Eine Krone für die Königin von Angelika Öhrlein |
Draussen auf den Wiesen vor dem Dorf spitzten schon die ersten grünen Halme durch das dürre Wintergras, und in den Gräben schmolz der Schnee. Die Männer mit dem Karren gönnten sich und dem mageren Ochsen eine Verschnaufpause. Sie stellten sich an den Wegrand, die Sonne im Rücken, und liessen den Bierkrug kreisen, während der Ochse aus dem Mühlbach soff. Die Bauern waren zufrieden. Das Wetter hatte gehalten, und was sie zu tun gehabt hatten, war getan. Die Felder waren geeggt und wenigstens die Saat würde dieses Jahr geraten, so viel stand fest. Denn überall ritt nun wieder die Königin über Land. Unten in der Mühle am Fluss brauste das Wasser im Mühlgang. Der Müller hatte im vorletzten Winter einen Fremden aufgenommen, als sein eigenes Geschäft wegen der Missernte im königlosen Jahr stark zurückgegangen war, einen jungen Schmied, der das alte Hammerwerk wieder in Gang gesetzt hatte und nun den lieben langen Tag den Blasebalg an seiner Esse im Takt mit den stampfenden Hämmern betätigte. Aber, so sagte der Müller, wenn es auch viel im Dorf zu richten gebe, zerbrochene Pflugscharen, eiserne Reifen von Wagenrädern, und ab und zu ein Hufeisen für das Pferd eines Kaufmanns auf Durchreise, so könne doch gerade Einer davon leben. Und, es sei nur ein Glück, dass der Schmied weder Weib noch Kind zu versorgen habe. Und dass, wenn die Zeiten nicht bald wieder besser würden, er selbst, der Müller, beim Mietzins fast noch drauflegen müsse. »Mach's halb lang«, sagte einer der Bauern, während
er mit dem Mühlknecht den Ochsenkarren ablud, auf dem nur wenige Säcke
Korn zum Mahlen lagen.
Man konnte über den neuen Schmied geteilter Meinung sein, das war richtig. Das Dorf wusste wenig mehr von ihm, als dass er mit einem Fuder Koks für das Schmiedefeuer und seinem Werkzeug mitten im Winter ganz allein den Pass aus dem Andertal herunter gekommen war und vermutlich davor von noch viel weiter. So wie die Zeiten nun einmal waren, hatte das Dorf jeden Arbeitswilligen nötig, deshalb hatten sie ihn nicht lange gefragt. Und selbst der Müller musste zugeben, dass der Schmied gute Hände hatte. »Lammfromm ist die Bunte bei ihm«, sagte der Morgenhof-Bauer, »dabei musste ich sie früher immer vorne und hinten anbinden, damit sie sich überhaupt die Klauen schneiden liess, das Biest. Hat mich beim Melken ja auch schon oft getreten.« »Weil du kalte Hände hast, Morgenhofer. Das mag kein Weib und keine Kuh«, sagte Der vom Südhof. »Er kann es halt, mit den Weibern, der Schmied.« Das glaubten die Anderen in der Mühle nicht. Den Haushalt führte ihm die alte Babett, das heisst: so viel es eben bei einem Junggesellen mit drei Hemden und zwei Töpfen zu wirtschaften gab. Sie sagte, er sei ein rechter Sonderling, der junge Schmied, und ein Verschwender, denn es sei eine Sünde und eine Schande, was er nach getaner Arbeit des Nachts noch an Eisen im Feuer halte. Aber dass er es mit den Frauen habe, nein, sagte die Babett, das wirklich nicht. »Der hat ganz andere Viechereien im Kopf.« Zwar seien die eisernen Tierlein, die er Nachts mache, wohl recht wie lebendig, Eidechsen und Schlangen aus Erz, manche sogar mit Flügeln, obwohl der Schmied sicher noch nie einen echten Drachen gesehen habe. »Na, du aber auch nicht.« Die alte Babett liess sich nicht beirren. Sie habe sich vor Schreck fast in die Hose gemacht, sagte sie, als sie die Viecher zum ersten Mal zu sehen bekommen habe. »Dann pass nur recht auf, dass dir nicht einmal eines unter den Rock kriecht«, sagte der Bauer vom Mittelhof und die anderen lachten. Der Schmied lachte nicht. Es kam selten genug vor, dass er wie jetzt seine Arbeit im Stich liess und auf den Hof trat - die alte Babett sagte, sie habe es sich abgewöhnt, ihn zum Essen zu rufen, es werde ja doch immer kalt - aber es mochte wohl sein, dass der Schmied trotz des Lärms in seiner Werkstatt für manche Dinge bessere Ohren behalten hatte, als die Meisten. Die Bauern, der Müller und die alte Babett hörten den Zug jedenfalls erst jetzt, da schon die ersten Reiter heranritten. »Die Königin kommt!« »Da kommt Blonde.« * * * * * Es war kein sehr grosser Tross, der die Königin auf ihrem Frühjahrsritt über die Felder begleitete, vielleicht nur ein Dutzend Herren mit ihren Dienern und den Frauen. Sie liebte den Aufwand nicht, sie, die Herrin war über ein Reich, ihr Rock und ihr Mieder waren schlicht und dem Schmied mussten sie die Männer neben dem Wagen der Prinzessin-Mutter unter ihren Frauen erst weisen. »Das ist sie, die Blonde neben dem jungen Herold mit der Flagge, ihrem Halbbruder von Mutterseite. Unsere Kornjungfer ist sie, denn der Erntesegen kommt aus diesen Händen. Solange sie ist, werden wir niemals wieder hungern. Aber sie selbst ist nicht reich. Sie herrscht über ein armes, geplagtes Land. Mögen alle Mächte im Himmel und auf Erden helfen, dass diese Not bald endet«, sagte der Müller und diesmal widersprach ihm niemand aus dem Dorf. * * * * * Blonde war die echte Tochter des Prinzen, des einzigen Sohn des alten Königs, und damit rechtmäßig Herrin über das Reich. Doch sie war ohne von Vater und Mutter zu wissen als Findelkind unter Bauern aufgewachsen und hatte in ihrer neuen Würde bei den Edlen, auch ihren Untertanen, aber besseren Standes als Bauern, oft genug einen schweren Stand. »Unsere liebe Gänsemagd«, nannten sie ihre Hofdamen, keine weniger als die frei geborene Tochter eines Barons. Aber nur, wenn sicher war, dass Blonde es nicht hörte. Nicht, dass es die Herren und Frauen vom Stand ihrerseits mit der neuen Herrin leicht hatten. Blonde hatte bei dem Wirt, der sie als kleines Mädchen nach dem Überfall auf den Prinzen, ihren Vater, mutterseelenallein und verlassen im Wald gefunden und aus Barmherzigkeit aufgenommen hatte, tatsächlich Jahre als Magd gedient und die Gänse gehütet. Daneben hatte sie der Wirt aber auch lesen und schreiben gelehrt, und sehr genau rechnen. Der alte König war mild gewesen. Blonde war schlimmer. Sie strafte nie und argwöhnte niemals Vorsatz oder Betrug. Aber Vögte und Hofmeister hatten sehr bald mit den fassungslos ungläubigen Blicken aus dem Paar grosser, sehr blauer Augen der Königin zu rechnen gelernt, und dass man sie besser nicht belog, sich lieber auch nicht zu häufig irrte. »... und schon gar nicht etwa zu ihren Gunsten. Verlass dich drauf, sie rechnet dirs nach«, sagte die Kammerfrau zu dem neuen Mädchen, das ihr am Abend im einzigen Gasthof des Dorfs beim Auspacken helfen durfte. »Wie nach - sie etwa selber?« »Sie steht mit den Hühnern auf und geht mit den Fledermäusen zu Bett. Wirst es noch erleben, Kleine. Keiner weiss, wie sie das schafft.« Blonde hätte es der jungen Magd sagen können, denn sie arbeitete bis zur Erschöpfung. Da waren in jedem Dorf die Bücher zu überprüfen, Verträge zu schliessen, Klagen anzuhören. Die Bedürftigen mussten gekleidet werden und die Armen und Alten ernährt, die Kranken brauchten einen Arzt und die Kinder Lehrer - und neben allem anderen scheinbar die Königin auch noch einen Gemahl. »Aber als ihr der Rat davon anfing, wurde unsere junge Herrin so zornig, dass sogar wir in der Küche unsern Teil davon abbekamen. Ob du's glaubst oder nicht, aber in der Meierei auf der Königsburg wurde den Käsern an diesem Tag die ganze Milch sauer«, verriet die Kammerfrau der Neuen unter Kichern. »Is nich wahr!« »Nun wenn ich's dir doch sage! Sie hat den Erntesegen. Aber das mit der Milch war nicht weiter wild. Die Käser wollten ohnehin Quark machen.« »Oh, du veralberst mich nur!« »Nein, das hat schon seine Richtigkeit. Solange noch ein Kind aus dem Königshaus lebt, wird es im Reich niemals an Brot mangeln. Es ist der Königin Gnade von den Göttern und ihr Recht. Weisst du«, sagte die Kammerfrau vertraulich zu der Neuen, aber sie sah sich vorher um, als ob die Wände im Gasthaus Ohren hätten, »sie meint es gut, unsere junge Königin Blonde. Sie hat sogar im letzten Jahr ihre Krone verkauft, gegen die dringenden Bitten des Kronrats, als sie sich ausrechnete, dass die Bauern durch die Missernte im königlosen Jahr vor ihrer Thronbesteigung sonst gezwungen gewesen wären, das Saatgetreide zu Brot zu vermahlen, wenn sie nicht hungern wollten. Aber sie hätte es vielleicht besser doch nicht getan.« »Warum?« »Kind, das kannst du noch nicht wissen. Auf dem Königshaus ruht der Erntesegen, doch gegen das Wetter ist die Herrin jetzt ohne die Drachendiamanten in der Krone machtlos. Du weisst doch, wie oft letztes Jahr zur Ertezeit der Blitz eingeschlagen hat. Häuser und ganze Kornfelder sind niedergebrannt. Der Baron soll sie Steine nun haben. Die Königin mag ihn nicht, er hat ihr und ihrer Mutter, der Prinzessin zu viel angetan. Aber sie wird ihn nehmen müssen. Gegen das Feuer.« »Warum kann man nicht einfach eine neue Krone machen?« »Wenn das so einfach wäre! Wo soll man denn Drachendiamanten hernehmen, damit die neue Krone wieder das Wetter zähmt? Meine Grossmutter, sie ist jetzt schon lange tot, hat mir mal gesagt, sie kamen vor Urzeiten aus dem Feuerland, das hätte sie noch von ihrer Grossmutter gehört und selbst die kannte keinen, der gewusst hätte, wo das liegt. Sicher nicht in dieser Welt.« Nun wäre es an der Zeit gewesen, der jungen Magd von der Anderswelt zu erzählen und den Gefahren, die dort auf die Menschen der lebendigen Erde lauerten. Die Neue machte auch schon ganz entsetzte Augen. Aber da kam die erste Hofdame der Königin und sagte, dass die Königin schlafen gehen wolle. »Zieht auch der offene Kamin jetzt richtig? Habt ihr ihn putzen lassen?« »Aus dem Dorf haben sie jemand zum Fegen aufs Dach geschickt, Euer Gnaden«, sagte die Kammerfrau, knickste und schickte die Kleine zu Bett. »Behalt ja für dich, wovon ich dir erzählt habe!« sagte sie noch warnend auf dem Flur, »es ist nicht gut, unbedacht an solche Dinge zu rühren.« * * * * * Der Schmied stand auf dem First des Gasthofs neben dem Schornstein und packte eben die lange Drahtschlinge des Schlotfegers mit der Bürste und der schweren Kugel zusammen. Der Kamin zog endlich und der Schmied hatte wirklich gute Ohren. Kronen und Diamanten, soso.
Auch wenn man ihm das nicht ansah, war der Schmied doch viel älter, als er wirkte. Er hatte sein Handwerk bei mehr als nur einem Meister gelernt, und er war nicht so schweigsam, oder gleichgültig, wie das Dorf von ihm dachte. Er wusste manches, über das er nur deshalb niemals sprach, weil ihn noch niemand gefragt hatte. Ein Funken Glut sprang aus dem Schlot. Unten heizten sie ein, und viel zu stark. Der Schmied fing das Fünkchen mit der Zunge. Das Feuer war sein Gehilfe und sein Freund. Aber man musste sich vor den Flammen auch hüten, sie bissen einen in die Hand, bis man sie sich untertan gemacht hatte und deshalb hätte der Schmied wie alle seiner Zunft eigentlich Brandnarben im Gesicht und an den Händen haben müssen. Man sah es unter dem dichten kohlschwarzen Bart und dem vielen Haar freilich nicht so genau. Der Schmied war so schwarz, wie die Königin blond, über die er im übrigen noch nicht richtig nachgedacht hatte. Der Alltag im Dorf war eine rechte Plage. Sie fingen schon wieder an, und nahmen ihn für selbstverständlich. In der Mühle wartete die alte Babett mit dem Abendessen, und sein Bett. Nicht, dass beides den Schmied sehr störte. Er vermied es nach Möglichkeit, die Alte zu erschrecken. Deshalb benützte er das Bett auch, und ass, was sie ihm vorsetzte, wenigstens manchmal. In manchen Nächten aber wurde die lebendige Welt seltsam dünn und die Versuchung, in der Glut der Esse zu liegen fast übermächtig. Unter ihm in dem Zimmer, in dem heute Nacht das junge Mädchen schlafen sollte, das über dieses kleine Reich herrschte, prasselte inzwischen ein hübsches Feuer im Kamin. Der Schmied hörte, wie die Königin ihre Frauen entliess und wie die Blonde danach noch eine Weile im Raum umherging. Er dachte darüber nach, ob es sich wirklich lohnte, den weiten Weg zurück zu gehen und ob die Königin bereit sein würde, den Preis zu zahlen. Oder ob er ihn überhaupt von ihr fordern sollte. Das aber war etwas, was sich der Schmied ebensogut auch hier durch den Kopf gehen lassen konnte. Er setzte sich aufs Dach, lehnte sich gegen den heissen Schlot und sah den Einhörnern am Waldrand zu, die im Mondlicht vom Gras mehr naschten. Eines hatte ihn wohl bemerkt, denn es hob den stolzen Kopf und schnaubte. Aber das hätte das Wesen aus der Anderswelt nicht müssen. Obwohl den Schmied nur wenige Meter und eine lächerlich dünne Schicht aus Ziegeln und Balken von der Königin und ihrem jungfräulichen Bett trennten, war sie doch vor ihm so sicher, als befände sie sich auf einem fernen Mond. Dann erkannte der Schmied, dass er sich getäuscht hatte. Das Einhorn tänzelte jetzt, scharrte mit den Hufen, aber nicht, weil er auf dem Dach sass. Der Luftzug im Kamin kündete dem Schmied noch vor dem Klappen der Tür und den beiden Stimmen von der Anwesenheit eines Mannes im Zimmer der Königin. Die Weiber waren doch alle gleich! Lange würden die Einhörner nicht mehr bei ihr da unten in dieser ihnen so fremden, alten und doch ewig jungen lebendigen Welt aushalten müssen. Unten vor dem Kamin sprach Blonde sehr freundlich mit einem jungen Mann. Der Schmied, leicht angewidert, war schon dabei, vom Dach zu steigen. Doch dann hatte es sich das junge Pärchen anders überlegt, und der Lauscher, überrascht, und wegen seines unbegründeten Verdachts ein wenig ärgerlich auf sich selbst, hörte zu. Wenig später kletterte er trotz seiner breiten Schultern flink wie ein Wiesel durch die Dachluke nach innen und folgte der Königin und ihrem Halbbruder lautlos durch das Haus und in die weitläufige Höhle unter dem Keller. * * * * * »Schwester, weisst du auch wirklich, was du tust?« fragte der junge Herold, »ich meine, dieses Treffen ist gefährlich.« Der Schmied ahnte mehr, als dass er es wirklich sehen konnte, wie die Königin nickte. Halbbruder und Schwester stiegen im Schein von Blondes Blendlaterne unter dem Berg über viele Treppen nach oben bis in eine kleine Art Stube mit einen groben Tisch und Stühlen, wo sie blieben. Der Schmied seinerseits, darauf bedacht nicht gesehen zu werden, verschmolz mit den Schatten in der Wand. Es war kein echter Zauber, eher ein Trick. Menschenaugen liessen sich zum Glück ziemlich leicht täuschen. Wenn er wirklich zum Felsen hätte werden wollen, hätte der Schmied zuerst seine augenblickliche Gestalt ablegen und damit sein wahres Ich enthüllen müssen, was ihm aus vielen Gründen jetzt gar nicht passte. Doch die Königin hatte scharfe Augen und der Schattenzauber hielt nur knapp. Einmal stand Blonde auf und legte wie eine gute Hausfrau noch etwas Holz auf das Feuer, das sie geschürt hatte, während sie mit ihrem Bruder wartete. Denn die Königin sah, dass der Herold ihres Reiches fror, obwohl er mannhaft das Zähneklappern niederkämpfte. Dabei glitt ihr Blick auch über die Felsen und den Schmied und obwohl sie nur unbewusst wahrnahm, wer dort stand, trafen ihn ihre blauen Augen doch bis ins Mark. Gewöhnliche Menschen sahen die Spur der Götter in diesem Blick sicherlich nicht. Der Schmied jedoch war verloren. Als Mann in dieser lebendigen Welt unterwegs, war er für manche Dinge empfänglich, die sein altes Herz in Wahrheit kalt liessen. Er tröstete sich damit, dass ihm Blonde vielleicht nie mit Bewusstsein in die Augen sehen würde. Und schlimmstenfalls konnte er dann immer noch versuchen, sie seinerseits mit seiner wirklichen Gestalt zu beeindrucken. So weit mit seinen Überlegungen gediehen, kamen endlich die Gäste der Königin in diese seltsame Klause, ein Räuberhauptmann und ein noch viel schlimmerer Bandit, der sich König des Nachbarlandes, und die Blonde teure Schwester nannte. »Ich höre, dass du meine Hilfe brauchst«, sagte dieser feine, verschlagene Herr, »lass uns also die Bedingungen festlegen. Du lebst fortan als meine Gemahlin ein Drittel des Jahres in meinem Reich. Wenn dort Unsere Felder bestellt sind, steht dir im Belieben, ob du hier im Aussenreich noch den Feldritt halten willst. Es ist ja nur alter Aberglaube, aber immerhin. Ich herrsche natürlich über beide Königsreiche und trage die Wetterkrone.« »Hast du sie denn schon vom Baron bekommen?« fragte die Blonde sanft. Der König duckte sich wie unter einem Hieb. »Kommt schon noch. JETZT!« Draussen vor der Höhle bewegte es sich im Gebüsch. Der Schmied ahnte, was gleich kommen sollte. Er glitt aus dem Schatten, legte den jungen Herold eine grosse Hand über den Mund und zog den sich heftig sträubenden Bruder der Königin ausser Hörweite in den Gang. »Hol' Hilfe, oder es geht der Königin schlecht«, sagte der Schmied leise zu dem verdutzten Jungen, nachdem er ihn wieder auf die Füsse gestellt hat, »lass die Strasse zum Andertal abriegeln. Geht es hart auf hart, ist nur dort deine Schwester sicher. Ich halte hier stand.« Reisige drangen in die kleine Kammer, wollten Blonde schon packen. Aber der Schmied war mit einem Sprung vor ihr. »Lauf, Blonde, lauf!« Die Königin lief.
* * * * * Es mit zwölf Haudegen im Einzelkampf aufzunehmen, den gepanzerten König dabei gar nicht mitgerechnet, machte selbst einen übermenschlich starken Schmied mit der Zeit müde. Aber er schaffte sie natürlich doch, mit Hilfe des Feuers und des Jungen, der zwar hätte gehen sollen und geblieben war, sich hinter ihm hielt und den Schmied von dort behende mit Brandsätzen aus dem Feuer versorgte. Männer, die ihn angriffen die Knochen zu brechen oder sie ein wenig anzusengen, machte dem Schmied nicht viel aus. Sie hätten ihrem König schliesslich nicht gehorchen müssen. Aber jeder, wie es ihm gefiel. Die noch konnten, flohen zuletzt schreiend, brennend aus der Kammer. Draussen erledigten die Einhörner der Königin blutig den Rest. Der Schmied sah ihrem Toben eine Weile zu. Die Horde aus der Kammer hatte ihr Schicksal nicht besser verdient, ausserdem hätte weder Menschen- noch Himmelsmacht den Einhörnern Einhalt gebieten können, bevor sie ihr Werk nicht vollendet und sich satt gefressen hatten. Aber er merkte schliesslich, dass das Menschenkind neben ihm doch sehr bestürzt war. »Alle Wetter! Und ich dachte, sie wären sanft.« Dem Schmied kam das Lachen. Einhörner und sanft? Nur, wenn man sie nicht reizte. Aber woher hätte sie das wissen sollen? Neben ihm, den Rock hoch geschürzt, zum Schutz gegen das Feuer um ihre Hände gewickelt und vorne bis auf Fetzen verbrannt, da stand in Hosenbeinen Blonde. Nachtblaue Augen trafen auf grüne, in denen Glut tanzte. »Wie kommt es«, fragte die Königin ruhig, »dass du mit blossen Händen in Feuer greifen kannst?« * * * * * Darauf hier und jetzt erschöpfend Auskunft zu geben, wäre dem Schmied schwer gefallen. Er musste es aber nicht. Kampfgeräusche aus den Gängen weiter unten verrieten ihm, dass für Erklärungen keine Zeit blieb. »Ich schätze, das ist der Baron«, sagte der Schmied darum zur Königin, »schade. Ich hatte gehofft, dein Bruder schafft es. Hier kann ich dir nicht mehr helfen. Kennst du den Steig durch den Wald zum Pass?« Die Blonde nickte. »Geh ins Andertal und warte dort auf mich. An den Einhörnern kommt kein Mensch vorbei.« »Und was ist, wenn sie der Baron töten lässt?« »Das tut er besser nicht. Sie kämen als Ghule wieder.« * * * * * Der Schmied sah Blonde nach, bis sie in der Nacht verschwunden war. Er hatte das Morden satt, darum wechselte er die Gestalt. Ausserdem war der Schmied seinen Zwecken jetzt gerade nicht sehr dienlich. Als kurz darauf eine Rotte Männer mit Schwertern und Keulen in die Felsenstube drang, an ihrer Spitze der Baron, fingen sie - Blonde. »Legt die Königin in Eisen!« Der kleine Herold, selbst gebunden, bat seinen Vater vergeblich. »Schweige! Ich werde dich noch lehren, mir zu gehorchen«, sagte der Baron und verschaffte seinen Worten mit einer Ohrfeige Nachdruck. Der Schmied in der Maske der Königin sah die Tränen in den Augen des Herolds und den Trotz. Ein frischer Faden Blut lief aus der verkrusteten Wunde am Mund des Jungen und mit einem Mal hatte der Schmied zu viel. Es blitzte grün aus Blondes blauen Augen. »Dein eigener Sohn - schämst du dich nicht?« »Besser wäre es gewesen, für dich und für ihn, er wäre mir treu. Misch dich also lieber nicht in Dinge, die dich nichts angehen. Darf ich nun bitten, mit mir gehen zu wollen? Wir möchten doch nicht, dass die Königin fehl tritt«, sagte der Baron höhnisch zu Blonde. Die falsche Blonde liess sich führen, folgte ihren neuen Herrn wie eine Schlafwandlerin den dunklenWeg unter dem Berg hinunter bis ins Gasthaus im Dorf. Sie hing zuletzt schwer am Arm des Barons, strauchelte oft. »Verflucht, Weib pass auf deine Füsse auf!« Der Schmied hörte es kaum. Sein Geist glitt durch die Zeit. In der Mühle am Fluss löschte der Müller, ein schlimmeres altes Weib als die alte Babett, aus Vorsicht die Glut in der Esse, weil der Schmied die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen war; versperrte damit eine Rückzugsmöglichkeit aus der lebendigen Welt. Das Drachenfeuer starb und alle Feuer in weitem Umkreis waren viel zu schwach. Fern von der Mühle mühte sich Blonde im Morgengrauen erschöpft über den Pass. Der Schmied schickte einen Gedanken zu seinen Brüdern in dieser lebendigen Welt, die ihr ungesehen folgten. Sie ist sehr müde. Sie wird es allein vielleicht nicht rechtzeitig schaffen. Der König der Einhörner, satt und zufrieden, lachte in den Gedanken des Schmieds. Soll ich sie auf mein Horn nehmen? Warum lässt du sie dich nicht reiten? Das wäre bequemer, für sie und für dich. Der Einhornkönig warf einen Blick auf den Schmied im Mädchenkörper, lachte nun erst recht. Achte lieber darauf, dass man dich nicht reitet! Der Schmied als Blonde fand sich abrupt zurück in der Gegenwart. Eingesperrt im Zimmer der Königin im Gasthof. Allein mit dem Baron. »Zum Beweis, dass ich die Krone wirklich habe, sieh hier einen der Steine. Aber sie als meine Frau zu tragen, hat einen Preis.« »Lass mich den Diamanten betrachten ...« Die falsche Blonde beugte sich mit ihren Fesseln über die Hand des Barons. Was er ihr zeigte, war ein roter Glasstein mit einem winzigen Feuerfunken darin, kaum dem Splitter eines Drachendiamanten. Aber der Schmied formte trotzdem zur Sicherheit mit Blondes Mund ein entzücktes: »Oh!« Er durchschaute den Menschen vor ihm, als wäre er aus Glas. Der Baron hatte alle Drachensteine aus der Krone der Königin gebrochen, trug sie in seinem Wams und er hielt sie wahrscheinlich für echt. Der Schmied bedachte die Möglichkeiten. An sich ging ihn das Ganze nichts an. Es war Menschenwerk in der lebendigen Welt und er wollte sie bald verlassen. Sei es, dass der Baron von dem Juwelier betrogen worden war, der die Krone von der Königin gekauft hatte, oder dass die Kron-Diamanten nie mehr als diese winzigen Splitter der Anderswelt enthalten hatten. So und so war es viel zu wenig vom Feuer der Drachen, um das Tor zur Anderswelt mit dieser Hilfe aufzustossen. Es gab freilich noch andere Wege ...
Er verzichtete darauf, sich zurückzuverwandeln, denn wozu? Sogar in der schlanken Gestalt der jungen Blonde hatte der Schmied die Kraft, dem Baron alle Rippen zu brechen. Hej, was für eine herbe Überraschung für den Möchtegern- Vergewaltiger der Königin! Der Gestaltwandler schlug seinem Opfer lachend die Zähne in den Hals und rollte sich mit ihm ins hoch auflodernde Feuer. * * * * * Der Gasthof brannte in jener Nacht bis auf die Grundmauern nieder. Blonde hörte die Sturmglocken aus dem Tal, doch der König der Einhörner weigerte sich umzukehren. Zwei Tage später kam der kleine Herold und berichtete ihr, dass der Schmied und der Baron so hart miteinander gerungen hätten, dass die beiden verkohlten Gerippe nicht zu trennen gewesen seien. Blonde wartete.
* * * * * Dort, wo die Berge gläsern unter dem vollen Mond lagen, überschritt der Schmied die Schwelle zur Anderswelt. Die Wächter, blind gemacht durch das Blut, taub vom Schmerz des Feuers, beachteten ihn und den Schatten, der ihm folgte, nicht. »Komm«, sagte der Schmied zu seinem wesenlosen Begleiter, »hilf mir richten, was du angerichtet hast.« Der Schatten des Barons folgte wie dünner, schwarzer Rauch. Es gab für Menschenaugen weder Licht noch Schatten in der Anderswelt, weder Nähe noch Ferne, nur wesenloses Grau im Hier und Jetzt. Die Wellen der Flüsse lagen wie Glas unter den Füssen des Schmieds und er achtete sehr darauf, das das fahle Gras nicht zu betreten, denn es schnitt durch Stoff und Leder wie mit Messern. Doch er konnte die Gestalt, die er für sich in der lebendigen Welt der Menschen gewählt hatte hier nicht verlassen. Die Drachen im Feuerland lebten nur für Menschen in einer anderen, langsamer fliessenden Zeit, standen wie steinernde Denkmäler ihrer selbst in reglosen Träumen zwischen ewigen Bergen. Feurige Lohe kroch die Hänge der Drachentäler hinab, wie die zähen, langsamen Körper riesiger, nackter Schnecken. »Sieh zu, dass dich keine berührt, auch nicht ihr Licht. Trifft es dich, verbrennst du auf neue. Doch war der Schmerz im Kamin gegen diesen Schmerz nichts«, sagte der Schmied, und der Schatten des Barons zog sich furchtsam zusammen, bis er einem schwarzen Strich in der Landschaft glich. Tausend Jahre später, vielleicht auch nur nach einem Atemholen,
»Ha.hum hah. .hu .hich hi.ghe.homm.n?« »Ich brauche dich vielleicht als Doppelgänger.« »Hi..ho?« »Störe mich jetzt nicht. Deine Fragen wecken die Drachen.« Als Mensch war der Schmied ausserhalb ihrer Zeit. Sie konnten ihn gar nicht wahrnehmen. Aber als Gestaltwandler war er ihresgleichen und das Echo seiner Stimme in der Drachenhöhle verriet seine Macht. Früher oder später würden ihn die Drachen hören. Und erwachen.
Eine Ewigkeit später zersprang eine Knolle Koks unter dem wuchtigen Schlag des Schmieds in drei Teile und gab aus ihrer Mitte zwei nussgrosse Kristalle frei. Die leuchteten blass grün in der Düsternis der Anderswelt. Der Schmied konnte im dichten Staub kaum noch atmen, hustete und spuckte immer wieder schwarzes Blut. Er warf einen undeutbaren Blick auf den gierig näher gerückten Schatten, der jeden einzelnen Blutstropfen aufsaugte und nun schon eher einem ausgemergelten Ghul glich. Der Schmied schob den Dünnen weg. Dann steckte er die Diamanten in den Mund und schluckte sie hinunter. Nach dem dritten Diamanten hielt der Schmied den Atem an und nach dem vierten lauschte er eine Weile mit schief gehaltenem Kopf. Mit dem fünften Stein ritzte er sich die Haut, bevor er auch diesen schluckte. »Hier, trink!« befahl der Schmied, quetschte einen Tropfen Blut aus der kleinen Wunde und schleuderte ihn über die Schulter zum Ghul. Der wurde zum todbleichen Baron. Aber es war schon fast zu spät. Die Zeit fing an zu rennen.
Grosse schwarze Flügel rauschten in die Höhle. Der einfallende Drache spuckte Feuer auf den toten Baron. Es gab ein Geräusch, als verzische Wasser auf heissem Stein. Der Widersacher der Königin verging für immer. Der Schmied zerhieb einen letzten Brocken Koks, klaubte den sechsten und siebten Stein auf und stand rechtzeitig im Seitengang. Zu eng, zu niedrig für Drachen. »Zseige dich, Dunkelelb«, sagte der Drache, »du glaubsst doch nicht, dasss ich mich vom Gesspenst eines Toten täusschen lassse?« Der Schmied hütete sich, Antwort zu geben. Aber er hatte in der Eile den Hammer vor dem Koksberg vergessen. »Tsss, tss, ts«, machte der Drache, »sso Einer bisst du alssso. Lass ssehen, Latrinenputzser, wass dass isst: gewöhnliches Eissen ...« Der Schmied hörte den Drachen am Hammer schnüffeln. »... ein Griff aus Holzs. Puh! Dass kann kein Drache fresssen. Hasst du nicht ein bissschen Gold? Oder wenigsstenss Kupfer? Mangan oder Kobald? Queckssilber? Ich bin ja sschon mit wenig zufrieden.« Der Drache liess den Hammer gleichgültig fallen und rollte sich danach in der grossen Halle seiner Höhle zusammen. Der Schmied sah ihn von seinem Platz aus nicht. Aber er wusste, wenn je ein Drache versucht hatte, harmlos wie ein Schosshündchen auszusehen, dann dieser. Da der Schmied sich trotzdem nicht rührte, sprach der Drache schliesslich weiter: »Wir ernähren uns von Urgesstein, wie du weissst, Dunkelelb, und verdauen es zu Koks. Wenn du sschon unbedingt in meinen Exskrementen nach Gallenssteinen wühlen mussstesst, hättesst du mir wenigsstens etwass dafür mitbringen können, was meine Verdauung in Sschwung bringt. Meinetwegen ssogar einen lebenden Menschen, obwohl ssie kaum sschmecken. Oder hasst du taussend Jahre Zseit? Wartet deine Liebsste sso lange auf dich?« Es war wahr. Die Zeit rannte dem Schmied davon. Tage verrannen mit jedem Atemzug des Drachen, der vor dem Ausgang zu seiner Höhle lag, liegen musste, wie der Schmied die Drachen kannte und den Weg hinaus und zurück in die lebendige Welt blockierte. »Bruder, ich sschlage dir einen Handel vor«, sagte der Drache und er sprach leise. »Hier zu warten, bis ich müde werde, hat doch keinen Ssinn. Biss dahin isst deine Liebsste alt und grau. Wie viele Ssteine brauchsst du überhaupt?« Drei für ein Halsband, sieben für eine Krone. Der Drache öffnete seine schwarzen Flügel, die ganze Höhle wurde davon noch dunkler, als sie ohnehin war. »Du trausst mir nicht. Wobei ssoll ich sschwören?« Der Schmied hustete. Wer Drachenschwüren glaubte, war selbst schuld. Ein dicker Batzen schwarzer Schleim kribbelte in seiner Kehle. Er würgte ihn sich lautlos in die hohle Hand, wälzte ihn mit Koksstaub, knetete ihn zum Männlein, während der Drache siegessicher lachte. »Zerklopfte Drachen-Sscheissse kratzst im Halss, wass Dunkelelb? Hasst jetzt ssicher sschwarzse Hände wie ein Sschmied. Komm herauss, Sschmiedlein!« Oh, die sanften Drachenstimmen, der Schmied kannte sie so gut. Tödlicher als jedes Gift, aber er war für Drachenlisten dieser Art zu alt. Der Schmied hustete erneut, setzte dabei das Männleim Schleim ab und gab ihm den Husten. List gegen List. Der Popanz würde den Drachen nicht lange aufhalten, und danach war Schnelligkeit gefragt. Der Schmied wuchs über sich hinaus, bekam lange Arme und noch längere Beine. Schade um ihn, er hatte ihm lange gedient. Der Gestaltwandler brach durch das Rückgrat des Mannes, schlüpfte aus dem Menschen wie aus einem Handschuh, entfaltete im Sprung grosse schwarze Flügel und schoss lautlos und schnell knapp unter der Decke ins Freie und durch das Tor zur lebendigen Welt, während der wütende Drache, der den Betrug inzwischen erkannt hatte, aber seinen Widersacher noch in der Nebenkammer vermutete, versuchte, die Wände seiner eigenen Höhle einzureissen. * * * * * Im Schatten der Burg lag hier und dort schon Reif bis hoch in den Vormittag, aber in der Sonne fanden es die Mägde der Königin zum Arbeiten doch noch sehr angenehm. »Himmel,« sagte die Kammerfrau, während sie mit der Weissmacherin gestärktes Leinen über die im Hof aufgebaute Tafel deckte, »ob wir überhaupt noch rechtzeitig werden, bevor der Prinz kommt?« Es war ein gutes Jahr gewesen, vielleicht nicht ganz so gut wie in den alten Zeiten, aber immerhin. Die Felder hatten reichlich Frucht getragen, die Schafe gute Wolle und meistens Zwillingslämmer, ausserdem gab es reichlich Hühner für das Fest. »Na - wie weit seid ihr?« »Fast fertig, Herr von Silberfell.« »Oh, gut. Dann kann ich nachsehen, wie es in der Schmiede steht. Viel Spass noch bei der Arbeit, ihr Guten«, der Herr von Silberfell schüttelte die lange Strähne aus der Stirn, die ihm trotz des dicken Pinkels über den Augen immer wieder ins Gesicht fiel und lachte dazu wiehernd. Die Kammerfrau knickste höflich, aber als der lange Majordomo der Königin im Torhaus der Burg verschwunden war, schnitt sie ihm ein Gesicht. »Möchte wissen, was die Königin an dem Pferdegesicht findet!« »Mich hat er neulich in den Hintern gezwickt«, sagte die Weissmacherin, »und das, obwohl ich doch wirklich nicht mehr die Jüngste bin. Sag bloss den Zofen, sie sollen sich vor ihm in acht nehmen.« »Nun übertreibs nicht.« Die Weissmacherin schnaubte. »Du brauchst ihn doch nur anzusehen, dann weisst du, wonach dem der Sinn steht! Wie heisst es so schön: wie die Nase eines Mannes, so sein Jo...« »Ist die neue Krone endlich fertig?« fragte die Kammerfrau hastig, froh, dass ihr etwas eingefallen war, die Kammerfrau abzulenken. Es gelang nur zum Teil. »Du, der neue Schmied ist ein ganz Netter. Sagt nicht viel, aber so höflich.« »Ja was denn nu? Entweder er sagt nichts. Oder er spricht, dann von mir aus auch höflich!« »Er hat mir einen Anhänger an meine Kette gemacht!« Die Weissmacherin strahlte und zog geschwind ein kleines, glitzerndes Tier aus ihrem Mieder. »Gevatterin, das ist ja ein Drache! Sogar mit Flügeln. Jede Schuppe wie echt. Na, den würde ich mir aber trotzdem nicht ans Herz hängen.« Und erst recht nicht seinen finsteren Herrn. Der Schmied, gross, bleich, etwas verwachsen, war der Kammerfrau unheimlich. Die Weissmacherin sagte, das störe sie nicht. »Geschenkt ist geschenkt! Ui, da kommt schon die Herrin Blonde. Gut sieht sie wieder aus! Mach hin, dass du noch mit dem Eindecken fertig wirst, ich höre schon den Herold. Hoffentlich nimmt sie wenigstens diesen Prinzen«, sagte die Weissmacherin und zog zufrieden ab. * * * * * Der Schmied rieb vorsichtig mit einem weichen Lappen über den Reif der Krone, bevor er sie ebenso vorsichtig auf den Modellkopf der Königin in seiner Werkstatt stetzte. »Wann willst du es ihr sagen?« fragte der Majordomo. Der Schmied zuckte die Schultern. »Heute oder morgen. Das hat keine Eile.« »Wenn sie geheiratet hat, kann ich gehen.« »Wars so langweilig?« »Zum mit den Hufen scharren.« »Du hättest ihr deinen Namen eben nicht sagen sollen.« »Habe ich nicht. Sie hat ihn erraten. Was dir natürlich nicht passieren kann. Trotzdem hat sie dich im Netz. Übrigens - da kommt sie. Ich habe ihr gesagt, dass du fertig bist. Mir juckt das Fell. Verschwende meine Zeit nicht noch länger, wenn es geht.« Falls der Schmied sich ärgerte, zeigte er es nicht. Der Herr von Silberfell kratzte sich den dicken Pinkel, der ihm mitten auf der Stirn wuchs und ging achselzuckend weg. »Königin Blonde ...« Der Schmied, bleich, mit fast überlangen Beinen und merkwürdig wissenden Augen verbeugte sich, obwohl ihm das mit den schwarzen Flügeln, die ihm wie ein Höcker zwischen den Schultern sassen, etwas schwerfiel. Blonde sah ihn eine Weile an. «Ich dachte wirklich, du seist tot.« »Ich weiss. Das Gedächtnis und die Geduld der Menschen ist kurz.« Die Königin kehrte dem Schmied halb den Rücken, spielte mit einer eisernen Schere. Endlich sprach sie weiter. »Dass du kein Mensch bist, sehe ich. Und ich nehme an, dass du mir geholfen hast, war nicht nur für meine blauen Augen. Also - was willst du von mir?« »Dich. Dein erstes Kind. Heirate den Prinzen. Er wird von meiner Anwesenheit nichts merken und ich werde dich sowieso verlassen. Aber dein erstes Kind wird mein Kind sein.« »Zwei«, sagte die Königin, »ein Junge und ein Mädchen. Zur Sicherheit.« Der Schmied musste lachen. »Glaubst du, du kannst mir befehlen?« »Nein«, sagte die Königin, »aber ich möchte nicht, dass das Königreich noch einmal von einem einzigen Paar Hände abhängt. Übrigens - wie heisst du eigentlich? Der Einhornkönig wollte es mir nicht sagen.« »Wir haben keine Namen. So lange ich bei dir bin, darfst du mich nennen, wie du willst«, sagte der Schmied. »Du bist nur in dieser Welt ein Mensch, richtig? Oder jedenfalls so ziemlich. Wie Silberfell.« Der Schmied seufzte. Was mit diesem Mädchen machen? Wenn sie erst sein Wesen erkannt hatte, konnte sie ihn rufen, auch ohne Namen. Und es fehlte nicht viel, und sie fand es wirklich heraus. Wusste es aber erst ein Mensch, wusste es bald die ganze lebendige Welt. Der Schmied glitt durch die Zeiten. Sie würde ihn nicht lange ertragen. Nicht sein Aussehen und erst recht nicht seine Art und seine für Menschen seltsamen Angewohnheiten. Also würde er sie verlassen. Jahre und Jahre ... Sie würde den Prinzen nehmen, einen liebenswürdigen, wenn auch schwachen Mann, und mit ihm nicht glücklich sein. Obwohl in Wirklichkeit längst der Gestaltwandler seinen Platz an ihrer Seite übernommen hatte. Seine Kinder aber würden nach ihm über dieses kleine Reich in der lebendigen Welt herrschen, und ihn allmählich wieder vergessen. Nun, das mochte zwar dauern, aber so war es zu machen. Der Schmied sehnte sich heftiger denn je zurück in die Anderswelt, in seine eigene Höhle. Aber er konnte noch nicht gehen. Er musste hier aushalten, gebannt durch ein Paar götterblauer Augen. Er war gespannt, wie ihn die Königin nennen würde. Von allen Wesen der Anderswelt haben nur Drachen keine Namen.
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