"Das war wirklich mehr als knapp", bemerkte Relow lachend und klopfte
Akira dabei auf die Schultern. "Scheint so, als verdankt Ihr Xerxes Euer
Leben." Langsam sank Akira zu Boden und atmete schwer durch. Das war wirklich
knapp gewesen... "Hm", brummte er vor sich hin. "Ich stehe in Eurer Schuld,
Junge." - "Schon gut", lächelte Xerxes. "Dafür werde ich doch
bezahlt."
Langsam richtete Akira sich wieder auf und sah sich um. Zu seiner
Verwunderung waren noch alle Tiere und anscheinend alle Güter da.
Das war völlig untypisch... Normalerweise verliefen Trollangriffe
völlig anders: Ein paar Trolle griffen die Männer an, während
andere Tiere und Güter stahlen... Wieso also waren sie diesmal anders
vorgegangen?
Müde ging er zu dem Troll, der noch immer sein Schwert stecken
hatte. "Helft mir mal", bat er Hagen über die Schulter. Langsam trat
dieser zu Akira und half ihm, den toten Leib umzudrehen. Den linken Fuß
gegen das Kinn des Trolls gestemmt zog er mit letzter Kraft die kurze Klinge
aus dem Leichnam heraus. Dann wusch er im Gras das bläulich-grüne
Blut von der Waffe.
"Wir sollten die Leiber verbrennen", murmelte Tai abwesend. "Wer
weiß, was da sonst noch kommt..." Nachdenklich nickte Akira. Es war
wohl wirklich besser... Zwar scherten sich Trolle normalerweise nicht um
ihre Toten, aber wer wusste... "Ihr könnt ruhig mithelfen!" fegte
Tai plötzlich die Treiber an, die sich bisher still zurückgehalten
hatten.
Und obwohl nun alle mit anpackten, war es eine langwierige Arbeit,
die schweren Leichen auf einen Haufen zu tragen und anzuzünden. Als
sie endlich nach zwei Stunden wirklich brannten, brachen die Männer
stumm ihr Lager ab. An Schlaf war sowieso nicht zu denken und niemand wollte
die restlichen Stunden in der Nähe dieses stinkenden Feuers verbringen.
"Also habt Ihr wirklich nicht mit einem solchen Angriff gerechnet?"
hakte Hagen erschrocken nach. - "Nein", gab Akira schließlich zu.
"Nicht wirklich..." Neugierig horchte Xerxes auf. Bisher hatte er ein wenig
abseits gestanden und die Umgebung im Auge behalten, doch nun trat er langsam
zu den Männer heran, die um ein kleines Lagerfeuer saßen.
Die Männer hatten die Karawane ungefähr zwei Stunden lang
durch die Dunkelheit geführt, bis sie an einem kleinen Bach die Tiere
wieder abgeladen hatten. Schließlich hatten sie es sich für
die letzten paar Stunden der Dunkelheit notdürftig bequem gemacht,
um die Dämmerung abzuwarten.
"Aber man erzählt sich sogar auf dem Nordkontinent schon von
dem ungewöhnlichen Verhalten der Trolle hier..." mischte er sich ein.
- "Na ja..." machte Tai schulterzuckend. "Hier und da Überfälle,
die es sonst nicht gäbe." Er starrte Akira hilfesuchend an. "Aber
auf dieser Strecke und dann auch noch ohne etwas zu stehlen... Damit konnte
keiner rechnen." Bedrückt nickte Akira. "Ich habe es noch nie erlebt,
dass sie nur des Tötens wegen angreifen."
"Moment mal!" mischte Relow sich ein. "Wenn das sonst nicht vorkommt,
was macht dann die Strecke so gefährlich?" - "Das wüsste ich
auch gerne", nickte Xerxes nachdenklich. Akira starrte eine Weile lang
ins Leere, dann erhob er sich ruckartig. "Die Strecke führt durch
ein verdammt unsicheres Gebiet", erklärte er unwohl, "den Wald von
Gahir." Tai zuckte unwillkürlich zusammen und auch die Treiber raunten
leise vor sich hin.
"Niemand geht dort gerne durch..." - "Wieso? Hausen da Trolle?"
neckte Relow. Wütend fuhr Akira zu ihm herum. "Macht Euch nur lustig!
Aber wenn Ihr Euer Leben lasst, bin ich nicht schuld!" - "Immer mit der
Ruhe", ging Xerxes beruhigend dazwischen. "Erzählt uns am besten mal
alles von Anfang an, damit wir mit dem Ganzen auch etwas anfangen können."
"Gut", nickte Tai abwesend. "Der Wald birgt viele Gefahren, doch
leider weiß man nicht so genau, welche..." - "Wie...?" unterbrach
Hagen. "Wie geht denn das?" - "Diejenigen, die den Schrecken dort erlebt
haben, sind jetzt entweder tot, oder sind nur noch Wracks", antwortete
Akira wütend. "Und das unsinnige Zeug, das sie reden, bringt einen
nicht weiter. Angriffe von gnomartigen Wesen, und das kann man auch nur
vermuten."
Langsam ging Xerxes in die Hocke. Gnomartige Wesen? Damit konnte
er wirklich nicht viel anfangen. Gnome waren seiner Kenntnis zwar hässlich
und einschüchternd anzusehen, doch sie mieden die menschlichen Völker,
so gut sie konnten. Und sie würden niemals die um drei Ellen größeren
Menschen angreifen.
"Und Ihr seid bisher stets sicher durchgekommen?" fragte er Tai
plötzlich. Dieser nickte abwesend. "Bisher ja. Doch ich habe bisher
auch nur dreimal diese Strecke gewählt. Ich meide sie nämlich
auch, wenn möglich." - "Im Endeffekt weiß man also nur, dass
es Angriffe gibt?" murmelte er abwesend. - "Und so gut wie keine Überlebenden",
bestätigte Akira. Beunruhigt drehte Relow sich weg und zog die Schultern
hoch. "Dann hoffen wir das beste..."
"Tja..." sagte Tai gottergeben. "Da wären wir. Dort beginnt
der Wald." Relow lachte nervös und sah dabei zu Xerxes. "Was meint
Ihr?" fragte er unsicher. "Wollen wir dann mal unser Glück versuchen?"
- "Feigling!" schnauzte Hagen zurück. Wütend drehte Relow sich
zu Hagen um. "Ich hänge nur an meinem jungen Leben! Ich habe es schließlich
noch nicht hinter mir!" - "WAS?" Unwillkürlich griff Hagen nach seiner
Klinge.
"Beruhigt euch doch", versuchte Tai zu beschwichtigen. "Zwist untereinander
ist das letzte, was wir hier gebrauchen können!" - "Recht hat er",
tadelte Xerxes die beiden Streithähne. Zumindest in solch einer Situation
sollten sie doch ein einziges Mal ihren Konkurrenzkampf außer Acht
lassen können. Das lenkte nur ab und machte die Gruppe damit angreifbarer.
Wobei er nicht glaubte, dass sie bei einem Angriff große Chancen
hatten, zu überleben...
"Spürt Ihr es auch", fragte Akira ihn leise, "die Gefahr?"
Nachdenklich nickte Xerxes. Seine Elfensinne warnten ihn vor diesem Ort,
vor der scheinbar allgegenwärtigen Gefahr. Der Wald sah fast aus,
wie jeder andere Wald, doch wirkte er völlig anders... Alles hier
schien sagen zu wollen: Verschwindet.
"Nichts greifbares", murmelte er plötzlich. "Wohl ein Zauber..."
- "Wie!?" machte Akira erstaunt. "Wie kommt Ihr darauf?" Xerxes lächelte
versonnen: "Ich bin eben der Sohn eines Halbelfen. Magie kann ich erkennen,
wenn ich sie spüre." Relow drehte sich erstaunt um. "Magie?" hakte
er misstrauisch nach. "Welche Art?" Xerxes zuckte die Schultern. "Keine
Ahnung." gestand er dann. "Wahrscheinlich ein Abwehrzauber, der die Menschen
einschüchtern soll. Sonst würden die Tiere auch reagieren." Und
diese waren ruhig, als wäre überhaupt nichts...
"Dann verfehlt dieser Zauber seine Wirkung nicht!" knurrte Hagen
missmutig. Relow zuckte die Schultern über diesen Seitenhieb. "Wenn
das auf mich abzielen soll...", grinste er hinterhältig, "habt Ihr
Pech. Ich bin weder Magier noch Elf. Das heißt, ich brauche mich
nicht zu schämen, dass ich dem Zauber erliege. Außerdem ergeht
es Euch doch auch nicht besser!"
Unwillkürlich musste Xerxes lachen. Es war wirklich zu köstlich,
wie sehr die beiden sich in ihre Zankerei vertiefen konnten. Natürlich
nervte es, doch erwies es sich hier als sehr nützlich: Sogar Xerxes
merkte, dass der Zauber ihn beeinflusste, ihn verunsicherte. Doch die beiden
schienen mit einem Mal wieder völlig unberührt – als gäbe
es diesen Zauber gar nicht. "Schon ist jeder Zauber wirkungslos..." flüsterte
er Akira grinsend zu. Dieser nickte beneidend. "Deren Ruhe möchte
ich haben..." – "Sturheit", korrigierte Xerxes altklug, "reine Sturheit!"
"Wir sollten lieber weiterreiten", meldete sich Tai plötzlich
zu Wort. "Ich möchte noch vor der Dämmerung am ersten Lagerplatz
sein." Akira nickte ernst. "Dann wollen wir mal los..." murmelte er. "Setzen
wir uns die nächsten Tage diesem Zauber aus. Mal sehen, wer hartnäckiger
ist..." Xerxes lächelte hinterhältig. "Wir können ja wetten,
wen es zuerst erwischt." Relow schüttelte den Kopf. "So kenne ich
Euch ja gar nicht!" mischte er sich tadelnd ein. "Sonst scherzt Ihr doch
nicht mit so etwas..."
Schulterzuckend trieb Xerxes sein Pferd an. "Liegt wohl daran, dass
ich von Natur aus etwas gegen solche Zauber habe..." Verwirrt sahen Relow,
Hagen und Akira einander an. "Sagt mal...," hörte Xerxes Hagen noch
leise fragen, "sind Elfen nicht eigentlich von Geburt an Magier?" Xerxes
grinste plötzlich über diese Frage. "Natürlich. Aber ich
bin eben mehr Mensch als Elf!" - "Wer´s glaubt..." murmelte Akira
kopfschüttelnd, ging aber nicht weiter darauf ein.
Seit nunmehr drei Tagen ritt die Karawane durch diesen unheimlich
anmutenden Wald. Zwar herrschte hier eine Geräuschkulisse wie in jedem
anderen Wald, doch man sah nicht die geringste Bewegung. Dies trug mit
dazu bei, dass sich die Männer nur flüsternd unterhielten, obwohl
ihnen noch nichts geschehen war - man wusste ja nicht, was noch kommen
konnte...
Akira war diese Stille willkommen. Konnte er Ruhe doch viel mehr
genießen, als ewiges Gerede. Er selbst glaubte nicht, dass ihnen
noch etwas passieren würde. Schließlich hatte sich ja herausgestellt,
dass das alles nur ein billiger Zauber war. An die vielen Verschwundenen
dachte er dabei gar nicht. Es gab so viele andere Möglichkeiten, was
mit ihnen passiert sein könnte.
Dennoch war er äußerst aufmerksam: Ein Restrisiko blieb
nämlich bestehen. Und er wollte nicht so dumm sein, blindlings in
eine Falle zu laufen. Sogar Xerxes, der sonst immer zu träumen schien,
beobachtete seine Umgebung genau, schon seit sie den Wald betreten hatten.
Und ein Gefühl sagte Akira, dass er den Elfensinnen des Jungen besser
vertrauen sollte...
Schließlich seufzte Akira und trieb sein Pferd an Tais Seite.
"Es ist schon spät..." sagte er leise. "Wir sollten so langsam unser
Lager aufschlagen!" - "Ich weiß!" antwortete Tai bedrückt. Während
er auf seiner Lippe kaute, sah er sich unwohl um. "Aber... Ich glaube,
da gibt es ein kleines Problem..." - "Wie bitte!?" Akira starrte ihn erstaunt
an. "Ein Problem? Was für ein Problem?"
"Das wüsste ich auch gerne!" mischte Hagen sich missmutig ein.
Akira sah verlegen zur Seite. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er die Stimme
erhoben hatte. Und es war ihm äußerst unangenehm, dass nun alle
bescheid wussten... Aber es half alles nichts... "Redet endlich, Tai!"
hakte er deshalb eindringlich nach. "Durch Schweigen wird es auch nicht
besser!"
Mit einem gottergebenen Schnaufen hielt Tai sein Pferd an und sah
die gespannten Männer nacheinander peinlich an. "Nun ja... Wie soll
ich es sagen?" stotterte er ungeschickt. "Ich... habe leider kein Ahnung,
wo wir eigentlich sind..." - "Mo- Moment!" Hagen hob bei diesen Worten
die rechte Hand auf halbe Höhe. "Soll das heißen, wir haben
uns verirrt!?" - "So schlimm würde ich es nicht ausdrücken, aber
so in ungefähr..." gab Tai schließlich zu.
"Aber wie soll das denn gehen!?" fragte einer der Treiber. "Ihr
seid diesen Weg doch schon mehrmals geritten und wir sind doch die ganze
Zeit aus einem vorgegebenen Weg geritten!" - "Ich verstehe es ja selbst
nicht!" antwortete Tai. "Heute morgen waren wir auch noch richtig! Da bin
ich mir absolut sicher, aber wir hätten unseren Rastplatz schon längst
erreichen müssen!"
"Na wunderbar!" Hagen verdrehte die Augen. "Einen wirklich hervorragenden
Führer haben wir, der sich noch auf einem WEG verläuft!" - "Schluss
jetzt!" mischte Xerxes sich plötzlich ein. "Das führt zu nichts.
Es muss einen Grund geben... Ich habe nicht eine Weggabelung oder sonstiges
bemerkt, das zu einer beabsichtigten Irrführung führt..." - "Ich
weiß wirklich nicht, wie das passieren konnte!" murmelte Tai leise.
"Ich weiß es wirklich nicht..."
Langsam drehte Akira sich um und starrte auf den Weg hinter sich.
Er kannte den Weg auch. Schließlich hatte er Tai bisher auf jeder
Reise durch diesen Wald begleitet. Und selbst ihm war nichts aufgefallen.
Entweder waren sie also völlig blind, oder es hatte ihnen jemand eine
verdammt gute Falle gestellt.
"Wir sollten besser rasten und morgen den Weg zurückreiten,
bis zum letzten Lagerplatz." schlug Xerxes plötzlich vor. Nachdenklich
nickte Tai und sah seine Männer nacheinander an. "Ihr habt es gehört:
Schlagt das Lager auf! Heute können wir sowieso nichts mehr machen..."
- "Vielleicht haben wir unseren eigentlichen Lagerplatz nur übersehen",
sann Akira, um die anderen ein wenig zu beruhigen. "Wir haben nicht wirklich
darauf geachtet, wo wir sind." Dennoch konnte er sich nicht erklären,
wie das hatte passieren können.
Ruckartig stoppte Hagen sein Pferd und starrte Tai grimmig an. "Also
haben wir uns doch verirrt!" feixte er wütend. "Aber..." stammelte
dieser, "ich verstehe das nicht. Wir sind genau den Weg zurückgeritten,
den wir gestern genommen haben! Da gibt es nichts zu irren!" Akira ritt
noch einige Schritte weiter, bis auch er endlich sein Pferd stoppte und
sich nachdenklich aus dem Sattel schwang.
"Mich stört auch etwas daran", murmelte er schließlich.
"Tai hat nämlich völlig recht. Wir haben genau denselben Weg
gewählt. Kein Irrtum möglich... Und dennoch..." - "Hätten
wir schon längst den alten Lagerplatz erreichen müssen!" unterbrach
Hagen ihn wütend. "Erzählt mir mal etwas Neues!" Akira zuckte
die Schultern und ging langsam zu Tai. "Das sieht mir ganz nach einer Falle
aus..."
"Welche Art Falle denn?" fragte Tai müde. "Ich wüsste
nichts und niemanden, das einen Wald oder einen Weg in einer Nacht komplett
auf den Kopf stellen könnte..." - "Aber vielleicht weiß Xerxes
ja etwas mehr..." konterte Akira mit einem vielsagenden Blick auf den jungen
Krieger. Dieser schien beim Klang seines Namens unmerklich zusammenzufahren.
"Keine Ahnung", antwortete er hastig.
"Wieso glaube ich Euch das nicht?" fragte Akira misstrauisch. Xerxes
lächelte unbeholfen und starrte zu Boden. "Weil es wohl nicht besonders
überzeugend klingt?" murmelte er vor sich hin. Dann seufzte er und
sah Akira traurig an. "Aber gelogen habe ich nicht... Ich weiß es
nicht, ich habe nur eine wage Vermutung." - "Ein Zauber?" knurrte Relow
abfällig. "Das war nun wirklich nicht schwer zu erraten."
"Aber wer oder was steckt dahinter?" fluchte Akira und starrte Relow
dabei abschätzend an. Verlegen sah Relow zu Boden und schwieg. "Gnomartige
Wesen... Schutzzauber... Ein unauffindbarer Weg..." hörte Akira Xerxes
vor sich hin reden. "Das klingt mir ganz nach einem Abtrünnigen, der
nicht entdeckt werden will..." - "Ein... Abtrünniger?" keuchte Akira,
"Ihr meint einen Schattenmagier?" Xerxes nickte finster.
Damit hatte Akira nicht gerechnet. Was sollte ein Schattenmagier
hier wollen? Und wieso sollte er Karawanen beseitigen? Das klang ihm dann
doch etwas weit hergeholt. Schließlich waren die sogenannten Abtrünnigen
Diener des Todesgottes – und beschäftigten sich nicht mit solchen
Nichtigkeiten, wie Karawanen!
"Das ist aber eine mutige These!" brach Relow schließlich
unsicher das Schweigen. "Wir sollten lieber bei naheliegenderen Antworten
bleiben, ja?" Xerxes zuckte lächelnd die Schultern. "Vielleicht spielen
uns ja auch nur die Waldgeister oder Gnome einen Streich...", murmelte
Tai unwohl, "Soll ja des öfteren vorkommen."
Nachdenklich nickte Akira. Jedoch glaubte er das eher weniger. Solch
eine starke Magie benutzten diese Naturgeister nicht, selbst wenn sie darüber
verfügen mochten. Aber er schwieg sich aus Rücksicht auf die
ohnehin schon verängstigten Männer aus. Panik oder Verzweiflung
war das letzte, das sie jetzt gebrauchen konnten. Sie mussten jetzt einen
klaren Kopf behalten.
"Was meint Ihr?" fragte er Xerxes leise, der nun ebenfalls abgestiegen
war. "Naturgeister sind es wohl nicht, oder?" Xerxes lächelte abwesend
und zuckte die Schultern. "Es ist Magie", antwortete er hilflos. "Mehr
kann ich nicht sagen. Wer oder was der Urheben ist, wird sich noch zeigen..."
- "Wunderbar!" knurrte Akira ironisch. "Und was machen wir jetzt? Wir können
ja wohl schwer hier stehen bleiben und auf Hilfe warten."
"Dann sind wir alle verloren!" heulte einer der Treiber entsetzt
auf. "Wir werden alle so enden, wie die vielen anderen vor uns!" - "Nichts
da!" fluchte Akira. "Ich lass mich doch von solch einem billigen Zauber
nicht in die Knie zwingen!" - "Aber, was können wir denn tun?" konterte
Tai unsicher. "Wisst Ihr, wie man solch einen Zauber unwirksam macht?"
Zähneknirschend schüttelte Akira den Kopf.
Tai hatte recht: Keiner der Anwesenden konnte diesem Zauber etwas
entgegenbringen. Und selbst Xerxes schien nichts ausrichten zu können,
da war Akira sich ziemlich sicher. Sonst hätte der Junge bestimmt
schon etwas getan. Nur wie sollten sie dann dieser Falle entkommen?
"Ihr lasst euch ja schnell entmutigen!" drang plötzlich eine
helle Stimme an Akiras Ohr. "Und ihr nennt euch die Krone der Schöpfung!?"
Erschrocken fuhr Akira zusammen und sah sich in alle Richtungen um. Doch
es war nichts und niemand zu entdecken. "Wer spricht da?" fragte er unruhig.
Als Antwort bekam er nur ein leises Kichern: "Ratet mal! Ihr habt drei
Versuche!"
"Nun zeigt Euch endlich!" mischte Relow sich unmutig ein. "Wir haben
keine Zeit für irgendwelche Spielchen!" - "Keinen Sinn für Humor!
Aber bitte..." antwortete die Stimme, nun eindeutig von den Bäumen
zur rechten Seite des Weges. Alle drehten sich augenblicklich in diese
Richtung um und harrten gebannt der Dinge, die da kommen mochten.
Doch zu Akiras großen Überraschung hüpfte ein kleines
Mädchen
von einem der Äste herunter und grinste die Männer frech an.
Sie war nicht größer, als vielleicht dreieinhalb Ellen und trug
ein hellblaues, knielanges Kleid. Die Haare waren hüftlang und weißblond,
das Gesicht wirkte völlig unschuldig und ihr Körper mehr als
zerbrechlich.
"Ein... Kind?" keuchte Akira endlich und sank in die Hocke. "Das
darf doch nicht wahr sein!" - "Kind!?" schnaubte die Kleine. Dabei stemmte
sie die Hände in die Hüften, blähte die Wangen auf und stellte
sich auf die Zehenspitzen. "Ich darf doch wohl bitten!" fauchte sie schließlich
empört. "Ich bin eine erwachsende Fee, Menschling!"
"Eine Fee?" Relow starrte das zarte Geschöpf erstaunt an. "Ich
dachte immer, die wären kleiner..." - "Ach?" machte die Fee vorlaut
und sah Relow dabei abschätzend an. "Und ich dachte immer, Menschen
wären schlauer!" Erstaunt klappte Relow der Kiefer herunter. Auch
Akira musste über dieses freche Auftreten staunen. Er kannte Feen
aus Geschichten, in denen sie sich ganz anders verhielten.
Schließlich verhakte sie die Hände hinter dem Rücken
und drehte sich um. "Aber mir scheint, man will meine Hilfe hier nicht,
also kann ich ja wieder gehen." - "Wartet", ging nun Xerxes dazwischen.
"Wir haben nicht gesagt, dass wir keine Hilfe annehmen." - "Aber ihr habt
auch nicht darnach gefragt." - "Ganz schön frech..." bemerkte Xerxes
trocken. "Seid Ihr nur hier, um uns zu ärgern? Dann verzichten wir
gerne."
"Schon gut!" gestand die Fee schließlich ein. "Ich werde euch
hier heraus helfen. Mehr aber nicht!" Kopfschüttelnd trat sie an Xerxes
heran und sah ihn schräg von unten in die Augen. "Ich kann euch ja
wohl schwer hier zugrunde gehen lassen!" Langsam erhob Akira sich und sah
die Fee abschätzend an. "Und wie wollt Ihr das anstellen?"
"Nur mit Rat," grinste diese ihn an, "Den Rest könnt ihr ja
selbst bewerkstelligen!" Dann deutete sie auf den Weg. "Alles was Ihr seht,
ist eine Illusion. Man kann einen Wald nicht verändern, nur das Auge
täuschen. Verlasst euch auf vorgegebene Pfade, dann kommt ihr weiter."
- "Äh?" machte Akira verwirrt.
Seufzend schwang Xerxes sich wieder in den Sattel und sah Relow
und Hagen fragend an. Aus dem Nicken der beiden schloss Akira, dass die
drei diese Worte wohl verstanden hatten. Also setzte er gottergeben auch
wieder auf und lenkte sein Pferd an Xerxes Seite. "Ihr habt das verstanden?"
Xerxes nickte leicht lächelnd.
"Den Weg kann anscheinend keine Magie verstecken," erklärte
Relow, "das würde wohl auffallen. Also reiten wir einfach dem Weg
nach." Kopfschüttelnd trieb Akira sein Pferd an. "Wir haben ja nichts
mehr zu verlieren", murmelte er dabei zu sich. "Also können wir es
ja mal versuchen."
"Ich danke Euch, ...?" Xerxes hielt mitten im Satz fragend inne
und sah die Fee dabei nachdenklich an. "Wie heißt Ihr eigentlich?"
- "Tharas," antwortete sie grinsend, "wie die Waldlilie." - "Wollt Ihr
nicht noch ein Stück mitkommen?" mischte Tai sich ein. "Ich möchte
mich gerne erkenntlich zeigen können." Tharas nickte breit grinsend.
"Warum eigentlich nicht?" stimmte sie zu. "Ich war schon lang nicht mehr
in menschlicher Gesellschaft... Das könnte lustig werden!"
© Dragonsoul
Lianth
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