Der
König der Drachen |
- 6 -
Tarohn |
"Du..." begann Marlin. Seine Seele war von Haß erfüllt. Der Elf kam auf ihn zu, bis er nur noch Zentimeter weit von der Spitze der Klinge entfernt war. Die Klinge, die auf sein Gesicht gerichtet wurde, zitterte. Marlin wollte angreifen. Der Elf wäre schutzlos gewesen. Aber irgendwas hielt ihn davon ab. Sicher. Er wollte wissen, was der Elf mit den Träumen zu tun hatte. Er war die einzige Antwort auf diese Frage. "Wer bist du?" "Was ist los, Marlin? Stich zu. Komm schon." Er kannte seinen Namen. Wieso kannte er seinen Namen? Marlin blickte ihn an. Das Schwert sank zu Boden. "Na also." "Wer bist du?" Wiederholte Marlin. "Mein Name ist Tarohn." Die Flammen schienen aufzupeitschen und heller zu werden als er diesen Satz gesagt hatte. Die Drachen, die um sie herumstanden und die beiden betrachteten, senkten ihre Köpfe. Ihre brutalen und mächtigen Züge, die im Licht der Flammen schimmerten, wirkten auf einmal zahm und unschuldig. Woher kannte Marlin den Name Tarohn? Aber natürlich. "Der Waffenmeister Garlins." "Und sein Züchter." Das war es also. Der Züchter Garlins.
Der Vater Darans. Deshalb jagte er ihn.
|
- 7 -
Der Preis der Stärke |
Tala stand auf einem kalten, grauen Felsen. Ihr farbenfrohes Gewand fiel sofort auf in der Landschaft. Alles war irgendwie so grau und farblos. Das Gras war zwar grün wie immer, doch wenn die Sonne nicht darauf schien sah es traurig und öde aus. Die Sonne war von den Wolken bedeckt, die über dem Land lagen. Der Vormittag hatte gerade erst begonnen und der Tag war noch jung. Das Mädchen war schon früh am morgen hier hin gekommen. Das tat sie immer, wenn sie trainieren wollte, auch wenn es ihr nicht gestattet war, denn der Felsen, auf dem sie ihre Übungen machte, war direkt an der Klippe. Diese führte hunderte Meter in die Tiefe und von unten war das Geräusch von Wasser zu vernehmen. Es waren die Wellen des großen Meeres, die gegen die Klippen schlugen und dort brachen. Das Training hatte Tala sehr beansprucht. Sie war fertig, doch wollte sie noch nicht aufhören. Alle Muskeln schmerzten schon. Sie spürte auch die Stellen ihres Körpers, von denen sie wusste, dass sie dort blaue Flecke und Beulen zu erwarten hatte. Oft war sie während der Übungen gestürzt und hart aufgeschlagen. Außerdem belasteten sie die Wunden vom Vortag. Sie waren mehr als nur ein paar Beulen. Tala war in einen Haufen scharfer Steine gefallen, und hatte überall Schnittwunden. Die Heiler ihres Klosters hatten es geschafft, die Wunden so zu behandeln, dass keine Narben sichtbar waren. Über Nacht waren ihre Wunden oberflächlich geheilt worden. Es war die Hauptsache, dass der Priester nichts davon merkte. Er würde ihr das Kämpfen verbieten. Wer sich nicht an seine Regeln hielt, der flog raus. Tala war die beste ihrer Klasse und das mußte sie auch bleiben. Sie brauchte das. Mit dem Lehrplan des Priesters würde sie nur hinterher hinken. Genug der Pause. Das Schwert war wieder nach vorn gerichtet. Eine Schrittfolge vorwärts, die Klinge im Rhythmus schnell hin und her schwingend. Dann eine geduckte Haltung. Aus dieser Haltung heraus ein Sprung nach hinten. Tala drehte sich in der Luft, landete wieder auf den Füßen und richtete sich auf. Das selbe noch mal. Es mußte schneller gehen. Der Feind dürfte im realen Gefecht keine Zeit zum nachdenken haben. Die Schritte waren perfekt koordiniert. Tala konnte nicht mehr sehr lange kämpfen. Sie war erschöpft und die Schmerzen wurden unerträglich. Vorbei. Sie stützte sich auf den Knauf ihres Schwertes und blickte den Boden an. Schwer atmend hing sie da. Verdammt, dachte sie sich. Ich leg mich besser hin. Die Felsen waren kalt und schmutzig, aber sie konnte kaum noch gehen. Die Türme des Tempels schienen unendlich weit entfernt. Tala kroch vom Felsen herunter. Sie richtete sich auf und ging ein paar Schritte. Dann klappte sie wieder zusammen und kauerte sich in das weiche Gras. Hier schlief sie ein. Als sie aufwachte blendeten sie die Strahlen
der Sonne. Sie sah sich um. Ihr Blick wanderte über das Gelände.
Als sie sich umdrehte, sah sie direkt in Darlos Augen. Sie erschrak
und wich zurück. Der Murahn sah sie an und lächelte freundlich.
|
- 8 -
Der Tempel der Ältesten |
Sie gingen über den großen, von Gras überwachsenen Platz zwischen den Felswänden des Gebirges, die sich über ihren Köpfen emporstreckten. Rechts hörte man einen Bach, der irgendwo zwischen den Felsen seine Quelle hatte. Murahn waren dort. Die Frauen wuschen Kleider und manche Jungen waren dort, um sich zu erfrischen. Das Training hier war hart aber es brachte was. Einer der Jungen Murahn blickte hinüber. Darlo nickte ihm lächelnd zu. "Kennst du ihn?" fragte Tala? "Ja. Er ist einer der neuen. Sein Vater und ich sind im selben Dorf groß geworden." Tala Lächelte dem Jungen zu. Sie mochte diese Rasse. Die Murahn waren ein Volk, das aus den Wäldern kam. Sie waren perfekt angepasst. Der ganze Körper mit Fell bedeckt, die Gesichtszüge wie die von Raubkatzen. Sie waren anmutig und stolz. Die Männer wurden über zwei Meter groß. Ihre Augen waren groß und rund. Mit Schlitzen als Pupillen. Warum haben menschliche Männer nicht solche Augen, dachte Tala immer wieder verträumt. Sie kamen zu den Stufen, die hinauf zum Tempel führten. Tala war eine der ersten Menschen, die hier trainieren durften. Sie kam vor zwei Jahren zusammen mit ihrem Freund Cecil hierher. Sie kannten sich schon seit sie klein waren und waren wie Geschwister. Die anderen an diesem Ort waren alle Murahn. Sie lebten seit Jahrhunderten in diesen Wäldern. Der Tempel existierte schon genau so lange. Die ersten von ihnen hatten ihn errichtet. Seit dem werden hier den jungen Murahn die Kampfkünste der Ältesten gelehrt. Meister Dilahn beherrschte sie perfekt. Er war schon einhundertundzehn Jahre alt. Seine Erfahrung machte ihn zu einem der Besten, doch langsam sah man ihm sein Alter an. Sein Fell wurde grau und sein Gang wurde langsamer. Jedoch gab es noch keinen Jüngeren, sei es Mensch, Murahn oder sonst ein Wesen aus Garath, der ihm das Wasser reichen konnte. Die Stufen waren hinter ihnen. Der große
Vorplatz zum Eingang war vertraut, dennoch beeindruckte er Tala immer wieder.
Die großen Säulen, die in den Himmel ragten, waren im Kreis
aufgestellt. Mehrere Meter dick und jede gut zwanzig Meter hoch. Auf ihnen
standen die Statuen der Arachduhn. Sie waren die Götter der Murahn.
Sechs an der Zahl. Sie streckten ihre Schwerter aus und hielten sie hoch
über dem Boden. Die Klingen schnitten sich genau über der Mitte
des runden Platzes. Das Tor in den Tempel lag vor ihnen. Tala und Darlo
betraten das Gebäude.
"Wieder mal zu lange trainiert? Ob das nicht
Ärger gibt."
|
- 9 -
Der Beginn eines düsteren Zeitalters |
Bardahin setzte auf. Der Murahn, der auf ihm saß, sah nicht unbedingt sehr erfreut aus. Der kleine Drache kniete sich. Melda stieg ab. Nun landete auch noch Dilahn auf seinem Drachen Nedalaf neben ihm. Die beiden Gestalten waren noch weit entfernt aber gut zu erkennen. Sie kamen in Talas Richtung. Meldas Blick bedeutete nichts Gutes. Aber die Miene hatte er ständig drauf. Sein schwarzes Fell ließ ihn äußerst streng wirken. Und das war er auch. Diener eilten herbei, und brachten die Drachen wieder in die Ställe zurück. Melda und Dilahn hatten Tala bereits erreicht. Dilahn ignorierte sie und ging einfach weiter. Melda, der Talas Ausbilder war, blieb kurz neben ihr stehen, sah sie aber nicht an. "Das nächste mal, wenn du so was machst, fliegst du aus dem Tempel." Er ging weiter. Nanu, dachte sich Tala. Der droht doch nie mit Rauswurf. Und keine Standpauke von Dilahn? Da stimmt was nicht. Marlin war in einem dunklen Raum, ab und zu
vernahm er Geräusche, doch er sah nichts. Kein Licht kam hier rein.
Der Gedanke, hier nicht allein zu sein, gefiel
Marlin nicht. Doch was sollte er tun. Keine Waffe und kein Sehvermögen.
Fliehen wäre Schwachsinn und Kämpfen auch. Er konnte nur hoffen,
dass Es, was auch immer es war, ihn nicht angriff. Er fand die Wand wieder.
Sie war kalt und feucht, genau richtig. Doch nun wusste er nicht mehr,
ob er weiter ging, oder den selben Weg, den er gekommen war, wieder zurück.
Und er hatte Angst. Große Angst.
|
- 10 -
Licht in die Dunkelheit |
Lange Zeit war Marlin gegangen, nie hatte er Licht gesehen. Immer wieder hörte er Geräusche. Als wenn jemand da wäre. Es ist das Ding von vorhin, dachte er sich immer wieder. Seine Hände zitterten bei dem Gedanken daran, etwas könnte hier sein und ihn verfolgen. Etwas, was er nicht sehen konnte, was aber ihn sieht Mit Augen, denen Dunkelheit fremd sind. Die in der Nacht wie am Tag sehen können. Marlin konnte nicht mehr, er wollte aufgeben, fiel zu Boden und atmete schwer. Doch was war das? Der Boden wärmte. Er musste darauf sein. Auf dem Tier, oder was immer es war. Es bewegte sich. Er war starr vor Angst. Aber es schien ihn nicht zu bemerken. Licht. Der Ausgang war in Sicht. Das Tier steuerte darauf zu. Er konnte wieder etwas sehen. Erst blendete es ihn, dann sah er wieder klarer. Unter ihm war eine Art Knochenpanzer. Dunkelblau sah er aus. Und er war sehr hart. Das Tier ging ins Freie und rutschte dann ins Wasser. Wasser? Marlin war vorher abgesprungen. Er blickte sich um. Das Meer. Seine Augen konnten bis zum Horizont blicken. Die Sonne schien ihm ins Gesicht. Er ging näher zum Wasser. Noch nie hatte er das Meer gesehen. Es war einfach wunderbar. "Hey". Eine Stimme hinter ihm ließ Marlin
zusammenschrecken. Er drehte sich um und sah einen Mann auf einer Klippe
stehen. Ein Elf im Gewand eines Offiziers. Hinter ihm reges Treiben. Arbeiter
liefen hin und her, Kisten wurden auf kleine Gleiter gespannt, große,
drachenähnliche Lasttiere trugen Fässer und Kisten durch die
Gegend. Dann im Hintergrund, ein riesiges Elfenschiff. Es schwebte hoch
über dem Boden und ständig flogen kleine Transporter rauf und
andere kamen wieder runter. Ein Kriegsschiff der Elfen? Marlin traute seinen
Augen nicht. Wo war er?
|
- 11 -
Auf dem Weg zum Krieg |
Nirgar war gar nicht so böse wie er erst wirkte. Er hatte Marlin für einen Arbeiter gehalten, der sich vor der Arbeit drückte. Doch nun hatte Marlin ihm die ganze Geschichte erzählt und der Elf sah ihn überrascht an. "Du warst also auf dem Schiff, das uns angegriffen hat. Interessant. Was hast du da getan?" Marlin versuchte nachzudenken. Aber irgendwie kam er zu keinem Ergebnis. "Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass ich in Utala war und dann war ich hier. Unten in der Höhle. Einer der beistehenden Wachleute meldete sich zu Wort. "Dort unten rechts? Wenn das so ist, dann tut es mir leid. Ihr müsst der sein, der mit den Trümmern vom Schiff gefallen ist. Wir wollten zu euch und dann seid ihr geflohen. In die Höhle. Wir haben die Verfolgung aufgegeben." Marlin blickte ihn an. Dann sah er wieder Nirgar an. "Wieso haben die euch angegriffen?" "Das wissen wir nicht. Aber sie sind geflohen. Wie auch immer wir sind auf dem Weg nach Garath. Wie man hört sollen da komische Dinge vor sich gehen. Es gibt einen Kriegsrat. Du kannst uns begleiten, wenn du das willst." Nirgar wandte sich ab und ging. Marlin sah sich noch einmal um. Das Meer war hinter ihm. Die Leute waren alle auf dem Schiff und die letzten gingen gerade. "In Ordnung", sagte Marlin zu dem Wachmann. "Ich komme mit euch." "Gut. Dann können wir euch auch gleich neue Kleider verpassen." Er hatte recht. Marlin sah ziemlich zerlumpt aus. Tala, Darlo, Cecil und Seth saßen auf den Stufen zum Vorplatz. Der Tempel war gesperrt. Die Aufseher ließen niemanden hinein. Um die vier herum saßen alle Schüler des Tempels. Es waren so viele. Tala hätte nie gedacht, dass der Tempel eine solche Menge von Leuten beherbergen könnte. Doch nun, wo sie alle auf einem Haufen sah, beeindruckte es sie schon. Was nun wichtiger war, war jedoch, was gerade im Tempel passierte. Warum sperren die die Türen zu und warum dürfen die Schüler nicht rein? Das Schiff hatte sich einem Kampfverband angeschlossen.
Nun waren es gut zwanzig. Elegant flogen sie in Formation über das
Wasser. Jedes einzelne wirkte riesig und geradezu majestätisch.
Ein Schiff überholte sie. Es flog über
sie hinweg, sank vor ihnen tiefer und flog knapp über der Wasseroberfläche.
Nun änderten alle Schiffe ihre Positionen. Eine neue Formation? Plötzlich
erklang ein Horn.
© V.Geist
Vor Verwendung dieser Autoren-EMail-Adresse bitte das unmittelbar am @ angrenzende "NO" und "SPAM" entfernen! |
.
www.drachental.de