Der König der Drachen von V.Geist
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Tarohn

"Du..." begann Marlin. Seine Seele war von Haß erfüllt. Der Elf kam auf ihn zu, bis er nur noch Zentimeter weit von der Spitze der Klinge entfernt war. Die Klinge, die auf sein Gesicht gerichtet wurde, zitterte. Marlin wollte angreifen. Der Elf wäre schutzlos gewesen. Aber irgendwas hielt ihn davon ab. Sicher. Er wollte wissen, was der Elf mit den Träumen zu tun hatte. Er war die einzige Antwort auf diese Frage.
"Wer bist du?"
"Was ist los, Marlin? Stich zu. Komm schon."
Er kannte seinen Namen. Wieso kannte er seinen Namen? Marlin blickte ihn an. Das Schwert sank zu Boden.
"Na also."
"Wer bist du?" Wiederholte Marlin.
"Mein Name ist Tarohn." Die Flammen schienen aufzupeitschen und heller zu werden als er diesen Satz gesagt hatte. Die Drachen, die um sie herumstanden und die beiden betrachteten, senkten ihre Köpfe. Ihre brutalen und mächtigen Züge, die im Licht der Flammen schimmerten, wirkten auf einmal zahm und unschuldig. Woher kannte Marlin den Name Tarohn? Aber natürlich.
"Der Waffenmeister Garlins."
"Und sein Züchter."

Das war es also. Der Züchter Garlins. Der Vater Darans. Deshalb jagte er ihn. 
"Marlin. Du hast damals Daran getötet. Von diesem Tag an habe ich dich gejagt."
"Weil du mich töten willst?"
"Nein. Ich brauche dein Leben."
Was? Marlin verstand nichts mehr. Wieso wollte Tarohn ihn lebendig? Wofür wäre er ihm von nutzen? Egal. Er sollte ihn nicht kriegen. Wer weiß, was er vor hatte.
"Mein Leben kriegst du nie." Das Schwert war wieder erhoben. Tarohn ging ein paar Schritte zurück. Plötzlich hielt auch er ein Schwert in der Hand. Woher es kam, wußte Marlin nicht. Aber es war egal. Er würde um seine eigene Zukunft kämpfen.
"Du Narr." Tarohn blickte wütend zu Marlin rüber. "Du weißt nicht, wie wichtig du bist."
"Ich will's gar nicht wissen."
Die Schwerter blitzten auf, schlugen mit Wucht gegeneinander. Marlin war zu allem bereit. Vielleicht war gerade das sein Fehler...
 

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Der Preis der Stärke

Tala stand auf einem kalten, grauen Felsen. Ihr farbenfrohes Gewand fiel sofort auf in der Landschaft. Alles war irgendwie so grau und farblos. Das Gras war zwar grün wie immer, doch wenn die Sonne nicht darauf schien sah es traurig und öde aus. Die Sonne war von den Wolken bedeckt, die über dem Land lagen. Der Vormittag hatte gerade erst begonnen und der Tag war noch jung. Das Mädchen war schon früh am morgen hier hin gekommen. Das tat sie immer, wenn sie trainieren wollte, auch wenn es ihr nicht gestattet war, denn der Felsen, auf dem sie ihre Übungen machte, war direkt an der Klippe. Diese führte hunderte Meter in die Tiefe und von unten war das Geräusch von Wasser zu vernehmen. Es waren die Wellen des großen Meeres, die gegen die Klippen schlugen und dort brachen. Das Training hatte Tala sehr beansprucht. Sie war fertig, doch wollte sie noch nicht aufhören. Alle Muskeln schmerzten schon. Sie spürte auch die Stellen ihres Körpers, von denen sie wusste, dass sie dort blaue Flecke und Beulen zu erwarten hatte. Oft war sie während der Übungen gestürzt und hart aufgeschlagen. Außerdem belasteten sie die Wunden vom Vortag. Sie waren mehr als nur ein paar Beulen. Tala war in einen Haufen scharfer Steine gefallen, und hatte überall Schnittwunden. Die Heiler ihres Klosters hatten es geschafft, die Wunden so zu behandeln, dass keine Narben sichtbar waren. Über Nacht waren ihre Wunden oberflächlich  geheilt worden. Es war die Hauptsache, dass der Priester nichts davon merkte. Er würde ihr das Kämpfen verbieten. Wer sich nicht an seine Regeln hielt, der flog raus. Tala war die beste ihrer Klasse und das mußte sie auch bleiben. Sie brauchte das. Mit dem Lehrplan des Priesters würde sie nur hinterher hinken.
Genug der Pause. Das Schwert war wieder nach vorn gerichtet. Eine Schrittfolge vorwärts, die Klinge im Rhythmus schnell hin und her schwingend. Dann eine geduckte Haltung. Aus dieser Haltung heraus ein Sprung nach hinten. Tala drehte sich in der Luft, landete wieder auf den Füßen und richtete sich auf. Das selbe noch mal. Es mußte schneller gehen. Der Feind dürfte im realen Gefecht keine Zeit zum nachdenken haben. Die Schritte waren perfekt koordiniert. Tala konnte nicht mehr sehr lange kämpfen. Sie war erschöpft und die Schmerzen wurden unerträglich. Vorbei. Sie stützte sich auf den Knauf ihres Schwertes und blickte den Boden an. Schwer atmend hing sie da. Verdammt, dachte sie sich. Ich leg mich besser hin.
Die Felsen waren kalt und schmutzig, aber sie konnte kaum noch gehen. Die Türme des Tempels schienen unendlich weit entfernt. Tala kroch vom Felsen herunter. Sie richtete sich auf und ging ein paar Schritte. Dann klappte sie wieder zusammen und kauerte sich in das weiche Gras. Hier schlief sie ein.

Als sie aufwachte blendeten sie die Strahlen der Sonne. Sie sah sich um. Ihr Blick wanderte über das Gelände. Als sie sich umdrehte, sah  sie direkt in Darlos Augen. Sie erschrak und wich zurück. Der Murahn sah sie an und lächelte freundlich.
"Ach, du bist es. Was fällt dir ein, mich so zu erschrecken." Darlon schaute sie an.
"Du sahst so friedlich aus. Da wollte ich dich nicht wecken, denn sonst hat man ja nie die Gelegenheit, dich mal friedlich zu sehen."
"Aha." Sie schaute ihn an und lächelte.
"Genug geredet. Hilf mir auf."
Darlo stand auf und reichte Tala die Hand. Sie nahm sie und richtete sich auf. Die Erschöpfung, die sie verspürt hatte, war fast wieder gewichen. Doch die Beine schmerzten. Zuviel der Anstrengungen. Sie sah ein, dass sie es diesmal übertrieben hatte. Die Landschaft wirkte sofort freundlicher. Die Sonne schien. Der Himmel war wolkenlos.
"Lass uns gehen, bevor Dilahn deine Abwesenheit bemerkt."
 

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Der Tempel der Ältesten

Sie gingen über den großen, von Gras überwachsenen Platz zwischen den Felswänden des Gebirges, die sich über ihren Köpfen emporstreckten. Rechts hörte man einen Bach, der irgendwo zwischen den Felsen seine Quelle hatte. Murahn waren dort. Die Frauen wuschen Kleider und manche Jungen waren dort, um sich zu erfrischen. Das Training hier war hart aber es brachte was. Einer der Jungen Murahn blickte hinüber. Darlo nickte ihm lächelnd zu.
"Kennst du ihn?" fragte Tala?
"Ja. Er ist einer der neuen. Sein Vater und ich sind im selben Dorf groß geworden."
Tala Lächelte dem Jungen zu.
Sie mochte diese Rasse. Die Murahn waren ein Volk, das aus den Wäldern kam. Sie waren perfekt angepasst. Der ganze Körper mit Fell bedeckt, die Gesichtszüge wie die von Raubkatzen. Sie waren anmutig und stolz. Die Männer wurden über zwei Meter groß. Ihre Augen waren groß und rund. Mit Schlitzen als Pupillen.
Warum haben menschliche Männer nicht solche Augen, dachte Tala immer wieder verträumt.
Sie kamen zu den Stufen, die hinauf zum Tempel führten. Tala war eine der ersten Menschen, die hier trainieren durften. Sie kam vor zwei Jahren zusammen mit ihrem Freund Cecil hierher. Sie kannten sich schon seit sie klein waren und waren wie Geschwister. Die anderen an diesem Ort waren alle Murahn. Sie lebten seit Jahrhunderten in diesen Wäldern. Der Tempel existierte schon genau so lange. Die ersten von ihnen hatten ihn errichtet. Seit dem werden hier den jungen Murahn die Kampfkünste der Ältesten gelehrt. Meister Dilahn beherrschte sie perfekt. Er war schon einhundertundzehn Jahre alt. Seine Erfahrung machte ihn zu einem der Besten, doch langsam sah man ihm sein Alter an. Sein Fell wurde grau und sein Gang wurde langsamer. Jedoch gab es noch keinen Jüngeren, sei es Mensch, Murahn oder sonst ein Wesen aus Garath, der ihm das Wasser reichen konnte.

Die Stufen waren hinter ihnen. Der große Vorplatz zum Eingang war vertraut, dennoch beeindruckte er Tala immer wieder. Die großen Säulen, die in den Himmel ragten, waren im Kreis aufgestellt. Mehrere Meter dick und jede gut zwanzig Meter hoch. Auf ihnen standen die Statuen der Arachduhn. Sie waren die Götter der Murahn. Sechs an der Zahl. Sie streckten ihre Schwerter aus und hielten sie hoch über dem Boden. Die Klingen schnitten sich genau über der Mitte des runden Platzes. Das Tor in den Tempel lag vor ihnen. Tala und Darlo betraten das Gebäude.
Ein riesiger Saal. Treppen führten rechts und links in die Trakte mit den Zimmern, in denen die Schüler wohnten. Andere führten nach oben. Dort waren die Trainingsplätze. Sie ruhten auf dem Dach, damit die Sonne auf die Schüler herabblicken konnte, während sie trainierten. Die restlichen Treppen waren die Zugänge zu den Kellern, den Essensräumen, Ställen und was es sonst noch so alles gab. Gegenüber des Eingangs war der Riesige Torbogen, der in das Herzstück des Tempels führte, hierher kamen Priester und Schüler, um zu beten. Neben den Gebetsstunden diente dieser Raum den Schülern als Treffpunkt, um sich auszutauschen, zu plaudern oder einfach nur rum zu hängen.
Dahinter lag die Bibliothek. Die Murahn sammelten all ihr Wissen in Büchern. Und auch das Wissen von anderen Kulturen war hier gern gesehen. Man sagt, es währe das Zentrum der Weisheit. Außenstehenden war der Zutritt gewährt. Der Rest des Tempels blieb für Menschen und andere Rassen jedoch aus religiösen Gründen verschlossen.

"Wieder mal zu lange trainiert? Ob das nicht Ärger gibt."
Die Stimme war doch vertraut. Rechts an einer Säule lehnte Cecil. Seth stand auch da. Der Murahn war Cecils bester Freund hier. Schon seit sie angekommen waren. Sein rot und schwarz gemustertes Fell sah wunderschön aus, doch leider war er ein Idiot. Zumindest in Talas Augen, denn er ärgerte sie ständig und war so was von frech.
Sie grinste zu den beiden hinüber.
"Und wenn doch nicht? Vielleicht hats ja keiner gemerkt."
"TALA!" donnerte eine Stimme durch die Halle.
"Das mit dem nicht bemerken hat sich wohl erledigt", flüsterte Cecil Seth zu und versuchte sich dabei das Lachen zu verkneifen.
 

- 9 -
Der Beginn eines düsteren Zeitalters

Bardahin setzte auf. Der Murahn, der auf ihm saß, sah nicht unbedingt sehr erfreut aus. Der kleine Drache kniete sich. Melda stieg ab. Nun landete auch noch Dilahn auf seinem Drachen Nedalaf neben ihm. Die beiden Gestalten waren noch weit entfernt aber gut zu erkennen. Sie kamen in Talas Richtung. Meldas Blick bedeutete nichts Gutes. Aber die Miene hatte er ständig drauf. Sein schwarzes Fell ließ ihn äußerst streng wirken. Und das war er auch.
Diener eilten herbei, und brachten die Drachen wieder in die Ställe zurück. Melda und Dilahn hatten Tala bereits erreicht. Dilahn ignorierte sie und ging einfach weiter. Melda, der Talas Ausbilder war, blieb kurz neben ihr stehen, sah sie aber nicht an.
"Das nächste mal, wenn du so was machst, fliegst du aus dem Tempel."
Er ging weiter.
Nanu, dachte sich Tala. Der droht doch nie mit Rauswurf. Und keine Standpauke von Dilahn? Da stimmt was nicht.

Marlin war in einem dunklen Raum, ab und zu vernahm er Geräusche, doch er sah nichts. Kein Licht kam hier rein.
Wo zur Hölle war er? Er tastete sich an einer Wand entlang. Sie war feucht und kalt. Die Luft war stickig und schwer zu atmen.
Die Wand. An dieser Stelle war sie warm. Und komisch weich. Marlin fiel hin. Er schlug hart auf dem steinigen Boden auf. War die Wand zusammengestürzt? NEIN. Marlin schreckte auf, sah sich wild um. Doch er konnte nichts sehen, er griff nach seinem Schwert. Ein Griff ins Leere. Die Waffe war nicht da. Die Wand... sie ist nicht eingestürzt. Sie ist weggegangen.

Der Gedanke, hier nicht allein zu sein, gefiel Marlin nicht. Doch was sollte er tun. Keine Waffe und kein Sehvermögen. Fliehen wäre Schwachsinn und Kämpfen auch. Er konnte nur hoffen, dass Es, was auch immer es war, ihn nicht angriff. Er fand die Wand wieder. Sie war kalt und feucht, genau richtig. Doch nun wusste er nicht mehr, ob er weiter ging, oder den selben Weg, den er gekommen war, wieder zurück. Und er hatte Angst. Große Angst.
 

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Licht in die Dunkelheit

Lange Zeit war Marlin gegangen, nie hatte er Licht gesehen. Immer wieder hörte er Geräusche. Als wenn jemand da wäre. Es ist das Ding von vorhin, dachte er sich immer wieder. Seine Hände zitterten bei dem Gedanken daran, etwas könnte hier sein und ihn verfolgen. Etwas, was er nicht sehen konnte, was aber ihn sieht Mit Augen, denen Dunkelheit fremd sind. Die in der Nacht wie am Tag sehen können.
Marlin konnte nicht mehr, er wollte aufgeben, fiel zu Boden und atmete schwer. Doch was war das? Der Boden wärmte. Er musste darauf sein. Auf dem Tier, oder was immer es war. Es bewegte sich. Er war starr vor Angst. Aber es schien ihn nicht zu bemerken. Licht. Der Ausgang war in Sicht. Das Tier steuerte darauf zu. Er konnte wieder etwas sehen. Erst blendete es ihn, dann sah er wieder klarer. Unter ihm war eine Art Knochenpanzer. Dunkelblau sah er aus. Und er war sehr hart. Das Tier ging ins Freie und rutschte dann ins Wasser.
Wasser? Marlin war vorher abgesprungen. Er blickte sich um. Das Meer. Seine Augen konnten bis zum Horizont blicken. Die Sonne schien ihm ins Gesicht. Er ging näher zum Wasser. Noch nie hatte er das Meer gesehen. Es war einfach wunderbar.

"Hey". Eine Stimme hinter ihm ließ Marlin zusammenschrecken. Er drehte sich um und sah einen Mann auf einer Klippe stehen. Ein Elf im Gewand eines Offiziers. Hinter ihm reges Treiben. Arbeiter liefen hin und her, Kisten wurden auf kleine Gleiter gespannt, große, drachenähnliche Lasttiere trugen Fässer und Kisten durch die Gegend. Dann im Hintergrund, ein riesiges Elfenschiff. Es schwebte hoch über dem Boden und ständig flogen kleine Transporter rauf und andere kamen wieder runter. Ein Kriegsschiff der Elfen? Marlin traute seinen Augen nicht. Wo war er?
"Hey du." Der Offizier klang wütend. Marlin wandte seinen Blick wieder ihm zu.
"Steh hier gefälligst nicht so rum, sondern hilf den anderen. Dafür wirst du schließlich bezahlt."
 

- 11 -
Auf dem Weg zum Krieg

Nirgar war gar nicht so böse wie er erst wirkte. Er hatte Marlin für einen Arbeiter gehalten, der sich vor der Arbeit drückte. Doch nun hatte Marlin ihm die ganze Geschichte erzählt und der Elf sah ihn überrascht an.
"Du warst also auf dem Schiff, das uns angegriffen hat. Interessant. Was hast du da getan?"
Marlin versuchte nachzudenken. Aber irgendwie kam er zu keinem Ergebnis.
"Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass ich in Utala war und dann war ich hier. Unten in der Höhle. Einer der beistehenden Wachleute meldete sich zu Wort.
"Dort unten rechts? Wenn das so ist, dann tut es mir leid. Ihr müsst der sein, der mit den Trümmern vom Schiff gefallen ist. Wir wollten zu euch und dann seid ihr geflohen. In die Höhle. Wir haben die Verfolgung aufgegeben."
Marlin blickte ihn an. Dann sah er wieder Nirgar an.
"Wieso haben die euch angegriffen?"
"Das wissen wir nicht. Aber sie sind geflohen. Wie auch immer wir sind auf dem Weg nach Garath. Wie man hört sollen da komische Dinge vor sich gehen. Es gibt einen Kriegsrat. Du kannst uns begleiten, wenn du das willst."
Nirgar wandte sich ab und ging. Marlin sah sich noch einmal um. Das Meer war hinter ihm. Die Leute waren alle auf dem Schiff und die letzten gingen gerade.
"In Ordnung", sagte Marlin zu dem Wachmann. "Ich komme mit euch." 
"Gut. Dann können wir euch auch gleich neue Kleider verpassen." 
Er hatte recht. Marlin sah ziemlich zerlumpt aus.

Tala, Darlo, Cecil und Seth saßen auf den Stufen zum Vorplatz. Der Tempel war gesperrt. Die Aufseher ließen niemanden hinein. Um die vier herum saßen alle Schüler des Tempels. Es waren so viele. Tala hätte nie gedacht, dass der Tempel eine solche Menge von Leuten beherbergen könnte. Doch nun, wo sie alle auf einem Haufen sah, beeindruckte es sie schon. Was nun wichtiger war, war jedoch, was gerade im Tempel passierte. Warum sperren die die Türen zu und warum dürfen die Schüler nicht rein?

Das Schiff hatte sich einem Kampfverband angeschlossen. Nun waren es gut zwanzig. Elegant flogen sie in Formation über das Wasser. Jedes einzelne wirkte riesig und geradezu majestätisch.
"Was für eine Kampfkraft." murmelte Marlin.
"Ja." Nirgar war zu ihm gekommen. Er stellte sich neben ihn und blickte in die Ferne.
"Wir sind stark geworden seit den letzten Kriegen."
Die Garlinkriege. Die Menschen hatten ihn damals besiegt und seine Heere in alle Winde verstreut. 
"Ich war damals noch ein Säugling. Mein Vater hat gekämpft und ist gefallen."
Es war komisch. Marlin sah diesen Elf neben sich und der sah genauso alt aus wie er. Dabei war er schon über hundert Jahre alt. Marlins Vater hatte ihm oft die Geschichten seines Großvaters erzählt. Dass Elfenleben nichts wert sind. Er sagte immer, dass Elfen nicht mehr sind als wilde Tiere, die man schießt, schlachtet und in der Gegend liegen läßt. Marlin hatte ihn dafür gehasst. Schon immer mochte er die Elfen. Er konnte den Hass auf sie nie verstehen.
Kurz war es still, nur das leise Summen der Motoren war zu hören.
"Warum fliegen wir nach Garath?"
"Es sind dort Leute verschwunden. Wir schickten Truppen, die das untersuchen sollten. Sie haben sie tot aufgefunden."
Marlin erschrak. Bilder kamen vor seinen Augen wieder hoch. Von Daran und der Zerstörung, die er angerichtet hatte.
"Dann stellte man fest, dass noch mehr Tote da waren. Tausende. Ganze Landstriche waren ausgerottet. Siedlungen aller Rassen. Warst du schon mal in Garath, Marlin?"
"Ja", antwortet er. "Ich bin da aufgewachsen."

Ein Schiff überholte sie. Es flog über sie hinweg, sank vor ihnen tiefer und flog knapp über der Wasseroberfläche. Nun änderten alle Schiffe ihre Positionen. Eine neue Formation? Plötzlich erklang ein Horn.
"Ein Kampf!"
"Was?" Marlin blickte sich um.
"Wir werden angegriffen!"
Vor ihnen ging ein Schiff auf Kollisionskurs. Es war ein riesiges Schiff, doch welcher Herkunft es war, konnte Marlin nicht erkennen. Man konnte überhaupt kaum was sehen. Es war wie ein großer fliegender Klumpen.
"Was ist das?"
Nirgar kniff die Augen zusammen.
"Keine Ahnung. Egal."
Er wandte sich zur Besatzung.
"Schießt es ab!!!"
Ein Teil löste sich aus dem Rumpf des Schiffes. Brach es auseinander? Nein. Marlin erkannte was es war. Und es gefiel ihm nicht.
Der Drache ließ sich ein Stück in die Tiefe fallen, drehte sich dann langsam und breitete auf einen Schlag die Flügel aus. Er stieg auf und kam auf das Schiff der Elfen zu. Noch mehr Drachen kamen von dem Schiff. Eine ganze Horde. Nun konnte man auch den Schiffstyp erkennen. Es war ein Luftschiff der Orks. Aber es schien niemand an Board zu sein.
"Ausweichen!!!"
Es steuerte auf sie zu. Wurde immer schneller. Nirgars Schiff konnte gerade noch ausweichen, doch für das Schiff dahinter war es zu spät. Es rammte den Orkkreuzer, riss ihm den Rumpf auf und zerbrach. Der schwer angeschlagene Angreifer sank und schlug auf der Wasseroberfläche auf. Marlin drehte sich wieder nach vorn und sah, wie eine Schar von Drachen sich über das Schiff her machte. Sie landeten und schlugen auf die Masten ein.  Die Triebsegel waren dahin. Und die Höhensegel angeschlagen. Die Männer der Besatzung rannten nach vorne mit Lanzen und Schwertern, um die Tiere zu verscheuchen. Fast alle fanden ihren Tod. Plötzlich hoben die Drachen wieder ab. Sie wandten sich nun dem Basisschiff zu. Der Koloss schwebte nur wenige hundert Meter schräg unter ihnen. Marlin rannte zum Geländer und sah den Drachen nach. Dann beschloss er, einen Weg runter vom Schiff zu finden. Er drehte sich um und lief rüber zu den Luken, doch plötzlich hielt er ein. Rechts neben ihm. An der Spitze des Schiffes. Einer war dort geblieben. Er griff nicht an. Sah Marlin nur starr und bewegungslos entgegen. Jetzt bemerkte Marlin auch die Gestalt vor den Füßen des Drachen. Groß wie ein Mensch. Schwarz gekleidet und von einem komischen Schleier verdeckt. Wie eine magische Barriere. Er streckte die Hand aus und Marlin erkannte ihn.
"TAROHN!!!!"
Er stürzte auf seinen Feind zu. Doch in diesem Moment verschwand er.
"Marlin"
Nirgar kam auf ihn zu. Der Drache war immer noch da. Doch er brüllte die beiden an, machte einen Satz, und flog nach unten zu den anderen.
"Marlin. Wir müssen hier weg. Das Schiff zerfällt in seine Einzelteile. Unten im Landungsdeck sind noch Truppentransporter. Die werden uns bis Garath bringe, aber nicht weiter. Für so lange Strecken sind sie nicht gebaut worden."
Marlin blickte dem Drachen noch immer nach. Was hatte er da gesehen? War es nur Einbildung, oder eine Art Vision? Hinter ihnen stürzte einer der Masten auf das Deck. Das Holz zersplitterte und gab nach. Ein großer Riss war entstanden und das Schiff drohte in zwei Hälften zu brechen. Lange würde es nicht mehr halten.
"Gut. Beeilen wir uns."
Die beiden rannten los, sprangen durch die Luken auf die zweite Etage. Von da aus ging es tiefer in den Frachtraum. Die Decke kam runter. Im letzten Moment flüchteten sie in einen offenen Wartungsgang. Der Weg zum Landungsdeck war schnell gefunden. Ein paar weitere Überlebende rannten durch die große Halle. Es war geschafft. Der Flieger war startklar und hob ab.
Der Rumpf des Kriegsschiffes zerbrach. Es glitt zu Boden und stürzte ins Meer.
Marlin blickte zurück. Sie waren unbemerkt entkommen. Die Drachen waren mit den anderen Schiffen beschäftigt. Der Anblick regte ihn auf. Er wollte den anderen helfen. Sie waren machtlos. Gegen diese Angreifer.
Und genau deshalb wäre es Schwachsinn gewesen zurück zu fliegen. Nirgar legte Marlin die Hand auf die Schulter.
"Wenn wir in Garath sind, werden wir herausfinden, was das alles zu sagen hat."
Marlin nickte und blickte wieder aus dem Fenster.
 

© V.Geist
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Und schon geht's weiter zum 12. bis 14. Kapitel

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