Die alte Geschichte von Ithil
Kapitel 5: Der Auftrag des Königs

"Wunderschön, nicht wahr?" Ranthím drehte sich verwirrt um. Wer hatte das gesagt? Er griff sofort zu seinem Schwert. Doch als er geradeaus schaute, sah er einen großen Schreibtisch aus Eichenholz. An diesem Tisch saß ein Mann. Er war mindestens sechzig Jahre alt. Er trug einen langen roten Mantel aus Seide. Jetzt stand er auf und machte Ranthím durch sein reines Erscheinungsbild klar, wer er war. Der lange rote Mantel, die schneeweiße Hose und das beige Hemd aus hochwertiger Baumwolle. So eine Kleidung trug nur der König. Ranthím ließ augenblicklich sein Schwert los und verbeugte sich tief. König Thio sah ihn mit seinen grasgrünen Augen gütig an und sagte:
"Steh auf, Ranthím." Dieser tat wie der König es befahl.
"Eure Majestät, es ist mir eine Freude euch dienen zu dürfen. Was immer ihr verlangt, ich werde es gewissenhaft und voller Stolz erfüllen. Ich..."
"Na, na, na. Nun mal nicht so hochtrabend, Ranthím." Der König sprach mit einer gütigen und verständnisvollen Stimme. Ranthím schaute den König völlig verdutzt an. Seit wann war der König so kumpanenhaft? Thio ging mit langsamen Schritten auf Ranthím zu.
"Setzt dich doch erst einmal. Möchtest du Tee?" Ranthím nickte nur still. Er zitterte. Sein Hals war trocken. Ein Schrei wollte sich aus seiner Kehle lösen. Doch er konnte nichts sagen. Er brachte keinen einzigen Ton heraus. Also setzte er sich hin und ließ sich Tee eingießen. Der König ging um den Schreibtisch herum und setzte sich auf einen großen Holzstuhl, der stark an Thios Thron erinnerte. Er goss sich selbst Tee ein und sprach wieder zu Ranthím:
"Du fragst dich sicherlich, warum ich dich so dringend aus deinem Urlaub geholt habe. Nun, es im Grund ganz einfach: Ich muss dir einen Auftrag von höchster Wichtigkeit übertragen. Doch bevor ich dir sage, worum es dabei geht, will ich zunächst wissen, ob du annimmst." Ranthím zitterte immer noch. Er wunderte sich über diese Frage. Natürlich würde er annehmen. Dem König konnte man einfach keinen Gefallen abschlagen. Sein Mund war trocken und seine Zunge klebte an seinem Gaumen. Er nahm einen Schluck Tee. Dieser war allerdings noch heiß. Ranthím verbrannte sich die Zunge. Doch anstatt vor Schmerz laut aufzubrüllen, sagte er nur:
"Eure Majestät, ich werde Euren Auftrag annehmen."
Der König grinste. Mit offenen Armen ging er auf Ranthím zu.
"Fein.", sagte er dann. "Dann hör mir jetzt genau zu: Du musst für mich nach Rubtaliahr. Dort gibt es einen Mann. Sein Name ist Laasam. Er steht als Dorfältester des Dorfes Syth besonders in der Gunst des Königs von Rubtaliahr. Deine Aufgabe ist es, diesen Mann zu mir zu bringen. Er besitzt heilerische Fähigkeiten, die mir bei meinem Feldzug gegen Arnàs von großem Nutzen sein können."
König Thio drehte sich um, ging zu seinem Schreibtisch, schloss die erste Schublade mit einem filigran gearbeiteten Schlüssel auf und öffnete sie. Er holte eine goldene Schriftrolle heraus und übergab sie Ranthím.
"Gib das Laasam. Und vergiss nicht ihm zu sagen, dass er dir noch das geben soll, worum ich ihn in einem ersten Brief gebeten habe. Ich wünsche dir viel Glück. Du wirst morgen früh abreisen."
Ranthím verneigte sich tief und ging aus dem Zimmer. Ihm war immer noch warm. Seine Zunge war taub vom Tee, an dem er sich verbrannt hat. Er vermochte nicht klar zu denken. Warum hatte der König ausgerechnet IHN ausgewählt? Es hätten doch auch genauso gut die Offiziere Teef oder Kcal sein können. Warum er?
Ranthím beschloss, sofort nach Hause zu gehen und zu packen.
 
© Ithil
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Und sicher schon bald geht's hier weiter zum 6. Kapitel...

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