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1. Kapitel
Der Vulkankrater
Wie jeden Morgen trat Alex an den Klippenrand.
Die Sonne ging gerade über dem riesigen, schon lange ruhigen Vulkankrater
auf. Der Vulkan war schon seit Millionen von Jahren von einem dichten Wald
bewachsen. Ein riesiger Wasserfall stürzte an den Steilhängen
der anliegenden Bergen in den Vulkan. Das Dröhnen dieses riesigen
Urgewässers war über den ganzen Vulkan zu hören.
Der Wald lag noch im Dunkeln, weil die Sonne
noch nicht in den Krater schien.
Alex streckte sich ausgiebig und amtete genüsslich
die kühle und noch etwas feuchte Morgenluft ein. Dann blickte er wieder
über den Krater.
Auch wenn er so friedlich da lag, er wusste,
dass ein Leben dort unten nicht möglich war. Wie auf ein Stichwort
ertönte aus dem Wald ein gewaltiges Brüllen. Vögel flogen
erschrocken auf und suchten ihr Heil in der Flucht.
"Aha.", sagte Alex, "Unser Biest ist auch
schon wach."
Er trat von dem Rand der Klippe zurück
und wandte seinen Blick von dem Wald ab. Er hatte heute noch genug Zeit,
er würde heute auf jeden Fall noch dort hinab steigen. Es war für
ihn schließlich wichtig. Er lebte schon mehr als 5 Jahre hier, nur
wegen der Besonderheit dieses Kraters. Alex war der einzige Mensch weit
und breit, der sich traute so nah an diesem Wald zu leben.
Doch jetzt war es noch nicht an der Zeit für
ihn seinen täglichen Ausflug in den Krater zu unternehmen. Er musste
erst noch seine Ausrüstung zusammensuchen und noch einiges vorbereiten.
Gerade als Alex sich auf den Weg zu seinem
nahe an der Klippe stehendem Haus machte, hörte er einen Schrei.
Blitzschnell fuhr er herum und trat wieder
an die Klippe, denn der Schrei kam definitiv aus dem Wald, das wusste er.
Doch er konnte niemanden sehen, er hörte es. Ein Donnern und ein Krachen,
wie als würde etwas Großes und Gewaltiges durch die Bäume
brechen.
"Oh nein...", stöhnte Alex, "Nicht so
früh am Morgen..."
Er raffte sich auf und rannte in sein kleines
Holzhaus, um sein Schwert zu holen.
Nachdem er dies getan hatte wandte er sich
dem Wasserfall zu. Hinter diesem verbarg sich ein schmaler und glitschiger
Sims, der zu einer kleinen Höhle führte. Und genau zu dieser
Höhle wollte er. Durch sie kam er geschützt und ungesehen in
den Krater hinab.
Vorsichtig, um nicht auf dem rutschigen Sims
auszurutschen, trat er auf den Sims und gelangte so in die Höhle.
Dort leuchtete ein eigenartiges grünes Licht, das irgendwie keine
Lichtquelle besaß. Es war einfach da. Alex war dies nur recht.
So schnell er konnte spurtete er durch das
Höhlenlabyrinnt und kam wieder hinter dem Wasserfall aus einer kleinen
Öffnung heraus. Wieder lief er einen schmalen Sims entlang und kam
so hinter dem Wasserfall hervor. Vor ihm lag ein riesiger See. Der See
war so tief, dass das Wasser schon ganz schwarz war. Unter diesem See musste
ein weiteres Höhlensystem liegen, denn das viele Wasser, das durch
die Berge in den Krater stürzte, hatte sonst keinen Abfluss.
Doch Alex verschwendete keinen Gedanken daran.
Er musste so schnell wie möglich die Person finden, zu der der Schrei
gehörte. Jedoch war dies nicht sonderlich schwer, denn plötzlich
ertönte wieder ein wütendes Brüllen, das von den Kraterwänden
verzerrt zurückgeworfen wurde. Dabei bebte die Erde ganz leicht.
"Verdammt!", fluchte Alex und rannte los,
"Das wird knapp!"
Er stürmte in den Wald und kletterte
auf den nächst besten Baum. Von dort bewegte er sich auf eine andere
Art und Weise fort: Er hüpfte einfach von Baum zu Baum. Das verschaffte
ihm einen guten Überblick und er musste sich nicht durch das Bodengestrüpp
kämpfen.
Nach endlosen Minuten wie es ihm schien (in
Wirklichkeit waren seit dem Schrei gerade mal 5 Minuten vergangen) erreichte
er schließlich sein Ziel. Er kam zu einer kleinen Lichtung, auf der
sich eine seltsame Szene abspielte.
Zwei Menschen, ein Mann in Rüstung und
eine junge Frau, versuchten sich verzweifelt gegen eine bestialische Kreatur
zu wehren. Jedoch schätzte Alex ihre Chancen auf null, denn ihnen
stand ein ausgewachsener brauner Drache gegenüber. Nicht einmal Alex
konnte viel gegen diesen Drachen ausrichten, denn es war ein besonderes
Tier.
Der Drache hatte eine lange, dünne Narbe
über seinem Auge. Diese war von Alex. Er hatte sie ihm in einem schweren
Kampf zugefügt. Deshalb hatte dieser Drache es auch so besonders auf
ihn abgesehen, wann er nur konnte versuchte er Alex zu töten.
Doch auch Alex hatte genug Narben von diesem
Wesen abbekommen. Es war sozusagen ihr kleines Spielchen - Alex jagte ihn
und der Drache, den er freundlicherweise immer mit Dummschuppe ansprach,
jagte ihn.
Doch gerade hatte Dummschuppe es nicht auf
Alex abgesehen. Der Mann in Rüstung, wahrscheinlich ein Ritter, versuchte
verzweifelt das Mädchen zu beschützen. Doch er schien bisher
nicht viel Erfolg gehabt zu haben, denn seine kostbare, mit vielen wertvollen
Mustern verzierte Silberrüstung hatte Dellen und Risse und der Mann
war schwer verletzt. Alex wusste nicht warum dieser Ritter eigentlich noch
am Leben war. Wahrscheinlich aber wegen dem Mädchen. Sie hatte lange
aschblonde Haare und trug ein kostbar aussehendes kurzes Kleid. Sie stand
zitternd hinter dem Ritter und starrte nur verängstigt in Dummschuppes
große gelbe Augen. Alex musste zugeben, dass sie recht hübsch
war.
"Jetzt reicht es...", murmelte Alex als Dummschuppe
erneut mit seinen scharfen Krallen dem Ritter eine schwer blutende Wunde
verpasste, "Das war wirklich dumm von dir, Dummschuppe!"
Mit einem gewaltigen Sprung stieß er
sich von dem Ast, auf dem er saß, ab und zog dabei klirrend sein
Schwert aus der Scheide.
Doch Dummschuppe merkte dies sofort und wirbelte
herum. Er öffnete sein riesiges Maul um Alex mit einem einzigen Habs
zu verspeisen, doch Alex drehte sich geschickt in der Luft und landete
genau auf der Nase des Drachen. (Er hatte Glück, dass an dieser Stelle
kein Horn wuchs!)
"Hi, Dummschuppe! Tut mir leid, wenn ich dir
den Spaß verderben muss, aber ich hab dir schon so oft gesagt: MIT
MENSCHEN SPIELT MAN NICHT!" Damit trat er dem Drachen mit voller Wucht
auf die Nase und sprang mit einem eleganten Rückwärtssalto zu
Boden. Dummschuppe jaulte kurz wütend auf und rieb sich im wahrsten
Sinne des Wortes die Nase. Alex nutzte die Chance und rammte sein Schwert
in den Fuß des Drachens. Gequält heulte Dummschuppe auf, er
wurde fast wahnsinnig vor Schmerzen.
Doch er war nun für einige Sekunden abgelenkt.
Diese Zeit nutzte Alex um zu den beiden verwirrt
und erschrockenen Leuten zu gehen. Verdutzt sahen sie ihn an und brachten
kein Wort heraus.
"Ich erkläre euch später alles!",
meinte Alex hastig, "Jetzt müssen wir erst einmal hier weg!"
"Wer...?", wollte der Ritter fragen doch Alex
unterbrach ihn barsch: "Kommt mit oder lasst euch von mir aus fressen!
Ich werde jetzt von hier verschwinden!"
Und das tat er dann auch. Alex rannte zurück
in den Wald.
Das Mädchen blickte noch einmal zu dem
wahnsinnigen Drachen und packte dann die Hand des Ritters um ihn hinter
Alex herzuschleifen. Alex merkte dies und verringerte seine Geschwindigkeit,
damit die beiden zu ihm aufschließen konnten. Doch Dummschuppe wollte
sich ein kleines nettes Frühstück nicht durch die Lappen gehen
lassen und nahm brüllen die Verfolgung auf. Da die Bäume zu dicht
standen, konnte er seine weiten Flügel nicht aufspannen, so raste
er ihnen hinterher und rannte einfach alles um, was ihm in die Quere kam.
Alex und die anderen merkten dies an dem Geräusch der splitternden
Aste und Bäume.
"ER KOMMT!", schrie das Mädchen in Panik.
"Ach was du nicht sagst!", entgegnete Alex
und warf einen Blick zurück über die Schulter. Dummschuppe war
trotz seines verletzten Fußes verdammt schnell.
"Hört mir zu!", rief er deshalb dem Ritter
zu, "Ihr müsst zum Wasserfall rennen! Hinter diesem ist eine kleine
versteckte Höhle, dort seid ihr sicher!"
"Gut.", sagte dieser nur und packte das Mädchen
an der Hand.
Alex runzelte kurz die Stirn. Er hatte eigentlich
ein kleines "Danke!" oder "Können wir das schaffen?" erwartet. Aber
ihm sollte es recht sein.
Mit einer entschlossenen Bewegung blieb er
stehen und drehte sich dem Drachen zu.
Das Mädchen warf einen entsetzten Blick
über die Schulter, als sie merkte, dass der Junge stehen geblieben
war.
"Sollten wir ihm nicht helfen?", fragte sie
schon fast außer Atem.
"Nein. Er ist selbst schuld, wenn er sich
diesem Biest entgegenstellt. Er kann eben nicht Mut von Dummheit unterscheiden.",
antwortete der Ritter verbissen und ebenfalls schwer atmend.
Sie rannten weiter, immer dem Geräusch
des Wasserfalls nach. Diesen erreichten sie dann auch schon bald. Doch
kurz vor dem versteckten Sims blieb das Mädchen plötzlich stehen
und blickte gespannt zu dem Waldrand zurück.
"Was tut Ihr denn da? Ihr müsst euch
in Sicherheit bringen!", meinte der Ritter voller Sorge und hielt ebenfalls
an.
"Nein. Wir sind außer Gefahr. Ich habe
ein schlechtes Gewissen wegen dieses..."
"...Dummkopfes?", beendete er den Satz und
trat neben sie, "Ich bitte Euch..."
"Da ist er!", rief sie auf einmal erfreut
und deutete zum Waldrand.
Dort kam tatsächlich Alex auf sie zugerannt.
Er hielt seine linke Hand verkrampft zu seiner Faust zusammengepresst und
hatte einen schwer konzentrierten Gesichtsausdruck. Als er sie ebenfalls
sah rief er ihnen etwas zu, doch sie konnten es nicht verstehen, weil hinter
ihm der Drache aus dem Wald brach.
Dann packte der Ritter plötzlich das
Mädchen und zerrte sie hinter den Wasserfall in die kleine Höhle.
Alex folgte ihnen wenig später.
"LOS!", rief er, als er in die Höhle
gerannt kam, "JEDER HINTER EINEN FELS!"
Mit einem weiten Sprung verwirklichte er seine
eigene Warnung und hechtete hinter einen großen Stein. Der Ritter
zog das Mädchen schnell ebenfalls hinter einen Fels.
Und keine Sekunde zu spät.
Denn plötzlich hörten sie ein ohrenbetäubendes
Brüllen und dann ein Zischen, wie als würde man einen Wassertropfen
auf einen heißen Stein fallen lassen. Nur viel lauter, denn Dummschuppe
hatte eine gewaltige Feuerflamme auf die Höhle gerichtet. Da sich
diese aber hinter dem Wasserfall verbarg, trafen die Flammen auf das Wasser
und Wasserdampf schoss in die Höhle.
Sie warteten bis sich der Dunst wieder verzogen
hatte und kamen dann hinter ihrer Deckung hervor. Dummschuppe lauerte immer
noch vor dem Wasserfall. Doch das konnte ihnen egal sein, hier waren sie
vor ihm sicher.
"Ist bei euch alles in Ordnung?", fragte Alex
und klopfte sich den Dreck von seinen Klamotten.
"Ja.", knurrte der Ritter und musterte Alex
misstrauisch.
"Gut. Dann folgt mir mal, ich bringe euch
zu meinem Haus. Dort könnt ihr euch ausruhen.", sagte Alex ohne die
Bemerkung des Ritters zu beachten und marschierte los.
Nachdem er sie sicher durch die Höhlen
geführt hatte brachte Alex die beiden zu seinem kleinen Holzhaus.
Die drei hatten die ganze Zeit über nichts gesprochen. Alex war das
recht, er war eh lieber allein für sich.
Während dieser Zeit war ihm aufgefallen,
dass der muffige Ritter kaum älter als er selbst war. Er schätze
ihn auf höchstens 25 Jahre. Alex selbst war gerade mal 21. Das Mädchen
durfte gerade mal 17 Jahre sein, also noch ziemlich jung.
Er führte sie in sein Haus und verschloss
hinter ihnen wieder sorgfältig die Tür. Dann erzündete er
ein warmes Feuer in seinem kleinen Kamin.
"Setzt euch doch.", bot er den beiden an.
Das Mädchen nickte dankend und wollte
sich auf einen Stuhl setzten, doch der Ritter hielt sie zurück und
sagte: "Es tut uns wirklich Leid, aber wir können nicht bleiben. Wir
haben es eilig."
"Ach, Jalin! Warum seid Ihr so unfreundlich!",
fuhr ihn das Mädchen plötzlich an, "Er hat uns das Leben gerettet.
Wir haben uns noch nicht einmal bedankt!"
"Warum sollten wir das tun? Ich habe ihn nicht
um seine Hilfe gebeten. Ich wäre auch allein mit diesem Drachen fertig
geworden.", behauptete der Ritter, der Jalin genannt wurde.
"Sicher!", lachte Alex. "Mit Dummschuppe wird
niemand fertig. Nicht einmal ich!"
"Ach ja? Und wer seid Ihr, dass Ihr so geschwollen
redet?!", knurrte Jalin.
"Sagen wir es so..." Alex stellte sich Jalin
gegenüber. Der Ritter überragte ihn fast um einen halben Kopf,
und das, obwohl Alex schon fast 1,85 war, "...ich habe mehr Ahnung von
Drachen als Ihr. Das müsste Euch genügen."
"Pah!", machte Jalin nur, "Lasst uns hier
verschwinden, dieser Junge ist kein Umgang für Euch.", sagte er dann
zu dem Mädchen. Dieses schien sich ziemlich unschlüssig zu sein.
Sie setzte sich auf einen Stuhl und sagte nichts. Sie schien tief in Gedanken
zu sein.
"Jalin...", sagte sie dann auf einmal, "...ich
möchte erst einmal hier bleiben. Bitte versteht das." Sie blickte
ihn bittend an. In ihren Augen sah Alex auch Trauer, Angst und, was ihn
sehr wunderte, Vertrautheit.
Alex blickte von einem vom anderen und spürte
an ihren Blicken, dass zwischen ihnen wohl eine besondere Bindung zu bestehen
schien. Was für eine konnte er jedoch nicht sagen. Das alles kam ihm
etwas seltsam vor.
"Dann fühlt euch hier wie zu Hause.",
sagte Alex um die ungemütliche Stille zu vertreiben, "Wie ist denn
euer Name, Mädchen?"
"DU....!", wollte Jalin losdonnern, aber sie
unterbrach ihn barsch: "Seid still! Er bietet uns schließlich seine
Gastfreundschaft an!", dann meinte sie in einem milderen Ton zu Alex: "Ich
heiße Mary. Und Ihr seid...?"
"Alex, Ihr könnt mich gerne duzen. Ich
bin kein..." Er betrachtete Mary, "...kein Adeliger."
"Woher wisst Ihr das?", fragte sie verduzt.
"Dass Ihr eine Adelige seid? Ich bin doch
nicht blind." Er warf bei diesen Worten einen Blick auf Jalin, "Und außerdem
höre ich noch recht gut für mein Alter."
Er ging zu dem Kamin um einige Holzscheite
in das Feuer zu werfen, als er plötzlich einen klirrenden Ton hörte.
"Jalin, was ist mit Euch?!", rief Mary erschrocken.
Alex wandte seine Blicke wieder den beiden zu. Der mächtige Ritter
Jalin war gerade in die Knie gebrochen. Er atmete schwer und keuchte dabei.
Mary kniete neben ihm um ihn zu stützend, denn ansonsten wäre
er schon lange ganz zu Boden gefallen.
"Verdammt.", fluchte Alex und kniete ebenfalls
neben dem Ritter nieder, "Ihr seid schwer verletzt und rennt dann munter
durch die Gegend? Schon mal etwas davon gehört, dass wenn man verletzt
ist, sich vielleicht schonen und einen Arzt aufsuchen soll?"
"Haltet doch Eurer freches Mundwerk. Von solchen
Dingen habt Ihr doch keine Ahnung!", widersprach Jalin heftig und sah Alex
böse an.
"Ja, ja, ich weiß. Aber jetzt solltet
Ihr erst einmal ins Bett.", ignorierte Alex seine Antwort und packte den
Ritter unter den Armen und brachte ihn einfach zu dem Bett, das in einer
Ecke des Zimmers stand. Mary und Jalin waren sehr überrascht über
Alexs Stärke, er trug den gepanzerten Ritter ganz allein.
"So, und jetzt die Rüstung aus.", befahl
Alex, als er Jalin auf das Bett gesetzt hatte. Dieser schaute jedoch mit
einem allessagenden Blick zu Mary. Diese lachte kurz auf und drehte sich
dann um.
So konnte sich Alex endlich ans Werk machen
und Jalin die schwere Rüstung abnehmen. Danach reinigte er seine Wunden
und verband sie sorgfältig.
"Versucht jetzt etwas zu schlafen, Jalin.
Ihr braucht das jetzt dringend.", meinte Alex mit der Stimme eines Arztes.
"Glaubt Ihr ich lasse sie mit Euch allein?",
fragte Jalin leise aber energisch.
"Glaubt mir, ich besitze auch so etwas wie
eine 'Ritterehre'.", beteuerte Alex, "Aber wenn es Euch beruhigt, dann
gehe ich raus Holz hacken." Mit diesen Worten verließ er das Haus
und machte sich ans Werk.
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2. Kapitel
Die Wahrheit
Nachdem Alex genug Holz geschlagen hatte, packte
er einige Scheite und ging wieder in das Haus zurück. Sofort schlug
ihm der Geruch von einer frischen Suppe entgegen. Mary war gerade dabei
zu kochen. Jalin war doch noch eingeschlafen, er lag in dem Bett und schnarchte
leise.
"Hm, lecker!", sagte Alex und lud das Holz
neben dem Kamin ab. Dann trat er neben Mary an den Herd und blickte neugierig
in den Kochtopf: "Du kochst? Klasse!"
"Danke.", meinte sie verlegen und rührte
weiter in der Suppe herum, "Ich glaube aber, dass ich nicht gut kochen
kann. Irgendwie komme ich nie dazu es selbst zu probieren."
"Ich muss andauernd für mich allein kochen
und kann es immer noch nicht. Nicht einmal die Drachen aus dem Krater essen
was ich gekocht habe.", entgegnete Alex abwinkend.
"Bist du mit diesen Drachen ganz allein? Gibt
es hier denn keine anderen Menschen?", fragte sie.
"Nein." Alex setzte sich an den Tisch und
stützte seine Ellenbogen darauf, "Es gibt hier nur mich, die Drachen
und noch ein paar andere Wesen. Kein Mensch weit und breit außer
mir."
"Fühlst du dich da nicht allein?"
"Ich bin gern allein.", antwortete Alex.
Mary drehte sich zu ihm um und sah ihn an,
"Das glaube ich nicht. Du bist so ein netter Mensch. Leute die allein leben
sind immer so verbiestert."
"Woher willst du das wissen? Kennst du noch
andere Leute die ganz allein irgendwo in der Wildnis leben?", wollte er
daraufhin wissen.
"Ich... nein. Eigentlich nicht."
"Also. Ich bin hier gerne allein. Das ist
eben der Preis, den man zahlen muss um hier zu leben.", sagte Alex.
"Und warum lebst du hier?", fragte Mary daraufhin.
"Das... kann ich dir nicht sagen." Alex wandte
seinen Blick von ihr ab und stand auf, "Ich gehe noch einmal in den Krater
zurück. Gegen Abend bin ich wieder zurück. Ihr könnt euch
alles nehmen was ihr wollt." Mit diesen Worten verließ er das Haus.
Mary und Jalin saßen still über
ihrem Abendessen, das aus der einfachen Suppe bestand, die Mary zubereitet
hatte. Draußen war es schon lange dunkel und ein Blick in den Krater
war unmöglich geworden. Die Dunkelheit schien den Krater bis zum Rand
mit Schwärze zu füllen, und das obwohl der Mond hoch am Himmel
stand und keine einzige Wolke ihn verdeckte.
Und immer noch nicht war Alex zurückgekehrt.
"Ich mache mir langsam Sorgen.", durchbrach
Mary die Stille, "Alex ist immer noch in dem Krater. Bei dieser Dunkelheit
ist er doch leichte Beute für die Drachen."
"Ihr solltet Euch lieber andere Sorgen machen,
Prinzessin
Amalia.", entgegnete Jalin.
"Ihr sollt mich nicht so nennen, habt Ihr
das schon vergessen?!", fuhr sie etwas wütend auf, "Ich heiße
Mary, auch für Euch!"
"Wie Ihr wünscht, Hoheit.", Jalin löffelte
weiter seine Suppe.
"Ach, Jalin. Ich weiß nicht was ich
tun soll." Mary klang verzweifelt, "Was passiert, wenn sie uns kriegen?"
"Ich werde Euch beschützen, darauf gebe
ich Euch mein Wort.", sagte der Ritter.
"Danke, Ihr seid der einzige, dem ich vertrauen
kann.", meinte sie dankbar.
Jalin nickte. Danach kehrte wieder die Stille
ein, während jeder seine Suppe zu ende aß.
Alex marschierte auf Zehenspitzen durch den
dunklen Wald. Er hatte völlig die Zeit vergessen bei seinen Experimenten.
So etwas passierte ihm nur selten. Wahrscheinlich lag es daran, dass er
sich nicht richtig konzentrieren hatte können, er hatte die ganze
Zeit an Mary denken müssen.
Seltsam, dachte er stillschweigend,
in
ihrer Nähe spüre ich eine seltsame Art Kraft. Hm...
Unbestimmt blickte er in den Himmel. Durch
das dichte Blätterdach des Waldes konnte er einige Sterne sehen. Doch
etwas anderes zog seine Aufmerksamkeit auf sich.
Weit oben am Kraterrand war ein Licht.
Alexs Haus konnte es nicht sein, er hatte
es so gebaut, dass man es von keiner Stelle aus dem Wald sehen konnte.
Er wäre ansonsten schon lange ein Opfer der Drachen gewesen.
Er blieb stehen. Das Licht bewegte sich jedoch
weiter, wenn er es nicht genauer gewusst hätte, würde er sagen,
dass es sich auf sein Haus zu bewegte. Doch dieses lag in genau der anderen
Richtung.
Dann, wie auf ein Stichwort änderte das
Licht plötzlich seine Richtung. Alex gefiel das ganz und gar nicht.
Er spurtete los um vor dem seltsamen Licht bei seinem Haus zu sein.
Jalin hatte sich wieder schlafen gelegt. Mary
hatte es ihm nicht übel genommen. Er war schließlich schwer
verletzt und ausgemergelt. Sie hatten auf ihrer langen Reise nicht jeden
Tag etwas zu essen bekommen. Sie waren nur gelaufen und gelaufen um nicht...
Mary verwarf den Gedanken sofort wieder. Daran
wollte sie ihm Moment nicht denken. Sie fühlte sich hier zum ersten
Mal in ihrem Leben so richtig wohl.
Jedoch machte sie sich immer noch Sorgen um
Alex.
Kurzerhand verließ sie das Haus und
stellte sich an die Klippen um auf den Wald hinunterzublicken. Doch das
Schwarz der Nacht war so vollkommen, dass sie nichts sehen konnte. Selbst
der Wasserfall schien in ein bodenloses schwarzes Loch zu fallen.
Dann hörte sie plötzlich ein Knacken
und drehte sich um, um nachzusehen, was dieses Geräusch verursacht
hatte. Doch als sie es sah, ließ sie einen erschrockenen Schrei los.
Hinter ihr standen drei Ritter in schwarzer
Rüstung.
"Nein, das... das kann doch nicht wahr sein...!"
Mary ließ sich schmerzlich auf die Knie fallen.
Sie hatten sie also doch gefunden. Und das
so schnell.
"Oh doch, Prinzessin. Wir sind leider echt!",
antwortete einer der Ritter und lachte missraten.
"Wo ist denn euer Schoßhund?", fragte
ein anderer.
"Sieh dich doch mal um!", rief eine erboste
Stimme hinter den Rittern.
Diese fuhren herum und standen Jalin gegenüber.
Ohne darauf zu warten, dass sie sich von dem Schrecken erholt hatten, stieß
Jalin mit seinem Schwert zu und durchbohrte einen von ihnen. Der tote Ritter
sank zu Boden und die anderen zwei stürzten sich auf Jalin.
Mary konnte dem Kampf kaum folgen. Sie ertrug
es nicht, wenn die zwei Ritter sich gemeinsam auf Jalin stürzten und
ihm noch mehr neue Wunden zufügten.
So schnell und plötzlich der Kampf auch
angefangen hatte, genauso schnell und plötzlich endete er.
Jalin wurde das Schwert aus der Hand geprellt
und einer der Ritter verpasste ihm einen Kinnhaken, der ihn betäubt
zu Boden fallen ließ.
"Das war’s dann wohl.", sagte einer der beiden
und warf Jalins Schwert mit einem einfachen Schwung in die Dunkelheit des
Kraters. Dann wandten sich die beiden Mary zu.
"Und nun zu Euch, Prinzessin Amalia."
Sie sagte nichts sondern starrte nur auf den
am Boden liegenden Jalin. Wie viel hatte er für sie gegeben? Und sie
selbst konnte rein gar nichts unternehmen.
"Warum...?", fragte sie den Tränen nahe.
"Wäret Ihr nicht weggelaufen, Prinzessin,
dann wäre das alles nicht geschehen.", sagte einer der Ritter und
packte sie an ihrem Oberarm. Mit einem schmerzhaften Ruck riss er sie ihn
die Höhe, "Es ist alles eure Schuld.", hauchte er ihr ins Gesicht.
Dann verpasste er ihr eine schallende Ohrfeige, die sie hart zu Boden stürzen
ließ.
"Ihr habt Glück, dass uns der Oberpriester
verboten hat Euch wirklich etwas anzutun, denn sonst würdet Ihr für
jeden meiner Männer bezahlen, der in diesem Krater von einem dieser
verdammten Drachen getötet wurde!", schrie sie der andere Ritter an,
"Was glaubt Ihr wie viele gestorben sind?!"
"Anscheinend nicht genug.", sagte plötzlich
eine Stimme aus der Dunkelheit.
"Wer ist da?!", riefen die schwarzen Ritter
und zogen ihre Schwerter.
"Jemand, der es gar nicht leiden kann, wenn
man wehrlose Frauen schlägt.", knurrte die Stimme.
"Los, zeigt Euch, Feigling!" sagte ein Ritter.
"Ihr seid hier die Feiglinge. Ihr geht zu
zweit auf einen verletzten Ritter los! Und dann auch noch auf ein Mädchen!
Ich kann euch sagen, dass das ein großer Fehler war!", sagte Alex
kalt und trat aus der Dunkelheit. Er war richtig wütend, "Ihr habt
damit eurer Todesurteil unterschrieben!"
"Natürlich. Wer bist du schon, du Knilch?!",
fragte einer der Ritter unbeeindruckt.
"Das willst du lieber nicht wissen...", sagte
Alex böse und holte etwas unter seinem Mantel hervor, das er dann
den Rittern zeigte. Mary konnte es jedoch nicht sehen, weil ihr einer der
Ritter die Sicht versperrte. Doch es schien etwas Schreckliches zu sein,
denn einer der Ritter ließ entsetzt seine Waffe fallen und warf sich
auf die Knie.
"Spinnst du?!", fuhr ihn der andere daraufhin
an, "Das Ding ist doch gar nicht echt!"
"Oh doch, mein Freund...", grinste Alex kalt
und verbarg wieder das seltsame Ding, welches Mary nicht sehen konnte.
Dann sprang er plötzlich vor, zog sein Schwert und rammte es dem noch
stehenden Ritter in den Leib. Dieser stieß ein erschrockenes Keuchen
aus, ehe er tot zusammenbrach.
Alex zog sein Schwert aus dem leblosen Körper
und wischte seine Klinge an dessen Umhang ab. Dann wandte er sich dem anderen
Ritter zu.
"Du wirst jetzt zu deinem Oberpriester oder
was auch immer gehen, und ihm sagen, dass ich persönlich die Prinzessin
beschützen werde. Ist das klar?!", donnerte Alex.
"Ja!", rief der Ritter daraufhin und rannte
davon in die Dunkelheit.
Alex schob sein Schwert zurück in die
Scheide und ging zu Mary, die immer noch auf dem Boden kauerte. Er kniete
sich neben ihr nieder und betrachtete ihre, von der heftigen Ohrfeige,
angeschwollene Backe.
"Es tut mir leid...", sagte er vorwurfsvoll,
"Wäre ich doch früher gekommen..."
"Bitte sei still. So etwas will ich nicht
hören.", entgegnete sie leise.
Sie versuchte aufzustehen um zu Jalin zu gehen,
Alex musste ihr dabei helfen, weil sie immer noch etwas geschockt wirkte.
Jalin sah schrecklich aus. Er hatte überall
Schnittwunden und Prellungen.
"Nein, Jalin... bitte nicht...", flüsterte
Mary und ließ sich neben dem Ritter auf den Boden sinken. Er schien
dem Tode nahe.
"Ich weiß eine Möglichkeit wie
Ihr ihm helfen könnt.", meinte Alex vorsichtig, "Aber das könnt
wirklich nur Ihr tun."
"Ich werde alles tun, damit es Jalin wieder
besser geht. Ich stehe tief in seiner Schuld.", sagte sie ohne Alex anzuschauen.
"Dann lasst uns gehen." Alex schaute in den
dunklen Wald hinab. Was sie vorhatten würde kein Spaziergang werden.
Vor allem nicht für Mary.
Nein..., dachte Alex schmerzlich, für
Prinzessin Amalia.
Sie stiegen sofort nach Sonnenaufgang in den
Krater hinunter. Alex trug Jalin die ganze Zeit in den Armen.
Amalia und er hatten seither nichts mehr miteinander
gesprochen. Keiner traute sich etwas zu sagen. Doch schließlich brach
Alex das Schweigen, als sie den Wald betraten.
"Zu welchem Königshaus gehört Ihr
eigentlich?", wollte er wissen.
"Warum fragst du das? Ich bin keine Prinzessin.",
antwortete sie ohne ihn anzuschauen.
"Ihr könnt mir nicht länger etwas
vormachen, Prinzessin Amalia.", sagte er.
Bei diesen Worten konnte er sehen wie sie
unbewusst zusammenzuckte.
"Du weißt es?", fragte sie vorsichtig.
"Ja.", antwortete Alex, "So was habe ich mir
schon vorher gedacht. Aber als die Ritter euch dann mit Prinzessin ansprachen,
da... ist bei mir ein Licht aufgegangen."
"Ich verstehe." Es schmerzte sie irgendwie,
dass er sie mit Prinzessin anredete, "Aber ich kann dir selbst nicht sagen
woher ich komme. Man brachte mich als ein kleines Kind zu einer Königsfamilie.
Sie zogen mich auf und ich wurde ohne wirklich adelig zu sein eine Prinzessin.
Ich weiß nicht wer meine Eltern waren. Meine Stiefeltern wollten
mir nie etwas von ihnen erzählen."
"Und die schwarzen Ritter? Warum waren sie
hinter euch her?"
"Ich bemerkte eine große Veränderung
an meinem Stiefvater. Sein neuer Oberpriester wollte mich für eine
wichtige Zeremonie opfern. Und mein Stiefvater willigte ein. Dann bin ich
zusammen mit Jalin geflüchtet und wir landeten nach langer Reise hier
in diesem Krater.", erzählte Amalia.
Alex sagte erst einmal nichts. Vielleicht
wollte sie ihm ja noch mehr erzählen.
"Woher kommst du, Alex?", fragte sie nach
einer Weile, "Und warum willst du mir nicht erzählen, warum du hier
lebst?"
"Ganz einfach", antwortete er kalt, "es würde
Euch abschrecken. Aber ich denke, nachdem Jalin wieder gesund ist, werdet
Ihr es sowieso wissen."
"Wie meinst du das?", fragte sie verwirrt.
"So wie ich es sage." Alex wandte den Blick
von ihr ab. Er ertrug ihre Blicke nicht mehr. Sobald Jalin gesund war,
würde er sie sowieso nicht wieder sehen. Und das stach ihm einen Dolch
in sein Herz.
Für den Rest ihres Weges sprachen sie
nichts mehr miteinander. Amalia hatte zwar immer wieder versucht mit ihm
ein Gespräch anzufangen, aber Alex war nicht darauf eingegangen.
Alex führte sie zu einer großen
und dunklen Höhle am anderen Ende des Kraters.
Dort angekommen legte er Jalin vor dem Eingang
ab und deutete Amalia sich neben ihn zu stellen. Dann trat er einige Schritte
zurück und holte tief Luft.
"DUMMSCHUPPE!", schrie er in die Höhle,
"Kommt raus! Ich muss mit Euch reden!"
"Was hast du vor?", fragte Amalia nervös.
"Keine Angst.", versicherte er ihr, "Euch
wird nichts geschehen."
Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, als
plötzlich der Drache aus der Höhle geschossen kam und sich auf
Alex stürzte. Dummschuppe erwischte ihn mit einer seiner riesigen
Pranken und drückte ihn auf den Boden. Amalia kniete sich schützend
neben Jalin nieder und hielt die Luft an.
"Ihr wisst, dass Ihr mich nicht so nennen
sollt!", donnerte der Drache auf einmal los und drückte Alex mehr
und mehr die Luft ab, "Merkt es Euch endlich, mein Name ist URONAR! Und
was sucht Ihr eigentlich hier?! Ich dachte wir hätten ausgemacht,
dass Ihr nicht zu meiner Höhle kommt, und ich dafür nicht Eure
lächerliche Hütte niederbrenne!"
"Ach, Dummschuppe, hört auf mit mir zu
spielen!", schrie seinerseits Alex dem Drachen ins Gesicht, "Ich brache
Eure Hilfe!"
Amalia saß nur da und glaubte kaum ihren
Ohren. Da redete doch tatsächlich Alex mit einem Drachen! Und er schrie
ihn auch noch an! Und warum konnte ein Drache eigentlich sprechen?!
"Ihr braucht meine Hilfe?", fragte Uronar
ungläubig, "Wie kommt denn das auf einmal?!"
"Nein, nicht ich brauche Eure Hilfe sondern
dieses Mädchen dort drüben!", rief Alex.
"Mädchen? Wo denn?" Uronar sah sich suchend
um, "Oh, ihr meint dieses Mädchen da, das neben diesem Blechhaufen
liegt?"
"Uronar! Macht keine Witze! Hier geht es um
Leben oder Tod!", schrie Alex.
"Ist ja gut! Ist ja gut! So regt Euch doch
nicht auf!" Uronar nahm seine Pranke wieder von Alex herunter und drehte
sich zu Amalia um.
"Oh mein Gott!", stöhnte diese und blickte
dem Drachen in die Augen.
"Nein, tut mir leid, Mylady, aber ich bin
leider kein Gott. Ihr müsst Euch mit einem einfachen Drachen zufrieden
geben.", grinste der Drache.
"Eure Witze sind genauso schlecht wie Euer
Atem.", sagte Alex und erhob sich Luft ringend von dem Boden. Dann stellte
er sich neben den Drachen und grinste seinerseits diesen an.
"Was soll das hier überhaupt? Sie ist
doch eine Prinzessin, oder? Soll ich sie jetzt etwa entführen und
für mich kochen lassen?", fragte Uronar sichtlich verwirrt, "Ich hoffe,
sie kann das besser als Ihr."
"Erzählt keine Märchen, Uronar,
sondern hört ihr doch zu! Sie will Euch um etwas bitten!", sagte Alex.
"Nun gut. Was ist Eurer Anliegen, Mylady?",
fragte Uronar höflich.
Amalia brachte kein Wort heraus. Sie war viel
zu sehr geschockt um auch nur einen klaren Gedanken fassen zu können.
Langsam begann es in ihr zu dämmern. Sie wusste auf einmal wer Alex
in Wirklichkeit war. Doch sie wagte es nicht auszusprechen. Noch war es
nicht Zeit dazu.
"Ich... ich wollte Euch bitten diesem jungen
Ritter hier zu helfen.", stotterte sie dann schließlich.
"Ihr wollt, dass ich ihm das Leben rette?
Ihn von seinen Schmerzen und Qualen erlöse?", hakte Uronar nach.
"So ist es. Ich bitte Euch nach ganzem Herzen
darum." Sie blickte ihm tief in die Augen. Etwas an den Augen des Drachens
erinnerte Amalia an Alex. Doch sie wusste nicht richtig was.
"Hm... Und was bekomme ich als Gegenleistung?",
wollte der Drache wissen.
Amalia erschrak. Sie hatte nichts was sie
ihm hätte geben können. Nichts außer sich selbst.
"Darüber macht Euch mal keine Gedanken,
Uronar. Darum kümmere ich mich.", sagte Alex schnell bevor Amalia
etwas antworten konnte. Sie sah ihn verwirrt an, aber er lächelte
nur.
"Na gut...", grummelte Uronar, "Ich werde
es tun, auch wenn ich weiß, dass Ihr mich bestimmt wieder ausgetrickst
habt. Geht mal beiseite.", sagte er dann zu Amalia. Mit schnellen Schritten
trat sie neben Alex.
Dann holte Uronar kurz Luft und spie blaue
Flammen aus. Die Flammen umhüllten Jalin und ließen seine Konturen
verschwimmen.
Amalia neben Alex ließ einen kleinen
Schrei los.
"Keine Sorge. Es wird ihm nichts geschehen.
Uronars heilendes Drachenfeuer wird seinen Körper wieder vollständig
genesen.", beruhigte er sie.
"Uronar und du, ihr seid euch sehr ähnlich.",
begann Amalia zögerlich. Sie blickte ihn von der Seite an. Alex senkte
den Blick.
Sie wusste es also.
"Du... du bist also wirklich ein..." Sie wagte
nicht das Wort auszusprechen.
"Ja, ich bin ein Drachenritter. Einer der
letzten unseres ausgestorbenen Volkes.", sagte er ohne jegliche Gefühlsregung
in seiner Stimme.
Unbeabsichtigt machte Amalia einen Schritt
von ihm weg. Doch Alex bemerkte dies natürlich. Die Sinne eines Drachenritters
waren übernatürlich gut.
Sein Volk gab es schon so lang wie es die
Drachen gab. Sie waren keine wirklichen Menschen und besaßen einige
Fähigkeiten der Drachen. Auch besaßen sie eine sehr alte Magie,
die es ihnen erlaubte, Drachen zu beeinflussen. Die Drachenmenschen waren
einst ein stolzes Volk, das im Krieg wegen ihrer Kunst mit den Drachen
umgehen zu können sehr gefürchtet war. Deswegen wurden sie gejagt,
getötet und fast ausgerottet. Die wenigen übrig gebliebenen versteckten
sich oder versuchten sich als normale Menschen auszugeben.
Alex war bis zu der Zeit, bevor er in diesem
Krater lebte, von Ort zu Ort gezogen, immer verfolgt und geachtet von den
anderen Menschen. Er hatte viel durchlitten. Selbst seine Eltern hatte
er einst zurücklassen müssen. Sie wurden getötet. Und dies
nur um ihren einzigen Sohn vor dem Tode zu bewaren. Er war sich nicht ganz
sicher, aber Alex glaubte wirklich der noch einzig lebende Drachenritter
zu sein.
So schmerzte es ihn zutiefst, dass Amalia
Angst vor ihm hatte. Die Menschen erzählten ihren Kindern immer Schauermärchen
über sein Volk, um ihnen Angst einzujagen, wenn sie mal wieder nicht
brav waren.
"Keine Angst.", sagte er deshalb mit einem
traurigen Lächeln, "Ich fresse schon lang keine Kinder mehr."
"Alex, es tut mir leid, ich wollte dich nicht...",
wollte sie sagen, doch er hob abwehren die Hand.
"Amalia,", sagte er, "ist schon gut. Wenn
ich nicht wüsste, wer ich bin, dann hätte ich selbst Angst vor
mir."
"So, fertig!", rief Uronar gut gelaunt und
trat einige Schritte von Jalin zurück, "Der ist wie neu."
"Danke, Uronar.", bedankte sich Alex bei dem
Drachen.
"Bitte, bitte. Vergesst meine Belohnung nicht!",
erinnerte ihn Uronar.
"Sicher nicht, ich koch mal für Euch!"
"Oh Gott, bloß nicht!", rief Uronar
entsetzt und schlürfte zurück in seine Höhle.
"Jalin!" Amalia rannte zu ihrem Beschützer
und ließ sich neben ihm in das Gras sinken, "Jalin, wie geht es Euch?"
Der Ritter öffnete seine Augen und blickte
die Prinzessin verwirrt an.
"Amalia? Seid Ihr es? Ich hatte so einen seltsamen
Traum...", meinte er leise.
"Das war kein Traum! Euch hat wirklich ein
Drache geheilt!"
"Was?! Aber wie ist das möglich? Geht
es Euch gut, Prinzessin?" Jalin setzte sich schnell auf und hielt Ausschau
nach einem Drachen, doch Uronar war schon längst wieder in seiner
Höhle verschwunden.
"Aber Prinzessin? Was ist mit den Rittern
geworden? Haben sie Euch etwas angetan?", fragte er besorgt.
"Nein, Alex kam zur Rechten Zeit um mir und
Euch das Leben zu retten. Er...", Sie drehte sich plötzlich erschrocken
nach Alex um.
Doch dort wo er noch vor wenigen Sekunden
gestanden hatte war nichts mehr zu sehen. Stattdessen lag dort im Gras
ein kleines Wappen, das auf ein seltsames Metall geschnitzt war.
Amalia stand auf und ging zu dem Wappen.
"Das hat er also den Rittern gezeigt...",
meinte sie leise zu sich selbst.
Auf dem Wappen war ein Ritter in einer kunstvollen
Rüstung, der auf einem Drachen saß und durch die Wolken flog.
.
3. Kapitel
Wahre Freundschaft
Als Amalia und Jalin zurück zu Alexs Haus
kamen, fanden sie es verlassen vor. Der junge Drachenritter war nirgends
zu sehen.
"Ich habe ein schlechtes Gewissen.", sagte
Amalia traurig, "Er hat uns so viel geholfen und wir haben uns nicht einmal
bedankt."
"Drachenritter... ich dachte immer, sie wären
nur ein altes Ammenmärchen.", meinte Jalin und schüttelte den
Kopf. Er war fast verrückt vor Angst geworden, als die Prinzessin
ihm erzählt hatte, wer Alex in Wirklichkeit war.
"Es ist schade, wenn man ein Volk einfach
so schlecht macht. Alex kann doch gar nichts dafür!", meinte Amalia
außer sich, "Menschen, die so schreckliche Dinge verbrechen, sind
abscheulich!"
"Die Menschen haben eben Angst vor dem was
anders ist.", sagte plötzlich Alex hinter ihnen.
Amalia und Jalin fuhren herum und waren froh,
dass nur Alex hinter ihnen stand und nicht einer ihrer Jäger.
"Ihr seid noch nicht weg?", wunderte sich
der Drachenritter, "Habt ihr etwas vergessen?"
"Ja.", sagte die Prinzessin und stellte sich
Alex gegenüber, "Wir haben vergessen dir zu danken. Danke Alex.",
sie beugte sich vor und küsste ihn auf die Wange. Jalin grinste nur,
als er Alexs erstauntes Gesicht sah.
"Wofür... wofür war denn das?",
fragte Alex sie verwirrt.
"Dafür, dass du Jalin und mir das Leben
gerettet hast.", lächelte sie. Alex fand, dass sie das schönste
Lächeln auf der ganzen Welt besaß.
Jalin räusperte sich, "Prinzessin, wir
sollten jetzt lieber aufbrechen. Wer weiß, wann der Priester uns
neue Verfolger auf den Hals hängt?"
"Ja, stimmt.", sagte sie plötzlich mit
einer Spur Traurigkeit in der Stimme. Sie blickte betroffen zu Boden und
ihr schönes Lächeln verschwand.
"Dann heißt es wohl auf Wiedersehen
sagen." Alex versuchte zu lächeln.
"Alex...", begann Amalia unsicher, "Willst
du nicht mit uns kommen? Ich will nicht, dass du hier so allein zurückbleibst.
Bitte begleite uns!", flehte sie.
"Amalia.", meinte er traurig, "Ich kann hier
nicht fort. Das ist mein Zuhause, meine Heimat. Ich...", er stockte kurz
und sah in den Krater, "... gehöre eben zu den Drachen."
"Ich verstehe...", traurig folgte sie seinem
Blick und sie konnte ihn wirklich verstehen. In einer Welt, die ihn und
sein Volk nicht gewollt hatte, war dies wirklich der einzige Ort, an dem
er sich wohlfühlen konnte. Hier war er bei einem Teil seines Volkes
- bei den Drachen.
"Sagst du Uronar einen Gruß von mir?
Ich hätte ja gern für ihn gekocht, aber es hat sich eben anders
ergeben.", sagte sie zum Abschied und trat neben Jalin.
"Das werde ich. Ich denke, er wird sich darüber
freuen.", entgegnete Alex.
"Machs gut, Alex. Danke nachmals.", sagte
plötzlich Jalin und schüttelte ihm freundschaftlich die Hand,
"Pass auf dich auf, Kleiner."
"Pass du mir lieber auf Amalia auf.", grinste
Alex zurück und drückte fest die Hand des Ritters. Doch Jalin
drückte ebenso fest zurück. Die beiden mussten lachen.
Männer...., dachte Amalia hingegen nur
und unterdrückte ein kleines Grinsen.
"Pass bitte gut auf dich auf, Alex.", meinte
sie ehrlich.
"Lasst euch nicht von diesen Leuten erwischen,
bitte. Wenn ihr mal in Schwierigkeiten kommen solltet, dann nehmt das Wappen
zur Hand. Ich werde dann kommen und euch beiden zur Seite stehen." Er nahm
ihre rechte Hand und hauchte ihr einen Kuss auf ihren Handrücken.
Amalia wurde etwas rot im Gesicht. Eine Weile standen sie nur da und sahen
sich in die Augen, bis Jalin sich schließlich etwas übertrieben
räusperte. Die beiden blickten verlegen zur Seite und Jalin und Amalia
machten sich dann auf den Weg.
Als Alex sie nicht mehr sehen konnte, weil
sie den Rand des Kraters schon lange verlassen hatten, trat er an den Kraterrand.
"Amalia...", flüsterte er, "Ich hoffe
es wird dir gut ergehen..."
Urdo lief unruhig durch sein Zimmer. In schnellen
Bahnen umrundete er seinen teuren Mahagonischreibtisch und fegte dabei
ganze Stapel von Blättern zu Boden.
"Wie soll ich ohne dieses dumme Kind...",
knurrte er vor sich hin, als es plötzlich an der Tür klopfte.
Scheu und etwas mit den Beinen zitternd trat
ein junger Bediensteter ein.
"Herr, ich habe wichtige Nachrichten für
Euch.", stammelte er.
"Dann red schon!", fauchte ihn Urdo an.
"Ja, Herr!", beeilte sich der Diener zu sagen,
"Einer der Ritter, die Ihr geschickt habt um Prinzessin Amalia zurückzuholen
ist heute morgen eingetroffen. Er sagt, dass die Prinzessin und ihr Begleiter
in einen Vulkankrater geflohen waren. Er und seine Männer haben sie
bis dorthin verfolgt, aber fast alle seiner Männer wurden angeblich
von...", der Junge stockte kurz, "...Drachen getötet. Und dann sei
noch ein junger Krieger gekommen um die beiden zu beschützen. Der
Krieger soll ihm ein seltsames Wappen gezeigt und ihm aufgetragen haben
Euch auszurichten, dass er ab sofort die Prinzessin beschützen werde."
Der Diener endete erleichtert.
"Du kannst gehen, aber rufe den besagten Ritter
zu mir.", sagte Urdo sofort und gab dem Jungen einen Wink mit der Hand.
Dieser verschwand dann aus dem Zimmer.
Wenige Minuten später betrat dann der
schwarze Soldat das Zimmer.
Urdo hatte ihn bereits erwatet und hieß
ihm sich zu setzten.
Der Ritter setzte sich mit einem mulmigen
Gesichtsausdruck auf einen Stuhl.
"Der fremde Krieger hat Euch also ein Wappen
gezeigt, ja?", fragte der Oberpriester ohne Umschweife.
"Ja, Herr.", antwortete der Ritter.
"Dann beschreibt mir wie es aussah.", forderte
Urdo in auf.
"Es zeigte einen Mann in prachtvoller Rüstung
auf einem riesigen roten Drachen. Sie flogen durch die Lüfte."
"Hm...", machte der Priester und ging zu seinem
Schreibtisch. Er öffnete eine Schublade und holte ein altes Pergament
heraus. Dieses Pergament legte er dann vor den Ritter auf den Tisch und
rollte es auf.
Zum Vorschein kam ein riesiger Stammbaum.
Statt den Namen der Familie waren dort kunstvoll Wappen eingezeichnet.
Alle dieser Wappen hatten eine Gemeinsamkeit: Sie enthielten in irgendeiner
Form einen Drachen.
Doch jedes dieser Wappen war mit einem feinen
Stift ausgestrichen worden. Nur eines nicht: Das Wappen, das der Ritter
gerade beschrieben hatte.
"Sah es vielleicht so aus?", fragte Urdo,
obwohl er die Antwort schon wusste.
Der Ritter nickte zustimmend, "Ja Herr, genau
so."
"Gut. Ihr dürft gehen.", sagte Urdo und
rollte das Pergament wieder auf.
"Habe ich dich also gefunden...", lachte er
leise als der Ritter das Zimmer wieder verlassen hatte, "...Alexander von
Drachenfels."
"So einfach mache ich es Euch nicht!", schrie
Uronar böse und peitschte wütend mit seinem Schwanz nach Alex,
"Eure Magie könnt Ihr an anderen Versuchskaninchen ausprobieren!"
"Das ist es ja! Bei all Euren Verwandten klappt
es! Nur eben bei Euch noch nicht!", entgegnete Alex und wich gerade noch
so dem Schwanz des Drachens aus.
"Ich muss Euch eh noch den Kopf abbeißen,
Ihr habt mir Eurer dreckiges Schwert in den Fuß gerammt!", fauchte
Uronar und schlug mit einer seiner Pranken nach Alex. Doch wieder erwischte
er ihn nicht. Alex war zu flink.
"Ich sagte Euch doch: Wenn Ihr mit Menschen
spielt, dann werde ich Euch wie jeden gewöhnlichen Drachen bekämpfen!",
sagte Alex aufgebracht und wich einer neuen Attacke des Drachens aus.
"Und das verstehe ich immer noch nicht!",
knurrte Uronar und verpasste Alex einen gnadenlos harten Schlag, der den
jungen Ritter durch die Luft und gegen einen Baum schleudern ließ.
Alex wurde von diesem Schlag oder besser gesagt
von dem Aufprall fast ohnmächtig. Uronar hatte es wohl ziemlich ernst
gemacht.
"Ich verstehe es nicht.", meinte der Drache
erneut etwas ruhiger, als er gesehen hatte was er angerichtet hatte, "Die
Menschen haben unsere Völker nahezu ausgelöscht, und dann beschütz
Ihr gerade sie!"
"Sie können... doch... nichts dafür...",
keuchte Alex und versuchte sich etwas aufzurichten. Wäre er nicht
der Freund des Drachens gewesen, dann hätte Uronar ihn wohl mit diesem
Schlag getötet.
"Ihr seid so dumm, Alex. So dumm..." Uronar
schüttelte den Kopf und schlürfte zu dem Verletzten. Alex hätte
den Drachen gerne gefragt, ob er ihn mit seinem blauen Feuer heilen könne,
aber er war dem Drachen zu viel schuldig.
Deshalb richtete er sich auf, um zu zeigen,
dass er nicht klein bei gab.
"Ihr müsst hier niemanden etwas beweißen.
Vor allem mir nicht.", sagte daraufhin Uronar, als ob er seine Gedanken
gelesen hatte. "Haltet still."
Der Drache holte tief Luft und heilte Alex
mit seinen Flammen. Alex Körper fühlte sich wieder frisch und
erholt an, nichts tat mehr weh.
"Danke...", meinte Alex missmutig und lehnte
sich traurig an den Baum.
Uronar knurrte, "Ihr seid unkonzentriert.
Kein Wunder, dass Ihr so schlecht gekämpft habt. Aber Ihr wurdet anscheinend
von einem bösen Fluch getroffen. Das spüre ich genau!"
"Fluch?" Alex sah auf, "Was denn für
ein Fluch?"
"Ihr habt richtig gehört.", knurrte der
Drache weiter, "Ein Fluch, genannt: LIEBE! ARGH!" Uronar schüttelte
sich, "ICH HASSE DIESES WORT!"
"Wahrscheinlich. Aber ich…”, wollte Alex sagen
doch Uronar unterbrach ihn: "Es verwirrt Eure Sinne, es raubt Euch eurer
letztes bisschen Verstand und irgendwann bringt es Euch um! Glaubt mir
das ist ein Fluch!"
"Jetzt übertreibt Ihr aber!"
"Bestimmt nicht. Ich habe schon viele Krieger
fallen sehen, nur wegen ihrer ach so großen Liebe! Pah! Ganze Königreiche
sind wegen so etwas hinterhältigen ausgerottet worden!"
"Uronar, Ihr wart eben noch nie verliebt...",
seufzte Alex ohne auf die Worte des Drachens zu achten.
"Deshalb leben ich auch noch!" Uronar ließ
sich neben Alex nieder. Eine Weile saßen sie nur so da und sagten
nichts.
"Ich werde es nochmals versuchen.", sagte
Alex nachdenkend.
"Ach ja, und was? Euch zu verlieben?", fragte
der Drache.
"Nein.", antwortete der junge Drachenritter
darauf, "Ich werde erneut versuchen, ob ich Euch mit meiner Magie beherrschen
kann."
Uronar erhob sich und sah Alex plötzlich
mit einem, für einen Drachen sehr ernstes, Gesicht an, "Es wird nicht
klappen, junger Drachenritter."
"Aber warum nicht?! Ich gebe mir dir größte
Mühe!", fuhr Alex auf.
"Ganz einfach, hättet Ihr mehr in den
Büchern gelesen, dann wüsstet Ihr es: Ein Drachenritter kann
keinen Drachen beherrschen, der sein Freund ist. Es ist unmöglich."
Damit drehte er sich um und schlürfte zurück zu seiner Höhle.
Alex war erstaunt, mehr als das sogar. Es
war ihm unmöglich auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.
"Uronar!", rief er dann und sprang auf. Mit
einigen Sätzen holte er den Drachen noch vor seiner Höhle ein,
"Ich muss Euch etwas fragen!"
"Was ist denn?!", knurrte der Drache.
"War das jetzt kein Scherz? Habt Ihr das ehrlich
gemeint?", wollte Alex wissen. Er musste das jetzt verstehen.
"Ich habe es so gemeint wie ich es gesagt
habe."
"Danke, Uronar. Ihr seid auch mein Freund.
Den einzigen, den ich habe!" Alex schaute dem uralten Drachen in die Augen.
Die gelben, faustgroßen Kugeln betrachteten ihn ebenfalls.
"Wisst Ihr was, Knirps?" Uronar hatte ihn
schon lange nicht mehr so genannt, "Ich werde Euch nicht fressen, wenn
Ihr mich nicht fresst."
"Oh ja, natürlich." Alex verstand diese
Worte, es war eben Uronars Art und Weise seine Gefühle auszudrücken.
"Gut, dann geht mir jetzt aus dem Weg, Halbdrache."
Er stieß Alex mit seiner riesigen Schnauze bei Seite und verschwand
in seiner Höhle.
Alex grinste breit. Ihm war gerade etwas Fieses
eingefallen.
Er nahm etwas Abstand von dem Höhleneingang,
formte seine Hände zu seinem Trichter und holte tief Luft.
"DUMMSCHUPPE!"
In der Höhle erklang plötzlich ein
grausiges Brüllen und Alex nahm schnell die Beine in die Hand,
um um sein Leben zu laufen. Er liebte dieses Spiel. Und Uronar ebenso.
.
4. Kapitel
Die Falle
Amalia und Jalin wanderten gerade durch einen
tiefen und dunklen Wald. Überall waren Schatten und das Licht der
Sonne kam kaum durch das dichte Blätterdach des Waldes hindurch. Und
ein kalter Wind fegte zwischen den dicht stehenden Bäumen hindurch.
Eigentlich ein Widerspruch in sich, aber es war eben so… unheimlich.
Amalia zog ihren Mantel enger um ihre Schultern
um nicht gleich zu erfrieren.
"Geht es Euch gut, Prinzessin?", fragte Jalin
neben ihr.
"Sicher, Jalin. Ich bin nur etwas betäubt
von dieser Eiseskälte. Das ist wohl alles." Sie lächelte unschuldig.
"Aha. Natürlich." Jalin zuckte mit den
Schultern.
"Ihr glaubt mir nicht.", schlussfolgerte sie.
"Wie recht Ihr habt. Es klingt auch nicht
besonders glaubwürdig.", antwortete er, "Seit wir Alex verlassen haben,
seid Ihr so in Euch gekehrt. Ihr müsst wohl die ganze Zeit an ihn
denken, oder?"
"Was? Ich?" Sie lief etwas rot an, "Wie kommt
Ihr denn darauf?"
Jalin grinste schelmisch, "Ich kenne Euch,
belasst es bei dieser Antwort."
Amalia lächelte ebenfalls etwas. "Ihr
habt wohl recht."
Plötzlich blieben sie beide abrupt stehen.
Sie spürten förmlich wie die Schatten um sie herum Gestalt anzunehmen
begannen. Sie schienen sich sogar zu bewegen.
Jalin zog sirrend ein Schwert, das Alex ihm
freundlicher Weise gegeben hatte, und blickte sich angestrengt nach etwas
um, doch es war nichts da, nur die lebendigen Schatten.
"Jalin, was ist das?", fragte Amalia ängstlich.
"Ich weiß es nicht, Prinzessin. Seid
vorsichtig!", warnte er.
"Aber, aber!", ertönte plötzlich
eine seltsame Stimme, "Wer wird denn Angst vor ein paar Schatten haben?"
Jalin fuhr herum. Amalia tat dies ebenso und
stieß einen gellenden Schrei aus.
Hinter ihnen stand der Priester.
"Habe ich euch beide endlich gefunden. Nachdem
ich wusste, wo Ihr gewesen seid, war es einfach euren Spuren zu folgen.
Aber jetzt habt ihr verloren! Prinzessin Amalia, kommt mit und eurem treuen
Gefährten wird nichts geschehen!", rief er.
"Niemals!", schrie Jalin zurück, "Nur
über meine Leiche!"
"Das könnt Ihr gerne haben!", meinte
der Priester todernst, "Los, schnappt ihn euch!"
Hinter ihm traten plötzlich ein halbes
Dutzend schwarzer Ritter aus den Schatten. Es schien aussichtslos zu sein.
Mit einem wütenden Brüllen warf
sich Jalin den Rittern entgegen. Diese Antworteten ebenso. Amalia schrie
angstvoll auf: "Jalin! Nein!"
Sie holte Alex Wappen aus ihrer Tasche und
drückte es fest.
"Alex!", rief sie, "Wir brauchen deine Hilfe!
Bitte komm schnell!"
Plötzlich stand der Priester vor ihr
und schlug ihr das Wappen aus der Hand.
"So, so.", meinte er tadelnd, "Ihr habt also
Euren kleinen Drachenfreund gerufen? Ich bezweifle, dass er kommen wird.
Und wenn schon, dann bestimmt zu spät!"
"Ihr wisst von Alex?", fragte Amalia ungläubig.
"Mehr als Ihr je erfahren werdet! Er ist der
letzte. Wenn ich ihn vernichtet habe, dann ist die Welt endlich von diesen
grässlichen Monstern gereinigt!" Der Priester lachte verrückt.
"Ihr seid das Monster!", schrie sie und schlug
ihm ins Gesicht. Der Priester taumelte vor Überraschung etwas zurück
und fasste an seine Wange. Amalia hatte ihm mit ihren spitzen Fingernägeln
ein paar blutige Striemen verpasst. Wütend sah er sie an.
"Das war sehr schlecht, Prinzessin. Dafür
werdet Ihr noch büssen müssen!"
"Aber zuerst IHR!", rief plötzlich eine
vertraute Stimme über ihnen.
Der Kampf verstummte schlagartig, als ein
markerschütterndes Brüllen erklang. Alle sahen in den Himmel,
es wurde plötzlich noch dunkler in dem Wald, weil sich etwas Riesiges
vor die Sonne schob. Dann krachte plötzlich Uronar durch das Dach
des Waldes und landete mitten in den schwarzen Rittern. Ohne darauf zu
warten, dass sich diese von dem Schrecken erholten, griff er sofort an
und tötete schon allein durch einen Prankenhieb unzählige.
Amalia jubelte freudig auf, denn Alex sprang
auf einmal von Uronars Rücken und kam auf sie zu gerannt.
Er sah großartig aus, fand sie. Er trug
eine Rüstung, die wie echte Schuppen eines Drachens in unzähligen
Farben glänzte und schimmerte. Ein anmutiges Schwert baumelte an seiner
Seite. Er sah wirklich aus wie ein Drachenritter.
"Was für eine tolle Vorstellung, bravo.",
meinte der Priester jedoch nur müde und klatschte lustlos in die Hände.
Er stellte sich zwischen Alex und Amalia.
"Ich habe geschworen, Amalia zu beschützen,
und selbst Ihr werdet mir nicht im Weg stehen. Gebt sie frei!", forderte
Alex ohne auf die Bemerkung von eben zu achten.
"Was für ein edles Vorhaben. Doch Ihr
wisst anscheinend noch nicht, dass dies Euer Ende sein wird, Alexander
von Drachenfels!", lachte der Priester böse.
"Ihr wisst, wer ich bin?", fragte Alex überrascht.
"Natürlich weiß ich das! Ich war
es schließlich, der Eure Eltern, nein, sogar Eure ganze Sippe ausgelöscht
hat!"
"WAS?!", schrie Alex in Rage. Amalia hielt
erschrocken die Luft an. War so etwas möglich?
"Ihr habt richtig gehört, ich war es!
Und wenn ich Euch beiseite geschafft habe, dann ist mein Werk vollendet!",
rief der Priester erfreut.
"Euer Werk?! Wollt Ihr etwa mein ganzes Volk
auslöschen?!", rief Alex fassungslos.
"Richtig…"
Alex Herz verkrampfte sich. Er konnte kaum
atmen vor Schmerzen. Der Mann, der vor ihm stand, hatte seine ganze Familie
getötet. Aber warum? Warum tat ein Mensch solch schreckliche Dinge?
Unglaubliche Wut stieg in ihm auf. Dafür würde der Priester mit
seinem Leben bezahlen, das schwor er sich hiermit.
"Falls es Euch vor Eurem Tode noch interessiert:
Ihr seid der letzte Eures Drachenvolkes!", rief der Priester triumphierend.
"Warum?", schrie plötzlich Amalia. Ihr
liefen Tränen über die Wangen, "Warum habt Ihr das getan?! Wie
kann ein Mensch nur so grausam und voller Hass sein?"
"Amalia…", flüsterte Alex. Für kurze
Zeit verblasste der Hass in seinem Herzen.
"Ihr habt überhaupt keine Ahnung, was
dieses Volk von Drachenmenschen wirklich vorhatte!"
"Und was sollte das sein?", fragte Amalia.
"Die Menschheit zu vernichten! Sie sind Dämonen,
die allein über die Welt herrschen wollen!"
"Niemals! Das ist eine Lü-" - "Es stimmt.",
unterbrach Alex sie. Verwirrt sah sie ihn an.
"Es war wirklich das Ziel einiger Sippschaften
die Menschen zu vernichten, aber... mache kämpften auch für die
Menschen. Es gab zwar viele Kriege zwischen unsere Völkern, aber noch
mehr Freundschaften. Ihr könnt mein Volk gar nicht ausschalten, Priester
dessen Name ich nicht einmal weiß. Es lebt in Kindergeschichten oder
in den Drachen weiter. Die Menschen werden uns nie vergessen können.",
schloss Alex traurig, jedoch mit entschlossener Stimme.
Der Priester sagte daraufhin nur: "Mein Name
lautet Urdo."
Alex sah irritiert auf. "Das ist unmöglich!
Urdo ist ein geweihter Drachenpriester! Er ist zwar ein Mensch, aber der
Freund meines Volkes!"
"Ich bin es wirklich. Ich habe mir geschworen
die Erde von Eurer ekelhaften Rasse zu reinigen! Ihr habt nicht mehr das
Recht zu leben! Eure Zeit ist abgelaufen..."
"Was heißt hier nicht mehr das Recht?
Wann hat jemand denn das Recht zu leben? Wer entscheidet das?", fuhr Amalia
auf.
"Genau. Was gibt Euch das Recht darüber
zu entscheiden ob jemand leben darf oder nicht? Ihr seid kein Gott!", rief
Alex.
"Aber ich werde es sein, wenn ich Euer Volk
ausgelöscht und die Prinzessin jemandem ganz bestimmten geopfert habe!",
lachte Urdo.
"Doch nicht etwa…?", keuchte Alex.
"Oh doch, genau dem! Dem Gott der Unterwelt!"
Amalia versteifte. Sie sollte dem Gott der
Unterwelt geopfert werden?
"Nie im Leben!", rief plötzlich Jalin
und tauchte hinter Alex auf. Er war durch unzählige Wunden verletzt,
doch trotzdem sprang er vor und stieß mit seinem Schwert in Richtung
des Priesters. Dieser wich aus und hob dann auf einmal die Hand. Hinter
ihnen erscholl plötzlich Uronars gequältes Brüllen. Alex
keuchte erschrocken auf und starrte Urdo an.
"Das könnt Ihr nicht machen!", rief er,
"Nicht mit Uronar!"
"Und ob ich das kann!", entgegnete der Priester
und murmelte einige Worte.
Uronar brüllte erneut und ließ
damit die Erde beben. Er kam auf sie zugestampft.
"Los, LAUFT!", schrie Alex, "Jalin bringt
Amalia in Sicherheit! Er darf sie nicht bekommen!"
"Alex, was ist los?", fragte Amalia verwirrt.
"Er hat Uronar unter Kontrolle! Er wird ihn
auf uns hetzten! LAUFT ENDLICH!", schrie er. Doch selbst machte er keine
Anstalten sich von der Stelle zu rühren. Er sah dem Drachen ungeduldig
entgegen.
"Und was ist mit dir? Du kannst nicht einfach
hier bleiben!", rief Amalia.
"Uronar ist mein Freund, er wird mir nichts
tun.", meinte Alex leise. Doch selbst wusste er, dass dies nicht stimmte.
Ein Drache, der unter der Kontrolle eines Priesters stand, war nicht mehr
Herr über sich selbst. Er würde keinen Unterschied machen zwischen
einer Küchenschabe und seinem Freund.
"Nein, Alex!", schrie Amalia, als Jalin sie
am Handgelenk packte und davon schleifte. Sie riss sich wieder los und
wollte zu dem Drachenritter rennen, doch Jalin hielt sie erneut auf und
warf sie sich kurzerhand über die Schulter. Mit der schreienden Prinzessin
über den Schultern rannte er in den dichten Wald und verschwand.
Alex seufzte erleichtert, wenigstens würde
Urdo Amalia nicht bekommen. Uronar war schon fast heran, zum Weglaufen
war es schon längst zu spät. Doch er wollte nicht mit seinem
Drachenfreund kämpfen. Er konnte einfach nicht sein Schwert ziehen.
Dann stand er Uronar gegenüber. Die Augen
des Drachens leuchteten rot und sein Blick war verwirrt und auch verängstigt.
Alex schaute ihm tief in die Augen und versuchte noch einen kleinen Rest
seines Freundes zu erkennen, doch vergeblich. Uronar stand vollkommen unter
Urdos Kontrolle.
"Tu was du willst, Uronar. Ich werde mich
nicht wehren.", sagte er.
Uronar hätte ihn schon längst angreifen
und töten können, doch er rührte sich nicht.
"Wenn Ihr glaubt, dass ich Euch jetzt schon
sterben lasse, dann habt Ihr Euch geschnitten, Alexander. Ich habe meine
Pläne geändert...", lachte Urdo leise, "Es wäre unklug Euch
zu töten, ich werde Euch lieber als Köder verwenden..."
Alex sah den Priester eiskalt an. Urdo erwiderte
seinen Blick und gab dem Drachen einen Wink mit der Hand. Aus den Augenwinkeln
konnte Alex noch sehen wie Uronar mit einer seiner riesigen Pranken ausholte.
Dann war alles schwarz.
Mittlerweile hatte Amalia aufgehört zu
schreien und zu zappeln. Sie hing immer noch über Jalins Schulter
und weinte still vor sich hin. Jalin lief ununterbrochen weiter durch den
Wald. Weg von den Schatten und damit auch weg von Alex.
"Jalin", schluchzte sie, "Du kannst mich wieder
runter lassen."
Er hielt an. "Meint Ihr wirklich?"
"Ja, ich denke ich kann wieder allein laufen.",
antwortete sie und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Ohne ein
weiteres Wort ließ Jalin sie sanft zu Boden gleiten und betrachtete
sie prüfend. Sie versuchte zu lächeln.
"Wir werden ihn doch retten, oder?", fragte
Amalia und setzte sich wieder in Bewegung. Doch Jalin folgte ihr nicht
sondern blieb stehen und blickte nur zu Boden. Amalia drehte sich zu ihm
um. "Das werden wir doch, nicht Jalin?!"
"Amalia, das wäre nicht in seinem Sinne
gewesen. Dafür hat er sich nicht geopfert...", antwortete der Ritter
leise.
"Aber wir müssen ihm helfen! Wir können
ihn doch nicht einfach so im Stich lassen!?", fuhr sie auf.
"Kommt, lasst uns weiter gehen.", sagte Jalin
plötzlich und blickte sich unruhig um. Er ging an ihr vorbei und marschierte
weiter.
"Jalin!", schrie Amalia, "Jalin!" Doch er
beachtete sie nicht.
"Das ist nicht fair...!", schluchzte sie erneut
und ließ sich auf den Waldboden fallen. Jalin drehte sich wieder
zu ihr um, "Bitte, Amalia...", seufzte er und schritt auf sie zu, "Wenn
der Priester Euch erwischt, dann ist alles aus!"
"Das ist mir gleich!", rief sie.
"Das darf es aber nicht!", fuhr er auf und
packte sie grob am Arm. "Dann war alles umsonst! Unsere lange Reise, die
vielen Wunden und Alex Opfer ebenso! Soll das alles umsonst gewesen sein?"
Sie blickte ihn plötzlich wütend
an. Mit einer groben Geste riss sie sich von ihm los und stieß ihn
ebenso grob von sich.
"Wenn wir Alex retten können, dann war
nichts umsonst! Ich werde gehen, Jalin, ob es Euch passt oder nicht! Ich
werde endlich tun was mein Herz mir befiehlt!" Mit diesen Worten drehte
sie sich um und rannte zurück in die Richtung aus der sie gerade geflohen
waren.
.
5. Kapitel
Erkennen
Als Alex wach wurde kam es ihm vor als habe
er Jahrzehnte lang geschlafen. Er fühlte sich matt und müde als
er langsam versuchte ein Auge zu öffnen. Er spürte dass sein
Kopf auf etwas weichem und warmen, sein restlicher Körper jedoch auf
kaltem Felsboden lag.
"Lass lieber die Augen zu.", sagte eine sanfte
Frauenstimme und eine warme und zarte Hand legte sich über seine Augen.
"Du bist noch zu schwach."
"Wo bin ich? Wer bist du?", fragte er leise
und verwirrt, denn er schien diese Stimme zu kennen.
"Du bist wie ich in dem Kerker eines Schlosses."
Die Stimme zögerte kurz bevor sie weitersprach. "Wer ich bin ist nicht
wichtig."
"Doch das ist es, ich kenne dich!", sagte
Alex und nahm mit seiner eigenen Hand, die Hand über seinen Augen
weg. Dann blickte er in Amalias trauriges Gesicht.
"Sei mir bitte nicht böse, Alex...",
sprach sie leise, als er vor Überraschung kein einziges Wort herausbrachte,
"Ich konnte dich nicht allein lassen."
"Aber wie bist du hierher gekommen? Ich dachte
ihr seid im Wald entkommen?" Alex setzte sich mühsam auf und sah sie
fragend an.
"Wir waren entkommen, das stimmt, aber...",
sie blickte beschämt zur Seite, "ich lief zurück um bei dir zu
sein."
"Amalia...", flüsterte er leise.
"Ich bin einfach vor Jalin davongerannt, ich
habe ihn einfach zurückgelassen...!" Tränen rannen ihr übers
Gesicht. Sie krallte ihre Hände in ihr Kleid und schluchzte leise
vor sich hin.
Ohne etwas zu sagen nahm Alex sie in die Arme
und drückte sie fest an sich. Er hielt sie so lange bis sie vor Erschöpfung
in einen unruhigen Schlaf gefallen war.
Nach Ewigkeiten, wie es Alex schien, wurde
plötzlich die Kerkertür aufgeschlossen. Alex sah alarmiert auf,
als eine Wache eintrat.
"Ihr zwei sollt zu Oberpriester Urdo kommen!",
rief er in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ.
"Das geht nicht, sie schläft noch.",
gab Alex gereizt zurück.
"Dann weckt Ihr sie oder ich werde sie wecken!",
knurrte die Wache.
Alex strafte ihn mit einem kaltblütigen
Blick und versuchte Amalia vorsichtig mit einigen beruhigenden Worten zu
wecken. Als sie müde ihre Augen aufschlug, verstand sie erst gar nicht,
wo sie sich befand.
"Komm", sagte er leise zu ihr, "wir müssen
jetzt zu Urdo."
Statt etwas zu erwidern nickte Amalia nur
und stand zusammen mit Alex mühsam auf.
Dann wurden sie von der Wache durch dunkle
und unheimliche Gänge in einen großen Raum geführt. In
der Mitte des Raumes befand sich ein großer schwarzer Altar. Alles
in diesem Raum war schwarz, das Gestein, ja sogar die Flammen der Fackeln.
Grob wurden sie durch die Tür gestoßen und diese sofort wieder
geschlossen und versperrt.
Amalia ergriff Alexs Hand. Sie zitterte am
ganzen Leib. Doch auch er hatte Angst. Spätestens dann, als er Uronar
weit hinten in der Dunkelheit liegen sah.
"Uronar!", keuchte er und rannte zu seinem
Freund. Der Drache war mit schweren Ketten an den Boden gefesselt.
"Alex, vergebt mir...", stöhnte der Drache
leise, "ich konnte mich nicht wehren..."
"Ist schon in Ordnung, alter Freund.", entgegnete
Alex lächelnd und streichelte dem Drachen über die Schuppen,
"Wir werden zusammen einen Weg hier heraus finden."
"Wir alle zusammen.", stimmte Amalia ihm zu
und trat neben Alex.
"Mylady, schön Euch zu sehen...", sagte
Uronar leise.
"Euch ebenso, Uronar.", antwortete sie und
kniete neben ihm nieder um ihn sanft zu streicheln.
Alex betrachtete die Fesseln des Drachen.
Es waren eiserne, dicke Ketten, selbst für einen Drachenritter unzerstörbar.
Verzweifelt überlegte er sich einen Fluchtplan. Doch ihre Chance zu
entkommen schien gleich Null. Was sollte er nur tun?
"Ist meine Rechnung schließlich doch
noch aufgegangen.", meinte eine erheiterte Stimme am anderen Ende des Raumes,
dort wo der Altar stand. Es war Urdo.
"Es war mir klar, dass die Prinzessin kommen
würde um Euch beizustehen, Alexander", lachte der Priester. "Es hat
sogar besser geklappt als ich erwartet hatte."
"Haltet einfach die Klappe, Urdo! Euer dummes
Geschwätz will niemand hören!", fuhr Alex ihn an, "Einem so feigen
und verräterischen Priester leihe ich nicht mein Ohr!"
"Nun gut. Ganz wie Ihr wünscht.", entgegnete
Urdo und betätigte einen versteckten Schalter an dem Altar. Klirrend
fielen Uronars Ketten zu Boden. Der Drache knurrte und erhob sich zu seiner
ganzen, gewaltigen Größe.
"Wartet!", hinderte Alex den Drachen daran
den Priester anzufallen, "Er hat etwas vor, Uronar. Er will Euch wieder
beherrschen."
"Erraten!", rief der Priester und machte eine
entsprechende Handbewegung, um den Drachen unter seine Kontrolle zu bringen.
Doch Alex wollte nicht, dass dies wieder geschah.
Schnell trat er an den Drachen heran.
"Uronar!", schrie er seinen Freund an, "Ich
hasse Euch! Ich kann einen so unfähigen Drachen wie Euch nicht gebrauchen!"
Gerade als Uronars Augen begannen rot zu werden
drehte er den Kopf hinüber zu Alex. Das rot verblasste und der Drache
sah Alex verwirrt an.
"Warum redet Ihr so?", fragte er auf eine
verletzte Art und Weise, "Habt Ihr schon vergessen was wir alles füreinander
getan haben?"
Nein, Uronar, sagte Alex zu sich selbst, aber
ich werde nicht zulassen, dass er euch mit seiner schmutzigen Magie beherrscht.
Lieber tue ich das. Aber dazu dürft Ihr nicht mehr mein Freund sein.
"Es tut mir leid...", flüsterte er und
erhob anschließend wieder seine Stimme, "Füreinander?! Das habt
Ihr doch alles nur für Euch getan! Ich war nur ein Mittel zum Zweck!
Gebt es zu!"
"Was geschieht hier? Ich kann den Drachen
nicht mehr kontrollieren?", wunderte sich Urdo.
"Ihr haltet mich also für solch einen
Egoisten?!", fauchte Uronar Alex an.
"Und ob ich das tue! Ich verachte Euch!",
gab der junge Drachenritter zurück.
"Alex, was tust du da?", fragte Amalia verwirrt.
Sie konnte nicht verstehen, warum Alex seinen Freund so anschrie. Es tat
ihr weh dies zu sehen.
"Ihr falscher Hund!", brüllte Uronar
und stürzte sich auf Alex. Doch dieser war darauf gefasst und wendete
den Zauber an, mit dem er einen Drachen beherrschen konnte. Uronar stockte
mitten in der Bewegung. Seine Augen verfärbten sich zu grün und
er senkte untergeben den Kopf. Alex trat an ihn heran und legte seine Hand
auf seine Schnauze.
"Es tut mir leid, alter Freund.", sagte er
zu dem Drachen. Dann wandte er sich Amalia zu, "Amalia, komm her!"
Immer noch verwirrt trat sie zu ihm. Vorsichtig
ergriff er sie bei der Hand und drückte diese leicht.
"Bleib bei mir.", sagte er zu ihr worauf sie
nickte.
"Drache, der du meiner Hand gehorchst!", sprach
Alex in befehlenden Ton an Uronar, "Töte diesen Mann!" Er deutete
auf Urdo. Dieser zog erschrocken die Luft ein.
Uronar knurrte und warf sich dem Priester
entgegen. Dieser versuchte selbst mit seiner Magie den Drachen wieder unter
seine Herrschaft zu bringen, doch es gelang ihm nicht. Noch bevor er etwas
anderes versuchen konnte war der Drache heran und riss brüllend sein
Maul auf.
Amalia wandte ruckartig ihren Blick von der
grässlichen Szene ab. Jedoch hörte sie noch Urdos letzte, schreckliche
Schreie und Uronars Zähne, die ihn zermalmten. Dann herrschte Stille.
"So viel schreckliches er auch über hunderte
von Jahren getan hat, so schnell und schrecklich war sein Ende.", sagte
Alex verbissen und befahl dem Drachen wieder zu ihnen zurück zu kehren.
Als er bei ihnen war, befreite Alex seinen Freund von dem Bann.
Uronars Blick wurde wieder normal und er starrte
Alex missmutig an.
"Ich habe alles gehört, was Ihr gesagt
habt.", knurrte Uronar.
"Verzeiht mir.", bat Alex, "Ich hatte keine
andere Wahl."
"Verzeihen?!" Uronar baute sich drohend vor
ihnen auf, "VERZEIHEN?!"
"Uronar, bitte!", ging Amalia dazwischen bevor
der Drache auf Alex losgehen konnte, "Er hat es nicht getan, weil er Euch
nicht..."
"Ich weiß!", unterbrach sie der Drache
mürrisch, "Glaubt Ihr ich erkenne einen schlechten Schauspieler nicht?"
"Schlechter Schauspieler? Wollt Ihr etwa damit
sagen, dass...!", staunte Alex.
"Genau!", grinste der Drache, "Ich habe Euch
ebenfalls etwas vorgemacht." Uronar lachte. Für Alex war es das erste
Mal, dass er einen Drachen lachen hörte. Es klang seltsam.
"Aber wie habt Ihr Urdos Zauber gebrochen?
Und Eure Augen?", wunderte sich der junge Drachenritter.
"Das mit den Augen ist ein einfacher Drachentrick.",
erklärte er, "Den Bann hat die Mylady von mir genommen, als sie mich
berührte. Dank ihr wurde ich nicht zu einem kontrollierbaren Monster."
"Amalia hat den Bann gebrochen?", staunte
Alex.
"Ich?" Amalia selbst glaubte dies kaum.
"Nein, nicht Prinzessin Amalia tat dies...",
meinte der Drache geheimnisvoll, "sondern Mary, eine Angehörige des
Drachenvolkes."
Die beiden anderen starrten den Drachen erstaunt
an. Keiner war in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen.
"Das ist... wundervoll!", rief Alex und umarmte
stürmisch die überraschte Amalia.
"Aber Uronar, warum... wie...?", stammelte
sie jedoch nur und war immer noch wie versteinert.
"Ach Mary, es gibt so viel zu klären...",
sagte der Drache und sah sich um, "Doch lasst uns dies an einem gemütlicheren
Ort tun."
Die beiden stimmten ihm zu.
Zusammen flohen sie aus Urdos Schloss und flogen
auf Uronars Rücken zurück in ihren Krater. Dort angekommen, landeten
sie vor Uronars Höhle und setzten sich alle nebeneinander in das weiche
grüne Gras.
"Jetzt müsst Ihr aber mal erzählen,
Uronar!", forderte Alex den Drachen auf.
"Nun gut." Er räusperte sich, "Habt Ihr
nicht selbst gespürt, dass sie einer von uns ist, Alex? Weshalb wurde
sie wohl in das Königshaus gegeben? Und von wem? Natürlich von
ihren Halbdracheneltern und damit sie behütet aufwächst. Damals
waren es harte Zeiten für unser Volk. Nirgends war man sicher."
"Und meinen Namen? Warum meint Ihr, dass ich
Mary heiße?", fragte Amalia verwirrt.
"Ihr selbst gabt Euch diesen Namen. Es ist
der Name, mit dem Euch Eure Eltern immer angesprochen hatten, bevor sie
Euch weggeben mussten. Ihr habt ihn in eurem Gedächtnis bewahrt. Und
er hat Euch doch wohl auch gut gefallen, oder?" Uronar schielte hinüber
zu ihr. Sie nickte zustimmend.
"So, das ist schon alles!", der Drache wollte
sich erheben, als Alex fragte: "Aber Uronar! Woher wisst Ihr, dass sie
einem Königshause anvertraut wurde? Ich habe Euch dies nie erzählt!"
Der Drache blickte zur Seite und schien nachdenklich
ehe er antwortete, "Ich kannte sie, Alex. Ich kannte Marys Eltern gut...
genauso wie eure, werter Ritter. Aber ein alter Drache spricht nicht gerne
über die Vergangenheit. Vielleicht werde ich es euch eines Tages einmal
erzählen. Die ganze Geschichte von den Drachen, den Halbdrachen und
den Menschen.", müde erhob sich Uronar und verschwand in seiner Höhle.
"Ob wir wohl die letzten sind?", fragte Mary
nach einer Zeit der Stille.
"Nein.", sagte er entschlossen worauf sie
ihn verwirrt ansah, "Seit ich weiß, dass du genauso bist wie ich,
glaube ich, dass sich noch mehr Halbdrachen auf dieser Welt versteckt halten.
Oder sie wissen gar nicht, dass sie welche sind, so wie du es nicht wusstest!
Vielleicht warten sie nur darauf von uns gefunden zu werden!"
"Das wäre schön, Alex.", seufzte
sie und lehnte sich an ihn.
"Werden wir sie suchen gehen?", fragte er
und sah ihr tief in die Augen.
Sie nickte und sie küssten sich.
Zumindest wollten sie dies, als plötzlich
ein markerschütterndes Brüllen erklang.
"ARGH!", dröhnte es aus Uronars Höhle,
"SO ETWAS WILL ICH NICHT VOR MEINER HÖHLE SEHEN!!"
"Tja Uronar, dann verhindert es doch!", rief
Alex zurück und küsste Mary schließlich doch.
"DAS IST JA SOOO WIDERLICH!", brüllte
Uronar und schaute angeekelt aus seiner Höhle.
"Ach, Dummschuppe, Ihr wisst ja nichts von
der Liebe!", lachte Mary ihn an.
"DUMMSCHUPPE?!" Der Drache war fast am Überkochen.
Mary hielt sich erschrocken die Hand an den Mund. "Oh", sagte sie.
"Genau das!", rief Alex und sprang auf, "Jetzt
lauf aber!"
Zusammen rannten sie lachend und schreiend
davon, dicht gefolgt von dem tobenden Drachen.
© Kittekatus
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