließend an seinem Hosensaum und betrachtete sein Werk mit einem sarkastischen Lächeln.

„Weiß nicht. Vielleicht wollte er dich testen oder einfach nur loswerden. Jedenfalls hast du durch diesen Sieg deinen Wert gesteigert.„

„Aber du mußtest den Bären erlegen?„ Der Barbar suchte nach einem Sinn. Wie sinnlos war diese Verschwendung eines geschenkten Lebens überhaupt? Woher nahm sich Mâssek das Recht willkürlich über Leben und Tod zu entscheiden? Die Rangordnung innerhalb der Barbarenstämme waren rauh und gnadenlos. Aber jeder Huerraiya war ein freier Mann. Niemals wurde einem Bruder oder einer Schwester grundlos ein Leid zugefügt.
Der Hügelzwerg seufzte. Grimmig blickte er durch das Gitter auf den dunklen Gang. Als er einige Augenblicke so da gesessen hatte, rappelte er sich auf und stapfte schwerfällig zur Tür. 
Mühsam preßte er seinen rundlichen Schädel an die verrosteten Stäbe. Als er sich wieder dem Barbaren zu wand blinzelte sein rechtes Auge feucht.

„Morrikalus hätte gegen ihn antreten sollen. Er hätte es verdient.„ Der traurige Unterton des Norgen ließ Ulgar aufhorchen. „Er war über vier Jahre meine einzige Gesellschaft hier. Stark, mutig und mit seinem eleganten Kampfstil nahezu unbesiegbar. Eben ein Sabyrer durch und durch.„ Der Hügelzwerg wankte wieder zurück an seinen Platz. Sichtlich mitgenommen suchte er Halt an der schmutzigen Wand und ließ sich langsam herab gleiten. 
„Die Hunde hatten ihm einen Mord in die Schuhe geschoben. Nur weil er seine kleine Schwester vor ein paar betrunkenen Schweinen verteidigen wollte. Es war alles eingeplant. Morrikalus hatte sich Feinde gemacht. Ihn steckte man in die Arena, die zierliche Fraya in die Lotosblüte.„
Ulgar nickte zur Bestätigung. Der Ruf des wohl edelsten Bordells des Südens war ihm selbst im Namenlosen Reich geläufig. 
Teilnahmslos fuhr der Norge fort.
„Sie hatten ihn unterschätzt. Er beherrschte den Krummsäbel meisterhaft und tötete Mâsseks beste Gladiatoren. Männer aus dem Norden. Angeheuerte Schläger aus Nyrmillia, selbst gefangene Sabolen konnten ihn nicht überwinden. Doch seinen letzten Gegner konnte er nicht besiegen.„
Ulgar schluckte. Derartige Gefühlsausbrüche waren einem Halbling fremd. Doch die Trauer um Morrikalus Verlust war dem Norgen sichtlich ins Gesicht geschrieben.
„Eines Nachts hörte ich ihn röcheln. Er zuckte und wand sich im Schlaf. Seine schweißnassen Hände griffen nach mir. Er stammelte von Fraya und das er diesen Ort verlassen werde. Ich wußte um seinen Zustand und alarmierte die Wachen. Doch die brachten zuerst mich, dann sich selbst in Sicherheit. Morrikalus starb wenige Stunden später. Das verruchte Wundfieber hatte ihn dahingerafft. Elendig, wie einen Bettler in den feuchten Gassen Kallgars. 
Seitdem bete ich jeden Tag zu Glimmal, daß er mir dieses Schicksal erspart. Ihm verdanke ich meine Kraft und nur durch seinen Willen werde ich diese Hölle überstehen.„

„Glimmals Wille„, murmelte Ulgar nachdenklich. Auch er huldigte den Göttern. Doch schien ihn Aeve im Stich gelassen zu haben. Oder hatte er dem altertümlichen Gott des Himmels seinen Sieg über Alanya zu verdanken?
Der Huerraiya sprach noch mit dem Hügelzwerg, bevor der Schlaf ihn in das Reich der Träume zog. Dankbar versuchte er sich das nützliche Wissen einzuprägen. Tagesabläufe, Zeremonien, Waffen, Bestien und Namen wichtiger Personen schwirrten um Ulgars müden Geist; doch den Namen seines Gegenübers hatte er immer noch nicht erfahren. 
 

Die nächsten drei Wochen überstand der Barbar nur durch puren Überlebenswillen. Wie ihm der Norge eingeschärft hatte, waren Disziplin und absoluter Gehorsam der erforderliche Schritt sich ungeteilten Respekt zu verschaffen. Achtung den Wachen gegenüber, doch um so größere Ehrfurcht seinen Mithäftlingen. In einer Welt aus Blut und Tod war sich jeder selbst der nächste. Einschüchterungen beim gemeinsamen Essen waren ebenso alltäglich, wie die mißtrauischen Blicke bei den Übungskämpfen. Haß hielt sie am Leben. Und der Haß auf ihre Peiniger spornte sie zu Höchstleistungen an. In der Arena und in den Baracken. Oft mußten die Wachen blutige Prügeleien mit dem Einsatz von Waffen beenden. Nicht selten verließ einer der Kontrahenten die Gladiatorenschule auf einem Ochsenkarren. Eingeschnürt in einem Sack aus Bast oder in Leinen gehüllt. 
Auch wenn sich die Sklaven untereinander nicht verstanden, wußte jeder über die Stärken und Schwächen des anderen Bescheid. Neid und der eiserne Wille der Beste zu sein, hatte die gut ausgebildeten Männer zu mordenden Kampfmaschinen gemacht. Viele lebten schon einige Jahre in Mâsseks Zirkus. Ihr Mut und ihre Entschlossenheit hatten ihnen Ruhm gebracht, hatte ihnen das Leben gerettet. Bis ihnen eines Tages eine gut bezahlte Stelle oder das Gnadenbrot gewährt wurde. Sahen die Sklaven in jedem Kämpfer einen Stein auf ihrem Weg so brannte doch der Wunsch nach Freiheit und das Lachen ihrer Frauen in der fernen Heimat in ihren Herzen.

Ulgar war einer von ihnen. In seinem Herzen war er ein Huerraiya, ein freier Mann eines tapferen Volkes. Dank der rauhen Sitten seines kampferprobten Stammes, ertrug er den alltäglichen Schmerz voller Stolz und Würde. Kein Aufseher, kein Gegner, keine noch so entwürdigende Erniedrigung erschütterte seinen eisernen Willen. Überzeugt von seiner Stärke und der baldigen Aussicht auf Gnade nahm er die willkürliche Knechtschaft gelassen hin.
Kurze Nächte auf harten Pritschen. Karge Mahlzeiten und mangelnde Sauberkeit stumpften ihn ebenso ab, wie der unmenschliche Drill der sadistischen Ausbilder.
Barfüßige Ausdauerkämpfe über glühenden Kohlen. Mit Gewichten behangene Balanceakte auf abschüssigen Ebenen. Waffengänge mit verbundenen Augen. Springen, Ducken, Ausweichen über und unter plötzlich hervorschießenden Klingen. Muskelaufbau beim endlosen Schleppen wuchtiger Steine. Das nackte Ringen ölbedeckter Körper und die erbarmungslosen Duelle gegen altgediente Gladiatoren. 
All diese Herausforderungen hatte der Barbar gemeistert. Als Sohn eines ruhmreichen Häuptlings waren ihm derartige Proben nicht fremd. Still genoß er seinen Triumph und um so größer war seine Genugtuung gegenüber seinen eingeschüchterten Mitgefangenen. 

Der wuchtige Schlag der niederschmetternden Handaxt riß Ulgar abrupt aus seinen Gedanken. Noch bevor er den ersten Hieb mit seinem hölzernen Rundschild abgeblockt hatte, sauste schon das zweite Blatt knapp an seinem Kopf vorbei.
Ulgar sprang zurück, das Gejohle der hundert Zuschauer im Nacken. Sein Kontrahent, ein acht Fuß großer, gräßlich anzusehender Hobgoblin, setzte ihm nach. 
Die häßliche Fratze einer geifernden Hundeschnauze nachempfunden, stürmte das Ungetüm voran. Im harmonischen Zweiklang wirbelten die schmalen Handäxte in seinen klobigen Klauen und versuchten ein ums andere mal Ulgars Deckung zu durchbrechen. 
Der Barbar ließ ihn herankommen. Schweiß brannte in seinen Augen. Als er urplötzlich den Schild hochriß und mit seinem Kurzschwert zustieß, wankte die heulende Kreatur verwundet zurück. 
Tosender Beifall erscholl von den spärlich besetzten Rängen. Doch Ulgar würdigte dem Mob keinen Blick. Mit einem überraschenden Ausfall schmetterte er dem Hobgoblin den Schild ins Gesicht. Das viehische Monstrum klatschte rücklings in den Sand, wo es reglos alle Viere von sich streckte. Als der Barbar genau über dem graupelzigen Wesen stand, gelang dem Hobgoblin noch ein verzweifeltes Knurren. Dann fuhr das schartige Kurzschwert tief in seinen ungeschützten Hals. 
Ulgars fünfter Kampf war zu ende. Siegreich und unverletzt hob er sein Haupt und salutierte dem grinsenden Mâssek, der wohlwollend in die Hände klatschte. 
Der Huerraiya sah sich um. Die Arena war nur zu einem Viertel gefüllt. Gelangweilte Adelige, grölende Söldner und arbeitsscheues Gesindel. Ulgar haßte sie alle. Für ihre Mordgier und ihr perverses Vergnügen. 
Den Blick auf die prunkvolle Ehrentribüne gerichtet, warf er sein blutiges Schwert in den Sand. Wenige Schritte neben ihm schickte Drongar Donnerstein seinen Gegner mit einem Wutschrei zu Boden. 

„Widerliches Gezücht„, brüllte er vorwurfsvoll und drohte Mâssek mit seiner kleinen geballten Faust. „Wann wirst du dich endlich selbst in die Arena wagen, Mâssek?„

Ulgar schüttelte sein Haupt. Derartige Verbalattacken entglitten dem Norgen immer öfter. Nicht das er um sein Leben fürchtete, doch betete er inständig, daß Mâssek nicht auf die Idee kam ihn als nächstes auf den Hügelzwerg zu hetzen. 

„Hobgoblins, pah. Welchen Besuch dürfen wir als nächsten aus Ulbachaka erwarten„, schnaubte Drongar und wischte seine monströse Schlachtaxt an der Lederrüstung des gefällten Wesens ab.
Der Norge wand sich um. Alle sieben der schrecklichen Großgoblins lagen erschlagen in ihrem dunklen Blut. Zwei gute Gladiatoren lagen mit verrenkten Gliedern neben ihnen. Elsam und Haige, die jungen Nordländer aus Nôrd-Keln. Beide hatten wacker gestritten, doch hatte sich die ruhmreiche Garde aus dem Land der Trolle für sie als zu stark erwiesen. 
Mâsseks blau gewandte Aufseher stürmten den Kampfplatz und eskortierten die erschöpften Sklaven in ihr Quartier. 
Wieder neigte sich ein Tag zu ende. Wieder waren beide Freunde siegreich gewesen.

In der späten Abendstunde hatten sich Ulgars Muskeln allmählich entspannt. Träge ruhte er auf seiner hölzernen Pritsche und bedeckte seinen bloßen Körper mit einer schmuddeligen Decke. 
Meister Donnerstein, sein einziger Freund in Mâsseks Zirkus, schnarchte markerschütternd auf seinem Lager an der gegenüberliegenden Wand. 
Der Barbar kaute auf einem winzigen Stück Süßholz. Nachdenklich sog er den Salmiak ähnlichen Geschmack ein. Bislang hatte er fünf Kämpfe überlebt. Neben der schönen Alanya hatte sich Ulgar einem hinkenden Oger, einem offensichtlich verwirrten Sabolen, einem gewandten Gladiator und zwei Hobgoblins erwehren müssen. Sein Freund, der rotbärtige Norge Drongar, vollendete an diesem Tag seine achtundvierzigste Herausforderung. Eine beachtliche Serie, die nur von einem bulligen Halboger, namens Boerngalf dem Mächtigen, übertroffen wurde. Ulgar rechnete fest damit Boerngalf als nächsten Kontrahenten gegenüberstehen zu müssen. Der zwölf Fuß große Koloß war Mâsseks Publikumsmagnet. Mit bloßen Händen hatte dieser einen ausgewachsenen Yrakbullen erschlagen und anschließend in die höher gelegenen Ränge der Ehrenloge geschleudert.
Ulgar versuchte zu schlafen. Im Moment standen ihm die Götter bei. Auch dem Norgen war offensichtlich Glimmals Wille gnädig.
 

Sieben Tage später hatte Mâssek den Barbaren zu einem seiner unverkäuflichen Kämpfer erkoren. In einem beeindrucken Duell voller Finten und meisterlicher Schläge besiegte Ulgar Nanjar den Schwarzen Tiger. Der gefürchtete Gladiator war einst Mâsseks Zögling, bevor Kalif Shador ihn für eine beträchtliche Summe an seinen Hof geholt hatte. Zahlreiche Kämpfe, jeder einzelne unvergessen, und die Eleganz einer Raubkatze machten Nanjar vorzeitig zu einer lebenden Legende unter den Arenasklaven. Sein nahezu perfekter Umgang mit dem Dreizack galt als unnachahmlich. Ebenso seine raffinierten Täuschungsmanöver, die das Schicksal seiner Opfer binnen weniger Sekunden besiegelten.
Doch war Hochmut Nanjars große Schwäche. Die bloße Überzeugung jeden Gegner mühelos töten zu können, hatte den schwarzen Sabyrer arrogant gemacht. Daher schenkte der glorreiche Kämpfer Ulgars Auftritten wenig Aufmerksamkeit; bis der ungestüme Barbar den stolzen Gladiator mit seiner Klinge reizte.
Knapp zwei Stunden lieferten sich beide einen atemberaubenden Zweikampf, der in die unrühmlichen Annalen der blutigen Spiele einging. Vorteile auf beiden Seiten zögerten den Kampfverlauf ins unermeßliche hinaus. Zu gut setze sich der Huerraiya zu Wehr und zu abgebrüht waren Nanjars Konter. 
Von unzähligen Wunden schwer gezeichnet, gelang dem jungen Ulgar dann der endgültige Schlag. Mit einem plötzlichen Blocken seines Schilds und einem anschließenden Ausfallschritt durchbrach der Hüne Nanjars Deckung. Ulgars Kurzschwert zuckte nur einmal, als der sterbende Publikumsliebling seinen ersten Kampf verlor. 
Kalif Shador hatte daraufhin Mâsseks Zirkus schlagartig verlassen und dem Eunuchen mit drastischen Konsequenzen gedroht. 
Doch der Ruhm der Unsterblichkeit und das Glück des Tüchtigen hatte das Volk überzeugt. Ulgar war über Nacht zu einem Held geworden. Zu einem Idol aller Sklaven. Versuchten viele Kämpfer seinen Stil nachzuahmen, so setzten wenige Tage später vermögende Zuschauer horrende Summen auf seinen Sieg. Schon gab es offene Angebote seitens einflußreicher Kaufleute, doch wehrte Mâssek sie mit einem müden Lächeln ab.
Längst waren Ulgars Kämpfe ausverkauft, trieb er doch Scharen von Schaulustigen in die Arena. 
Doch auch Meister Donnerstein wußte die Menge zu begeistern. Seine Zähigkeit und seine furchtlosen Attacken beeindruckte das Volk, so wie seine gutturalen Kampfschreie jeden Gegner zittern ließen. 
Zusammen mit Ulgar beherrschte er Mâsseks Zirkus. Ein Duo der Extraklasse, wie es unterschiedlicher nicht hätte sein können. Ein ausdauernder Huerraiya und ein scheinbar schmerzunempfindlicher Norge.

Längst waren aus Ulgar und Drongar zwei unzertrennliche Freunde geworden. Zusammen oder alleine forderten sie ihr Schicksal heraus. Fürchteten weder Tod noch Teufel und blieben siegreich bis zuletzt. Ulgar gewandt mit Kurzschwert, Handbeil oder Fäusten. Der Halbling rücksichtslos mit Hammer oder Streitaxt. 
Zu überlegen zwangen sie monströse Bestien und ungeschlachte Berserker in die Knie. Doch lehnte Mâssek weiterhin ihren großzügigen Verkauf reichen Adeligen gegenüber ab. Niemals würde sich der eunuchenhafte Sklavenhalter von seinem wertvollsten Kapital trennen, davon waren alle Kämpfer überzeugt. Doch die Hoffnung auf Freiheit war in ihren Herzen nie erloschen. 

Mehr als sieben Monate waren seit Ulgars Gefangennahme bereits vergangen.
Von tiefen Narben am Körper gezeichnet ruhte der große Huerraiya dösend auf seiner harten Pritsche. Die Augen fest geschlossen wanderte Ulgars Blick durch einen Schleier bunter Träume. Da waren ungestüme Pferde. Stolz und mächtig. Schnaubend erklommen sie den windigen Schattenkamm. Bäumten sich auf, als ein kreischendes Erdferkel nur knapp dem herabsausenden Speer des Jägers entkam.
Stimmen. Heisere Schlachtrufe und frohlockende Gesänge begleiteten Ulgar als er erhaben durch das Lager der ausgezogenen Kundschafter der Barbaren schritt. Braalk, Nemrôk, Selfs und die liebreizende Ulanja saßen aufgeregt schwatzend an einem knisternden Lagerfeuer. Ausgelassen warf die hübsche Barbarin ihm einen erlegten Hasen in die Arme. Ihre glitzernden Augen und das schallende Gelächter seiner engsten Freunde rissen Ulgar mit. 
Eisige Windböen, nieselnder Regen und der Geruch frischer Erde ließen Ulgars Gedanken fliegen. Niemals würde er seine Heimat vergessen. Niemals würde er seine Herkunft verleugnen. Nie würde er seinen Kult gegen die Religion eines fremden Gottes tauschen. Aber würde er jemals in seine Welt zurückkehren können?
Eine starke Hand an seiner Schulter riß den jungen Huerraiya aus seinem Traum. Seine schmerzenden Glieder beendeten jeden Gedanken an ein Leben ohne Sorgen.
Ulgars braune Augen blickten verschlafen in das bärtige Gesicht des zähen Norgen.

„Steh auf, mein Freund. Wir haben Besuch.„

Mißmutig richtete sich Ulgar auf und blinzelte an Drongar vorbei zur Tür. Verschwommene Schatten drängten sich in die kleine Zelle und manifestierten sich zu einer undurchdringlichen Wand der Schwärze. 

„Du Sklave mitkommen in Hof!„

Schlagartig kehrte Ulgars Bewußtsein zurück. Emrák der sadistische Kerkermeister versuchte wieder ihn zu reizen. Gelassen betrachtete der Barbar die gebrochene Nase des aufbrausenden Aufsehers. Der bullige Handlanger des Eunuchen hatte nur einmal versucht ihn mit seiner gespickten Peitsche zu schlagen. Nur einmal. Danach hatte man Ulgar in Ketten und Emrák bewußtlos aus der Zelle getragen.
Seine Nase war schief gewachsen und seine angeschwollenen Lippen ließen Emrák selbst wie einen geschunden Sklaven aussehen. Trotzdem hatte der Wächter nichts von seiner Autorität verloren. Im Gegenteil. Seine drastischen Bestrafungen hatten seit dem Vorfall mit Ulgar zugenommen. Daher bezweifelte er, daß seine Gegenwehr sinnvoll gewesen ist. Zumal auch andere Gefangene der Willkür Emráks ausgesetzt waren.
Als nun drei der blaugewandten Wachen Ulgar auf die Füße halfen, hielt sich Emrák zögernd zurück.
Ein kurzer Blick zu Drongar verriet nichts Gutes. Als sich die kleine Gruppe dann auf den Weg machte, schlossen sich ihnen weitere fünf Wachen im Gang an.
Jede mit einer Hand auf ihrem Säbel ruhend war ihnen ihre Nervosität sichtlich anzumerken. Ulgar versuchte zu lächeln, doch die Ungewißheit vor ihrem nächsten Kampf ließ ihn zittern. 

Die Mittagssonne schien am Himmel, als die beiden Kämpfer abwartend den sandigen Hof betraten. Schützend hielt Ulgar seine Rechte vor die Augen. Drongar schnaubte empört und versuchte es mit seinem Ellenbogen. 
Nahezu alle erfahrenen Gladiatoren hatten sich im Hof versammelt. Wie eine Legion der Verdammten standen sie Schulter an Schulter in einer geschlossenen Reihe. Emrák trieb die beiden Freunde ans Ende und gesellte sich rasch aus ihren Blickwinkeln. 
Drongar spie verächtlich auf den Boden und schätze die Reihe der schwitzenden Männer ab. Ungefähr vierzig Sklaven. Entschlossen, gut ausgebildet, aber unglücklich.
Unbewaffnet und nur in ihren kurzen Hosen und Schuhen wartend, verharrten die Kämpfer endlose Minuten. Bis sich das große Portal von Mâsseks Privatgemächern knarrend öffnete.
Die Männer hielten den hörbar den Atem an. Viele guckten rasch zu Boden, andere blickten starr geradeaus. Ulgars geschulte Ohren vernahmen nervöses Scharren und sogar ein kurzes plätscherndes Geräusch. 
Er selbst sah hinunter zu Drongar, der gleichgültig mit den Schultern zuckte. 
Emrák brüllte schnelle Befehle, was die zwei Dutzend Wachen stramm stehen ließ. Kampfbereit und mit militärischer Disziplin bildeten die Aufseher einen Spalier vom Portal bis in den Hof. 

Es war Mâssek, der hastig die Brücke zu seiner hölzernen Platte entlangschritt auf der er Ulgar vor Monaten noch gegen die Shey-Laya kämpfen ließ. 
Sein weißer seidener Umhang wehte wie ein Brautkleid, als er endlich vor den Männern zum stehen kam. Protzig und selbstherrlich schritt er die lange Reihe ab und blieb dann vor ihnen stehen. Seine himmelblaue Pluderhose und seine reichbestickte karmesinrote Weste wurde nur von seinem blaßgelben Turban übertroffen, den er anscheinend in höchster Eile schief gebunden hatte.
Sein gehetzter Blick überflog die Gesichter der muskulösen Männer und blieb schließlich auf Drongar haften. Zögernd blickte er dann zu Ulgar und deutete dem Barbaren mit einem Wink vorzutreten.

„Ulgar. Tausch den Platz mit Sanir. Sofort!„

Langsam trat der glatzköpfige Sabole vor und blickte unsicher zu dem Huerraiya. Als beide dann unschlüssig ihre Plätze eingenommen hatten, sah der Barbar die abgezählten dreiundzwanzig Männer zu Drongar zurück. Doch der Norge blickte nicht zu ihm. 

„Wir haben die Ehre eines unerwarteten Besuches„, begann Mâssek mit seinem Appell. 
„Kalif Shador Arek El Aben-ir verlangt den Genuß eines unvergeßlichen Kampfes. Eines Duells voller Leidenschaft und flinker Züge. Enttäuscht ihn nicht. Er verspricht dem Sieger Gnade und Tod dem Verlierer. Derjenige der den Kampf überleben sollte, darf sich als bezahlter Diener einen Namen an Kalif Shadors Hofe machen.„
Unschlüssig befeuchtete der Eunuch seine Lippen. Sein ausgeprägter Wanst bebte bei seiner unbeholfenen Kehrtwendung, als er eiligst die Stufen zur Plattform nahm. Die Männer sahen ihm nach. Hoffnungsvoll und ängstlich zugleich.
Ulgar massierte unschlüssig seine braungebrannten Handgelenke. Die breiten ledernen Armschienen klebten wie eine zweite Haut an seinen feuchten Armen. 
Ist es das, worauf ich solange gewartet habe? Kann ein Kampf mein Schicksal entscheiden und mich aus dieser Hölle bringen? Der Huerraiya sah wieder zu dem Norgen. Doch Meister Donnerstein erwiderte den Blick immer noch nicht. Ausdruckslos starrte der Halbling zu Boden und schien seine unmittelbare Umwelt vergessen zu haben. 
Als das Portal wenig später erneut nach außen schwang, war es um die Beherrschung der meisten Männer geschehen. Schweißausbrüche, Zittern, gemurmelte Flüche und der scheue Blick zu Boden hielt die meisten von ihnen ab einen klaren Gedanken zu fassen.
Ulgar zählte nicht dazu. Abwartend wurde er Zeuge eines imposanten Schauspiels, das er bis an sein Lebensende nicht vergessen würde. 

Wieder war es der dickbäuchige Eunuch, der mit großen Schritten die hölzerne Brücke überquerte. Aufgeregt sah er wieder und wieder über seine Schulter zurück. Als er in steifer Verbeugung auf der Plattform verharrte, trat der mächtigste Mann des sabyrischen Kalifats ins Sonnenlicht. Eingehüllt in ein hauchdünnes Seidengewand rauschte der vergnügungssüchtige Herrscher ins Freie. Ein halbnackter Diener, bekleidet mit einer goldenen Kette um seinen sehnigen Hals und einem blutroten Lendenschurz trug vorsichtig die nachtblaue Schleppe Shadors.
Würdevoll blickte der glattrasierte Sabyre von dem wartenden Mâssek hinunter in den Hof. Mit einem Nicken seines spitzen Kinns trat er an ihm vorbei. 
Als wäre der fesselnde Anblick des willkürlichen Regenten alleine nicht genug, so trug Shadors Gefolge dazu bei, daß sich die Herzen der Kampfsklaven mehr und mehr verkrampften. Kurz nach Shadors Auftritt folgten die Linke und die Rechte Hand des Kalifen und traten wortlos an dem immer noch ausharrenden Mâssek vorbei. Gemächlich stiegen die beiden gefährlichen Männer die Stiegen hinab und gesellten sich zu ihrem Fürsten in den Hof.
Ulgars Augen sahen wieder klar. Er erkannte Shadors Schoßhunde, hatte er sie sonst nur aus der Ferne bemerkt. 
Der eine war Shadors Schwerträger namens El Vandil. Ein Waffenmeister und begnadigter Kampfsklave. Das sabyrische Blut in seinen Adern war unverkennbar. Seine leicht gebräunte Haut, seine kurzen schwarzen Haare und die hellblauen Adleraugen verliehen ihm eine attraktive, wenn auch tödliche Aura. Der wortkarge Krieger trug eine dunkelbraune mit goldenen Symbolen bestickte Tunika. An seinem schmalen Gürtel hingen zu beiden Seiten je ein kostbares Stilett. Herausfordernd wanderte sein Augenmerk über die Gesichter der eingeschüchterten Männer, bis er, mit einem anerkennenden Nicken, den jungen Barbaren begrüßte.
Die zweite Person an Shadors Seite war sein treu ergebener Hofmagier Kakan A´le Zay. Der schmächtige Zauberer hüllte seinen ausgemergelten Körper in ein blütenweißes Stoffgewand. Seine kurz geschorenen Haare und seine bloßen verdreckten Füße ließen auf einen armseligen Lebensstandard schließen. Doch überzeugte der knotige Stab in Kakans Händen seine Spötter schnell vom Gegenteil. Als hochtalentierter Adept der Schwarzen Kunst war A´le Zays Können bis nach Nyrmillia gedrungen. Selbst der neutrale Erzmagier Treumond Algerein respektierte ihn als einen Mann der Gilde. 
Doch auch ihr Erscheinen sollte noch bei Weitem übertroffen werden. Als wären Golums heiligste Diener vom Himmel hinabgestiegen, so raubte die zarte Schönheit Ulgar fast den Atem. Leichtfüßig und von graziöser Anmut schritt das Mädchen engelsgleich an dem gebeugten Eunuchen vorbei und blieb lächelnd vor den Männern stehen. Ihre grünen Augen musterten die athletischen Leiber katzenhaft, während ihre schmalen Lippen sich zu einem diabolischen Grinsen verzogen. Nie hatte der Barbar eine solch faszinierende Weiblichkeit erlebt, deren bloßer Auftritt ihm fast um den Verstand brachte. 
Ihr wallendes, glattes braunes Haar rahmte ihr unschuldiges feines Gesicht ein; so passend wie das knappe Kostüm aus hellem Schlangenleder, das ihren perfekten Körper nur spärlich verdeckte. Reich verzierte Sandalen und kostbares Geschmeide an Händen und Füßen zeugten von ihrem luxuriösen Lebensstil. Ulgar bemerkte ihre dunkel lackierten Nägel, eine Art der Mode, wie sie nur den Reichen im Kalifat gestattet war.
Abschätzend sahen ihre glänzenden Augen in seine Richtung, als ein Flüstern Shadors sie zum Gehorsam zwang.

Mâssek hingegen war polternd die Stufen herunter gestolpert und hielt sich zurück. 
Als Shadors scharfer Blick die eingeschüchterten Männer eindringlich gemustert hatte, holte ein kurzer Wink Mâssek hervor. Verlegen trat der Eunuch an die Seite seines Gebieters. Betreten sah er auf den Boden und vermied es seine Gladiatoren anzublicken. 
Ein Hauch von Lilienwasser kitzelte in Ulgars Nase, als ihm die betörende Geliebte des Kalifen zuzwinkerte. Ein kurzes Lächeln, eher ein Grinsen und der Huerraiya erwiderte den Gruß.
Als hätte Shador es bemerkt trat der prächtig gewandte Herrscher an ihn heran. 

„Du bist mir was schuldig Mâssek„, sagte er tonlos und tippte mit seinem schlanken Finger Ulgar auf die nackte Brust.

„Nanjar hat gut gekämpft, Shâleb. Er starb in einem fairen Kampf. So ist das Gesetz der Arena.„ Der fettleibige Eunuch wischte sich den Schweiß von seiner Stirn. Angewidert stopfte er das vollgesogene Seidentuch rasch in seine Hosentasche. Als hätte seine unterwürfige Anrede den Kalifen überzeugt, wand Shador sich langsam von dem Barbaren ab. Wählerisch schritt er die Reihe der Kämpfer ab und kehrte schließlich zu seinem Ausgangspunkt zurück.

„Laß Wein und Zimtstangen in die Ehrenloge bringen, Mâssek. Lakara soll an meiner Stelle die Kämpfer wählen.„ Mit einem zufriedenen Lächeln reichte er seiner Geliebten die Hand. Als sie selbstbewußt vortrat, leckte ihre Zunge verführerisch über ihre weichen rosigen Lippen. 

„Ich wähle diesen Mann„, hauchte sie flüsternd und deutete mit ihrem Zeigefinger auf den Sklaven direkt neben Drongar. Der Halbling brummte etwas unverständliches in seinen feuerroten Bart. Der aufgerufene Gladiator schluckte.

„Léso, vortreten!„ Mâsseks Stimme überschlug sich fast vor Erleichterung als der athletische Mann aus Morgoroth vortrat. 

Léso, ein gewandter Kämpfer mit dem Dreizack, wurde von El Vandil in Empfang genommen. Seine kurz geschorenen Haare waren schweißgetränkt, als er neben dem Waffenmeister stehen blieb. Wie alle Sklaven trug er nichts als eine Hose und ein Paar Stiefel, doch das sollte sich in den nächsten Augenblicken ändern. 

„Und ich will den Riesen dort.„ Lakaras honigsüße Stimme schnitt Mâssek regelrecht ins Fleisch. Resigniert zuckte er mit den Schultern. Noch bevor er den Namen aufgerufen hatte, trat Ulgar vor.

„Euer Wunsch ist mir Befehl.„ Beinahe hätte er über seinen Tonfall gelacht, doch die Tatsache das er und nicht Drongar um die Freiheit kämpfen durfte hemmte seine Freude. 
Abwartend gesellte er sich neben Léso. El Vandil lächelte. 
 
„Eine vorzügliche Wahl, meine Dame. Der Kampf wird euch gefallen. Ihr werdet....„

„Ich hätte da noch einen Wunsch Mâssek.„ Shadors Stimmgewalt ließ den Eunuchen zittern. 
„Ich mache mir nicht die Mühe für nur ein Duell die Sicherheit meines Palastes zu verlassen. Es sollen zwei weitere Kämpfer bestimmt werden. Die jeweiligen Sieger treten anschließend gegeneinander an.„

Nervös sah Mâssek wieder auf die Reihe seiner Sklaven.
„Möchte irgendeiner von euch freiwillig um die Gunst des Kalifen streiten? Bedenkt dem Sieger wird die Freiheit gewährt.„

Vereinzelte Hände wurden gehoben. Verlegene Hier Rufe erklangen. Doch der Norge rührte sich nicht.
Lakara gluckste. Als ihre funkelnden Augen ihren Wohltäter trafen, nickte dieser mit dem Kopf.
„Ich möchte bestimmen, Mâssek.„

Stöhnend schüttelte der Sklavenhalter sein Haupt. Seine stillen Gebete wurden erhört, als Lakara den kahlen Sabolen ernannte. 

„Sanir, vortreten!„ Seine Gedanken rasselten alle ihm bekannten Danksagungen herunter. Als er den Göttern mit einem flüchtigen Kuß auf seine beiden Handknöchel bedachte, konnte er sein Lächeln nicht verbergen. Gönnerhaft verbeugte er sich vor der anmutigen Lakara. „Ein Kämpfer der Extraklasse, meine Dame. Sein Stil wird euch gewiß erfreuen.„
Als Shadors Geliebte schließlich auf einen muskulösen dunkelhäutigen Sabyrer wies, kam ihr El Vandil zuvor.

„Wenn ihr einen ausgewogenen Kampf bevorzugt, so wählt den Halbling zu eurer Rechten.„

Mâsseks Kinnlade klappte herunter. Mit einem flehenden Blick zu Lakara versuchte er sich verzweifelt Gehör zu verschaffen. 
„Aber, aber, meine Dame. Das ist ein Norge. Gedrungen, unbeweglich und euer Auge nicht im geringsten würdig. Nehmt doch Makkai den Kopfjäger, den blonden Nordländer dort drüben oder den gewandten Esloy aus Nes-Fatan.„
Händeringend zeigte der Eunuch auf die stattlichen Gladiatoren, die weit außerhalb der Nähe des Hügelzwerges verharrten. 
Drongar nahm seine Erwägung ohne jegliches Mienenspiel hin. Regungslos kaute er auf seiner Unterlippe und spie unbeeindruckt in den Sand.
Ulgar hingegen war außer sich. Er wußte welches Paar um das entscheidende Duell ringen würde. Nur einer, hatte Mâssek gesagt. Würde Shador eventuell auch zwei ausgezeichneten Kampfsklaven Gnade erweisen? Oft hatte der Huerraiya an diese Konstellation gedacht. Doch wie er wußten alle, daß Mâssek seine besten Gladiatoren niemals für einen derartigen Schaukampf regelrecht verheizen würde. Doch Ulgar hatte sich bewiesen. Hatte diesen Kampf heraufbeschworen, als er Shadors Lieblingssklaven Nanjar besiegte. Der eigensinnige Kalif wußte nur zu gut, wie er seinem Widersacher schaden konnte. Seine Rache war gelungen. Mâsseks Zirkus würde zumindest einen seiner Publikumsmagnete verlieren. Für immer.

„Ich kenne ihn„, säuselte Vandils schmeichelhafte Stimme in ihr Ohr. „Ein Axtkämpfer gegen einen Meister des Kampfstabs. Unterschiedlicher könnte ein Duell nicht sein. Sicher, der Norge ist nicht im entferntesten so attraktiv wie der Sabyre. Doch finde ich einen Kampf zweier Stockwaffen eher uninteressant. Kein Blut, keine scharfen Enden. Nur blankes Holz. Der Norge ist ein zäher Kämpfer. Ausdauernd, beinahe schmerzunempfindlich.„
Die hübsche Lakara nickte beiläufig. 

„Vielleicht habt ihr Recht, Waffenmeister. Aber ich würde gerne diesem Barbaren meinen Siegerkranz überreichen. Glaubt ihr er hätte eine Chance gegen diesen tobenden, wie sagtet ihr, Noggen?„

„Norgen, meine Dame. Hügelzwerg, Halbling oder bärtiger Gnom, ganz wie ihr wollt.„ Die Stimme des Waffenträgers Shadors triefte vor zynischem Sarkasmus. „Glaubt mir. Ich kenne mich in der Hinsicht bestens aus. Nehmt den Norgen und euer Kampf bleibt unvergessen.„
Unschlüssig wand sich Lakara dem Kalifen zu. Ihr mädchenhaftes Achselzucken wurde von ihm mit einem zufriedenen Kopfnicken abgetan. Wie auch seinem Waffenmeister gegenüber, der Shadors Anerkennung mit einer leichten Verbeugung zur Kenntnis nahm.

„Ich verlasse mich auf euch El Vandil. Der Zwerg möge vortreten.„

Mâssek schien um Jahrzehnte gealtert zu sein, als er Meister Donnerstein mit einem kurzen Wink aus der Reihe nahm. Er hatte verloren. Sein wertvollstes Kapital zerfloß an einem Nachmittag. Zähneknirschend nahm er den kleinen Beutel seines Gebieters entgegen. Das Gewicht verriet Gold. Doch würde ihn die Summe über den Verlust zweier Helden hinweghelfen? Sein gequälter Blick wurde von Ulgar erwidert. Die Mienen der anderen Kämpfer zeigten Furcht. Innerlich hatte sie mit ihrem Leben abgeschlossen. Drongar war keine Gefühlsregung anzumerken. Doch alle sahen, wie das Urteil ihm das Herz zerriß. 
Unter Shadors gehässigem Lachen und El Vandils lüsternem Blick verließen die vier Kämpfer den Hof. Bereit sich für ihren letzten Kampf zu rüsten. Bereit zu sterben.
 

Kalif Shador Arek El Aben-ir und sein vergnügungssüchtiges Gefolge hatten es sich in der abgeschirmten Ehrenloge von Mâsseks Zirkus bequem gemacht. 
Zwei wohlgenährte Dienerinnen des Eunuchen hatten Tablette mit duftenden Zimtstangen und Karaffen dunkelroten Weins gebracht. Mißmutig schielte der einst so stolze Sklaventreiber auf seinen selbstherrlichen Lehnsherren, der sich erwartungsvoll auf feinsten Samtkissen räkelte. 
Shadors Leibwache, sein Hofmagier und sein Waffenträger, standen regungslos hinter dem throngleichen Marmorsitz. Lakara streckte ihren prächtigen Körper auf einem mit rotem Samt bezogenen Diwan aus. Genußvoll ließ sich die ehemalige Tänzerin von dem dunkelhäutigen Sklaven bedienen, der ihr spielerisch Trauben und Beeren in den geöffneten Mund steckte.
Geschlagen kippte Mâssek den vierten Becher seines kostbaren Orchidiés herunter, einem Wein dessen Verzehr in nyrmillias Kaiserreich selbst den wohlhabendsten Aristokraten zu spärlichen Rationen zwang.
Benebelt nickte er dem Kalifen zu und ließ sich den Zinnbecher erneut füllen. Wenigstens ein Ende mit Stil, dachte der entehrte Mâssek und gab seinen Wachen im Hof das ersehnte Zeichen.
Die Ränge waren leer als das ungleiche Gladiatorenpaar die Arena betrat. 
Von oben betrachtet wirkte die Szenerie beinahe komisch. So komisch, daß Mâssek sein bellendes Lachen nicht verkneifen konnte. 
Als Sanir, der kahle Sabole, seinen Kampfstab zum Gruß schwang, wirkte Drongars Ehrerbietung beinahe lächerlich. Mit einem gelangweilten Wedeln seiner Bartspitze und einem Grunzer in Richtung Ehrentribüne nahm der Norge Kampfstellung ein.
Wie zu jedem Schaukampf trug Meister Donnerstein seine abgenutzte Lederrüstung und seinen zerbeulten Helm. Seine kurzen Finger schlossen sich fest um den Schaft seiner gewaltigen Streitaxt, während die scharfen Augen jede Bewegung des Gegners verfolgten. 
Sanir trug neben einem Lendenschurz nur zwei leichte Panzerungen. Eine rostige Stahlschiene, die seinen linken Arm bedeckte und selbige um sein linkes Schienenbein gebunden. Eine leichte Ledermaske mit großen Augenschlitzen verdeckte sein ausdrucksloses Gesicht. Flink wirbelten seine Hände den schrittlangen Kampfstab, als er zögernd den ersten Angriff einleitete. 
Von einem schäbigen Gitterfenster in den finsteren Katakomben der Arena verfolgte Ulgar zitternd den Kampf seines treuen Freundes. 
Ulgar und sein Gegner Léso waren nach ihrer Ernennung von dem anderen Paar getrennt worden. Trotz vehementer Bemühung war es dem Huerraiya nicht gelungen die Wächter dazu zubringen ihn noch einmal zu Drongar vorzulassen. Aus gutem Grund. Er hätte dem Halbling so viel zu sagen gehabt. 
Krampfhaft klammerten sich die schlanken Finger des Barbaren um die eisernen Stäbe. Als unter lauten Jubelrufen der Sand in der Arena wirbelte, schloß Ulgar seine Augen. Nur seine Ohren nahmen die rasch aufeinanderfolgenden Schläge der Kämpfer wahr. Stöhnen, Husten, hin und wieder ein erstickter Aufschrei, doch der Kampf war noch lange nicht entschieden.
Entmutigt wand er sich dem Mann aus Morgoroth zu. Léso, sein einziger Landsmann in Mâsseks Zirkus, blickte resigniert auf. 

„Ein perfekt eingeleitetes Spiel„, bemerkte er beiläufig. „Du weißt, wer von den beiden den Kampf überleben wird.„ Seine dunklen Augen zeigten tiefes Mitgefühl.
Ulgar nickte und legte Léso seine große Hand auf die Schulter. Ein fester Druck und der Barbar hatte alles gesagt. Mit Tränen in den Augen nahm er neben dem Gladiator auf der Steinbank Platz und versuchte seine Gedanken zu ordnen. 
Scheinbar endlos währte das Duell der beiden Kämpfer, bevor ein heiserer Siegesschrei die angespannte Stille zerriß. Ulgar wußte es. Der Ruf war in sabolisch. 
Ungestüm sprang er an das Fenster und brüllte seine Trauer in die leeren Zuschauerränge. Blinzelnd nahmen seine feuchten Augen den torkelnden Sabolen wahr, der mit einer klaffenden Wunde an seinem Unterleib dem Kalifen salutierte. Ein gelangweilter Applaus gestattete dem schwer verwundeten Sklaven die letzte Ehre. Dann brach der kahlköpfige Kämpfer neben dem regungslosen Körper des Norgen zusammen. 
Eine Schar von Mâsseks Dienern stürmte die Arena. Rasch legte sie die bereitgehaltenen Bahren zu Boden um sie schnell mit den Toten zu beladen. Im Eiltempo hasteten die leichtbekleideten Männer zurück in die Katakomben, um die Leichen auf einen Karren zu werfen. Ulgar wankte. Blind vor Schmerz und Trauer drängte er sich an den eintretenden Wachen vorbei. Bevor die überraschten Wächter reagieren konnten, hatte der Huerraiya Drongars Bahre erreicht. Voller Panik stob die Dienerschar auseinander und ließ den Barbaren mit dem sterbenden Norgen allein. 
Flehend sah Ulgar auf seinen Freund herunter. Sanirs Kampfstab war während des Kampfes von Drongar zerteilt worden. Ein spitzes Ende steckte tief in seinem breiten Hals und bescherte dem Hügelzwerg ein qualvolles Ende. Als Ulgar versuchte den splitterigen Schaft zu entfernen, schlug der Norge plötzlich seine Augen auf. 

„Du schaffst es, Drongar. Wir werden diesen Ort gemeinsam verlassen. Niemand wird uns aufhalten.„ Ulgars Stimme war mehr ein Wimmern. Nie zuvor hatte der stolze Barbar solch großen Schmerz empfunden. Als die abwehrende Geste des Norgen ihn von seinem Rettungsversuch abhielt, waren Drongars letzte Worte kaum verständlich. Hastig versuchte er ausreichend Luft zu atmen. Doch ein Röcheln machte seine Stimme zu einer schwächlichen Sprache des Todes. 

„Es ist zu Ende, mein Freund. Ich bin frei.„ Rinnsale dunklen Blutes sprudelten aus seinem zusammengepreßten Mund und verliefen sich in seinem dichten Bart. 
Ulgar schüttelte verzweifelt sein Haupt. Bevor er etwas erwidern konnte, verzogen sich Drongars Lippen zu einem zufriedenen Lächeln.
„Ich hätte es nicht getan, Junge. Genausowenig wie du.„

„Aber..„ Ulgar konnte es nicht begreifen. Der Mann, der ihm seinen Lebenswillen zurückgegeben hatte, würde Ulgars Versprechen nicht erleben. Nie würde der warmherzige Norge den Schattenkamm besuchen. Nie würde er Ulgars Volk bei der Jagd zusehen können. Nie würde er die inbrünstigen Gesänge der Huerraiya an ihren Lagerfeuern hören. 
„Ich habe dich geliebt wie einen Bruder. Mögen die Götter dich begleiten, wo immer deine Seele ihre Ruhe findet.„
Sanft strich er über Drongars furchige Wange und drückte ein letztes mal seine kleine Hand. Dem kraftlosen Händedruck folgte ein schwerer Hustenanfall. Dann blickte der Norge noch einmal zu ihm auf. 

„Es ist Glimmals Wille„, flüsterte er kaum hörbar. „Er wird dich aus dieser Hölle retten. Er...„

Beinahe zärtlich schlossen Ulgars Finger die starren Augen. Dann nahm er die monströse Streitaxt des Zwerges an sich. Mit einem letzten Blick auf seinen Freund erhob er sich und trat entschlossen an den wartenden Wachen vorbei. Einen grauhaarigen Diener bat er Drongars Leiche würdevoll aufzubahren, als sieben schwer bewaffnete Wächter ihn in die Arena geleiteten. 
Ein Kampfrichter mit Léso an seiner Seite schlossen sich ihnen an. Wie zu erwarten, trug der Mann aus Morgoroth einen ausbalancierten Dreizack in der Hand. Eine fratzenhafte Maske aus Metall war sein einziger Schutz. Sein kurzes Nicken wurde von Ulgar erwidert. Dann, wenige Schritte später, hatten sie die Katakomben verlassen. 
Ihre nackten Oberkörper glänzen in der stechenden Sonne, als sich das Gladiatorenpaar vor der Ehrenloge wiederfand. Léso verbeugte sich steif vor den wartenden Gästen, während Ulgars starrer Blick Lakaras unbekümmerte Miene musterte. Als ein grinsender El Vandil dem Kampfrichter das ersehnte Zeichen gab fuhr der riesige Barbar herum.
Lésos Augen zeigten Entschlossenheit, doch konnte Ulgar eine Spur von Unsicherheit erkennen. Noch nie hatten sich beide Männer im Kampf gegenübergestanden. Aber die Überlegenheit des Huerraiya ließ nicht den geringsten Zweifel aufkommen. Der ausgebildete Gladiator aus Morgoroth war kein Anfänger, aber Ulgars Trauer war stärker als sein unbändiger Wunsch nach Freiheit. 
Krachend schlug die doppelschneidige Streitaxt auf die dünnen Spitzen von Lésos Dreizack. Dem zweiten herabsausenden Hieb der mächtigen Waffe entging er nur knapp. Fassungslos starrte Léso auf die bereits verbogenen Ausläufe seines Dreizacks, als ihn Ulgar immer weiter durch die Arena trieb.
Schweiß brannte in seinen Augen. Seine muskulösen Arme zitterten vor Anstrengung. Immer wieder rief er sich das Bild seines sterbenden Freundes ins Gedächtnis. Seine ungestümen Ausfälle kannten keine Vorsicht mehr. Wie leicht hätte ein erfahrener Krieger Ulgars Taktik durchschauen und den keuchenden Barbaren ermüden lassen können. Wie einfach war es den schnaufenden Riesen heranzulocken um ihm dann rasch den Todesstoß zu versetzen. Doch der vor Entsetzen gelähmte Léso dachte nicht daran. Nur einmal war ihm ein kurzer Streich gelungen, der einen blutigen Striemen auf Ulgars linkem Oberarm zurückgelassen hatte. Als er dann im heißen Sand ins Straucheln kam, drosch ihm ein wuchtiger Schlag die Waffe aus den zitternden Händen. Ein harter Tritt in seine ungeschützte Brust schickte Léso in den Staub. Röchelnd landete er auf seinem Rücken. Den Gnadenstoß vor Augen blieb er regungslos liegen. Doch er wartete vergebens. 
Mit einem letzten Aufschrei wirbelte der große Barbar urplötzlich herum und schleuderte die wuchtige Hiebwaffe in Richtung Ehrenloge. Danach ging alles sehr schnell. 
Später würde Ulgar behaupten, daß er seinem sicheren Tod zuvor gekommen wäre. Doch der gut gezielte Wurf der rasend übereinander schlagenden Axtblätter erreichte nicht sein Ziel.
Es war Kakan A´le Zay der seinem Herrn das Leben rettete. Wie eine Viper schoß der schmächtige Magier zwischen den Sitzen hervor. Seine dünnen Finger malten komplizierte Muster in die Luft, während seine Lippen tonlose Silben formten. Knapp einen Augenblick später zerbarst die heran zischende Zwergenwaffe in einem grellen Funkenregen. Holzsplitter und winzige glühende Metallstücke regneten harmlos vor Mâsseks Ehrengästen nieder und verschwanden ebenso schnell im aufgewirbelten Sand der Arena. Nur ein übel riechender Rauchfaden in der Luft deutete das vereitelte Attentat an. Als der Rauch allmählich verblaßte war Lakaras verängstigtes Schluchzen der einzige Laut, den Ulgars Ohren noch bewußt vernahmen. Irritiert blickte er hinunter zu Léso. Doch der besiegte Gladiator hielt seine Augen furchtsam geschlossen.
Mit versteinerter Miene erhob sich Kalif Shador. Sein anerkennender Blick in Kakans Richtung ließ den feisten Eunuchen Mâssek zittern. Selbst El Vandil, der Waffenträger, sah ungläubig zu dem Magier herüber. Doch A´le Zay nahm sie nicht wahr. 

„Töte ihn, Kakan!„ Shadors Hand wies vorwurfsvoll auf den wartenden Huerraiya. Doch der angesprochene Magier reagierte nicht. 
„Hörst du nicht? Dieser Mann ist des Todes. Vernichte ihn!„ Die Stimme des Kalifen überschlug sich vor Haß. 
Kakans Hand zuckte nach vorn. Als er die magischen Worte flüsternd wiederholte schoß ein gleißender Lichtstrahl aus seinen Fingern in die Kampfbahn. Spielerisch lenkte der Zauberer das Geschoß mit einem wispernden „Zeshu„ bevor der zerstörerische Blitz in ein anderes Ziel einschlug. Von ungeheurer Kraft getroffen rollte Lésos Körper wenige Schritte über den Boden. 
Seine kreischende Todesschreie hallten von den steinernen Wände wider, als züngelnde Flammen wie ein Inferno ihn umschlossen. Der Gestank verbrannten Fleisches ließ Ulgar würgen. Es dauerte endlose Augenblicke bis der beißende Qualm die Sicht auf seinen Kameraden freigab. Wie betäubt wand sich der Barbar ab und vergrub das Gesicht in seinen Händen. Weinend brach er zusammen und erwartete den nächsten Schlag.
Mâssek wußte nicht wie ihm geschah. Seine wertvollsten Gladiatoren getötet. Einem Attentat auf seinen Herrn entgangen. Dem Zorn seines Gebieters hilflos ausgesetzt. Und einer röchelnden Lakara ausgeliefert, die sich in hohem Bogen über seine feinen Kleider erbrach.
Shador drohte seinem Magier mit der Faust. Noch bevor er El Vandil zur Hilfe rufen konnte, breitete Kakan beschwichtigend die Arme aus. 

„Dieser Mann ist voller Zorn, mein Gebieter. Er ist wie geschaffen für eure Pläne. Reine Verschwendung ihn zu töten.„ Seine krächzende Stimme steigerte Shadors Tobsuchtsanfall um so mehr. Anklagend wies er mit geballter Faust in seine Richtung. 

„Du widersetzt dich mir, Zauberer? Dank meiner Milde bist du nicht vor dem Erzmagier gelandet, als du dich der Chaosmagie gewidmet hast. Vergiß das nicht!„ Die funkelnden Augen des Kalifen bohrten sich wie Dolche in sein Herz. 
„Er wird uns dienen, mein Gebieter. Verlaßt euch darauf. Ich kann seinen Geist beeinflussen. Laßt ihn in mein Labor bringen und er wird eure Marionette. Einen derartigen Kämpfer werden unsere Feinde fürchten. Ich kann seine Stärke noch verdoppeln, wenn ihr mich laßt.„
Kakans Hände rangen um Zugeständnis. Aus den Augenwinkeln sah er einen schlotternden Mâssek, der sich jammernd mit einem Seidentuch bemühte das besudelte Gewand zu säubern.

„Also gut, Magier.„ Shador raffte sein Gewand zusammen und schritt an Mâssek vorbei die Stufen runter. Sein Diener, der dunkelhäutige Sklave, folgte ihm. Mâssek hastete wimmernd hinterher. El Vandil nahm die geschwächte Lakara an seine Seite und blickte über die Schulter zurück zu Kakan. Doch der händereibende Hofmagier hatte nur noch Augen für seine neuste Errungenschaft. Einen gebrochenen Barbaren.

Acht blaugewandte Wächter hatten Ulgar in die Katakomben gebracht. Widerstandslos ließ sich der Hüne von ihnen an den Handgelenken fesseln. Ihre rauh klingenden Wortschwalle dröhnten in seinem Geist. Scheinbar waren sie froh darüber den gefährlichen Barbaren für immer loszuwerden. Als ihm wenig später ein häßlich grinsender Emrák eine schallende Ohrfeige verpaßte, kehrte sein Bewußtsein zurück. Mit angewinkelten Armen baute sich der ungeschlachte Kerkermeister vor ihm auf. Den nächsten Schlag vor Augen taumelte Ulgar rücklings gegen die Wand. Emrák spie auf den Boden und langte nach seiner Peitsche. Ein heranstürmender Wächter wurde von ihm mit einem Schlag zurückgetrieben. Keiner der Wachen würde ihn davon abhalten Genugtuung zu üben. Shadors Sklave oder nicht. 

„Ich dich töten, Sklave. Du gefesselt und harmlos.„
Emráks splitterbesetzte Peitsche zuckte heran, doch Ulgar wand sich behende zur Seite. Die achte Männer liefen auseinander. Jubelnd feuerten sie ihren Hauptmann an, der seinen zweiten Angriff einleitete. 
Ulgar rief sich den sterbenden Norgen vor Augen. Sah die verkohlte Leiche Lésos im Staub. Sein Kampfwillen kehrte schlagartig zurück, als er mit Brachialgewalt seine dürftigen Fesseln sprengte. Der herausfordernde Emrák wurde mit einem Schlag, der einem Yrakbullen das Genick gebrochen hätte, gefällt. Dann stürmten die acht Männer auf ihn ein. Unbewaffnet versuchten sie den wilden Barbar zu bändigen. Doch Ulgars große Fäuste schmetterten sie zurück. In einem kurzen Gefecht brach er einem Mann die Nase. Zerschmetterte einem anderen den Kiefer und kugelte einem weiteren die linken Arm aus der Schulter. Ein vierte ging mit einer Kopfnuß zu Boden. Als er dem fünften mit einem gräßlichen Geräusch das Genick brach, griffen die restlichen drei Wachen zu ihren abgelegten Krummsäbeln an der Mauer. Wie ein Mann zogen sie ihre Klingen und hielten den rachsüchtigen Barbaren auf Distanz. Dieser griff sich einen der ohnmächtigen Wächter und stemmte seinen Körper mühelos in die Höhe. In einem geringen Kraftakt warf Ulgar den reglosen Mann auf die Angreifer, die fluchend unter ihm begraben wurden. 
Der Barbar langte nach einem fallengelassenen Säbel und eilte mit großen Schritten aus dem Raum. Er kannte die Gänge der Katakomben auswendig und bog rasch in den von ihm gesuchten Flur. Als er zwei verdutzte Diener passierte, sah er gerade noch wie sich der Karren mit den Toten in Bewegung setzte. Der grauhaarige Diener auf dem Kutschbock blickte entgeistert auf, doch Ulgar gebot ihn zu schweigen. Drongars, Lésos und Sanirs Leichen hatte man in weiße Leintücher gewickelt. Den Göttern dankend zog der Huerraiya ein unbenutztes Tuch aus der Wagenwand und bedeckte sich vor den neugierigen Blicken. 

„Fahr schon„, zischte er dem Alten zu. Der rumpelnde Karren, von zwei kräftigen Ochsen gezogen, steuerte auf das hintere Tor von Mâsseks Zirkus zu. Flehend sah sich der Diener um, doch weder die Handvoll Wachen, noch sein Herr Mâssek hielt den Wagen auf. Der Karren folgte einer breiten Straße und bog dann in die leergefegten Gassen Culhanivens ein. 
Es dämmerte bereits, als Ulgar und der nervöse Diener das Stadttor erreichten. Wie der Barbar von ihm erfahren hatte, ließ Mâssek alle Toten vor den Mauern, auf einem unscheinbaren Friedhof begraben.
Noch einmal nahm der Hüne Abschied von seinem treuen Freund. Zusammen mit Aljan, dem Diener, bettete er die zwei Leichen in ein ausgehobenes Grab. Auf Ulgars Wunsch hin sollte der Norge einzeln bestattet werden. Noch bevor der Huerraiya zu einem Spaten greifen konnte, drückte Aljan ihm zwei Goldmünzen in die große Hand.

„Geh endlich. Sie suchen dich bereits.„ Ulgar starrte ihn an. Ein schwaches Lächeln umspielte sein Gesicht. „Folge diesem Weg. Nach wenigen Meilen wirst du einen kleinen Hafen in einer Bucht entdecken. Große Segelschiffe fahren da nicht, aber seetauglich sind sie allemal. Gib die Münzen einem Kapitän namens Sheléf Ben Shêbonur und sag ihm Aljan schickt dich. Er wird es verstehen und dich nach Nyrmillia bringen. Doch verstecke dich an Deck. Sheléf wird vor Ende der Woche nicht die Segel hießen. Geh nun und beeil dich. Die Götter werden dich beschützen.„
Ulgar umarmte den alten Diener behutsam.
„Habt Dank für alles. Ihr habt Besseres verdient als dorthin zurückzukehren.„ Mit einem letzten Blick zu Drongar lief der Huerraiya los. Mit Tränen in den Augen schlug er den gewiesenen Weg ein. Die Münzen fest in seine Hand gepreßt.
 
„Du bist nicht der erste„, wisperte Aljan leise.
Als der große Barbar aus seinem Blick verschwunden war, machte sich Aljan daran das letzte Grab auszuheben. Das Grab eines Sklaven. Die Ruhestätte eines Helden.