Ein schwarzer Rabe flog über den dunklen Nachthimmel. Auf der
verlassenen Landstraße ritt ein einsamer Reiter. Viele Tage lang
war Amber durch das Tirtas Gebirge geritten. Sie kam geradewegs aus der
Arkarden-Steppe, dem Land der Amazonen. Achtzehn Monde hatte sie in der
Amazonenstadt Awen-asâ verbracht und sich dem harten Training unterzogen.
Als sie dann sechzehn geworden war, bot man ihr an, eine der Leibwachen
der Königin Inpalla zu werden, etwas, das nur den besten Kriegerinnen
gestattet war. Doch sie lehnte ab. Sie wollte hinaus in die Welt, Abenteuer
erleben und fremde Völker kennenlernen. Doch am allermeisten wollte
sie wissen, wie es war, wieder jemanden zu lieben und geliebt zu werden.
Als sie ging, schenkte man ihr als Abschied ein prächtiges
Amazonenpferd. Die Tiere, die seit Generationen gezüchtet wurden,
waren für ihre Schönheit und Schnelligkeit bekannt. Doch der
Rappe, den man ihr gab, war nicht nur prachtvoll und geschwind, sondern
auch ausgesprochen klug. Sie nannte den heißblütigen Hengst
Daray. Auf ihrer Reise durch die Berge wurden Roß und Reiter unzertrennlich.
In der Ferne konnte man die Lichter der Stadt Glynis erkennen.
In ihren Gedanken versunken, bemerkte Amber nicht das Aufblitzen
einer Waffe im Gehölz. Nur Daray beäugte beunruhigt die Bäume.
Als Amber plötzlich einen Pfiff aus den Büschen hörte, war
sie schon von einem Dutzend Soldaten umzingelt. Sie machte keine Anstallten,
die Männer anzugreifen, da sie einsah, dass es zu viele Bewafnete
waren, liess jedoch ihre Hand am Knauf ihres Silberschwertes ruhen.
Sie hörte wie hinter ihr ein Pferd schnaubte.
Eine Männerstimme sagte: "Ich Grüße Dich, Fremder.
Ich bin Hauptmann Aiden, Diener des Königs Falak, Herrscher des gesamten
Menschenreiches von Nairî. Legt den Umhang ab."
Sie zögerte. Langsam öffnete sie den Mantel und wendete
ihr Pferd in Richtung der Stimme. Alle hielten den Atem an. Als Amber den
jungen Reiter erblickte, durchlief sie ein Schauer. Ein Feuer breitete
sich in ihr aus, so wie sie es noch nie gekannt hatte. Sie wusste, dieser
Mann würde etwas ganz besonderes in ihrem Leben sein.
Hauptmann Aiden hatte goldenes Haar und eine kleine Narbe am Kinn.
Er wiederrum, konnte Amber nur anstarren. Sie war das schönste, das
er je gesehen hatte und strahlte eine Wärme aus, die nach seinem Herzen
griff wie die graziösen Hände einer Liebesfee. Immer und immer
wieder blickte er über den makelosen Körper.
Plötzlich meinte ein Soldat, der Amber finster anblickte: "Hauptmann?
Sie ist eine Amazone. König Falak hat ausdrücklich befohlen,
dass alle Amazonen ausserhalb der Steppen zu ihm gebracht werden müssen!"
Mit einem wütenden Blick zu dem Mann meinte Aiden zögernd:
"Nun gut, nehmt sie mit!"
Fünf Wachen sprangen auf Amber zu, doch sie war schneller.
Den einen ritt sie über den Haufen und dem zweiten schnitt sie die
Kehle durch. Als ein anderer auf sie zukam, schlug sie ihn mit dem Schwert
nieder. Der vierte kam auch nicht viel besser weg. Doch als sie sich umdrehen
wollte, fühlte sie, wie etwas auf ihrem Kopf aufschlug. Das letze,
was sie bemerkte, war wie jemand sie von dem umherschlagenden Daray zog...
Aiden.
Als sie erwachte, hatte sie schreckliche Kopfschmerzen. Sie blinzelte
und bemerkte, dass sie an ihren Füssen angekett war. Man hatte sie
in einem Verlies eingeschlossen! Vor ihr lag eine Schüssel Wasser
und ein Teller mit Brot. Wütend schleuderte sie alles fort. Die Wache,
die den Tumult gehört hatte, guckte durch die Luke in der Tür
und grinste.
"Reg dich nicht auf, damit erreichst du eh nichts", kam plötzlich
aus einer Ecke des Kerkers.
Als sich Ambers Augen besser an das schummrige Licht gewöhnt
hatten, sah sie ein Mädchen, in ihrem Alter. Ihr blondes Haar war
zu einem Zopf geflochten, ihre eisblauen Augen funkelten in der Dunkelheit.
"Wer bist du?" fragte Amber und hielt sich den schmerzenden Kopf.
"Mann nennt mich Holly. Und wie heißt du?" antwortete das
Mädchen leise.
"Ich heiße Amber."
Holly streckte sich und wandte sich dann wieder Amber zu: "Du kommst
aus der Amazonen-Steppe wie mir scheint. Auf jeden Fall wurde von König
Falak befohlen, dass keine Frau, die aus den Steppen kommt, ausserhalb
ihres Landes reisen darf."
Amber schielte zur Tür. Die Wache schien eingeschlafen zu sein.
Amber kroch näher zu Holly und flüsterte ihr zu: "Erstmal müssen
wir hier raus!"
Wenig später wurde das Verlies aufgeschlossen. Aiden blickte
sogleich zu Amber. Drei Soldaten schloßen die Ketten auf.
"Steht auf, ihr werdet dem Stadtrat von Glynis vorgeführt."
Gehorsam erhoben sich Amber und Holly. Es war gut, wieder stehen
zu dürfen. Langsam ging der junge (er war nicht älter als 20)
Hauptmann auf Amber zu und blieb neben ihr stehen. Ohne ihn eines Blickes
zu würdigen, lief sie hinter Holly her. Als sie die frische Luft einatmete,
ging es ihr sogleich besser. Es war noch früher Morgen, die Sonne
war noch nicht zu sehen.
Die Straßen der Stadt waren wie leergefegt. Plötzlich
stolperte Amber.
Als ihr Aiden zur hilfe kam, hielt sie ihren Knöchel und jammerte:
"Mein Knöchel! Ich hab ihn mir verstaucht!"
"Geht weiter mit der anderen Gefangenen. Fionan, du bleibst und
hilfst mir!" befahl er.
Die Soldaten nickten und zwei schubsten Holly die Straße weiter.
Eine Weile sah sich Aiden Ambers Knöchel an und meinte dann
schließlich: "Ich weiss nicht was du am Knöchel hast, es scheint
nichts gebrochen oder verstaucht zu sein. Aber ich seh noch mal..."
Als er sich wieder runterbeugte, schlug sie ihm brutal ins Gesicht
und er wurde kurz ohnmächtig. Dies tat ihr zwar gleich wieder leid,
doch der andere Soldat wollte schon los rennen. Sie stieß ihn gegen
eine Hauswand und sagte: "Wo sind die Pferde und die Waffen? Antworte und
dir geschieht nichts."
Mit weit aufgerissenen Augen zeigte Fionan auf ein kleines Haus
am Straßenende. Mit einem Tritt in seine Weichteile verabschiedete
Amber sich und rannte die Straße entlang.
Die Soldaten und ihre Gefangene waren schon vor dem Palast des Stadtrates
angelangt, als sie hinter sich Hufgetrappel hörten. "Holly!" hörte
man jemanden rufen. Die Männer waren so verdutzt, dass sie glatt das
blonde Mädchen hinter sich vergessen hatten. Diese nutzte dies aus,
nahm die Köpfe der beiden und schlug sie fest zusammen. Bewusstlos
fielen die Soldaten auf den Boden. Amber auf ihrem treuen Pferd Daray und
einem anderem im Schlepptau kamen angejagt. Im Gallop sprang Holly auf
die braune Stute und folgte dann dem Hengst.
Sie näherten sich dem südlichen Stadtttor, als sie ein
Horn hörten. Vor ihnen hielt ein weißes Roß und sie erkannten
Aiden. Ein Schwert blitzte in der Sonne. Hinter ihnen waren nun auch Reiter
zu sehen. Sie waren umzingelt. Aus dem Blickfeld sah Amber eine schmale
Seitenstraße, zu schmal für Männer in schweren Rüstungen.
Sie wendete Daray und schrie Holly zu, ihr zu folgen. Schneller als der
Wind schlängelten sie sich durch die Häuser und mehr als einmal
schlugen sie mit den Beinen an die Hauswände. Amber wusste nicht,
wohin sie ritten, doch sie folgte ihrem Instinkt. Als sie endlich wieder
auf die Hauptstraße fanden, konnten sie das nördliche Stadttor
sehen. Mit Höchstgeschwindigkeit ritten sie hinaus auf die Felder.
Aus dem Augenwinkel erkannte Amber Aiden, versteckt im Schatten eines Hauses,
der ihnen nachsah.
"Ich hätte nicht gedacht, dass du meine Sachen erkennen könntest",
sagte Holly im Schatten eines Baumes.
Amber polierte gerade ihr Schwert das von dem letzten Kampf noch
dreckig war. Als es glänzte erwiderte sie: "War ja auch nicht all
zu schwer. Einen Rucksack, einen Bogen und Köcher mit Pfeilen kann
ich ja noch erkennen."
Holly zuckte mit den Schultern. Sie waren nun in den Aluka Wald
geflüchtet. Im Aluka sollte es Untote geben, darum war er sehr gefürchtet.
Doch Holly und Amber kümmerte das nicht, so lange sie vor Aiden und
seinen Truppen sicher waren. Holly durchwühlte ihren Rucksack.
"Und danke auch für das Pferd, jetzt muss ich nicht mehr laufen!"
Amber nickte mit dem Kopf. "Nichts zu danken. Was hast du eigentlich
im Kerker gemacht?"
Langsam nahm Holly einen Wasserschlauch aus der Tasche. "Ich habe
drei Menschen getötet... meinen Vater, meine Stiefmutter und meinen
Halbbruder... willst du ein Schluck?"
Erst betrachtete Amber Holly und nahm dann den Schlauch. Sie hatten
sich, seit sie sich im Kerker kennengelernt hatten, auf Anhieb verstanden.
Sie gab Holly den Schlauch zurück.
Als sie dann auch ihren Durst gestillt hatte, meinte Amber: "Wieso?"
Stille folgte.
"Mein Vater tötete meine Mutter, als ich noch ein kleines Mädchen
war. Ich habe es selbst mit ansehen müssen. Er schlug mich, weil ich,
wie er sagte, ein nutzloses Weib war. Als er dann wieder heiratete, gebar
ihm meine Stiefmutter einen Sohn. Er schlug mich nicht mehr, aber behandelte
mich immer noch sehr schlecht, genauso wie meine Stiefmutter und mein Halbruder."
Sie machte eine kurze Pause. "Dann fanden sie einen Ehemann für mich,
sie sagten, dass ich dann doch einmal im Leben nützlich sein würde.
Ich konnte mich nicht mehr beherrschen und erschlug sie..."
Lange sahen sich beide in die Augen.
"Ich kann dich verstehen", antwortete Amber auf Hollys fragenden
Blick und damit war das Thema für alle Ewigkeiten abgeschlossen. "Lass
uns weiterreiten, Aiden wird denn Wald nicht scheuen. Wohin möchtest
du jetzt eigentlich?" fragte Amber sie nach einiger Zeit.
Nach Osten blickend erwiderte Holly: "Ich weiss es nicht..."
Sie waren schon tief in den Wald eingedrungen als die Abendsonne
unterging. Sie sattelten ihre Pferde ab und errichteten ihre Lager. Als
Amber das Feuer angezündet hatte, kam Holly mit zwei Wildgänsen.
Als sie satt waren legten sie sich ans Feuer. Es war warm und gemütlich
doch trotzdem fühlten sie sich unbehaglich. Etwas flatterte in den
Bäumen. Schon wieder dieser dämliche Vogel, dachte Amber
als sie den Raben erblickte. Sie versuchte zu schlafen, doch immer wenn
sie die Augen schloss, kam ihr ein komisches Gefühl. Nach einiger
Zeit stand sie dann auf und lief durch den dunklen Wald. Plötzlich
fand sie sich in einer festen Umarmung. Sie drehte sich um und sah Aiden,
der seine Arme um sie geschlungen hatte. Sie lächelte ihn an.
Auf einmal verwandelte sich Aidens gutausehendes Gesicht. Scharfe
Zähne kamen zum Vorschein, seine Augen wurden rot und die Haut blass
und verfault. Er grinste sie dämonisch an. Dann bohrte er seine Zähnen
in ihren Hals... Sie schreckte von ihrem Lager auf. Schweiß lief
ihren Hals herunter. Was für ein schrecklicher Albtraum. Sie wollte
sich wieder hinlegen, als es ihr eiskalt den Rücken herrunterlief.
Langsam drehte sie sich um. Finstere Gestalten mit roten Augen liefen durch
das Gestrüpp auf sie zu.
Sie sprang auf die Füße und ergriff ihr Schwert. Durch
den Aufstand wurde Holly geweckt. Sie sah sich verschlafen um, aber ihre
Augen weiteten sich, als sie die Schatten im Gebüsch sah. Bald stand
sie auch, ihren Bogen gespannt. Ein kleines Mädchen kam auf sie zu.
Zwei kleine Wunden waren an ihrem Hals zu sehen. Ihre Haut war zerkratzt,
das Kleid zerissen. In einer Hand hielt sie eine Strohpuppe und blickte
sie aus dunklen Augen traurig an. Ohne zu zögern liess Holly den Pfeil
durch sie Luft schwirren. Für einen Moment starrte Amber die Bogenschützin
verblüfft an. Der Pfeil traf den linken Arm des Mädchens,
die Strohpuppe fiel ihr aus der Hand, doch sie blickte die Gefährtinnen
immer noch an. Waffen nützten nichts. Das geschändete Kind grinste
und ihre Augen leuchteten wie glühende Kohlen auf. Immer mehr Kreaturen
kamen aus dem Wald. Manche mit zerfetzten Kleidern, andere mit feinen teuren
Gewändern, doch alle waren am verwesen.
Amber, Holly und die Pferde, die schon am durchdrehen waren, wurden
immer weiter zurück gedrängt. Plötzlich erschien auf einer
kleinen Anhöhung ein weisses Licht. Die leuchtende Masse verwandelte
sich langsam in einen silberschimmernden Wolf. Die Untoten blickten zu
ihm hinauf und wichen ängstlich in die Schatten zurück. Schattenläufer?
fragte Amber in ihren Gedanken.
Das Tier drehte sich zu ihr und eine Stimme in ihrem Kopf sprach:
Ja,
ich bin es. Ich schwörte deinem Vater, dich zu beschützen, dies
werde ich auch tun, soweit es in meiner Macht steht. Beeile dich, die Dämonen
scheuen mich, aber nicht für lange. Nimm dein Roß und reite
bis zum Morgengrauen, halte nicht an! Damit wendete sich Schattenläufer
wieder den Vampiren zu.
"Nimm deine Sachen und komm!" rief sie Holly zu.
Ohne zu Antworten nahm das Mädchen ihren Rucksack und den Köcher.
Als beide auf den Pferden saßen, drehte sich Amber noch ein letztes
Mal um und sah wie die Schattenwesen wieder aus ihren Verstecken krochen.
Dann jagten sie durch den Wald davon.
Eine Weile lang hörte man nichts anderes als ihren eigenen Atem
und das Aufschlagen der Hufe auf dem Waldboden. Amber dachten sie seien
entkommen, als sie ein schrilles Pferdewiehern hinter sich vernahm. Erschrocken
drehte sie sich um. Unzählige Pferde verfolgten sie. Ihre Reiter waren
die Blutsauger. Die Tiere waren genauso geschändet wie ihre Herren,
Hautfetzen hingen an ihnen herab und anstatt der Augen starrte man in leere
Augenhöhlen. Höllenpferde.
Daray und die Stute wurden langsam erschöpft und Holly schaute
zum Himmel. Gleich würde die Sonne aufgehen. Aber konnten sie die
Kreaturen so lange in trab halten?
Da spürte sie einen kalten Hauch in ihrem Nacken. Es war das
Mädchen mit der Strohpuppe. Ihr angeschossener Arm hing nur noch an
einem Muskelfaden. Ihre schwarzen Augen sahen sie blutrünstig an.
Als sie ihren Todesarm nach Holly ausstreckte, erhellte der erste Sonnenstrahl
den Wald. Mit einem Mal waren die Vampire und ihre Reittiere verschwunden.
Aus Furcht gallopierten die Gefährtinnen eine halbe Stunde weiter
bis die Pferde erschöpft zusammen brachen.
Sie schlug die Augen auf und sah grünes Grass. Dann drehte sie
sich auf die andere Seite und sah Holly, die noch schlief. Langsam kam
ihr der schreckliche Ritt ins Gedächtnis. Amber stöhnte auf und
schaute sich nach den Pferden um, sie grasten friedlich. Aber als sie den
Stand der Sonne bemerkte, erschrak sie. Es war schon Nachmittag! Sie hatten
den Morgen verschlafen und eine weitere Nacht wollten sie im Aluka ganz
sicher nicht verbringen. Sie weckte Holly, dann machten sie sich wieder
auf den Weg. Vorsichtig und mißtrauisch beobachteten sie die Bäume
und Sträucher am Wegesrand, aber kein einziger Aluka zeigte sich noch.
Als die Sonne unterging, trabten sie gerade an den letzen Bäumen
vorbei. Auf einer Anhöhe wendeten sie ihre Pferde und sahen zu, wie
die Welt in Dunkelheit gehüllt wurde. Ihre Blicke schweiften auf den
Waldrand. Rote Punkte starrten sie haßerfüllt an, kamen aber
nicht auf sie zu.
Zur eigenen Sicherheit ritten sie weiter, um nicht zu nah am Wald
zu lagern. Sie waren nun auf einer flachen Graslanschaft unterwegs und
weit vorne, thronte die Eisspitze. Als sie an ein paar Felsformationen
vorbei kamen, bemerkte Holly, wie ein Stein sich leicht bewegte. Daray
hatte wohl nichts gemerkt.
Doch da, der Felsen schwankte wieder. Amber näherte sich dem
komischen Stein, als dieser plötzlich aufsprang. Es war ein Felsentroll.
Amber und ihr Roß erschraken so sehr, dass sie angewurzelt
da standen. Die Kreatur brüllte und schwang seine Keule. Aber bevor
sich das Ungeheuer auf die beiden stürzen konnte, wurde sein Herz
von einem Pfeil durchbohrt und er verwandelte sich in Stein. Es war Hollys
Pfeil gewesen.
Nachdem Amber sich von ihrem Schock erholt hatte und am warmen Feuer
saß, nahm sie Hollys Hand und sagte: "Ich danke Dir, meine teure
Freundin. Ich schulde dir mein Leben!"
"Nein, du hast mich zuerst gerettet, in Glynis, als ich dem Stadtrat
vorgeführt werden sollte! Ich wäre am Galgen erhängt worden...
Ich bedanke mich zutiefst", erwiderte das Mädchen und blickte auf
das Feuer.
Amber ging zu ihrem Rucksack und holte einen kleinen Golddolch heraus.
"Es ist eine Sitte bei den Amazonen, dass, wenn sich zwei Frauen, die sich
unter schwierigen Umständen kennen gelernt und sich gegenseitig das
Leben gerettet haben, ihr Blut vermischen und somit zu Blutsschwestern
werden." Damit schnitt sie sich in den Finger und reichte den Dolch Holly.
Spät in der Nacht lag Amber noch lange wach und sorgte sich
über Aiden, dem Hauptmann, der ihr wahrscheinlich folgte. Immer wenn
sie an sein blondes Haar, die gutmütigen, honigbraunen Augen und die
starken Hände dachte, wurde ihr Herz erwärmt. Als sie sich dabei
ertappte, wie sie ihn in Gedanken küsste, fragte sie sich, was denn
eigentlich los sei. Was sie nicht wusste, war, dass ein junger Hauptmann
irgendwo in einem düsteren Wald genau das selbe dachte.
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