Der Kaiser von der Lady des Blauen Mondes

Es sind schon einige Jahrhunderte vergangen, seit ich das erlebt habe, wovon  ich euch nun erzählen möchte, aber ich erinnere mich noch genau daran und es war eine schöne Zeit damals, alle lebten friedlich miteinander und die Worte "Hass" oder "Neid" kannte niemand. Ich, Aspos, und meine Schwester Mavros lebten bei dem Zauberer Merlin. Unser Land wurde von einem Kaiser regiert, der weise und gerecht über sein Reich herrschte. Eines Tages erkrankte der Kaiser. Sein Berater ließ die besten Ärzte des Landes rufen, doch keiner hatte diese Krankheit jemals gesehen und sie gaben ihm noch höchstes einen Monat zu leben. Doch eine Woche nachdem die Ärzte abgereist waren und nur noch des Kaisers Leibarzt über seine Gesundheit wachte, erwachte der Kaiser aus seinem fiebrigen Schlaf. Er fühlte sich besser als je zuvor und sein Arzt stellte fest, dass er gesund war. Keiner konnte sich dieses Wunder erklären, noch nicht einmal die Zauberer oder die Drachen, die den Palast beschützten, indem sie ihn mit einer guten, starken Macht umgaben. Zu dieser Zeit spürte ich zum ersten Mal die neue, dunkle Macht, die der Kaiserpalast ausstrahlte. Ich erzählte Merlin und meiner Schwester von der fremden Energie, aber sie konnten sich den Ursprung dieser bedrohlichen Macht nicht erklären.
Durch seine Krankheit schien der Kaiser ein völlig anderer Mensch geworden zu sein, er entwickelte sich zu einem Diktator. Er entließ seine Minister um die alleinige Macht in seinem Reich zu erlangen und unterjochte sein Volk mit hohen Steuern und Abgaben. Je mehr Macht der Kaiser über das Land erlangte, desto stärker wurde die finstere Macht, die ihn umgab. Meine Schwester und Merlin spürten sie nun auch, eine schwarze und finstere Kraft, die langsam begann unsere eigene Kraft in sich aufzusaugen. Merlin sprach zu Mavros und mir: "Wir müssen diese unheimliche Macht aufhalten, sonst wird sie womöglich noch die gesamte Erde umhüllen."
Gerade als er zu Ende gesprochen hatte hörten wir die schlimme Nachricht, dass der Kaiser vorhabe, das uralte Bündnis, das wir mit den Drachen pflegten, aufzulösen. "Dieses Bündnis besteht schon seit die Menschheit zurückdenken kann und falls es aufgelöst wird, werden die Drachen einen Krieg beginnen, den die Menschen nicht gewinnen können." Dieser Gedanke ging mir in diesem Moment durch den Kopf und trieb mich zu einer beinahe wahnsinnigen Tat: "Ich gehe in den Palast und werde versuchen ihn davon abzubringen", sagte ich noch rasch zu Merlin und meiner Schwester, die überrascht blickten, und rannte in den Kaiserpalast.
In diesem Moment wusste ich noch nicht, wie ich das schaffen sollte, aber als ich vor dem Palast stand, hatte ich erst einmal ganz andere Probleme zu bewältigen. Vor dem Palast standen zwei Soldaten, die ziemlich grimmig dreinblickten und mich bestimmt nicht ohne weiteres einlassen würden.
Ich wandte den alten Unsichtbar-Trick an, den ich von Merlin gelernt hatte. Ein letztes Mal leuchteten meine Augen bernsteinfarben und mein Fell silbern auf, bevor ich für jedes menschliche Auge verschwand.
So kam ich, unbemerkt von den Wachen, in den Palast. Einst erschien mir der Palast immer Pastell, ja fast leuchtend weiß, doch seitdem der Kaiser sich verändert hatte, war der Palast grau, beinahe schwarz. Ich tapste auf lautlosen Pfoten den Gang entlang und obwohl ich wusste, dass mich keiner sehen konnte, hatte ich ein Gefühl in der Schwanzspitze, das nichts Gutes bedeuten konnte.

Der Gang, der am Anfang noch recht gut beleuchtet war, wurde langsam dunkler und ich konnte am Ende eine undeutliche Stimme hören. Ich ging bis zum Ende des Ganges, wo ich ein schwaches Licht sehen konnte. Das Licht kam aus einem Zimmer. Aber als ich hineingehen wollte blieb ich im Türrahmen stehen. Das Zimmer war kein Zimmer, es ähnelte eher einer Kathedrale, mit hohem Gewölbe, Stützpfeilern und einem Altar. Vor dem Altar stand der Kaiser, zumindest glaubte ich, dass er es war. Er schien mit sich selbst zu sprechen, aber jedes Mal, wenn er sich antwortete, schien er jemand anderes zu sein, mit einer Stimme, die ihm nicht gehörte. Ich konnte seinen Dialog nicht richtig verstehen, er schien unendlich weit von mir entfernt zu stehen. Ich wollte mich ihm nähern, aber als ich gerade mal bis auf zehn Schritte an ihn herangekommen war, drehte er sich zu mir herum und schrie mit einer dunklen Stimme, die aus den unendlichen Weiten des Universums zu kommen schien: "Wer ist da?" Ich blieb erschrocken stehen und starrte ihn an. Er blickte mich an: "Was willst du hier?" fragte mich die unheimliche Stimme. Er war offensichtlich kein menschliches Wesen mehr, da er mich sehen konnte. Deshalb machte ich mich wieder sichtbar. "Wer bist du?" fragte ich ihn. Er lachte verächtlich: "Wer ich bin? Ich trage keinen Namen, aber ich bin etwas, das ihr in dieser Welt noch nicht kennt." Ich machte noch einen Schritt auf ihn zu und wusste, dass dies nur noch die menschliche Hülle unseres einst so gutmütigen Kaisers war. Er begann mit seiner finsteren Stimme weiterzusprechen: "Ich stamme nicht aus deiner Welt, nicht einmal aus deiner Zeit." In diesem Moment begann ich zu verstehen was er war und zwar ein Dämon aus der Zukunft, geboren aus dem Hass und Neid der Menschen. Ein Dämon, der die mir bekannte Welt vernichten wollte. Ich ging noch einen Schritt auf ihn zu: "Du bist ein Dämon und hast unseren Kaiser zu deinen bösen Zwecken missbraucht." "Du bist klug, kleines Kätzchen, aber auch du wirst mich jetzt nicht mehr aufhalten können. Ich werde eure Freundschaft zu den Drachen beenden und dann werden sie mir die Arbeit abnehmen, euch zu vernichten. Dann gibt es eine Welt, in der nur Hass existieren kann, das einzige Gefühl der Menschen, das wirklich zur Macht verhilft. Du stirbst in wenigen Minuten, also brauche ich dich nicht umbringen. Du darfst sogar zusehen wie ich deine Welt vernichte." Er drehte sich um und griff nach dem Kristall, den die Drachen uns einst am Beginn der Zeit schenkten , als Symbol ihrer Freundschaft. Ich wusste um einen Krieg zu beginnen brauchte er ihn nur zu zerstören und dann würden in wenigen Sekunden einige tausend Drachen vor dem Palast stehen und nur noch darauf warten, zu erfahren, dass der Kristall aus reiner Böswilligkeit zerstört wurde. Dann würde der Krieg beginnen und kein menschliches und wenige magische Wesen würde ihn überleben.

Er hatte die runde Kristallkugel schon aus ihrer silbernen Halterung herausgenommen und hielt sie hoch über seinem Kopf, bereit, sie mit all seiner Kraft zu Boden zu werfen. Ich musste ihn aufhalten und brauchte dazu Zeit mir etwas einfallen zu lassen, Zeit, die ich nicht hatte. Also beschaffte ich mir die notwendige Zeit. Mit einem weiteren Trick, den ich von Merlin gelernt hatte, hielt ich den Zeitfluss für einige Minuten an. Und wirklich, der Dämon bewegte sich nicht mehr. Auch die restliche Welt war stehen geblieben, kein Laut war mehr zu hören. Nun, da ich genug Zeit hatte nachzudenken, wurde mir klar, dass ich den Dämon nur mit ganzem Einsatz meiner Zauberkraft besiegen konnte. Ich ließ den Kristall schweben und mit einem blinzeln meiner Augen brachte ich ihn nach Hause zu Merlin. Ich wusste er war bei ihm sicher. Die Zeit floss weiter. Der Dämon schleuderte den Kristall, den er noch in seinen Händen glaubte, zu Boden. Als nicht das gewünschte Ergebnis geschah, realisierte er sofort, dass ich wohl daran Schuld war. Er schaute mich mit einem Blick an, der mich hätte töten können, wäre ich kein magisches Wesen. Er hob mich an meinem Nackenfell hoch, so dass er mir direkt in die Augen schauen konnte: "Wo ist er?" brüllte er mir mit seinem ganzen Zorn entgegen. "An einem Ort, den du niemals finden wirst." antwortete ich ihm und musste leicht lächeln als er noch zorniger wurde. Er stieß einen hasserfüllten Schrei aus und warf mich in eine Ecke. Meiner Art gerecht werdend landete ich aber sicher auf allen vier Pfoten. Nun war es für mich an der Zeit ihn endgültig unschädlich zu machen. Ich ging langsam, Schritt für Schritt auf ihn zu und wandte meinen Blick nicht von ihm ab. Ich schrie ihm zwei Worte entgegen: "Verschwinde, Dämon!" Immer und immer wieder: "Verschwinde, Dämon!" Irgendwann konnte er meinen starren Blick nicht mehr ertragen und ging in gleichem Tempo wie ich auf ihn zukam rückwärts. Nach etlichen Minuten stand er mit dem Rücken zur Wand und konnte meinem Blick nicht mehr ausweichen. Nun legte ich meine gesamte Zauberkraft in meine Worte: "Dämon! Verlasse diesen menschlichen Körper!" Mein Zauber verfehlte seine Wirkung nicht. Der Dämon verließ den Körper des Kaisers und erschien als eine Art schwarze Wolke vor mir. Mit Augen, die im Nichts eingebetet zu sein schienen und blutrot waren. Wieder sprach ich eine magische Formel gegen ihn aus und legte die letzten Reste meiner Zauberkraft, die mir noch zur Verfügung stand, in diese Worte und der Dämon verschwand. Er löste sich in einer silbernen Wolke aus Sternenstaub auf. Während von dem Körper des Kaisers scheinbar ein schwarzer Schatten abfiel, veränderte sich auch unsere Umgebung. Der Altar und das dunkle Gewölbe verschwanden und des Kaisers perlmuttfarbener Thronsaal erschien. Der Kaiser stand auf und sah mich an. Dann kniete er vor mir nieder: "Ich danke dir. Du hast mich und das ganze Königreich gerettet." "Ich..." sagte ich noch, bevor ich ohnmächtig wurde.

Ich erwachte in einem Zimmer, das vor warmem Licht weiß strahlte. Es schien das Schlafzimmer des Kaisers zu sein und ich lag offenbar auf seinem Bett. Ich war unfähig mich zu rühren, soviel Kraft hatte ich verbraucht. Dann öffnete sich die doppelflüglige Tür und der Kaiser trat ein. Er schien gesünder und kräftiger als jemals zuvor. Er setzte sich auf die Bettkante und sprach mit seiner gewohnten warmen Stimme zu mir: "Wie geht es dir?" "Ich fühle mich etwas schwach, aber sonst fühle ich mich gut" antwortete ich noch etwas benommen. "Das ist schön.", er lächelte, "Ich kann dir wirklich nicht oft genug danken.", ich wurde etwas verlegen, "Kann ich dich trotzdem noch um einen Gefallen bitten?" "Aber natürlich." "Erzählst du mir, was passiert ist? Und wo ist der Kristall?" Ich musste lächeln und hätte beinahe gelacht, wenn die Frage nicht so berechtigt gewesen wäre.
Ich erzählte ihm was geschah seit er scheinbar gesund war und wie ich den Dämon besiegte. Nachdem ich alles berichtete, hatte ich auch genug Kraft gesammelt um den Kristall wieder an seinen Platz zu bringen.
Inzwischen wurde es Abend und der Kaiser lud mich zum Essen in seine große Halle ein. Der Palast, durch den ich neben dem Kaiser trippelte, hatte wieder seine weiße Farbe angenommen und strahlte die gewohnte, so gut tuende positive Energie ab. Neben Mavros und Merlin waren auch einige Vertreter der benachbarten Kaiserreiche eingeladen, genauso wie einige Vertreter der Drachen. Der Kaiser hielt eine Ansprache. Aber als er ansetzte zu berichten wie es zu scheinbar "seinen" Missetaten kam ließ er mich sprechen, mit dem Argument, dass ich diese Aufgabe besser bewältigen könne als er. Und so erzählte ich noch einmal die Geschichte von einem Kaiser, der von einem Dämon des Hasses besessen war, und den eine Katze rettete.
 

© Lady des Blauen Mondes
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