Von ihrer Hauswirtschaftslehrerin erhielten
vier Jungdrachinnen, eine besondere Aufgabe. Sie sollten eine Höhle
zu säubern, und zwar die von dem alten Drachenpaar Daidrake. So landeten
sie mit Putzzeug vor der Höhle der Großeltern. Die vier Drachinnen
waren alle Urenkeltöchter dieses Drachenpaares, das war der Hauswirtschaftslehrerin
nicht bekannt. Nora, die älteste von den vier, schob den Vorhang beiseite
und betrat die Höhle. Jede der Drachinnen hatte eine anders farbige
Schürze umgebunden, und folgten ihr.
"Puh, ist das dunkel", stellte Nora Drake,
eine Golddrachin, fest.
"Genau", bestätigte Moonlove.
"Wir brauchen Licht", forderte Noras jüngere
Schwester Odlive Drake.
"Stimmt", sagte Sonnentag.
Schlupp, schlapp, tapp, tapp.
Ein Aufschrei: "Aua."
"Was ist los?"
"Hab mich gestoßen", grummelte es.
Platsch, platsch.
"Was ist mit dem Wasser?"
Wieder ein Aufschrei: "Autsch."
"Das schwappt aus dem Eimern und meine Schürze
ist nass."
"Ah, endlich. Habe die Kerze gefunden."
"Mach sie endlich an", forderte Odlive.
Ein leichter Hauch und die Kerze brannte.
"Meine Güte, ist das dreckig", fauchte
Moonlove, eine aquamarinfarbene Drachin, als sie sich in der Höhle
umsah. "Da wurde lange nicht saubergemacht."
Ihre Freundin Sonnentag, die grün-blaugefärbte
Schuppen hatte, grinste: "Da hast du recht. Ich werde das Fenster putzen.
Die Großeltern wollten ja nicht, dass unsere Mütter daran was
ändern."
Aus der Nachbarhöhle war leises Schnarchen
zu hören. Schwapp, klatsch und das Fenster wurde mit viel Wasser abgespült.
Dadurch wurde es in der Höhle etwas heller. Auch der Vorhang zum Höhleneingang
wurde bearbeitet, so dass auch von hier aus Licht in die Höhle kam,
indem sie die verdorrten Lianen herunter rissen und das Laub von der Aussichtsplattform
kehrten.
Die alte Drachin wurde durch ungewohnte Geräusche
munter. Sie öffnete die Augen und blinzelnd erblickte sie vier Drachenmädchen,
die fleißig die Vorhöhle säuberten. Das Golddrachenmädchen
Nora fegte schweigend die Spinnweben von der Decke und den Wänden.
Aus ihren Nasenlöchern kam rosa-blaue
Rauchwolken, die anzeigten, dass die alte Drachin ungehalten war. Sie wollte
noch schlafen, aber sie konnte nicht mehr. Die Neugierde hielt sie wach.
Die alte Drachin fragte sich, was das Jungvolk da so in ihrer Höhle
treibt. Diskret streckte sie erst ein Bein aus dem Nest und wieder zurück,
dann kam das nächste. Immer wieder ein Blick zu den jungen Drachinnen,
in der Hoffnung von denen nicht bemerkt zu werden.
Odlive hatte frisches Wasser geholt und kippte
es aus. Ein leiser Schrei: "Ist das Kalt."
"Jetzt schnallt euch die großen Bürsten
an die Füße und wie Schlittschuhläufer durch den großen
Saal", wies Odlive die anderen fauchend an.
"Damit es sauber wird, habe ich hier Drachen-Seifen-Pulver.
Meine Mutter warnte, Kind nimm nicht zu viel", fauchte Sonntag vergnügt
und streute großzügig das Drachen-Seifen-Pulver auf den Boden.
Wie von Sonntag gewünscht, war auf dem
Boden ein Zentimeter hoher Schaum. Jede der vier Jungdrachinnen schnallte
sich große Bürsten an die Füße und fuhr damit in
der Höhle hin und her. Dabei wippten die Schwänze und Sonnentag
fing an, leise zu singen. Mehrfach wurde frisches Wasser geholt, damit
auch der letzte Rest Dreck und Seifenschaum ausgeputzt wurde.
Durch das Treiben der vier Drachinnen, wurde
auch der Großvater munter und beobachtete durch halbgeschlossene
Lieder die vier Jungdrachinnen. Bei den flotten Drachenliedern, die gesungen
wurden, wippten unbewusst die Schwänze der Altdrachen im Takt. Der
Anblick der hübschen Jungdrachinnen gefiel dem alten Drachen sehr
und sein Herz schlug schneller. Er dachte kurz an seine Jugendzeit.
Unbemerkt von den Mädchen standen die
beiden Altdrachen auf, reckten sich und verschwanden durch den Hinterausgang.
Ihre Schlafhöhle war durch einen Vorhang von Wurzeln von den anderen
Höhlen getrennt. Eine Stunde später, die Jungdrachinnen waren
gerade dabei die Badehöhle der Altdrachen zu säubern, landeten
die beiden Alten vor ihrer Höhle. Leise schlichen sie sich rein und
legten auf den großen Tisch frisches Hirschfleisch, sowie einige
Krüge mit Drachenbier.
"Essen kommen!", rief Großmutter Drache
und entzündete mehrere große Kerzen, die sie aus einem Versteck
geholt hatte.
Nach und nach tauchten die Vier auf und waren
sehr überrascht, Großmutter Daidrake so vergnügt in der
Wohn-Ess-Höhle stehen zu sehen.
"Kommt und fasst zu", forderte Großvater
Daidrake sie auf, der bereits am Tisch saß.
"Warum?" fragte Nora verdutzt.
"Weil ihr hungrig seid."
Die vier Drachinnen sahen sich nur an und
wollten wieder verschwinden, um weiter zu arbeiten. Da stellte sich die
Großmutter ihnen in den Weg und scheuchte sie an den Tisch. "So geht
es nicht", fauchte die Großmutter, "arbeiten und dann unsere Gastfreundschaft
zurück zu weisen, das geht nicht."
Die vier Drachinnen runzelten die Stirne und
Odlive sagte: "Aber Großmutter, erst die Arbeit und dann das Vergnügen."
"Wie bitte?" fauchte der Großvater und
baute sich vor den vieren auf. "Eure Großmutter und ich haben unsere
müden Knochen", er grinste im stillen als er die großen Augen
der Mädchen sah, "ausgeschüttelt und sind auf Jagd gegangen,
um euch satt zu bekommen. Dann wollt ihr nicht." Grimmig sah er eine nach
der anderen an.
Etwas eingeschüchtert meinte Odlive:
"In Ordnung, ein kleiner Happen zur Stärkung und ein kleiner Schluck
Drachenbier können nicht schaden." Sie drehte sich um, setzte sich
an den gedeckten Tisch und riß sich die rechte Hirschkeule ab. Dazu
ein großer Schluck Drachenbier.
"Ehe ich mich schlagen lassen", fauchte Nora
ergeben und griff sich die linke Keule des Hirschen.
Der Großvater sah seine jungen Gäste
an und fauchte: "Es war vor vielen, vielen Jahren, als ich noch ein junger
Drache war." Er unterbrach kurz, sah jede von ihnen an und fuhr fort: "Während
ihr euch stärkt, werde ich euch etwas erzählen. Wie gesagt, es
war zu einer Zeit, wo ich noch ein Drachenkind war." Wieder unterbrach
er, um nun einen großen Schluck von seinem Lieblingsbier zu trinken.
Die vier Jungdrachinnen hoben den Kopf und
sahen ihn neugierig an. Sonntag und Moonlove griffen ebenfalls zu. Während
sie das Hirschfleisch fraßen und die Krüge mit dem leckeren
Drachenbier ausleerten, blitzte der Großvater sie an.
"Na also", fauchte die Großmutter, "Es
geht doch, oder?"
Sonntag fauchte: "Ja." Und kratzte sich nachdenklich
am Kopf.
Großvater fauchte, legte seine Pranken
vor sich auf den Bauch und lehnte sich zurück. Die vier Jungdrachinnen
sahen ihn mit offenen Schnauzen an und warteten auf seinen Jugenderzählung.
"Wie gesagt", grummelte der alte Drache grinsend,
"war ich noch ein sehr junger Drache, der sehr neugierig auf das Leben
war." Er blinzelte seine Frau an, die sich ungerührt um den Nachtisch
kümmerte, und die wusste, dass ihr Mann seinen Gästen stets eine
nette Geschichte auftischte. Welche er jetzt erzählte, war ihr im
Moment nicht klar.
Daidrake fuhr fort: "Ich lag hinter einem
Busch auf der Lauer und was sah ich, ein wandelnde Blechdose auf einem
sehr müden Pferd. Das stolperte und die Blechdose fiel hinunter."
Er machte eine kurze Pause und studierte die Gesichter seiner Gäste.
Die ihn anstaunten. "Die Blechdose erschrak bei meinem Anblick, ich tauchte
nämlich hinterm Busch hervor und zeigte mich in meiner ganzen Pracht.
Die Blechdose schrie laut um Hilfe, ich wollte doch nur mit spielen. Aber
die Blechdose, na ja, ihr könnt euch ja vorstellen, dass ich sauer
wurde und fauchte. Da lief die Blechdose einfach in den Wald und das Pferd
schüttelte nur den Kopf. Es blieb stehen und wieherte mir zu, ich
solle doch dieser Blechdose ein Lektion erteilen und lachte dabei."
Sonntag schluckte und fragte fauchend: "Was
für eine?"
"Warts ab", grummelte der alte Drache. "Ich
hinterher, denn ich war sauer, vor mir, einem kleinen jungen Drachen, der
nur spielen wollte, wegzulaufen, fand ich gemein. Die Blechdose erwischte
ich vor dem Teich. Ich konnte sie gerade noch vorm hineinfallen festhalten.
Die Blechdose jammerte, ich solle sie doch nicht auffressen. Ich fauchte
ihn an und hob ihn empor und hängte ihn an einen starken Zweig, so
meinte ich, auf. Schwupps da lag er im Bach. Ich angelte ihn heraus und
föhnte ihn durch meinen warmen Atem trocken. Das Pferd, das mir nachgekommen
war, wieherte und lag dann lachend auf dem Boden, weil es so komisch aussah,
wie sein Reiter, die dumme Blechdose, sich wand. Mein Atem war lauwarm,
das hat mir das Pferd bestätigt. Wieder jammerte die wandelnde Blechdose,
ich solle ihn in Ruhe lassen und ihm nichts tun. Gelassen föhnte ich
ihn weiter trocken, dabei in immer wieder umdrehend, damit er von allen
Seiten trocken ist."
Die Großmutter lehnte sich zurück,
da sie diese Geschichte bereits kannte, und lächelte still vor sich
hin.
"Was hast du dann gemacht?" fragte Nora grummelnd
und hoffte, dass diese Blechdose nicht aufgefressen wurde.
"Ihn aufs Pferd gesetzt, nachdem ich ihm das
Blechgewand ausgezogen habe. Ein Jammerlappen von Mensch hing da dann auf
dem Pferd, das durch sein Reittier und von seinem Herren wusste, dass Drachen
in dem Tal, wo er sich befand, lebten. Das Pferd war erleichtert, als ich
das Blechgewand mit meinem Feuerstoß einschmolz und dann daraus einen
großen Eimer für meine Drachengroßmutter machte. Damit
die dann besser ihr Lieblingsgemüse ernten konnte."
"Aha", sprach Moonlive und griff zum Bierkrug.
"Genau das Wort Aha sagte meine Großmutter
als ich ihr von meinem Erlebnis mit dem Menschen in der Blechdose berichtete",
fauchte Daidrake. "Das ist immer interessant, dass Menschen, so wie die
Blechdose, in unser Tal reisen, obwohl sie wissen, dass wir hier leben."
Moonlive tupfte sich mit ihrem großen
Taschentuch das Maul ab, bedankte sich für das zarte Hirschfleisch
und fauchte freundlich: "So jetzt müssen wir weiter sauber machen."
"Ja, geht ruhig", fauchte die Großmutter
und winkte ihnen nach.
Sonnentag kam wenig später zurück,
sie hatte einen großen Korb und Wasser geholt, um die Reste vom Essen
wegzuräumen, sowie den Tisch zu säubern. Die Großmutter
zog die Augenbrauen hoch und ließ Sonntag gewähren. Die vier
Drachinnen waren bei ihrer Arbeit sehr schweigsam, da sie überlegten,
ob die Geschichte wahr wäre oder nicht.
"Wir sind fertig", rief Odlive aus dem Drachenbad.
Großmutter Daidrake legte ihr Buch beiseite,
schlurfte ins Drachenbad und freute sich über das gesäuberte
Bad. Sie schaute mal nach rechts, dann mal nach links und schnaufte zufrieden:
"Das habt ihr sehr gut gemacht."
Sonnentag ging zum Großvater, legte
ihre Pranke auf seinen Arm und sagte: "Großvater, kommst du bitte
mit, ich möchte gern deine saubere Schlafhöhle zeigen." Dabei
blinkerte sie ihn mit ihren schönen grünen Augen an.
Großvater Drache legte die Drachenzeitung,
die er am Vormittag im Drachenkiosk geholt hatte, beiseite und stand auf.
"Gut, mein Kind, dann zeige mir die saubere Höhle." Er genoss es,
von so einem jungen Ding versorgt zu werden, anstatt von einer alten Drachin,
wie seine langjährige Gefährtin.
In seiner Schlafhöhle angekommen entdeckte
er, dass sein Nest an eine andere Stelle geschoben worden war und das Nest
frisches Stroh und Felle hatte. Er sah sich um, ob ja nicht seine Frau
in der Nähe war und fauchte leise zu Sonnentag: "Ich werde mal testen,
ob alles in Ordnung ist." Mit seinen Vorderpranken tastete er die Unterlage
ab. Dann stieg er ins Nest und wackelte kurz mit seinem Hinterteil und
bemerkte wie kuschelig es geworden war, kein Stein, der drückte. "Sehr
schön", brummte er und wollte sich ins Nest kuscheln.
Da tauchte seine Frau auf, schüttelte
den Kopf und fauchte: "Kaum ist das Nest frisch gemacht, schon liegst du
wieder drin."
Ihr Mann lachte, verließ das Nest etwas
unwillig und blickte seine Frau mit einem Dackelblick an. Er legte einen
Arm um Sonnentag und verließ seine Schlafhöhle. Seine Frau stand
ungerührt im Höhleneingang und klopfte ungeduldig mit den Hinterpfoten
auf dem Boden.
Da tauchte im Höhleneingang die Hauswirtschaftslehrerin
auf, um zu sehen wie weit die vier Jungdrachinnen waren.
"Nanu, die Großeltern Daidrakes sind
munter", murmelte sie verwundert und fuhr freundlich fauchend fort: "Lasst
mich begutachten, wie ihr die Höhlen sauber gemacht habt."
Während sie mit Großmutter Daidrake
durch die Drachenwohnräume tappte, saßen die vier Drachenmädchen
auf der Terrasse und ließen sich die Abendsonne auf den Bauch scheinen.
Dabei unterhielten sie sich über die Geschichte, die Großvater
Drache ihnen erzählte hatte.
Da meinte Nora: "Das kann nicht sein."
"Was kann nicht sein?" fauchte hinter ihnen
der Großvater.
"Du hast die Geschichte erfunden."
"Wie kommst du darauf, mein liebes Kind?"
fauchte der Großvater und blitzte sie mit seinen weisen Augen an.
"Ich habe darüber nachgedacht und mir
ist eingefallen, was meine Mutter über dich erzählt hat."
"Ja, genau", fauchten Moonlove und Sonntag.
"Was hat deine Mutter dir erzählt?"
"Dass Großvater Daidrake ein großer
Märchenerzähler ist", fauchte Nora und kraulte Großvater
Daidrake unter dem Kinn.
"Hm, das ist wunderschön mein Kind",
grummelte ein vergnügter alter Drache. "Wie bist du drauf gekommen,
dass ich die Geschichte erfunden und nicht erlebt habe?"
"Ach wegen des Pferdes."
"Wegen des Pferdes?"
"Ja, wegen des Pferdes, die können nämlich
nicht lachen."
"Ah so", brummte der alte Drache und grinste
sie an. "Die Pferde können lachen."
"Habe noch kein Pferd lachen sehen", fauchte
Sonntag und rubbelte genüsslich ihren Rücken an einem Felsen.
"Und ich kenne Pferde."
"Stimmt", gab Odlive fauchend zu.
"Ich gebe zu bedenken", fauchte Moonlove nachdenklich,
"dass Großvater damals noch ein kleiner junger Drache war, als solche
wandelnde Blechdosen unser Tal besuchten."
"Beides ist richtig", fauchte der Großvater
lobend und strich jedem der vier Jungdrachinnen über den Kopf. "Ihr
habt es sehr schnell herausgefunden, dass ich euch ein Märchen erzählt
habe. Andere haben es nicht so schnell herausgefunden. Wenn ihr noch mehr
von mir hören wollt, kommt bald wieder."
Bevor die Vier auf die Einladung des alten
Drachen reagieren konnten, die sehr selten ausgesprochen wurde, tauchte
die Hauswirtschaftslehrerin im Eingangstor auf und fauchte die vier an:
"Was soll das ganze Theater, das mit dem neuen Nest für den alten
Drachengroßvater."
Verdutzt sahen die Vier sie an und brachten
keinen Ton heraus. Sie waren sich keiner Schuld bewusst.
Mit unbeweglicher Miene stand die Lehrerin
vor ihnen und fauchte weiter: "Dann das Bad, ich muss sagen, da braucht
man ja eine Sonnenbrille." Und wiegte dabei den Kopf von rechts nach links
und von links nach rechts und sah ihre Schülerinnen sehr ernst an.
Wieder schwiegen die Mädchen, da sie
ihre Lehrerin sehr gut kannten. Und als die Großmutter ihnen helfen
wollte, wurde die von der Lehrerin angefaucht: "Was soll das, die Mädchen
haben drachengute Arbeit geleistet. Ich bin sehr zufrieden."
© Luise
Drachenanwältin
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