Tagebuch einer Malkavianerin von Clara Wiesenbach
2: Leben? (1881)

VZwei Wochen sind vergangen seit wir in Frankfurt eintrafen. Die Nacht neigt sich dem Ende zu und Conrad treibt mich unnachgiebig dazu an, mich zu beeilen.
Verwirrt wie ich bin folge ich ihm. Seit zwei Wochen versuche ich nun seine seltsame Furcht vor der Sonne zu verstehen, doch einen Sinn kann ich einfach nicht erkennen. Unsanft werde ich aus meinen Gedanken gerissen.
"Clara! Mit Verlaub, beeile dich, in einer halben Stunde geht die Sonne auf." höre ich Conrad, der mich leicht ungeduldig anstarrt.
Automatisch beschleunige ich meine Schritte und folge ihm.
Immer noch verstehe ich nicht, was wirklich mit mir geschehen ist. Doch ich bin mir sicher, dass Conrad nicht ganz bei Sinnen ist und dass ich im Moment nicht die Möglichkeit habe, ihm zu entkommen.
Es dauert nicht mehr lange bis wir ein Hotel mit dem hochtrabenden Namen Resident erreichen.
Conrad bleibt stehen und klopft lautstark an die Pforte bevor er sich wieder an mich wendet.
"Wie du siehst, meine Liebe, wir hätten uns beeilen sollen."
Wieder klopft er und ein Hund bellt auf der anderen Straßenseite wie verrückt, aber oben wird endlich ein Fenster erhellt.
Leicht grinsend fügt er hinzu.
"Es wäre zwar auch nicht geöffnet gewesen, aber wir hätten mehr Zeit vor dem Sonnenaufgang gehabt."
Verwirrt nicke ich nur, immer mehr davon überzeugt, dass dieser Mensch völlig wahnsinnig ist.
Abrupt öffnet sich die schwere Tür des Hotels und ein verschlafen und wütend aussehender Portier in Nachtgewand und Schlafmütze erscheint im Türrahmen.
"JA? Was wollen sie???? Wissen sie eigentlich, wie spät es ist???!?"
"Bitte verzeihen sie. Wir haben reserviert doch wir wurden aufgehalten. Würden sie uns bitte einlassen?" erwidert Conrad, schiebt den Portier anseite und drückt die Tür auf.
Der Mann ist zu verwirrt um zu protestieren und schon sind wir drinnen. Conrad spricht wieder.
"Conrad Kleinschmidt mit seiner Gemahlin Clara, wir hatten reserviert. Würden sie bitte nachsehen?"
Gemahlin? denke ich. Wir sind doch gar nicht verheiratet und ich habe auch nicht vor ihn zu heiraten. Ich muss nur noch einen Weg finden, um ihm zu entkommen. Es ist doch nicht normal, dass ein Mensch glauben kann, dass einen das Sonnenlicht töten kann. Er hat so viele merkwürdige Ideen, an denen er festhält. Also wirklich, wir müssen Blut trinken? Sonnenlicht tötet uns? Das hört sich meiner Meinung nach so sehr nach den Vampiren in der Literatur an.
Als Conrad mich sanft an der Schulter packt, werde ich wieder aus meinen Gedanken gerissen. In den letzten Tagen bin ich sehr oft in meinen Gedanken verloren.
"Komm Clara, unsere Zimmer sind fertig."
An den Portier gewandt sagt er:
"Ja ich weiß, wir sind zwei Stunden zu spät, unser Gepäck ist noch am Bahnhof. Hätten sie vielleicht Nachtgewänder für uns?"
Der Portier nickt und zeigt uns unser Zimmer, das im Jugendstil eingerichtet ist. Nach kurzer Zeit erscheint er wieder mit zwei Nachthemden. Lächelnd nimmt Conrad diese entgegen und drückt dem verwunderten Nachtwächter einen großen Geldbetrag in die Hand.
Ehrlich, ich weiß nicht, wer von uns beiden verwunderter aussieht, doch der Portier fängt sich schnell, verbeugt sich tief und zieht sich nach der Frage, ob wir geweckt werden wollen, zurück.
Conrad besteht darauf, dass wir den Tag über nicht gestört werden und schließt dann die Tür und fragt mich leise:
"Also, was haben wir hier? Ein großes Fenster mit Vorhängen, aber die lassen zuviel Licht durch."
Mit aufeinandergestützten Händen schaut er sich im Zimmer um.
"Und wir haben einen Kleiderschrank" Er öffnet diesen. "Der Lichtdicht ist, nun ja, Clara, ich bitte dich, nimm dein Plumeau und mach es dir so bequem wie möglich."
In mir kocht die Wut. Schlimm genug, dass ich gezwungen bin, mit ihm hier zu sein, jetzt verlangt er ernsthaft, dass ich in einem Schrank schlafe?
Ich kann meinen Zorn kaum unterdrücken und murmele vor mich hin "Er ist doch völlig irr..."
"Keine Angst, meine Liebe, wenn du es nicht willst, werde ich dir nicht zu nahe kommen."
Meine Angst vor ihm und was er mir antun könnte, wie zum Beispiel mich zu entehren, ist gigantisch, doch ich kann meine Zunge nicht unter Kontrolle halten.
"Das wünsche ich bestimmt NICHT!" fauche ich ihn an.
Er nickt und zieht die Laken von dem Bett. Verwundert beobachte ich ihn dabei, wie er das eine Laken auf einen Bügel im Kleiderschrank hängt und es so in zwei Compartements teilt und dann das andere direkt vor die Ritzen des Schrankes legt.
Er nimmt sein Plumeau, sagt noch: "Clara, du solltest wirklich jetzt hineingehen, die Sonne steht schon fast am Horizont, aber zwingen kann und will ich dich nicht", setzt sich in den Schrank, schließt die Tür und ist ruhig.
Ich bin so unendlich müde, ein Zustand, der mich immer noch verblüfft... ich sollte doch eigentlich tagsüber wach sein und nachts schlafen, doch ich kann mich kaum mehr auf den Beinen halten. Verwirrt nehme auch ich mein Bettzeug und setze mich in den Schrank, von Conrad ist schon nichts mehr zu hören. Ich schließe die Tür - warum eigentlich, aber trotz all den Sachen, die passierten bisher oder gerade deswegen höre ich auf Conrad...
Wie konnte ich mich nur so in ihm täuschen? Woher hat er das ganze Geld? Er ist doch nur ein einfacher Student, denke ich noch, bevor mir die Augen endgültig zufallen und ich einschlafe.
 
© Clara Wiesenbach
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Und sicher schon bald geht's hier weiter zum 3. Kapitel...

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