Himmelsstürmer von Heavenfly

Er flog über die Wolken und genoss den Wind unter den Flügeln. Tief unter sich sah er dunkle Gebirge, tiefdunkle Seen und schattige Wälder neben sonnenbeschienenen Wiesen. Er liebte die Freiheit, die ihm der Flug vermittelte und er wollte nie aufhören, so dahin zu gleiten. Seine Schwingen bewegten sich mühelos, trotz der weiten Strecke, die er schon zurück gelegt hatte und sein Atem ging ruhig und regelmäßig. Seine Schuppen glitzerten in den verschiedensten Brauntönen und sein Schwanz peitschte in der Luft hin und her, wodurch sein Flug ein wenig unruhig und somit aufregender wurde. Hier am Himmel spürte er einen Hauch von Ewigkeit. Er lebte selbst länger als jedes andere Lebewesen, doch die Erde, das Blau des Himmels und die Sterne, die er hier oben sah, waren für immer.
Der Flug seines stromlinienförmigen Körpers war stolz und von einer reinen Wildheit, die man sonst nur noch im reißenden Strom eines klaren Gebirgsflusses, im Lauf eines Geparden über die Steppe oder im Wechselspiel zwischen Blitz und Donner eines Gewitters wieder fand. Auch wenn es nicht mehr viele seiner Art gab, war er stolz, ein Drache zu sein. 
Der Beherrscher der Lüfte, der Bewahrer des Lebens und der Erhalter des Wissens.
Der Drache flog mit ausgebreiteten Schwingen am Himmel dahin, tauchte in die Wolken ein, jagte in Sturzflügen in die Tiefe und glitt langsam wieder unter der wärmenden Sonne nach oben. Er genoss die Freiheit, die Ruhe und das Alleinsein.
Plötzlich hörte er lautes Kriegsgeschrei unter sich und brennende Speere jagten in den Himmel, auf ihn zu. Der majestätische Drache glitt sehr tief über die Erde und sah unter sich, neben einem kleinen See ein riesiges Heer. Die Menschen saßen auf Pferden oder waren zu Fuß und beobachteten seinen Flug. Sie hatten Katapulte für jene Speere aufgebaut und einige zielten mit Pfeil und Bogen auf die geschuppte Echse. Die Menschen wollten Krieg. Er wusste, dass sie sich vor ihm und seinesgleichen fürchteten, wenn er auch nicht verstand warum. Seine Art hatte den Menschen stets gedient und in schweren Zeiten geholfen zu überleben. Doch das zählte nun nicht mehr. Für die Menschen waren die Drachen eine Bedrohung, die sie mit allen Mitteln bekämpften. 
Er wollte aufsteigen und fliehen, denn gegen so viele Krieger mit Schwert und Lanze kam selbst ein Gigant wie er nicht an. Doch Magier versperrten ihm den Weg und zwangen ihn, sich dem Kampf zu stellen. Jetzt da er keine andere Wahl mehr hatte, regte sich auch in ihm die Kampfeslust. Seine Nüstern weiteten sich und er spie aus seinem geöffneten Maul vernichtende Feuerstrahlen auf das große Menschenheer. Immer und immer wieder ließ er Verderben auf die Soldaten regnen und zwang sie, sich unter ihren Schilden zu verschanzen. Mit seinen großen Augen beobachtete der Drache, was unter ihm geschah, während er über dem Heer kreiste. Doch dann traf ein durch Magie gelenkter Speer eine seiner Schwingen und zerfetzte sie. Aus seinem ruhigen Flug wurde ein unkontrollierter Absturz und er konnte sich erst einige Meter über dem Boden mit dem anderen Flügel abfangen, so dass er sich nichts brach. Auf den Boden gebannt und von Schmerzen gepeinigt, erwartete der Drache seine Gegner. Mit wildem Kriegsgeschrei, erhobenen Lanzen und Klingen, in denen sich das Sonnenlicht spiegelte, kamen sie auf ihn zu. Er wartete, bis sie ganz nah waren und empfing sie dann mit heißen Flammen. Sein Schwanz riss ihre Reihen auseinander und tötete viele. Dann stürzten sich die Menschen auf den Drachen und der Kampf begann.

Die Entschlossenheit war aus seinem Gesicht gewichen und hatte stummem Leid Platz gemacht. Sein rechtes Auge war blind und die Schwerter hatten tiefe Furchen in seinem Schuppenpanzer hinterlassen. Sein Körper war über und über bedeckt mit Blut - dem seiner Feinde und seinem eigenen. Seine Schuppen waren stumpf und das Licht der untergehenden Sonne spiegelte sich nicht mehr in den zerbrochenen Schwertern der gefallenen Krieger. Er hatte gesiegt, doch um welchen Preis. Sein Leib lag in dem flachen See und heftige Schmerzen ließen ihn erzittern. Er rang mühsam nach Atem und das Wasser hatte seinen Feueratem gelöscht. Doch während das Leben als warmer, roter Strom aus ihm herausfloss, fühlte er sich wieder frei und stolz. Schon bald würde er in die Ewigkeit eintauchen, die er während seiner Flüge schon so oft gespürt hatte. Er würde ein Teil von etwas größerem werden und er war stolz darauf. Die Menschen, die nun tot vor dem See lagen, hatten ihn vernichtet. Doch sie hatten ihn nicht gebrochen. Er war noch immer stolz auf seine Art. Als die Sonne als gleißend roter Feuerball hinter dem Horizont verschwand, starb auch der blinde, verwundete, aber stolze Drache und flog einer freieren, lebendigeren und besseren Zukunft entgegen.
 

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