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Diese Geschichte wurde von den Drachental-Besuchern zur
zweitbesten Fantasy-Story 2005 im Drachental gewählt!

Dragon flight von Kittekatus
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1. Kapitel
Der Vulkankrater

Wie jeden Morgen trat Alex an den Klippenrand. Die Sonne ging gerade über dem riesigen, schon lange ruhigen Vulkankrater auf. Der Vulkan war schon seit Millionen von Jahren von einem dichten Wald bewachsen. Ein riesiger Wasserfall stürzte an den Steilhängen der anliegenden Bergen in den Vulkan. Das Dröhnen dieses riesigen Urgewässers war über den ganzen Vulkan zu hören.
Der Wald lag noch im Dunkeln, weil die Sonne noch nicht in den Krater schien.
Alex streckte sich ausgiebig und amtete genüsslich die kühle und noch etwas feuchte Morgenluft ein. Dann blickte er wieder über den Krater.
Auch wenn er so friedlich da lag, er wusste, dass ein Leben dort unten nicht möglich war. Wie auf ein Stichwort ertönte aus dem Wald ein gewaltiges Brüllen. Vögel flogen erschrocken auf und suchten ihr Heil in der Flucht.
"Aha.", sagte Alex, "Unser Biest ist auch schon wach."
Er trat von dem Rand der Klippe zurück und wandte seinen Blick von dem Wald ab. Er hatte heute noch genug Zeit, er würde heute auf jeden Fall noch dort hinab steigen. Es war für ihn schließlich wichtig. Er lebte schon mehr als 5 Jahre hier, nur wegen der Besonderheit dieses Kraters. Alex war der einzige Mensch weit und breit, der sich traute so nah an diesem Wald zu leben.
Doch jetzt war es noch nicht an der Zeit für ihn seinen täglichen Ausflug in den Krater zu unternehmen. Er musste erst noch seine Ausrüstung zusammensuchen und noch einiges vorbereiten.
Gerade als Alex sich auf den Weg zu seinem nahe an der Klippe stehendem Haus machte, hörte er einen Schrei.
Blitzschnell fuhr er herum und trat wieder an die Klippe, denn der Schrei kam definitiv aus dem Wald, das wusste er. Doch er konnte niemanden sehen, er hörte es. Ein Donnern und ein Krachen, wie als würde etwas Großes und Gewaltiges durch die Bäume brechen.
"Oh nein...", stöhnte Alex, "Nicht so früh am Morgen..." 
Er raffte sich auf und rannte in sein kleines Holzhaus, um sein Schwert zu holen.
Nachdem er dies getan hatte wandte er sich dem Wasserfall zu. Hinter diesem verbarg sich ein schmaler und glitschiger Sims, der zu einer kleinen Höhle führte. Und genau zu dieser Höhle wollte er. Durch sie kam er geschützt und ungesehen in den Krater hinab.
Vorsichtig, um nicht auf dem rutschigen Sims auszurutschen, trat er auf den Sims und gelangte so in die Höhle. Dort leuchtete ein eigenartiges grünes Licht, das irgendwie keine Lichtquelle besaß. Es war einfach da. Alex war dies nur recht.
So schnell er konnte spurtete er durch das Höhlenlabyrinnt und kam wieder hinter dem Wasserfall aus einer kleinen Öffnung heraus. Wieder lief er einen schmalen Sims entlang und kam so hinter dem Wasserfall hervor. Vor ihm lag ein riesiger See. Der See war so tief, dass das Wasser schon ganz schwarz war. Unter diesem See musste ein weiteres Höhlensystem liegen, denn das viele Wasser, das durch die Berge in den Krater stürzte, hatte sonst keinen Abfluss.
Doch Alex verschwendete keinen Gedanken daran. Er musste so schnell wie möglich die Person finden, zu der der Schrei gehörte. Jedoch war dies nicht sonderlich schwer, denn plötzlich ertönte wieder ein wütendes Brüllen, das von den Kraterwänden verzerrt zurückgeworfen wurde. Dabei bebte die Erde ganz leicht.
"Verdammt!", fluchte Alex und rannte los, "Das wird knapp!"
Er stürmte in den Wald und kletterte auf den nächst besten Baum. Von dort bewegte er sich auf eine andere Art und Weise fort: Er hüpfte einfach von Baum zu Baum. Das verschaffte ihm einen guten Überblick und er musste sich nicht durch das Bodengestrüpp kämpfen.
Nach endlosen Minuten wie es ihm schien (in Wirklichkeit waren seit dem Schrei gerade mal 5 Minuten vergangen) erreichte er schließlich sein Ziel. Er kam zu einer kleinen Lichtung, auf der sich eine seltsame Szene abspielte.
Zwei Menschen, ein Mann in Rüstung und eine junge Frau, versuchten sich verzweifelt gegen eine bestialische Kreatur zu wehren. Jedoch schätzte Alex ihre Chancen auf null, denn ihnen stand ein ausgewachsener brauner Drache gegenüber. Nicht einmal Alex konnte viel gegen diesen Drachen ausrichten, denn es war ein besonderes Tier.
Der Drache hatte eine lange, dünne Narbe über seinem Auge. Diese war von Alex. Er hatte sie ihm in einem schweren Kampf zugefügt. Deshalb hatte dieser Drache es auch so besonders auf ihn abgesehen, wann er nur konnte versuchte er Alex zu töten.
Doch auch Alex hatte genug Narben von diesem Wesen abbekommen. Es war sozusagen ihr kleines Spielchen - Alex jagte ihn und der Drache, den er freundlicherweise immer mit Dummschuppe ansprach, jagte ihn.
Doch gerade hatte Dummschuppe es nicht auf Alex abgesehen. Der Mann in Rüstung, wahrscheinlich ein Ritter, versuchte verzweifelt das Mädchen zu beschützen. Doch er schien bisher nicht viel Erfolg gehabt zu haben, denn seine kostbare, mit vielen wertvollen Mustern verzierte Silberrüstung hatte Dellen und Risse und der Mann war schwer verletzt. Alex wusste nicht warum dieser Ritter eigentlich noch am Leben war. Wahrscheinlich aber wegen dem Mädchen. Sie hatte lange aschblonde Haare und trug ein kostbar aussehendes kurzes Kleid. Sie stand zitternd hinter dem Ritter und starrte nur verängstigt in Dummschuppes große gelbe Augen. Alex musste zugeben, dass sie recht hübsch war.
"Jetzt reicht es...", murmelte Alex als Dummschuppe erneut mit seinen scharfen Krallen dem Ritter eine schwer blutende Wunde verpasste, "Das war wirklich dumm von dir, Dummschuppe!"
Mit einem gewaltigen Sprung stieß er sich von dem Ast, auf dem er saß, ab und zog dabei klirrend sein Schwert aus der Scheide.
Doch Dummschuppe merkte dies sofort und wirbelte herum. Er öffnete sein riesiges Maul um Alex mit einem einzigen Habs zu verspeisen, doch Alex drehte sich geschickt in der Luft und landete genau auf der Nase des Drachen. (Er hatte Glück, dass an dieser Stelle kein Horn wuchs!)
"Hi, Dummschuppe! Tut mir leid, wenn ich dir den Spaß verderben muss, aber ich hab dir schon so oft gesagt: MIT MENSCHEN SPIELT MAN NICHT!" Damit trat er dem Drachen mit voller Wucht auf die Nase und sprang mit einem eleganten Rückwärtssalto zu Boden. Dummschuppe jaulte kurz wütend auf und rieb sich im wahrsten Sinne des Wortes die Nase. Alex nutzte die Chance und rammte sein Schwert in den Fuß des Drachens. Gequält heulte Dummschuppe auf, er wurde fast wahnsinnig vor Schmerzen.
Doch er war nun für einige Sekunden abgelenkt.
Diese Zeit nutzte Alex um zu den beiden verwirrt und erschrockenen Leuten zu gehen. Verdutzt sahen sie ihn an und brachten kein Wort heraus.
"Ich erkläre euch später alles!", meinte Alex hastig, "Jetzt müssen wir erst einmal hier weg!"
"Wer...?", wollte der Ritter fragen doch Alex unterbrach ihn barsch: "Kommt mit oder lasst euch von mir aus fressen! Ich werde jetzt von hier verschwinden!"
Und das tat er dann auch. Alex rannte zurück in den Wald.
Das Mädchen blickte noch einmal zu dem wahnsinnigen Drachen und packte dann die Hand des Ritters um ihn hinter Alex herzuschleifen. Alex merkte dies und verringerte seine Geschwindigkeit, damit die beiden zu ihm aufschließen konnten. Doch Dummschuppe wollte sich ein kleines nettes Frühstück nicht durch die Lappen gehen lassen und nahm brüllen die Verfolgung auf. Da die Bäume zu dicht standen, konnte er seine weiten Flügel nicht aufspannen, so raste er ihnen hinterher und rannte einfach alles um, was ihm in die Quere kam. Alex und die anderen merkten dies an dem Geräusch der splitternden Aste und Bäume.
"ER KOMMT!", schrie das Mädchen in Panik.
"Ach was du nicht sagst!", entgegnete Alex und warf einen Blick zurück über die Schulter. Dummschuppe war trotz seines verletzten Fußes verdammt schnell.
"Hört mir zu!", rief er deshalb dem Ritter zu, "Ihr müsst zum Wasserfall rennen! Hinter diesem ist eine kleine versteckte Höhle, dort seid ihr sicher!"
"Gut.", sagte dieser nur und packte das Mädchen an der Hand.
Alex runzelte kurz die Stirn. Er hatte eigentlich ein kleines "Danke!" oder "Können wir das schaffen?" erwartet. Aber ihm sollte es recht sein.
Mit einer entschlossenen Bewegung blieb er stehen und drehte sich dem Drachen zu.

Das Mädchen warf einen entsetzten Blick über die Schulter, als sie merkte, dass der Junge stehen geblieben war.
"Sollten wir ihm nicht helfen?", fragte sie schon fast außer Atem.
"Nein. Er ist selbst schuld, wenn er sich diesem Biest entgegenstellt. Er kann eben nicht Mut von Dummheit unterscheiden.", antwortete der Ritter verbissen und ebenfalls schwer atmend.
Sie rannten weiter, immer dem Geräusch des Wasserfalls nach. Diesen erreichten sie dann auch schon bald. Doch kurz vor dem versteckten Sims blieb das Mädchen plötzlich stehen und blickte gespannt zu dem Waldrand zurück.
"Was tut Ihr denn da? Ihr müsst euch in Sicherheit bringen!", meinte der Ritter voller Sorge und hielt ebenfalls an.
"Nein. Wir sind außer Gefahr. Ich habe ein schlechtes Gewissen wegen dieses..."
"...Dummkopfes?", beendete er den Satz und trat neben sie, "Ich bitte Euch..."
"Da ist er!", rief sie auf einmal erfreut und deutete zum Waldrand.
Dort kam tatsächlich Alex auf sie zugerannt. Er hielt seine linke Hand verkrampft zu seiner Faust zusammengepresst und hatte einen schwer konzentrierten Gesichtsausdruck. Als er sie ebenfalls sah rief er ihnen etwas zu, doch sie konnten es nicht verstehen, weil hinter ihm der Drache aus dem Wald brach.
Dann packte der Ritter plötzlich das Mädchen und zerrte sie hinter den Wasserfall in die kleine Höhle. Alex folgte ihnen wenig später.
"LOS!", rief er, als er in die Höhle gerannt kam, "JEDER HINTER EINEN FELS!" 
Mit einem weiten Sprung verwirklichte er seine eigene Warnung und hechtete hinter einen großen Stein. Der Ritter zog das Mädchen schnell ebenfalls hinter einen Fels.
Und keine Sekunde zu spät.
Denn plötzlich hörten sie ein ohrenbetäubendes Brüllen und dann ein Zischen, wie als würde man einen Wassertropfen auf einen heißen Stein fallen lassen. Nur viel lauter, denn Dummschuppe hatte eine gewaltige Feuerflamme auf die Höhle gerichtet. Da sich diese aber hinter dem Wasserfall verbarg, trafen die Flammen auf das Wasser und Wasserdampf schoss in die Höhle.
Sie warteten bis sich der Dunst wieder verzogen hatte und kamen dann hinter ihrer Deckung hervor. Dummschuppe lauerte immer noch vor dem Wasserfall. Doch das konnte ihnen egal sein, hier waren sie vor ihm sicher.
"Ist bei euch alles in Ordnung?", fragte Alex und klopfte sich den Dreck von seinen Klamotten.
"Ja.", knurrte der Ritter und musterte Alex misstrauisch.
"Gut. Dann folgt mir mal, ich bringe euch zu meinem Haus. Dort könnt ihr euch ausruhen.", sagte Alex ohne die Bemerkung des Ritters zu beachten und marschierte los.

Nachdem er sie sicher durch die Höhlen geführt hatte brachte Alex die beiden zu seinem kleinen Holzhaus. Die drei hatten die ganze Zeit über nichts gesprochen. Alex war das recht, er war eh lieber allein für sich.
Während dieser Zeit war ihm aufgefallen, dass der muffige Ritter kaum älter als er selbst war. Er schätze ihn auf höchstens 25 Jahre. Alex selbst war gerade mal 21. Das Mädchen durfte gerade mal 17 Jahre sein, also noch ziemlich jung.
Er führte sie in sein Haus und verschloss hinter ihnen wieder sorgfältig die Tür. Dann erzündete er ein warmes Feuer in seinem kleinen Kamin.
"Setzt euch doch.", bot er den beiden an.
Das Mädchen nickte dankend und wollte sich auf einen Stuhl setzten, doch der Ritter hielt sie zurück und sagte: "Es tut uns wirklich Leid, aber wir können nicht bleiben. Wir haben es eilig."
"Ach, Jalin! Warum seid Ihr so unfreundlich!", fuhr ihn das Mädchen plötzlich an, "Er hat uns das Leben gerettet. Wir haben uns noch nicht einmal bedankt!"
"Warum sollten wir das tun? Ich habe ihn nicht um seine Hilfe gebeten. Ich wäre auch allein mit diesem Drachen fertig geworden.", behauptete der Ritter, der Jalin genannt wurde.
"Sicher!", lachte Alex. "Mit Dummschuppe wird niemand fertig. Nicht einmal ich!"
"Ach ja? Und wer seid Ihr, dass Ihr so geschwollen redet?!", knurrte Jalin.
"Sagen wir es so..." Alex stellte sich Jalin gegenüber. Der Ritter überragte ihn fast um einen halben Kopf, und das, obwohl Alex schon fast 1,85 war, "...ich habe mehr Ahnung von Drachen als Ihr. Das müsste Euch genügen."
"Pah!", machte Jalin nur, "Lasst uns hier verschwinden, dieser Junge ist kein Umgang für Euch.", sagte er dann zu dem Mädchen. Dieses schien sich ziemlich unschlüssig zu sein. Sie setzte sich auf einen Stuhl und sagte nichts. Sie schien tief in Gedanken zu sein.
"Jalin...", sagte sie dann auf einmal, "...ich möchte erst einmal hier bleiben. Bitte versteht das." Sie blickte ihn bittend an. In ihren Augen sah Alex auch Trauer, Angst und, was ihn sehr wunderte, Vertrautheit.
Alex blickte von einem vom anderen und spürte an ihren Blicken, dass zwischen ihnen wohl eine besondere Bindung zu bestehen schien. Was für eine konnte er jedoch nicht sagen. Das alles kam ihm etwas seltsam vor.
"Dann fühlt euch hier wie zu Hause.", sagte Alex um die ungemütliche Stille zu vertreiben, "Wie ist denn euer Name, Mädchen?"
"DU....!", wollte Jalin losdonnern, aber sie unterbrach ihn barsch: "Seid still! Er bietet uns schließlich seine Gastfreundschaft an!", dann meinte sie in einem milderen Ton zu Alex: "Ich heiße Mary. Und Ihr seid...?"
"Alex, Ihr könnt mich gerne duzen. Ich bin kein..." Er betrachtete Mary, "...kein Adeliger."
"Woher wisst Ihr das?", fragte sie verduzt.
"Dass Ihr eine Adelige seid? Ich bin doch nicht blind." Er warf bei diesen Worten einen Blick auf Jalin, "Und außerdem höre ich noch recht gut für mein Alter."
Er ging zu dem Kamin um einige Holzscheite in das Feuer zu werfen, als er plötzlich einen klirrenden Ton hörte.
"Jalin, was ist mit Euch?!", rief Mary erschrocken. Alex wandte seine Blicke wieder den beiden zu. Der mächtige Ritter Jalin war gerade in die Knie gebrochen. Er atmete schwer und keuchte dabei. Mary kniete neben ihm um ihn zu stützend, denn ansonsten wäre er schon lange ganz zu Boden gefallen.
"Verdammt.", fluchte Alex und kniete ebenfalls neben dem Ritter nieder, "Ihr seid schwer verletzt und rennt dann munter durch die Gegend? Schon mal etwas davon gehört, dass wenn man verletzt ist, sich vielleicht schonen und einen Arzt aufsuchen soll?"
"Haltet doch Eurer freches Mundwerk. Von solchen Dingen habt Ihr doch keine Ahnung!", widersprach Jalin heftig und sah Alex böse an.
"Ja, ja, ich weiß. Aber jetzt solltet Ihr erst einmal ins Bett.", ignorierte Alex seine Antwort und packte den Ritter unter den Armen und brachte ihn einfach zu dem Bett, das in einer Ecke des Zimmers stand. Mary und Jalin waren sehr überrascht über Alexs Stärke, er trug den gepanzerten Ritter ganz allein.
"So, und jetzt die Rüstung aus.", befahl Alex, als er Jalin auf das Bett gesetzt hatte. Dieser schaute jedoch mit einem allessagenden Blick zu Mary. Diese lachte kurz auf und drehte sich dann um.
So konnte sich Alex endlich ans Werk machen und Jalin die schwere Rüstung abnehmen. Danach reinigte er seine Wunden und verband sie sorgfältig.
"Versucht jetzt etwas zu schlafen, Jalin. Ihr braucht das jetzt dringend.", meinte Alex mit der Stimme eines Arztes.
"Glaubt Ihr ich lasse sie mit Euch allein?", fragte Jalin leise aber energisch.
"Glaubt mir, ich besitze auch so etwas wie eine 'Ritterehre'.", beteuerte Alex, "Aber wenn es Euch beruhigt, dann gehe ich raus Holz hacken." Mit diesen Worten verließ er das Haus und machte sich ans Werk.

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2. Kapitel
Die Wahrheit

Nachdem Alex genug Holz geschlagen hatte, packte er einige Scheite und ging wieder in das Haus zurück. Sofort schlug ihm der Geruch von einer frischen Suppe entgegen. Mary war gerade dabei zu kochen. Jalin war doch noch eingeschlafen, er lag in dem Bett und schnarchte leise.
"Hm, lecker!", sagte Alex und lud das Holz neben dem Kamin ab. Dann trat er neben Mary an den Herd und blickte neugierig in den Kochtopf: "Du kochst? Klasse!"
"Danke.", meinte sie verlegen und rührte weiter in der Suppe herum, "Ich glaube aber, dass ich nicht gut kochen kann. Irgendwie komme ich nie dazu es selbst zu probieren."
"Ich muss andauernd für mich allein kochen und kann es immer noch nicht. Nicht einmal die Drachen aus dem Krater essen was ich gekocht habe.", entgegnete Alex abwinkend.
"Bist du mit diesen Drachen ganz allein? Gibt es hier denn keine anderen Menschen?", fragte sie.
"Nein." Alex setzte sich an den Tisch und stützte seine Ellenbogen darauf, "Es gibt hier nur mich, die Drachen und noch ein paar andere Wesen. Kein Mensch weit und breit außer mir."
"Fühlst du dich da nicht allein?"
"Ich bin gern allein.", antwortete Alex.
Mary drehte sich zu ihm um und sah ihn an, "Das glaube ich nicht. Du bist so ein netter Mensch. Leute die allein leben sind immer so verbiestert."
"Woher willst du das wissen? Kennst du noch andere Leute die ganz allein irgendwo in der Wildnis leben?", wollte er daraufhin wissen.
"Ich... nein. Eigentlich nicht."
"Also. Ich bin hier gerne allein. Das ist eben der Preis, den man zahlen muss um hier zu leben.", sagte Alex.
"Und warum lebst du hier?", fragte Mary daraufhin.
"Das... kann ich dir nicht sagen." Alex wandte seinen Blick von ihr ab und stand auf, "Ich gehe noch einmal in den Krater zurück. Gegen Abend bin ich wieder zurück. Ihr könnt euch alles nehmen was ihr wollt." Mit diesen Worten verließ er das Haus.

Mary und Jalin saßen still über ihrem Abendessen, das aus der einfachen Suppe bestand, die Mary zubereitet hatte. Draußen war es schon lange dunkel und ein Blick in den Krater war unmöglich geworden. Die Dunkelheit schien den Krater bis zum Rand mit Schwärze zu füllen, und das obwohl der Mond hoch am Himmel stand und keine einzige Wolke ihn verdeckte.
Und immer noch nicht war Alex zurückgekehrt.
"Ich mache mir langsam Sorgen.", durchbrach Mary die Stille, "Alex ist immer noch in dem Krater. Bei dieser Dunkelheit ist er doch leichte Beute für die Drachen."
"Ihr solltet Euch lieber andere Sorgen machen, Prinzessin Amalia.", entgegnete Jalin.
"Ihr sollt mich nicht so nennen, habt Ihr das schon vergessen?!", fuhr sie etwas wütend auf, "Ich heiße Mary, auch für Euch!"
"Wie Ihr wünscht, Hoheit.", Jalin löffelte weiter seine Suppe.
"Ach, Jalin. Ich weiß nicht was ich tun soll." Mary klang verzweifelt, "Was passiert, wenn sie uns kriegen?"
"Ich werde Euch beschützen, darauf gebe ich Euch mein Wort.", sagte der Ritter.
"Danke, Ihr seid der einzige, dem ich vertrauen kann.", meinte sie dankbar.
Jalin nickte. Danach kehrte wieder die Stille ein, während jeder seine Suppe zu ende aß.

Alex marschierte auf Zehenspitzen durch den dunklen Wald. Er hatte völlig die Zeit vergessen bei seinen Experimenten. So etwas passierte ihm nur selten. Wahrscheinlich lag es daran, dass er sich nicht richtig konzentrieren hatte können, er hatte die ganze Zeit an Mary denken müssen.
Seltsam, dachte er stillschweigend, in ihrer Nähe spüre ich eine seltsame Art Kraft. Hm...
Unbestimmt blickte er in den Himmel. Durch das dichte Blätterdach des Waldes konnte er einige Sterne sehen. Doch etwas anderes zog seine Aufmerksamkeit auf sich.
Weit oben am Kraterrand war ein Licht.
Alexs Haus konnte es nicht sein, er hatte es so gebaut, dass man es von keiner Stelle aus dem Wald sehen konnte. Er wäre ansonsten schon lange ein Opfer der Drachen gewesen.
Er blieb stehen. Das Licht bewegte sich jedoch weiter, wenn er es nicht genauer gewusst hätte, würde er sagen, dass es sich auf sein Haus zu bewegte. Doch dieses lag in genau der anderen Richtung.
Dann, wie auf ein Stichwort änderte das Licht plötzlich seine Richtung. Alex gefiel das ganz und gar nicht. Er spurtete los um vor dem seltsamen Licht bei seinem Haus zu sein.

Jalin hatte sich wieder schlafen gelegt. Mary hatte es ihm nicht übel genommen. Er war schließlich schwer verletzt und ausgemergelt. Sie hatten auf ihrer langen Reise nicht jeden Tag etwas zu essen bekommen. Sie waren nur gelaufen und gelaufen um nicht...
Mary verwarf den Gedanken sofort wieder. Daran wollte sie ihm Moment nicht denken. Sie fühlte sich hier zum ersten Mal in ihrem Leben so richtig wohl.
Jedoch machte sie sich immer noch Sorgen um Alex.
Kurzerhand verließ sie das Haus und stellte sich an die Klippen um auf den Wald hinunterzublicken. Doch das Schwarz der Nacht war so vollkommen, dass sie nichts sehen konnte. Selbst der Wasserfall schien in ein bodenloses schwarzes Loch zu fallen.
Dann hörte sie plötzlich ein Knacken und drehte sich um, um nachzusehen, was dieses Geräusch verursacht hatte. Doch als sie es sah, ließ sie einen erschrockenen Schrei los.
Hinter ihr standen drei Ritter in schwarzer Rüstung.
"Nein, das... das kann doch nicht wahr sein...!" Mary ließ sich schmerzlich auf die Knie fallen.
Sie hatten sie also doch gefunden. Und das so schnell.
"Oh doch, Prinzessin. Wir sind leider echt!", antwortete einer der Ritter und lachte missraten.
"Wo ist denn euer Schoßhund?", fragte ein anderer.
"Sieh dich doch mal um!", rief eine erboste Stimme hinter den Rittern.
Diese fuhren herum und standen Jalin gegenüber. Ohne darauf zu warten, dass sie sich von dem Schrecken erholt hatten, stieß Jalin mit seinem Schwert zu und durchbohrte einen von ihnen. Der tote Ritter sank zu Boden und die anderen zwei stürzten sich auf Jalin.
Mary konnte dem Kampf kaum folgen. Sie ertrug es nicht, wenn die zwei Ritter sich gemeinsam auf Jalin stürzten und ihm noch mehr neue Wunden zufügten.
So schnell und plötzlich der Kampf auch angefangen hatte, genauso schnell und plötzlich endete er.
Jalin wurde das Schwert aus der Hand geprellt und einer der Ritter verpasste ihm einen Kinnhaken, der ihn betäubt zu Boden fallen ließ.
"Das war’s dann wohl.", sagte einer der beiden und warf Jalins Schwert mit einem einfachen Schwung in die Dunkelheit des Kraters. Dann wandten sich die beiden Mary zu.
"Und nun zu Euch, Prinzessin Amalia."
Sie sagte nichts sondern starrte nur auf den am Boden liegenden Jalin. Wie viel hatte er für sie gegeben? Und sie selbst konnte rein gar nichts unternehmen.
"Warum...?", fragte sie den Tränen nahe.
"Wäret Ihr nicht weggelaufen, Prinzessin, dann wäre das alles nicht geschehen.", sagte einer der Ritter und packte sie an ihrem Oberarm. Mit einem schmerzhaften Ruck riss er sie ihn die Höhe, "Es ist alles eure Schuld.", hauchte er ihr ins Gesicht. Dann verpasste er ihr eine schallende Ohrfeige, die sie hart zu Boden stürzen ließ.
"Ihr habt Glück, dass uns der Oberpriester verboten hat Euch wirklich etwas anzutun, denn sonst würdet Ihr für jeden meiner Männer bezahlen, der in diesem Krater von einem dieser verdammten Drachen getötet wurde!", schrie sie der andere Ritter an, "Was glaubt Ihr wie viele gestorben sind?!"
"Anscheinend nicht genug.", sagte plötzlich eine Stimme aus der Dunkelheit.
"Wer ist da?!", riefen die schwarzen Ritter und zogen ihre Schwerter.
"Jemand, der es gar nicht leiden kann, wenn man wehrlose Frauen schlägt.", knurrte die Stimme.
"Los, zeigt Euch, Feigling!" sagte ein Ritter.
"Ihr seid hier die Feiglinge. Ihr geht zu zweit auf einen verletzten Ritter los! Und dann auch noch auf ein Mädchen! Ich kann euch sagen, dass das ein großer Fehler war!", sagte Alex kalt und trat aus der Dunkelheit. Er war richtig wütend, "Ihr habt damit eurer Todesurteil unterschrieben!"
"Natürlich. Wer bist du schon, du Knilch?!", fragte einer der Ritter unbeeindruckt.
"Das willst du lieber nicht wissen...", sagte Alex böse und holte etwas unter seinem Mantel hervor, das er dann den Rittern zeigte. Mary konnte es jedoch nicht sehen, weil ihr einer der Ritter die Sicht versperrte. Doch es schien etwas Schreckliches zu sein, denn einer der Ritter ließ entsetzt seine Waffe fallen und warf sich auf die Knie.
"Spinnst du?!", fuhr ihn der andere daraufhin an, "Das Ding ist doch gar nicht echt!"
"Oh doch, mein Freund...", grinste Alex kalt und verbarg wieder das seltsame Ding, welches Mary nicht sehen konnte. Dann sprang er plötzlich vor, zog sein Schwert und rammte es dem noch stehenden Ritter in den Leib. Dieser stieß ein erschrockenes Keuchen aus, ehe er tot zusammenbrach.
Alex zog sein Schwert aus dem leblosen Körper und wischte seine Klinge an dessen Umhang ab. Dann wandte er sich dem anderen Ritter zu.
"Du wirst jetzt zu deinem Oberpriester oder was auch immer gehen, und ihm sagen, dass ich persönlich die Prinzessin beschützen werde. Ist das klar?!", donnerte Alex.
"Ja!", rief der Ritter daraufhin und rannte davon in die Dunkelheit.
Alex schob sein Schwert zurück in die Scheide und ging zu Mary, die immer noch auf dem Boden kauerte. Er kniete sich neben ihr nieder und betrachtete ihre, von der heftigen Ohrfeige, angeschwollene Backe.
"Es tut mir leid...", sagte er vorwurfsvoll, "Wäre ich doch früher gekommen..."
"Bitte sei still. So etwas will ich nicht hören.", entgegnete sie leise.
Sie versuchte aufzustehen um zu Jalin zu gehen, Alex musste ihr dabei helfen, weil sie immer noch etwas geschockt wirkte.
Jalin sah schrecklich aus. Er hatte überall Schnittwunden und Prellungen.
"Nein, Jalin... bitte nicht...", flüsterte Mary und ließ sich neben dem Ritter auf den Boden sinken. Er schien dem Tode nahe.
"Ich weiß eine Möglichkeit wie Ihr ihm helfen könnt.", meinte Alex vorsichtig, "Aber das könnt wirklich nur Ihr tun."
"Ich werde alles tun, damit es Jalin wieder besser geht. Ich stehe tief in seiner Schuld.", sagte sie ohne Alex anzuschauen.
"Dann lasst uns gehen." Alex schaute in den dunklen Wald hinab. Was sie vorhatten würde kein Spaziergang werden. Vor allem nicht für Mary.
Nein..., dachte Alex schmerzlich, für Prinzessin Amalia.
Sie stiegen sofort nach Sonnenaufgang in den Krater hinunter. Alex trug Jalin die ganze Zeit in den Armen.
Amalia und er hatten seither nichts mehr miteinander gesprochen. Keiner traute sich etwas zu sagen. Doch schließlich brach Alex das Schweigen, als sie den Wald betraten.
"Zu welchem Königshaus gehört Ihr eigentlich?", wollte er wissen.
"Warum fragst du das? Ich bin keine Prinzessin.", antwortete sie ohne ihn anzuschauen.
"Ihr könnt mir nicht länger etwas vormachen, Prinzessin Amalia.", sagte er.
Bei diesen Worten konnte er sehen wie sie unbewusst zusammenzuckte.
"Du weißt es?", fragte sie vorsichtig.
"Ja.", antwortete Alex, "So was habe ich mir schon vorher gedacht. Aber als die Ritter euch dann mit Prinzessin ansprachen, da... ist bei mir ein Licht aufgegangen."
"Ich verstehe." Es schmerzte sie irgendwie, dass er sie mit Prinzessin anredete, "Aber ich kann dir selbst nicht sagen woher ich komme. Man brachte mich als ein kleines Kind zu einer Königsfamilie. Sie zogen mich auf und ich wurde ohne wirklich adelig zu sein eine Prinzessin. Ich weiß nicht wer meine Eltern waren. Meine Stiefeltern wollten mir nie etwas von ihnen erzählen."
"Und die schwarzen Ritter? Warum waren sie hinter euch her?"
"Ich bemerkte eine große Veränderung an meinem Stiefvater. Sein neuer Oberpriester wollte mich für eine wichtige Zeremonie opfern. Und mein Stiefvater willigte ein. Dann bin ich zusammen mit Jalin geflüchtet und wir landeten nach langer Reise hier in diesem Krater.", erzählte Amalia.
Alex sagte erst einmal nichts. Vielleicht wollte sie ihm ja noch mehr erzählen.
"Woher kommst du, Alex?", fragte sie nach einer Weile, "Und warum willst du mir nicht erzählen, warum du hier lebst?"
"Ganz einfach", antwortete er kalt, "es würde Euch abschrecken. Aber ich denke, nachdem Jalin wieder gesund ist, werdet Ihr es sowieso wissen."
"Wie meinst du das?", fragte sie verwirrt.
"So wie ich es sage." Alex wandte den Blick von ihr ab. Er ertrug ihre Blicke nicht mehr. Sobald Jalin gesund war, würde er sie sowieso nicht wieder sehen. Und das stach ihm einen Dolch in sein Herz.

Für den Rest ihres Weges sprachen sie nichts mehr miteinander. Amalia hatte zwar immer wieder versucht mit ihm ein Gespräch anzufangen, aber Alex war nicht darauf eingegangen.
Alex führte sie zu einer großen und dunklen Höhle am anderen Ende des Kraters.
Dort angekommen legte er Jalin vor dem Eingang ab und deutete Amalia sich neben ihn zu stellen. Dann trat er einige Schritte zurück und holte tief Luft.
"DUMMSCHUPPE!", schrie er in die Höhle, "Kommt raus! Ich muss mit Euch reden!"
"Was hast du vor?", fragte Amalia nervös.
"Keine Angst.", versicherte er ihr, "Euch wird nichts geschehen."
Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, als plötzlich der Drache aus der Höhle geschossen kam und sich auf Alex stürzte. Dummschuppe erwischte ihn mit einer seiner riesigen Pranken und drückte ihn auf den Boden. Amalia kniete sich schützend neben Jalin nieder und hielt die Luft an.
"Ihr wisst, dass Ihr mich nicht so nennen sollt!", donnerte der Drache auf einmal los und drückte Alex mehr und mehr die Luft ab, "Merkt es Euch endlich, mein Name ist URONAR! Und was sucht Ihr eigentlich hier?! Ich dachte wir hätten ausgemacht, dass Ihr nicht zu meiner Höhle kommt, und ich dafür nicht Eure lächerliche Hütte niederbrenne!"
"Ach, Dummschuppe, hört auf mit mir zu spielen!", schrie seinerseits Alex dem Drachen ins Gesicht, "Ich brache Eure Hilfe!"
Amalia saß nur da und glaubte kaum ihren Ohren. Da redete doch tatsächlich Alex mit einem Drachen! Und er schrie ihn auch noch an! Und warum konnte ein Drache eigentlich sprechen?!
"Ihr braucht meine Hilfe?", fragte Uronar ungläubig, "Wie kommt denn das auf einmal?!"
"Nein, nicht ich brauche Eure Hilfe sondern dieses Mädchen dort drüben!", rief Alex.
"Mädchen? Wo denn?" Uronar sah sich suchend um, "Oh, ihr meint dieses Mädchen da, das neben diesem Blechhaufen liegt?"
"Uronar! Macht keine Witze! Hier geht es um Leben oder Tod!", schrie Alex.
"Ist ja gut! Ist ja gut! So regt Euch doch nicht auf!" Uronar nahm seine Pranke wieder von Alex herunter und drehte sich zu Amalia um.
"Oh mein Gott!", stöhnte diese und blickte dem Drachen in die Augen.
"Nein, tut mir leid, Mylady, aber ich bin leider kein Gott. Ihr müsst Euch mit einem einfachen Drachen zufrieden geben.", grinste der Drache.
"Eure Witze sind genauso schlecht wie Euer Atem.", sagte Alex und erhob sich Luft ringend von dem Boden. Dann stellte er sich neben den Drachen und grinste seinerseits diesen an.
"Was soll das hier überhaupt? Sie ist doch eine Prinzessin, oder? Soll ich sie jetzt etwa entführen und für mich kochen lassen?", fragte Uronar sichtlich verwirrt, "Ich hoffe, sie kann das besser als Ihr."
"Erzählt keine Märchen, Uronar, sondern hört ihr doch zu! Sie will Euch um etwas bitten!", sagte Alex.
"Nun gut. Was ist Eurer Anliegen, Mylady?", fragte Uronar höflich.
Amalia brachte kein Wort heraus. Sie war viel zu sehr geschockt um auch nur einen klaren Gedanken fassen zu können. Langsam begann es in ihr zu dämmern. Sie wusste auf einmal wer Alex in Wirklichkeit war. Doch sie wagte es nicht auszusprechen. Noch war es nicht Zeit dazu.
"Ich... ich wollte Euch bitten diesem jungen Ritter hier zu helfen.", stotterte sie dann schließlich.
"Ihr wollt, dass ich ihm das Leben rette? Ihn von seinen Schmerzen und Qualen erlöse?", hakte Uronar nach.
"So ist es. Ich bitte Euch nach ganzem Herzen darum." Sie blickte ihm tief in die Augen. Etwas an den Augen des Drachens erinnerte Amalia an Alex. Doch sie wusste nicht richtig was.
"Hm... Und was bekomme ich als Gegenleistung?", wollte der Drache wissen.
Amalia erschrak. Sie hatte nichts was sie ihm hätte geben können. Nichts außer sich selbst.
"Darüber macht Euch mal keine Gedanken, Uronar. Darum kümmere ich mich.", sagte Alex schnell bevor Amalia etwas antworten konnte. Sie sah ihn verwirrt an, aber er lächelte nur.
"Na gut...", grummelte Uronar, "Ich werde es tun, auch wenn ich weiß, dass Ihr mich bestimmt wieder ausgetrickst habt. Geht mal beiseite.", sagte er dann zu Amalia. Mit schnellen Schritten trat sie neben Alex.
Dann holte Uronar kurz Luft und spie blaue Flammen aus. Die Flammen umhüllten Jalin und ließen seine Konturen verschwimmen.
Amalia neben Alex ließ einen kleinen Schrei los.
"Keine Sorge. Es wird ihm nichts geschehen. Uronars heilendes Drachenfeuer wird seinen Körper wieder vollständig genesen.", beruhigte er sie.
"Uronar und du, ihr seid euch sehr ähnlich.", begann Amalia zögerlich. Sie blickte ihn von der Seite an. Alex senkte den Blick.
Sie wusste es also.
"Du... du bist also wirklich ein..." Sie wagte nicht das Wort auszusprechen.
"Ja, ich bin ein Drachenritter. Einer der letzten unseres ausgestorbenen Volkes.", sagte er ohne jegliche Gefühlsregung in seiner Stimme.
Unbeabsichtigt machte Amalia einen Schritt von ihm weg. Doch Alex bemerkte dies natürlich. Die Sinne eines Drachenritters waren übernatürlich gut.
Sein Volk gab es schon so lang wie es die Drachen gab. Sie waren keine wirklichen Menschen und besaßen einige Fähigkeiten der Drachen. Auch besaßen sie eine sehr alte Magie, die es ihnen erlaubte, Drachen zu beeinflussen. Die Drachenmenschen waren einst ein stolzes Volk, das im Krieg wegen ihrer Kunst mit den Drachen umgehen zu können sehr gefürchtet war. Deswegen wurden sie gejagt, getötet und fast ausgerottet. Die wenigen übrig gebliebenen versteckten sich oder versuchten sich als normale Menschen auszugeben. 
Alex war bis zu der Zeit, bevor er in diesem Krater lebte, von Ort zu Ort gezogen, immer verfolgt und geachtet von den anderen Menschen. Er hatte viel durchlitten. Selbst seine Eltern hatte er einst zurücklassen müssen. Sie wurden getötet. Und dies nur um ihren einzigen Sohn vor dem Tode zu bewaren. Er war sich nicht ganz sicher, aber Alex glaubte wirklich der noch einzig lebende Drachenritter zu sein.
So schmerzte es ihn zutiefst, dass Amalia Angst vor ihm hatte. Die Menschen erzählten ihren Kindern immer Schauermärchen über sein Volk, um ihnen Angst einzujagen, wenn sie mal wieder nicht brav waren.
"Keine Angst.", sagte er deshalb mit einem traurigen Lächeln, "Ich fresse schon lang keine Kinder mehr."
"Alex, es tut mir leid, ich wollte dich nicht...", wollte sie sagen, doch er hob abwehren die Hand.
"Amalia,", sagte er, "ist schon gut. Wenn ich nicht wüsste, wer ich bin, dann hätte ich selbst Angst vor mir."
"So, fertig!", rief Uronar gut gelaunt und trat einige Schritte von Jalin zurück, "Der ist wie neu."
"Danke, Uronar.", bedankte sich Alex bei dem Drachen.
"Bitte, bitte. Vergesst meine Belohnung nicht!", erinnerte ihn Uronar.
"Sicher nicht, ich koch mal für Euch!"
"Oh Gott, bloß nicht!", rief Uronar entsetzt und schlürfte zurück in seine Höhle.
"Jalin!" Amalia rannte zu ihrem Beschützer und ließ sich neben ihm in das Gras sinken, "Jalin, wie geht es Euch?"
Der Ritter öffnete seine Augen und blickte die Prinzessin verwirrt an.
"Amalia? Seid Ihr es? Ich hatte so einen seltsamen Traum...", meinte er leise.
"Das war kein Traum! Euch hat wirklich ein Drache geheilt!"
"Was?! Aber wie ist das möglich? Geht es Euch gut, Prinzessin?" Jalin setzte sich schnell auf und hielt Ausschau nach einem Drachen, doch Uronar war schon längst wieder in seiner Höhle verschwunden.
"Aber Prinzessin? Was ist mit den Rittern geworden? Haben sie Euch etwas angetan?", fragte er besorgt.
"Nein, Alex kam zur Rechten Zeit um mir und Euch das Leben zu retten. Er...", Sie drehte sich plötzlich erschrocken nach Alex um.
Doch dort wo er noch vor wenigen Sekunden gestanden hatte war nichts mehr zu sehen. Stattdessen lag dort im Gras ein kleines Wappen, das auf ein seltsames Metall geschnitzt war.
Amalia stand auf und ging zu dem Wappen.
"Das hat er also den Rittern gezeigt...", meinte sie leise zu sich selbst.
Auf dem Wappen war ein Ritter in einer kunstvollen Rüstung, der auf einem Drachen saß und durch die Wolken flog.

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3. Kapitel
Wahre Freundschaft

Als Amalia und Jalin zurück zu Alexs Haus kamen, fanden sie es verlassen vor. Der junge Drachenritter war nirgends zu sehen.
"Ich habe ein schlechtes Gewissen.", sagte Amalia traurig, "Er hat uns so viel geholfen und wir haben uns nicht einmal bedankt."
"Drachenritter... ich dachte immer, sie wären nur ein altes Ammenmärchen.", meinte Jalin und schüttelte den Kopf. Er war fast verrückt vor Angst geworden, als die Prinzessin ihm erzählt hatte, wer Alex in Wirklichkeit war.
"Es ist schade, wenn man ein Volk einfach so schlecht macht. Alex kann doch gar nichts dafür!", meinte Amalia außer sich, "Menschen, die so schreckliche Dinge verbrechen, sind abscheulich!"
"Die Menschen haben eben Angst vor dem was anders ist.", sagte plötzlich Alex hinter ihnen.
Amalia und Jalin fuhren herum und waren froh, dass nur Alex hinter ihnen stand und nicht einer ihrer Jäger.
"Ihr seid noch nicht weg?", wunderte sich der Drachenritter, "Habt ihr etwas vergessen?"
"Ja.", sagte die Prinzessin und stellte sich Alex gegenüber, "Wir haben vergessen dir zu danken. Danke Alex.", sie beugte sich vor und küsste ihn auf die Wange. Jalin grinste nur, als er Alexs erstauntes Gesicht sah.
"Wofür... wofür war denn das?", fragte Alex sie verwirrt.
"Dafür, dass du Jalin und mir das Leben gerettet hast.", lächelte sie. Alex fand, dass sie das schönste Lächeln auf der ganzen Welt besaß.
Jalin räusperte sich, "Prinzessin, wir sollten jetzt lieber aufbrechen. Wer weiß, wann der Priester uns neue Verfolger auf den Hals hängt?"
"Ja, stimmt.", sagte sie plötzlich mit einer Spur Traurigkeit in der Stimme. Sie blickte betroffen zu Boden und ihr schönes Lächeln verschwand.
"Dann heißt es wohl auf Wiedersehen sagen." Alex versuchte zu lächeln.
"Alex...", begann Amalia unsicher, "Willst du nicht mit uns kommen? Ich will nicht, dass du hier so allein zurückbleibst. Bitte begleite uns!", flehte sie.
"Amalia.", meinte er traurig, "Ich kann hier nicht fort. Das ist mein Zuhause, meine Heimat. Ich...", er stockte kurz und sah in den Krater, "... gehöre eben zu den Drachen."
"Ich verstehe...", traurig folgte sie seinem Blick und sie konnte ihn wirklich verstehen. In einer Welt, die ihn und sein Volk nicht gewollt hatte, war dies wirklich der einzige Ort, an dem er sich wohlfühlen konnte. Hier war er bei einem Teil seines Volkes - bei den Drachen.
"Sagst du Uronar einen Gruß von mir? Ich hätte ja gern für ihn gekocht, aber es hat sich eben anders ergeben.", sagte sie zum Abschied und trat neben Jalin.
"Das werde ich. Ich denke, er wird sich darüber freuen.", entgegnete Alex.
"Machs gut, Alex. Danke nachmals.", sagte plötzlich Jalin und schüttelte ihm freundschaftlich die Hand, "Pass auf dich auf, Kleiner."
"Pass du mir lieber auf Amalia auf.", grinste Alex zurück und drückte fest die Hand des Ritters. Doch Jalin drückte ebenso fest zurück. Die beiden mussten lachen.
Männer...., dachte Amalia hingegen nur und unterdrückte ein kleines Grinsen.
"Pass bitte gut auf dich auf, Alex.", meinte sie ehrlich.
"Lasst euch nicht von diesen Leuten erwischen, bitte. Wenn ihr mal in Schwierigkeiten kommen solltet, dann nehmt das Wappen zur Hand. Ich werde dann kommen und euch beiden zur Seite stehen." Er nahm ihre rechte Hand und hauchte ihr einen Kuss auf ihren Handrücken. Amalia wurde etwas rot im Gesicht. Eine Weile standen sie nur da und sahen sich in die Augen, bis Jalin sich schließlich etwas übertrieben räusperte. Die beiden blickten verlegen zur Seite und Jalin und Amalia machten sich dann auf den Weg.
Als Alex sie nicht mehr sehen konnte, weil sie den Rand des Kraters schon lange verlassen hatten, trat er an den Kraterrand.
"Amalia...", flüsterte er, "Ich hoffe es wird dir gut ergehen..."

Urdo lief unruhig durch sein Zimmer. In schnellen Bahnen umrundete er seinen teuren Mahagonischreibtisch und fegte dabei ganze Stapel von Blättern zu Boden.
"Wie soll ich ohne dieses dumme Kind...", knurrte er vor sich hin, als es plötzlich an der Tür klopfte.
Scheu und etwas mit den Beinen zitternd trat ein junger Bediensteter ein.
"Herr, ich habe wichtige Nachrichten für Euch.", stammelte er.
"Dann red schon!", fauchte ihn Urdo an.
"Ja, Herr!", beeilte sich der Diener zu sagen, "Einer der Ritter, die Ihr geschickt habt um Prinzessin Amalia zurückzuholen ist heute morgen eingetroffen. Er sagt, dass die Prinzessin und ihr Begleiter in einen Vulkankrater geflohen waren. Er und seine Männer haben sie bis dorthin verfolgt, aber fast alle seiner Männer wurden angeblich von...", der Junge stockte kurz, "...Drachen getötet. Und dann sei noch ein junger Krieger gekommen um die beiden zu beschützen. Der Krieger soll ihm ein seltsames Wappen gezeigt und ihm aufgetragen haben Euch auszurichten, dass er ab sofort die Prinzessin beschützen werde."
Der Diener endete erleichtert. 
"Du kannst gehen, aber rufe den besagten Ritter zu mir.", sagte Urdo sofort und gab dem Jungen einen Wink mit der Hand. Dieser verschwand dann aus dem Zimmer.
Wenige Minuten später betrat dann der schwarze Soldat das Zimmer.
Urdo hatte ihn bereits erwatet und hieß ihm sich zu setzten.
Der Ritter setzte sich mit einem mulmigen Gesichtsausdruck auf einen Stuhl.
"Der fremde Krieger hat Euch also ein Wappen gezeigt, ja?", fragte der Oberpriester ohne Umschweife.
"Ja, Herr.", antwortete der Ritter.
"Dann beschreibt mir wie es aussah.", forderte Urdo in auf.
"Es zeigte einen Mann in prachtvoller Rüstung auf einem riesigen roten Drachen. Sie flogen durch die Lüfte."
"Hm...", machte der Priester und ging zu seinem Schreibtisch. Er öffnete eine Schublade und holte ein altes Pergament heraus. Dieses Pergament legte er dann vor den Ritter auf den Tisch und rollte es auf.
Zum Vorschein kam ein riesiger Stammbaum. Statt den Namen der Familie waren dort kunstvoll Wappen eingezeichnet. Alle dieser Wappen hatten eine Gemeinsamkeit: Sie enthielten in irgendeiner Form einen Drachen.
Doch jedes dieser Wappen war mit einem feinen Stift ausgestrichen worden. Nur eines nicht: Das Wappen, das der Ritter gerade beschrieben hatte.
"Sah es vielleicht so aus?", fragte Urdo, obwohl er die Antwort schon wusste.
Der Ritter nickte zustimmend, "Ja Herr, genau so."
"Gut. Ihr dürft gehen.", sagte Urdo und rollte das Pergament wieder auf.
"Habe ich dich also gefunden...", lachte er leise als der Ritter das Zimmer wieder verlassen hatte, "...Alexander von Drachenfels."

"So einfach mache ich es Euch nicht!", schrie Uronar böse und peitschte wütend mit seinem Schwanz nach Alex, "Eure Magie könnt Ihr an anderen Versuchskaninchen ausprobieren!"
"Das ist es ja! Bei all Euren Verwandten klappt es! Nur eben bei Euch noch nicht!", entgegnete Alex und wich gerade noch so dem Schwanz des Drachens aus.
"Ich muss Euch eh noch den Kopf abbeißen, Ihr habt mir Eurer dreckiges Schwert in den Fuß gerammt!", fauchte Uronar und schlug mit einer seiner Pranken nach Alex. Doch wieder erwischte er ihn nicht. Alex war zu flink.
"Ich sagte Euch doch: Wenn Ihr mit Menschen spielt, dann werde ich Euch wie jeden gewöhnlichen Drachen bekämpfen!", sagte Alex aufgebracht und wich einer neuen Attacke des Drachens aus.
"Und das verstehe ich immer noch nicht!", knurrte Uronar und verpasste Alex einen gnadenlos harten Schlag, der den jungen Ritter durch die Luft und gegen einen Baum schleudern ließ.
Alex wurde von diesem Schlag oder besser gesagt von dem Aufprall fast ohnmächtig. Uronar hatte es wohl ziemlich ernst gemacht.
"Ich verstehe es nicht.", meinte der Drache erneut etwas ruhiger, als er gesehen hatte was er angerichtet hatte, "Die Menschen haben unsere Völker nahezu ausgelöscht, und dann beschütz Ihr gerade sie!"
"Sie können... doch... nichts dafür...", keuchte Alex und versuchte sich etwas aufzurichten. Wäre er nicht der Freund des Drachens gewesen, dann hätte Uronar ihn wohl mit diesem Schlag getötet.
"Ihr seid so dumm, Alex. So dumm..." Uronar schüttelte den Kopf und schlürfte zu dem Verletzten. Alex hätte den Drachen gerne gefragt, ob er ihn mit seinem blauen Feuer heilen könne, aber er war dem Drachen zu viel schuldig.
Deshalb richtete er sich auf, um zu zeigen, dass er nicht klein bei gab.
"Ihr müsst hier niemanden etwas beweißen. Vor allem mir nicht.", sagte daraufhin Uronar, als ob er seine Gedanken gelesen hatte. "Haltet still."
Der Drache holte tief Luft und heilte Alex mit seinen Flammen. Alex Körper fühlte sich wieder frisch und erholt an, nichts tat mehr weh.
"Danke...", meinte Alex missmutig und lehnte sich traurig an den Baum.
Uronar knurrte, "Ihr seid unkonzentriert. Kein Wunder, dass Ihr so schlecht gekämpft habt. Aber Ihr wurdet anscheinend von einem bösen Fluch getroffen. Das spüre ich genau!"
"Fluch?" Alex sah auf, "Was denn für ein Fluch?"
"Ihr habt richtig gehört.", knurrte der Drache weiter, "Ein Fluch, genannt: LIEBE! ARGH!" Uronar schüttelte sich, "ICH HASSE DIESES WORT!"
"Wahrscheinlich. Aber ich…”, wollte Alex sagen doch Uronar unterbrach ihn: "Es verwirrt Eure Sinne, es raubt Euch eurer letztes bisschen Verstand und irgendwann bringt es Euch um! Glaubt mir das ist ein Fluch!"
"Jetzt übertreibt Ihr aber!"
"Bestimmt nicht. Ich habe schon viele Krieger fallen sehen, nur wegen ihrer ach so großen Liebe! Pah! Ganze Königreiche sind wegen so etwas hinterhältigen ausgerottet worden!"
"Uronar, Ihr wart eben noch nie verliebt...", seufzte Alex ohne auf die Worte des Drachens zu achten.
"Deshalb leben ich auch noch!" Uronar ließ sich neben Alex nieder. Eine Weile saßen sie nur so da und sagten nichts.
"Ich werde es nochmals versuchen.", sagte Alex nachdenkend.
"Ach ja, und was? Euch zu verlieben?", fragte der Drache.
"Nein.", antwortete der junge Drachenritter darauf, "Ich werde erneut versuchen, ob ich Euch mit meiner Magie beherrschen kann."
Uronar erhob sich und sah Alex plötzlich mit einem, für einen Drachen sehr ernstes, Gesicht an, "Es wird nicht klappen, junger Drachenritter."
"Aber warum nicht?! Ich gebe mir dir größte Mühe!", fuhr Alex auf.
"Ganz einfach, hättet Ihr mehr in den Büchern gelesen, dann wüsstet Ihr es: Ein Drachenritter kann keinen Drachen beherrschen, der sein Freund ist. Es ist unmöglich." Damit drehte er sich um und schlürfte zurück zu seiner Höhle.
Alex war erstaunt, mehr als das sogar. Es war ihm unmöglich auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.
"Uronar!", rief er dann und sprang auf. Mit einigen Sätzen holte er den Drachen noch vor seiner Höhle ein, "Ich muss Euch etwas fragen!"
"Was ist denn?!", knurrte der Drache.
"War das jetzt kein Scherz? Habt Ihr das ehrlich gemeint?", wollte Alex wissen. Er musste das jetzt verstehen.
"Ich habe es so gemeint wie ich es gesagt habe."
"Danke, Uronar. Ihr seid auch mein Freund. Den einzigen, den ich habe!" Alex schaute dem uralten Drachen in die Augen. Die gelben, faustgroßen Kugeln betrachteten ihn ebenfalls.
"Wisst Ihr was, Knirps?" Uronar hatte ihn schon lange nicht mehr so genannt, "Ich werde Euch nicht fressen, wenn Ihr mich nicht fresst."
"Oh ja, natürlich." Alex verstand diese Worte, es war eben Uronars Art und Weise seine Gefühle auszudrücken.
"Gut, dann geht mir jetzt aus dem Weg, Halbdrache." Er stieß Alex mit seiner riesigen Schnauze bei Seite und verschwand in seiner Höhle.
Alex grinste breit. Ihm war gerade etwas Fieses eingefallen.
Er nahm etwas Abstand von dem Höhleneingang, formte seine Hände zu seinem Trichter und holte tief Luft.
"DUMMSCHUPPE!"
In der Höhle erklang plötzlich ein grausiges Brüllen und Alex nahm schnell die Beine in die  Hand, um um sein Leben zu laufen. Er liebte dieses Spiel. Und Uronar ebenso.

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4. Kapitel
Die Falle

Amalia und Jalin wanderten gerade durch einen tiefen und dunklen Wald. Überall waren Schatten und das Licht der Sonne kam kaum durch das dichte Blätterdach des Waldes hindurch. Und ein kalter Wind fegte zwischen den dicht stehenden Bäumen hindurch. Eigentlich ein Widerspruch in sich, aber es war eben so… unheimlich.
Amalia zog ihren Mantel enger um ihre Schultern um nicht gleich zu erfrieren.
"Geht es Euch gut, Prinzessin?", fragte Jalin neben ihr.
"Sicher, Jalin. Ich bin nur etwas betäubt von dieser Eiseskälte. Das ist wohl alles." Sie lächelte unschuldig.
"Aha. Natürlich." Jalin zuckte mit den Schultern.
"Ihr glaubt mir nicht.", schlussfolgerte sie.
"Wie recht Ihr habt. Es klingt auch nicht besonders glaubwürdig.", antwortete er, "Seit wir Alex verlassen haben, seid Ihr so in Euch gekehrt. Ihr müsst wohl die ganze Zeit an ihn denken, oder?"
"Was? Ich?" Sie lief etwas rot an, "Wie kommt Ihr denn darauf?"
Jalin grinste schelmisch, "Ich kenne Euch, belasst es bei dieser Antwort."
Amalia lächelte ebenfalls etwas. "Ihr habt wohl recht."
Plötzlich blieben sie beide abrupt stehen. Sie spürten förmlich wie die Schatten um sie herum Gestalt anzunehmen begannen. Sie schienen sich sogar zu bewegen.
Jalin zog sirrend ein Schwert, das Alex ihm freundlicher Weise gegeben hatte, und blickte sich angestrengt nach etwas um, doch es war nichts da, nur die lebendigen Schatten.
"Jalin, was ist das?", fragte Amalia ängstlich.
"Ich weiß es nicht, Prinzessin. Seid vorsichtig!", warnte er.
"Aber, aber!", ertönte plötzlich eine seltsame Stimme, "Wer wird denn Angst vor ein paar Schatten haben?"
Jalin fuhr herum. Amalia tat dies ebenso und stieß einen gellenden Schrei aus.
Hinter ihnen stand der Priester.
"Habe ich euch beide endlich gefunden. Nachdem ich wusste, wo Ihr gewesen seid, war es einfach euren Spuren zu folgen. Aber jetzt habt ihr verloren! Prinzessin Amalia, kommt mit und eurem treuen Gefährten wird nichts geschehen!", rief er.
"Niemals!", schrie Jalin zurück, "Nur über meine Leiche!"
"Das könnt Ihr gerne haben!", meinte der Priester todernst, "Los, schnappt ihn euch!"
Hinter ihm traten plötzlich ein halbes Dutzend schwarzer Ritter aus den Schatten. Es schien aussichtslos zu sein.
Mit einem wütenden Brüllen warf sich Jalin den Rittern entgegen. Diese Antworteten ebenso. Amalia schrie angstvoll auf: "Jalin! Nein!"
Sie holte Alex Wappen aus ihrer Tasche und drückte es fest.
"Alex!", rief sie, "Wir brauchen deine Hilfe! Bitte komm schnell!"
Plötzlich stand der Priester vor ihr und schlug ihr das Wappen aus der Hand.
"So, so.", meinte er tadelnd, "Ihr habt also Euren kleinen Drachenfreund gerufen? Ich bezweifle, dass er kommen wird. Und wenn schon, dann bestimmt zu spät!"
"Ihr wisst von Alex?", fragte Amalia ungläubig.
"Mehr als Ihr je erfahren werdet! Er ist der letzte. Wenn ich ihn vernichtet habe, dann ist die Welt endlich von diesen grässlichen Monstern gereinigt!" Der Priester lachte verrückt.
"Ihr seid das Monster!", schrie sie und schlug ihm ins Gesicht. Der Priester taumelte vor Überraschung etwas zurück und fasste an seine Wange. Amalia hatte ihm mit ihren spitzen Fingernägeln ein paar blutige Striemen verpasst. Wütend sah er sie an.
"Das war sehr schlecht, Prinzessin. Dafür werdet Ihr noch büssen müssen!"
"Aber zuerst IHR!", rief plötzlich eine vertraute Stimme über ihnen.
Der Kampf verstummte schlagartig, als ein markerschütterndes Brüllen erklang. Alle sahen in den Himmel, es wurde plötzlich noch dunkler in dem Wald, weil sich etwas Riesiges vor die Sonne schob. Dann krachte plötzlich Uronar durch das Dach des Waldes und landete mitten in den schwarzen Rittern. Ohne darauf zu warten, dass sich diese von dem Schrecken erholten, griff er sofort an und tötete schon allein durch einen Prankenhieb unzählige.
Amalia jubelte freudig auf, denn Alex sprang auf einmal von Uronars Rücken und kam auf sie zu gerannt.
Er sah großartig aus, fand sie. Er trug eine Rüstung, die wie echte Schuppen eines Drachens in unzähligen Farben glänzte und schimmerte. Ein anmutiges Schwert baumelte an seiner Seite. Er sah wirklich aus wie ein Drachenritter.
"Was für eine tolle Vorstellung, bravo.", meinte der Priester jedoch nur müde und klatschte lustlos in die Hände. Er stellte sich zwischen Alex und Amalia.
"Ich habe geschworen, Amalia zu beschützen, und selbst Ihr werdet mir nicht im Weg stehen. Gebt sie frei!", forderte Alex ohne auf die Bemerkung von eben zu achten.
"Was für ein edles Vorhaben. Doch Ihr wisst anscheinend noch nicht, dass dies Euer Ende sein wird, Alexander von Drachenfels!", lachte der Priester böse.
"Ihr wisst, wer ich bin?", fragte Alex überrascht.
"Natürlich weiß ich das! Ich war es schließlich, der Eure Eltern, nein, sogar Eure ganze Sippe ausgelöscht hat!"
"WAS?!", schrie Alex in Rage. Amalia hielt erschrocken die Luft an. War so etwas möglich?
"Ihr habt richtig gehört, ich war es! Und wenn ich Euch beiseite geschafft habe, dann ist mein Werk vollendet!", rief der Priester erfreut.
"Euer Werk?! Wollt Ihr etwa mein ganzes Volk auslöschen?!", rief Alex fassungslos.
"Richtig…"
Alex Herz verkrampfte sich. Er konnte kaum atmen vor Schmerzen. Der Mann, der vor ihm stand, hatte seine ganze Familie getötet. Aber warum? Warum tat ein Mensch solch schreckliche Dinge? Unglaubliche Wut stieg in ihm auf. Dafür würde der Priester mit seinem Leben bezahlen, das schwor er sich hiermit.
"Falls es Euch vor Eurem Tode noch interessiert: Ihr seid der letzte Eures Drachenvolkes!", rief der Priester triumphierend.
"Warum?", schrie plötzlich Amalia. Ihr liefen Tränen über die Wangen, "Warum habt Ihr das getan?! Wie kann ein Mensch nur so grausam und voller Hass sein?"
"Amalia…", flüsterte Alex. Für kurze Zeit verblasste der Hass in seinem Herzen.
"Ihr habt überhaupt keine Ahnung, was dieses Volk von Drachenmenschen wirklich vorhatte!"
"Und was sollte das sein?", fragte Amalia.
"Die Menschheit zu vernichten! Sie sind Dämonen, die allein über die Welt herrschen wollen!"
"Niemals! Das ist eine Lü-" - "Es stimmt.", unterbrach Alex sie. Verwirrt sah sie ihn an.
"Es war wirklich das Ziel einiger Sippschaften die Menschen zu vernichten, aber... mache kämpften auch für die Menschen. Es gab zwar viele Kriege zwischen unsere Völkern, aber noch mehr Freundschaften. Ihr könnt mein Volk gar nicht ausschalten, Priester dessen Name ich nicht einmal weiß. Es lebt in Kindergeschichten oder in den Drachen weiter. Die Menschen werden uns nie vergessen können.", schloss Alex traurig, jedoch mit entschlossener Stimme.
Der Priester sagte daraufhin nur: "Mein Name lautet Urdo."
Alex sah irritiert auf. "Das ist unmöglich! Urdo ist ein geweihter Drachenpriester! Er ist zwar ein Mensch, aber der Freund meines Volkes!"
"Ich bin es wirklich. Ich habe mir geschworen die Erde von Eurer ekelhaften Rasse zu reinigen! Ihr habt nicht mehr das Recht zu leben! Eure Zeit ist abgelaufen..."
"Was heißt hier nicht mehr das Recht? Wann hat jemand denn das Recht zu leben? Wer entscheidet das?", fuhr Amalia auf.
"Genau. Was gibt Euch das Recht darüber zu entscheiden ob jemand leben darf oder nicht? Ihr seid kein Gott!", rief Alex.
"Aber ich werde es sein, wenn ich Euer Volk ausgelöscht und die Prinzessin jemandem ganz bestimmten geopfert habe!", lachte Urdo.
"Doch nicht etwa…?", keuchte Alex.
"Oh doch, genau dem! Dem Gott der Unterwelt!"
Amalia versteifte. Sie sollte dem Gott der Unterwelt geopfert werden?
"Nie im Leben!", rief plötzlich Jalin und tauchte hinter Alex auf. Er war durch unzählige Wunden verletzt, doch trotzdem sprang er vor und stieß mit seinem Schwert in Richtung des Priesters. Dieser wich aus und hob dann auf einmal die Hand. Hinter ihnen erscholl plötzlich Uronars gequältes Brüllen. Alex keuchte erschrocken auf und starrte Urdo an.
"Das könnt Ihr nicht machen!", rief er, "Nicht mit Uronar!"
"Und ob ich das kann!", entgegnete der Priester und murmelte einige Worte.
Uronar brüllte erneut und ließ damit die Erde beben. Er kam auf sie zugestampft.
"Los, LAUFT!", schrie Alex, "Jalin bringt Amalia in Sicherheit! Er darf sie nicht bekommen!"
"Alex, was ist los?", fragte Amalia verwirrt.
"Er hat Uronar unter Kontrolle! Er wird ihn auf uns hetzten! LAUFT ENDLICH!", schrie er. Doch selbst machte er keine Anstalten sich von der Stelle zu rühren. Er sah dem Drachen ungeduldig entgegen.
"Und was ist mit dir? Du kannst nicht einfach hier bleiben!", rief Amalia.
"Uronar ist mein Freund, er wird mir nichts tun.", meinte Alex leise. Doch selbst wusste er, dass dies nicht stimmte. Ein Drache, der unter der Kontrolle eines Priesters stand, war nicht mehr Herr über sich selbst. Er würde keinen Unterschied machen zwischen einer Küchenschabe und seinem Freund.
"Nein, Alex!", schrie Amalia, als Jalin sie am Handgelenk packte und davon schleifte. Sie riss sich wieder los und wollte zu dem Drachenritter rennen, doch Jalin hielt sie erneut auf und warf sie sich kurzerhand über die Schulter. Mit der schreienden Prinzessin über den Schultern rannte er in den dichten Wald und verschwand.
Alex seufzte erleichtert, wenigstens würde Urdo Amalia nicht bekommen. Uronar war schon fast heran, zum Weglaufen war es schon längst zu spät. Doch er wollte nicht mit seinem Drachenfreund kämpfen. Er konnte einfach nicht sein Schwert ziehen.
Dann stand er Uronar gegenüber. Die Augen des Drachens leuchteten rot und sein Blick war verwirrt und auch verängstigt. Alex schaute ihm tief in die Augen und versuchte noch einen kleinen Rest seines Freundes zu erkennen, doch vergeblich. Uronar stand vollkommen unter Urdos Kontrolle.
"Tu was du willst, Uronar. Ich werde mich nicht wehren.", sagte er.
Uronar hätte ihn schon längst angreifen und töten können, doch er rührte sich nicht.
"Wenn Ihr glaubt, dass ich Euch jetzt schon sterben lasse, dann habt Ihr Euch geschnitten, Alexander. Ich habe meine Pläne geändert...", lachte Urdo leise, "Es wäre unklug Euch zu töten, ich werde Euch lieber als Köder verwenden..."
Alex sah den Priester eiskalt an. Urdo erwiderte seinen Blick und gab dem Drachen einen Wink mit der Hand. Aus den Augenwinkeln konnte Alex noch sehen wie Uronar mit einer seiner riesigen Pranken ausholte. Dann war alles schwarz.

Mittlerweile hatte Amalia aufgehört zu schreien und zu zappeln. Sie hing immer noch über Jalins Schulter und weinte still vor sich hin. Jalin lief ununterbrochen weiter durch den Wald. Weg von den Schatten und damit auch weg von Alex.
"Jalin", schluchzte sie, "Du kannst mich wieder runter lassen."
Er hielt an. "Meint Ihr wirklich?"
"Ja, ich denke ich kann wieder allein laufen.", antwortete sie und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Ohne ein weiteres Wort ließ Jalin sie sanft zu Boden gleiten und betrachtete sie prüfend. Sie versuchte zu lächeln.
"Wir werden ihn doch retten, oder?", fragte Amalia und setzte sich wieder in Bewegung. Doch Jalin folgte ihr nicht sondern blieb stehen und blickte nur zu Boden. Amalia drehte sich zu ihm um. "Das werden wir doch, nicht Jalin?!"
"Amalia, das wäre nicht in seinem Sinne gewesen. Dafür hat er sich nicht geopfert...", antwortete der Ritter leise.
"Aber wir müssen ihm helfen! Wir können ihn doch nicht einfach so im Stich lassen!?", fuhr sie auf.
"Kommt, lasst uns weiter gehen.", sagte Jalin plötzlich und blickte sich unruhig um. Er ging an ihr vorbei und marschierte weiter.
"Jalin!", schrie Amalia, "Jalin!" Doch er beachtete sie nicht.
"Das ist nicht fair...!", schluchzte sie erneut und ließ sich auf den Waldboden fallen. Jalin drehte sich wieder zu ihr um, "Bitte, Amalia...", seufzte er und schritt auf sie zu, "Wenn der Priester Euch erwischt, dann ist alles aus!"
"Das ist mir gleich!", rief sie.
"Das darf es aber nicht!", fuhr er auf und packte sie grob am Arm. "Dann war alles umsonst! Unsere lange Reise, die vielen Wunden und Alex Opfer ebenso! Soll das alles umsonst gewesen sein?"
Sie blickte ihn plötzlich wütend an. Mit einer groben Geste riss sie sich von ihm los und stieß ihn ebenso grob von sich.
"Wenn wir Alex retten können, dann war nichts umsonst! Ich werde gehen, Jalin, ob es Euch passt oder nicht! Ich werde endlich tun was mein Herz mir befiehlt!" Mit diesen Worten drehte sie sich um und rannte zurück in die Richtung aus der sie gerade geflohen waren.

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5. Kapitel
Erkennen

Als Alex wach wurde kam es ihm vor als habe er Jahrzehnte lang geschlafen. Er fühlte sich matt und müde als er langsam versuchte ein Auge zu öffnen. Er spürte dass sein Kopf auf etwas weichem und warmen, sein restlicher Körper jedoch auf kaltem Felsboden lag.
"Lass lieber die Augen zu.", sagte eine sanfte Frauenstimme und eine warme und zarte Hand legte sich über seine Augen. "Du bist noch zu schwach."
"Wo bin ich? Wer bist du?", fragte er leise und verwirrt, denn er schien diese Stimme zu kennen.
"Du bist wie ich in dem Kerker eines Schlosses." Die Stimme zögerte kurz bevor sie weitersprach. "Wer ich bin ist nicht wichtig."
"Doch das ist es, ich kenne dich!", sagte Alex und nahm mit seiner eigenen Hand, die Hand über seinen Augen weg. Dann blickte er in Amalias trauriges Gesicht.
"Sei mir bitte nicht böse, Alex...", sprach sie leise, als er vor Überraschung kein einziges Wort herausbrachte, "Ich konnte dich nicht allein lassen."
"Aber wie bist du hierher gekommen? Ich dachte ihr seid im Wald entkommen?" Alex setzte sich mühsam auf und sah sie fragend an.
"Wir waren entkommen, das stimmt, aber...", sie blickte beschämt zur Seite, "ich lief zurück um bei dir zu sein."
"Amalia...", flüsterte er leise.
"Ich bin einfach vor Jalin davongerannt, ich habe ihn einfach zurückgelassen...!" Tränen rannen ihr übers Gesicht. Sie krallte ihre Hände in ihr Kleid und schluchzte leise vor sich hin.
Ohne etwas zu sagen nahm Alex sie in die Arme und drückte sie fest an sich. Er hielt sie so lange bis sie vor Erschöpfung in einen unruhigen Schlaf gefallen war.

Nach Ewigkeiten, wie es Alex schien, wurde plötzlich die Kerkertür aufgeschlossen. Alex sah alarmiert auf, als eine Wache eintrat.
"Ihr zwei sollt zu Oberpriester Urdo kommen!", rief er in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ.
"Das geht nicht, sie schläft noch.", gab Alex gereizt zurück.
"Dann weckt Ihr sie oder ich werde sie wecken!", knurrte die Wache.
Alex strafte ihn mit einem kaltblütigen Blick und versuchte Amalia vorsichtig mit einigen beruhigenden Worten zu wecken. Als sie müde ihre Augen aufschlug, verstand sie erst gar nicht, wo sie sich befand.
"Komm", sagte er leise zu ihr, "wir müssen jetzt zu Urdo."
Statt etwas zu erwidern nickte Amalia nur und stand zusammen mit Alex mühsam auf.
Dann wurden sie von der Wache durch dunkle und unheimliche Gänge in einen großen Raum geführt. In der Mitte des Raumes befand sich ein großer schwarzer Altar. Alles in diesem Raum war schwarz, das Gestein, ja sogar die Flammen der Fackeln. Grob wurden sie durch die Tür gestoßen und diese sofort wieder geschlossen und versperrt.
Amalia ergriff Alexs Hand. Sie zitterte am ganzen Leib. Doch auch er hatte Angst. Spätestens dann, als er Uronar weit hinten in der Dunkelheit liegen sah.
"Uronar!", keuchte er und rannte zu seinem Freund. Der Drache war mit schweren Ketten an den Boden gefesselt.
"Alex, vergebt mir...", stöhnte der Drache leise, "ich konnte mich nicht wehren..."
"Ist schon in Ordnung, alter Freund.", entgegnete Alex lächelnd und streichelte dem Drachen über die Schuppen, "Wir werden zusammen einen Weg hier heraus finden."
"Wir alle zusammen.", stimmte Amalia ihm zu und trat neben Alex.
"Mylady, schön Euch zu sehen...", sagte Uronar leise.
"Euch ebenso, Uronar.", antwortete sie und kniete neben ihm nieder um ihn sanft zu streicheln.
Alex betrachtete die Fesseln des Drachen. Es waren eiserne, dicke Ketten, selbst für einen Drachenritter unzerstörbar. Verzweifelt überlegte er sich einen Fluchtplan. Doch ihre Chance zu entkommen schien gleich Null. Was sollte er nur tun?
"Ist meine Rechnung schließlich doch noch aufgegangen.", meinte eine erheiterte Stimme am anderen Ende des Raumes, dort wo der Altar stand. Es war Urdo.
"Es war mir klar, dass die Prinzessin kommen würde um Euch beizustehen, Alexander", lachte der Priester. "Es hat sogar besser geklappt als ich erwartet hatte."
"Haltet einfach die Klappe, Urdo! Euer dummes Geschwätz will niemand hören!", fuhr Alex ihn an, "Einem so feigen und verräterischen Priester leihe ich nicht mein Ohr!"
"Nun gut. Ganz wie Ihr wünscht.", entgegnete Urdo und betätigte einen versteckten Schalter an dem Altar. Klirrend fielen Uronars Ketten zu Boden. Der Drache knurrte und erhob sich zu seiner ganzen, gewaltigen Größe.
"Wartet!", hinderte Alex den Drachen daran den Priester anzufallen, "Er hat etwas vor, Uronar. Er will Euch wieder beherrschen."
"Erraten!", rief der Priester und machte eine entsprechende Handbewegung, um den Drachen unter seine Kontrolle zu bringen.
Doch Alex wollte nicht, dass dies wieder geschah. Schnell trat er an den Drachen heran.
"Uronar!", schrie er seinen Freund an, "Ich hasse Euch! Ich kann einen so unfähigen Drachen wie Euch nicht gebrauchen!"
Gerade als Uronars Augen begannen rot zu werden drehte er den Kopf hinüber zu Alex. Das rot verblasste und der Drache sah Alex verwirrt an.
"Warum redet Ihr so?", fragte er auf eine verletzte Art und Weise, "Habt Ihr schon vergessen was wir alles füreinander getan haben?"
Nein, Uronar, sagte Alex zu sich selbst, aber ich werde nicht zulassen, dass er euch mit seiner schmutzigen Magie beherrscht. Lieber tue ich das. Aber dazu dürft Ihr nicht mehr mein Freund sein.
"Es tut mir leid...", flüsterte er und erhob anschließend wieder seine Stimme, "Füreinander?! Das habt Ihr doch alles nur für Euch getan! Ich war nur ein Mittel zum Zweck! Gebt es zu!"
"Was geschieht hier? Ich kann den Drachen nicht mehr kontrollieren?", wunderte sich Urdo.
"Ihr haltet mich also für solch einen Egoisten?!", fauchte Uronar Alex an.
"Und ob ich das tue! Ich verachte Euch!", gab der junge Drachenritter zurück.
"Alex, was tust du da?", fragte Amalia verwirrt. Sie konnte nicht verstehen, warum Alex seinen Freund so anschrie. Es tat ihr weh dies zu sehen.
"Ihr falscher Hund!", brüllte Uronar und stürzte sich auf Alex. Doch dieser war darauf gefasst und wendete den Zauber an, mit dem er einen Drachen beherrschen konnte. Uronar stockte mitten in der Bewegung. Seine Augen verfärbten sich zu grün und er senkte untergeben den Kopf. Alex trat an ihn heran und legte seine Hand auf seine Schnauze.
"Es tut mir leid, alter Freund.", sagte er zu dem Drachen. Dann wandte er sich Amalia zu, "Amalia, komm her!"
Immer noch verwirrt trat sie zu ihm. Vorsichtig ergriff er sie bei der Hand und drückte diese leicht.
"Bleib bei mir.", sagte er zu ihr worauf sie nickte.
"Drache, der du meiner Hand gehorchst!", sprach Alex in befehlenden Ton an Uronar, "Töte diesen Mann!" Er deutete auf Urdo. Dieser zog erschrocken die Luft ein.
Uronar knurrte und warf sich dem Priester entgegen. Dieser versuchte selbst mit seiner Magie den Drachen wieder unter seine Herrschaft zu bringen, doch es gelang ihm nicht. Noch bevor er etwas anderes versuchen konnte war der Drache heran und riss brüllend sein Maul auf.
Amalia wandte ruckartig ihren Blick von der grässlichen Szene ab. Jedoch hörte sie noch Urdos letzte, schreckliche Schreie und Uronars Zähne, die ihn zermalmten. Dann herrschte Stille.
"So viel schreckliches er auch über hunderte von Jahren getan hat, so schnell und schrecklich war sein Ende.", sagte Alex verbissen und befahl dem Drachen wieder zu ihnen zurück zu kehren. Als er bei ihnen war, befreite Alex seinen Freund von dem Bann.
Uronars Blick wurde wieder normal und er starrte Alex missmutig an.
"Ich habe alles gehört, was Ihr gesagt habt.", knurrte Uronar.
"Verzeiht mir.", bat Alex, "Ich hatte keine andere Wahl."
"Verzeihen?!" Uronar baute sich drohend vor ihnen auf, "VERZEIHEN?!"
"Uronar, bitte!", ging Amalia dazwischen bevor der Drache auf Alex losgehen konnte, "Er hat es nicht getan, weil er Euch nicht..."
"Ich weiß!", unterbrach sie der Drache mürrisch, "Glaubt Ihr ich erkenne einen schlechten Schauspieler nicht?"
"Schlechter Schauspieler? Wollt Ihr etwa damit sagen, dass...!", staunte Alex.
"Genau!", grinste der Drache, "Ich habe Euch ebenfalls etwas vorgemacht." Uronar lachte. Für Alex war es das erste Mal, dass er einen Drachen lachen hörte. Es klang seltsam.
"Aber wie habt Ihr Urdos Zauber gebrochen? Und Eure Augen?", wunderte sich der junge Drachenritter.
"Das mit den Augen ist ein einfacher Drachentrick.", erklärte er, "Den Bann hat die Mylady von mir genommen, als sie mich berührte. Dank ihr wurde ich nicht zu einem kontrollierbaren Monster."
"Amalia hat den Bann gebrochen?", staunte Alex.
"Ich?" Amalia selbst glaubte dies kaum.
"Nein, nicht Prinzessin Amalia tat dies...", meinte der Drache geheimnisvoll, "sondern Mary, eine Angehörige des Drachenvolkes."
Die beiden anderen starrten den Drachen erstaunt an. Keiner war in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen.
"Das ist... wundervoll!", rief Alex und umarmte stürmisch die überraschte Amalia.
"Aber Uronar, warum... wie...?", stammelte sie jedoch nur und war immer noch wie versteinert.
"Ach Mary, es gibt so viel zu klären...", sagte der Drache und sah sich um, "Doch lasst uns dies an einem gemütlicheren Ort tun."
Die beiden stimmten ihm zu.

Zusammen flohen sie aus Urdos Schloss und flogen auf Uronars Rücken zurück in ihren Krater. Dort angekommen, landeten sie vor Uronars Höhle und setzten sich alle nebeneinander in das weiche grüne Gras.
"Jetzt müsst Ihr aber mal erzählen, Uronar!", forderte Alex den Drachen auf.
"Nun gut." Er räusperte sich, "Habt Ihr nicht selbst gespürt, dass sie einer von uns ist, Alex? Weshalb wurde sie wohl in das Königshaus gegeben? Und von wem? Natürlich von ihren Halbdracheneltern und damit sie behütet aufwächst. Damals waren es harte Zeiten für unser Volk. Nirgends war man sicher."
"Und meinen Namen? Warum meint Ihr, dass ich Mary heiße?", fragte Amalia verwirrt.
"Ihr selbst gabt Euch diesen Namen. Es ist der Name, mit dem Euch Eure Eltern immer angesprochen hatten, bevor sie Euch weggeben mussten. Ihr habt ihn in eurem Gedächtnis bewahrt. Und er hat Euch doch wohl auch gut gefallen, oder?" Uronar schielte hinüber zu ihr. Sie nickte zustimmend.
"So, das ist schon alles!", der Drache wollte sich erheben, als Alex fragte: "Aber Uronar! Woher wisst Ihr, dass sie einem Königshause anvertraut wurde? Ich habe Euch dies nie erzählt!"
Der Drache blickte zur Seite und schien nachdenklich ehe er antwortete, "Ich kannte sie, Alex. Ich kannte Marys Eltern gut... genauso wie eure, werter Ritter. Aber ein alter Drache spricht nicht gerne über die Vergangenheit. Vielleicht werde ich es euch eines Tages einmal erzählen. Die ganze Geschichte von den Drachen, den Halbdrachen und den Menschen.", müde erhob sich Uronar und verschwand in seiner Höhle.
"Ob wir wohl die letzten sind?", fragte Mary nach einer Zeit der Stille.
"Nein.", sagte er entschlossen worauf sie ihn verwirrt ansah, "Seit ich weiß, dass du genauso bist wie ich, glaube ich, dass sich noch mehr Halbdrachen auf dieser Welt versteckt halten. Oder sie wissen gar nicht, dass sie welche sind, so wie du es nicht wusstest! Vielleicht warten sie nur darauf von uns gefunden zu werden!"
"Das wäre schön, Alex.", seufzte sie und lehnte sich an ihn.
"Werden wir sie suchen gehen?", fragte er und sah ihr tief in die Augen.
Sie nickte und sie küssten sich.
Zumindest wollten sie dies, als plötzlich ein markerschütterndes Brüllen erklang.
"ARGH!", dröhnte es aus Uronars Höhle, "SO ETWAS WILL ICH NICHT VOR MEINER HÖHLE SEHEN!!"
"Tja Uronar, dann verhindert es doch!", rief Alex zurück und küsste Mary schließlich doch.
"DAS IST JA SOOO WIDERLICH!", brüllte Uronar und schaute angeekelt aus seiner Höhle.
"Ach, Dummschuppe, Ihr wisst ja nichts von der Liebe!", lachte Mary ihn an.
"DUMMSCHUPPE?!" Der Drache war fast am Überkochen. Mary hielt sich erschrocken die Hand an den Mund. "Oh", sagte sie.
"Genau das!", rief Alex und sprang auf, "Jetzt lauf aber!"
Zusammen rannten sie lachend und schreiend davon, dicht gefolgt von dem tobenden Drachen.
 

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