Hausputz in der Drachenhöhle bei den Großeltern Daidrake
von Luise Drachenanwältin

Von ihrer Hauswirtschaftslehrerin erhielten vier Jungdrachinnen, eine besondere Aufgabe. Sie sollten eine Höhle zu säubern, und zwar die von dem alten Drachenpaar Daidrake. So landeten sie mit Putzzeug vor der Höhle der Großeltern. Die vier Drachinnen waren alle Urenkeltöchter dieses Drachenpaares, das war der Hauswirtschaftslehrerin nicht bekannt. Nora, die älteste von den vier, schob den Vorhang beiseite und betrat die Höhle. Jede der Drachinnen hatte eine anders farbige Schürze umgebunden, und folgten ihr.
"Puh, ist das dunkel", stellte Nora Drake, eine Golddrachin, fest.
"Genau", bestätigte Moonlove.
"Wir brauchen Licht", forderte Noras jüngere Schwester Odlive Drake.
"Stimmt", sagte Sonnentag.
Schlupp, schlapp, tapp, tapp.
Ein Aufschrei: "Aua."
"Was ist los?"
"Hab mich gestoßen", grummelte es.
Platsch, platsch.
"Was ist mit dem Wasser?"
Wieder ein Aufschrei: "Autsch."
"Das schwappt aus dem Eimern und meine Schürze ist nass."
"Ah, endlich. Habe die Kerze gefunden."
"Mach sie endlich an", forderte Odlive.
Ein leichter Hauch und die Kerze brannte.
"Meine Güte, ist das dreckig", fauchte Moonlove, eine aquamarinfarbene Drachin, als sie sich in der Höhle umsah. "Da wurde lange nicht saubergemacht."
Ihre Freundin Sonnentag, die grün-blaugefärbte Schuppen hatte, grinste: "Da hast du recht. Ich werde das Fenster putzen. Die Großeltern wollten ja nicht, dass unsere Mütter daran was ändern."
Aus der Nachbarhöhle war leises Schnarchen zu hören. Schwapp, klatsch und das Fenster wurde mit viel Wasser abgespült. Dadurch wurde es in der Höhle etwas heller. Auch der Vorhang zum Höhleneingang wurde bearbeitet, so dass auch von hier aus Licht in die Höhle kam, indem sie die verdorrten Lianen herunter rissen und das Laub von der Aussichtsplattform kehrten.
Die alte Drachin wurde durch ungewohnte Geräusche munter. Sie öffnete die Augen und blinzelnd erblickte sie vier Drachenmädchen, die fleißig die Vorhöhle säuberten. Das Golddrachenmädchen Nora fegte schweigend die Spinnweben von der Decke und den Wänden.
Aus ihren Nasenlöchern kam rosa-blaue Rauchwolken, die anzeigten, dass die alte Drachin ungehalten war. Sie wollte noch schlafen, aber sie konnte nicht mehr. Die Neugierde hielt sie wach. Die alte Drachin fragte sich, was das Jungvolk da so in ihrer Höhle treibt. Diskret streckte sie erst ein Bein aus dem Nest und wieder zurück, dann kam das nächste. Immer wieder ein Blick zu den jungen Drachinnen, in der Hoffnung von denen nicht bemerkt zu werden.
Odlive hatte frisches Wasser geholt und kippte es aus. Ein leiser Schrei: "Ist das Kalt."
"Jetzt schnallt euch die großen Bürsten an die Füße und wie Schlittschuhläufer durch den großen Saal", wies Odlive die anderen fauchend an.
"Damit es sauber wird, habe ich hier Drachen-Seifen-Pulver. Meine Mutter warnte, Kind nimm nicht zu viel", fauchte Sonntag vergnügt und streute großzügig das Drachen-Seifen-Pulver auf den Boden.
Wie von Sonntag gewünscht, war auf dem Boden ein Zentimeter hoher Schaum. Jede der vier Jungdrachinnen schnallte sich große Bürsten an die Füße und fuhr damit in der Höhle hin und her. Dabei wippten die Schwänze und Sonnentag fing an, leise zu singen. Mehrfach wurde frisches Wasser geholt, damit auch der letzte Rest Dreck und Seifenschaum ausgeputzt wurde.
Durch das Treiben der vier Drachinnen, wurde auch der Großvater munter und beobachtete durch halbgeschlossene Lieder die vier Jungdrachinnen. Bei den flotten Drachenliedern, die gesungen wurden, wippten unbewusst die Schwänze der Altdrachen im Takt. Der Anblick der hübschen Jungdrachinnen gefiel dem alten Drachen sehr und sein Herz schlug schneller. Er dachte kurz an seine Jugendzeit.

Unbemerkt von den Mädchen standen die beiden Altdrachen auf, reckten sich und verschwanden durch den Hinterausgang. Ihre Schlafhöhle war durch einen Vorhang von Wurzeln von den anderen Höhlen getrennt. Eine Stunde später, die Jungdrachinnen waren gerade dabei die Badehöhle der Altdrachen zu säubern, landeten die beiden Alten vor ihrer Höhle. Leise schlichen sie sich rein und legten auf den großen Tisch frisches Hirschfleisch, sowie einige Krüge mit Drachenbier.
"Essen kommen!", rief Großmutter Drache und entzündete mehrere große Kerzen, die sie aus einem Versteck geholt hatte.
Nach und nach tauchten die Vier auf und waren sehr überrascht, Großmutter Daidrake so vergnügt in der Wohn-Ess-Höhle stehen zu sehen.
"Kommt und fasst zu", forderte Großvater Daidrake sie auf, der bereits am Tisch saß.
"Warum?" fragte Nora verdutzt.
"Weil ihr hungrig seid."
Die vier Drachinnen sahen sich nur an und wollten wieder verschwinden, um weiter zu arbeiten. Da stellte sich die Großmutter ihnen in den Weg und scheuchte sie an den Tisch. "So geht es nicht", fauchte die Großmutter, "arbeiten und dann unsere Gastfreundschaft zurück zu weisen, das geht nicht."
Die vier Drachinnen runzelten die Stirne und Odlive sagte: "Aber Großmutter, erst die Arbeit und dann das Vergnügen."
"Wie bitte?" fauchte der Großvater und baute sich vor den vieren auf. "Eure Großmutter und ich haben unsere müden Knochen", er grinste im stillen als er die großen Augen der Mädchen sah, "ausgeschüttelt und sind auf Jagd gegangen, um euch satt zu bekommen. Dann wollt ihr nicht." Grimmig sah er eine nach der anderen an.
Etwas eingeschüchtert meinte Odlive: "In Ordnung, ein kleiner Happen zur Stärkung und ein kleiner Schluck Drachenbier können nicht schaden." Sie drehte sich um, setzte sich an den gedeckten Tisch und riß sich die rechte Hirschkeule ab. Dazu ein großer Schluck Drachenbier.
"Ehe ich mich schlagen lassen", fauchte Nora ergeben und griff sich die linke Keule des Hirschen.
Der Großvater sah seine jungen Gäste an und fauchte: "Es war vor vielen, vielen Jahren, als ich noch ein junger Drache war." Er unterbrach kurz, sah jede von ihnen an und fuhr fort: "Während ihr euch stärkt, werde ich euch etwas erzählen. Wie gesagt, es war zu einer Zeit, wo ich noch ein Drachenkind war." Wieder unterbrach er, um nun einen großen Schluck von seinem Lieblingsbier zu trinken.
Die vier Jungdrachinnen hoben den Kopf und sahen ihn neugierig an. Sonntag und Moonlove griffen ebenfalls zu. Während sie das Hirschfleisch fraßen und die Krüge mit dem leckeren Drachenbier ausleerten, blitzte der Großvater sie an.
"Na also", fauchte die Großmutter, "Es geht doch, oder?"
Sonntag fauchte: "Ja." Und kratzte sich nachdenklich am Kopf.
Großvater fauchte, legte seine Pranken vor sich auf den Bauch und lehnte sich zurück. Die vier Jungdrachinnen sahen ihn mit offenen Schnauzen an und warteten auf seinen Jugenderzählung.
"Wie gesagt", grummelte der alte Drache grinsend, "war ich noch ein sehr junger Drache, der sehr neugierig auf das Leben war." Er blinzelte seine Frau an, die sich ungerührt um den Nachtisch kümmerte, und die wusste, dass ihr Mann seinen Gästen stets eine nette Geschichte auftischte. Welche er jetzt erzählte, war ihr im Moment nicht klar.
Daidrake fuhr fort: "Ich lag hinter einem Busch auf der Lauer und was sah ich, ein wandelnde Blechdose auf einem sehr müden Pferd. Das stolperte und die Blechdose fiel hinunter." Er machte eine kurze Pause und studierte die Gesichter seiner Gäste. Die ihn anstaunten. "Die Blechdose erschrak bei meinem Anblick, ich tauchte nämlich hinterm Busch hervor und zeigte mich in meiner ganzen Pracht. Die Blechdose schrie laut um Hilfe, ich wollte doch nur mit spielen. Aber die Blechdose, na ja, ihr könnt euch ja vorstellen, dass ich sauer wurde und fauchte. Da lief die Blechdose einfach in den Wald und das Pferd schüttelte nur den Kopf. Es blieb stehen und wieherte mir zu, ich solle doch dieser Blechdose ein Lektion erteilen und lachte dabei."
Sonntag schluckte und fragte fauchend: "Was für eine?"
"Warts ab", grummelte der alte Drache. "Ich hinterher, denn ich war sauer, vor mir, einem kleinen jungen Drachen, der nur spielen wollte, wegzulaufen, fand ich gemein. Die Blechdose erwischte ich vor dem Teich. Ich konnte sie gerade noch vorm hineinfallen festhalten. Die Blechdose jammerte, ich solle sie doch nicht auffressen. Ich fauchte ihn an und hob ihn empor und hängte ihn an einen starken Zweig, so meinte ich, auf. Schwupps da lag er im Bach. Ich angelte ihn heraus und föhnte ihn durch meinen warmen Atem trocken. Das Pferd, das mir nachgekommen war, wieherte und lag dann lachend auf dem Boden, weil es so komisch aussah, wie sein Reiter, die dumme Blechdose, sich wand. Mein Atem war lauwarm, das hat mir das Pferd bestätigt. Wieder jammerte die wandelnde Blechdose, ich solle ihn in Ruhe lassen und ihm nichts tun. Gelassen föhnte ich ihn weiter trocken, dabei in immer wieder umdrehend, damit er von allen Seiten trocken ist."
Die Großmutter lehnte sich zurück, da sie diese Geschichte bereits kannte, und lächelte still vor sich hin.
"Was hast du dann gemacht?" fragte Nora grummelnd und hoffte, dass diese Blechdose nicht aufgefressen wurde.
"Ihn aufs Pferd gesetzt, nachdem ich ihm das Blechgewand ausgezogen habe. Ein Jammerlappen von Mensch hing da dann auf dem Pferd, das durch sein Reittier und von seinem Herren wusste, dass Drachen in dem Tal, wo er sich befand, lebten. Das Pferd war erleichtert, als ich das Blechgewand mit meinem Feuerstoß einschmolz und dann daraus einen großen Eimer für meine Drachengroßmutter machte. Damit die dann besser ihr Lieblingsgemüse ernten konnte."
"Aha", sprach Moonlive und griff zum Bierkrug.
"Genau das Wort Aha sagte meine Großmutter als ich ihr von meinem Erlebnis mit dem Menschen in der Blechdose berichtete", fauchte Daidrake. "Das ist immer interessant, dass Menschen, so wie die Blechdose, in unser Tal reisen, obwohl sie wissen, dass wir hier leben."
Moonlive tupfte sich mit ihrem großen Taschentuch das Maul ab, bedankte sich für das zarte Hirschfleisch und fauchte freundlich: "So jetzt müssen wir weiter sauber machen."
"Ja, geht ruhig", fauchte die Großmutter und winkte ihnen nach.

Sonnentag kam wenig später zurück, sie hatte einen großen Korb und Wasser geholt, um die Reste vom Essen wegzuräumen, sowie den Tisch zu säubern. Die Großmutter zog die Augenbrauen hoch und ließ Sonntag gewähren. Die vier Drachinnen waren bei ihrer Arbeit sehr schweigsam, da sie überlegten, ob die Geschichte wahr wäre oder nicht.
"Wir sind fertig", rief Odlive aus dem Drachenbad.
Großmutter Daidrake legte ihr Buch beiseite, schlurfte ins Drachenbad und freute sich über das gesäuberte Bad. Sie schaute mal nach rechts, dann mal nach links und schnaufte zufrieden: "Das habt ihr sehr gut gemacht."
Sonnentag ging zum Großvater, legte ihre Pranke auf seinen Arm und sagte: "Großvater, kommst du bitte mit, ich möchte gern deine saubere Schlafhöhle zeigen." Dabei blinkerte sie ihn mit ihren schönen grünen Augen an.
Großvater Drache legte die Drachenzeitung, die er am Vormittag im Drachenkiosk geholt hatte, beiseite und stand auf. "Gut, mein Kind, dann zeige mir die saubere Höhle." Er genoss es, von so einem jungen Ding versorgt zu werden, anstatt von einer alten Drachin, wie seine langjährige Gefährtin.
In seiner Schlafhöhle angekommen entdeckte er, dass sein Nest an eine andere Stelle geschoben worden war und das Nest frisches Stroh und Felle hatte. Er sah sich um, ob ja nicht seine Frau in der Nähe war und fauchte leise zu Sonnentag: "Ich werde mal testen, ob alles in Ordnung ist." Mit seinen Vorderpranken tastete er die Unterlage ab. Dann stieg er ins Nest und wackelte kurz mit seinem Hinterteil und bemerkte wie kuschelig es geworden war, kein Stein, der drückte. "Sehr schön", brummte er und wollte sich ins Nest kuscheln.
Da tauchte seine Frau auf, schüttelte den Kopf und fauchte: "Kaum ist das Nest frisch gemacht, schon liegst du wieder drin."
Ihr Mann lachte, verließ das Nest etwas unwillig und blickte seine Frau mit einem Dackelblick an. Er legte einen Arm um Sonnentag und verließ seine Schlafhöhle. Seine Frau stand ungerührt im Höhleneingang und klopfte ungeduldig mit den Hinterpfoten auf dem Boden.
Da tauchte im Höhleneingang die Hauswirtschaftslehrerin auf, um zu sehen wie weit die vier Jungdrachinnen waren.
"Nanu, die Großeltern Daidrakes sind munter", murmelte sie verwundert und fuhr freundlich fauchend fort: "Lasst mich begutachten, wie ihr die Höhlen sauber gemacht habt."
Während sie mit Großmutter Daidrake durch die Drachenwohnräume tappte, saßen die vier Drachenmädchen auf der Terrasse und ließen sich die Abendsonne auf den Bauch scheinen. Dabei unterhielten sie sich über die Geschichte, die Großvater Drache ihnen erzählte hatte.
Da meinte Nora: "Das kann nicht sein."
"Was kann nicht sein?" fauchte hinter ihnen der Großvater.
"Du hast die Geschichte erfunden."
"Wie kommst du darauf, mein liebes Kind?" fauchte der Großvater und blitzte sie mit seinen weisen Augen an.
"Ich habe darüber nachgedacht und mir ist eingefallen, was meine Mutter über dich erzählt hat."
"Ja, genau", fauchten Moonlove und Sonntag. "Was hat deine Mutter dir erzählt?"
"Dass Großvater Daidrake ein großer Märchenerzähler ist", fauchte Nora und kraulte Großvater Daidrake unter dem Kinn.
"Hm, das ist wunderschön mein Kind", grummelte ein vergnügter alter Drache. "Wie bist du drauf gekommen, dass ich die Geschichte erfunden und nicht erlebt habe?"
"Ach wegen des Pferdes."
"Wegen des Pferdes?"
"Ja, wegen des Pferdes, die können nämlich nicht lachen."
"Ah so", brummte der alte Drache und grinste sie an. "Die Pferde können lachen."
"Habe noch kein Pferd lachen sehen", fauchte Sonntag und rubbelte genüsslich ihren Rücken an einem Felsen. "Und ich kenne Pferde."
"Stimmt", gab Odlive fauchend zu.
"Ich gebe zu bedenken", fauchte Moonlove nachdenklich, "dass Großvater damals noch ein kleiner junger Drache war, als solche wandelnde Blechdosen unser Tal besuchten."
"Beides ist richtig", fauchte der Großvater lobend und strich jedem der vier Jungdrachinnen über den Kopf. "Ihr habt es sehr schnell herausgefunden, dass ich euch ein Märchen erzählt habe. Andere haben es nicht so schnell herausgefunden. Wenn ihr noch mehr von mir hören wollt, kommt bald wieder."
Bevor die Vier auf die Einladung des alten Drachen reagieren konnten, die sehr selten ausgesprochen wurde, tauchte die Hauswirtschaftslehrerin im Eingangstor auf und fauchte die vier an: "Was soll das ganze Theater, das mit dem neuen Nest für den alten Drachengroßvater."
Verdutzt sahen die Vier sie an und brachten keinen Ton heraus. Sie waren sich keiner Schuld bewusst.
Mit unbeweglicher Miene stand die Lehrerin vor ihnen und fauchte weiter: "Dann das Bad, ich muss sagen, da braucht man ja eine Sonnenbrille." Und wiegte dabei den Kopf von rechts nach links und von links nach rechts und sah ihre Schülerinnen sehr ernst an.
Wieder schwiegen die Mädchen, da sie ihre Lehrerin sehr gut kannten. Und als die Großmutter ihnen helfen wollte, wurde die von der Lehrerin angefaucht: "Was soll das, die Mädchen haben drachengute Arbeit geleistet. Ich bin sehr zufrieden."
 

© Luise Drachenanwältin
Vor Verwendung dieser Autoren-EMail-Adresse bitte das unmittelbar am @ angrenzende "NO" und "SPAM" entfernen!
.
www.drachental.de