Nepumuk und Argon von Birgit Sommerkamp
Eine neue Heimat

Merlin hatte es nicht leicht, seiner Aufgabe gerecht zu werden. Drachen und Einhörner hatten sich mittlerweile so verteilt, dass er sich gezwungen sah, jede einzelne Nebelwolke, jeden Sternenhaufen und jeden noch so unbedeutenden Asteroiden abzusuchen. Viel schwieriger als das, war es aber, alle davon zu überzeugen, dass sie ihm folgen sollten. Erschöpft und völlig deprimiert hatten viele einfach nur noch den Wunsch, dort zu bleiben, wo sie gerade waren, und ihr Ende abzuwarten. Merlin bot seine ganze Überredungskunst auf. Er erzählte ihnen, dass Phantasie sich bemüht hätte, ihre neue Heimstätte der Alten so ähnlich wie möglich zu gestalten. Er benutzte die ganze Macht seiner Magie, um ihnen in bunte Bilder ihre zukünftige Heimat zu zeigen. Geduldig erklärte er ihnen, warum er sie nicht direkt in den Garten der Phantasie bringen konnte, sondern sie zuerst zu dieser Art Sammelplatz bringen musste, der allerdings ihrem Ziel schon relativ nahe war. Er verhehlte ihnen allerdings auch nicht, dass sich zuerst die uralte Weissagung erfüllen müsse, bevor sie die letzte Etappe ihres Weges antreten konnten. Lange Zeit hatte Merlin keinen Erfolg. Niemand wollte so recht einsehen, dass ihr weiteres Schicksal von einem leichtsinnigen, kindischen Einhorn und einem unbedeutenden, noch dazu des Feuerspeiens unkundigen Jungdrachen abhängen sollte. Doch dann fand er den einen oder anderen Anführer, der nicht nur bereit war zuzuhören, sondern Merlin in seinen Bemühungen unterstützte und gemeinsam mit Ihnen gelang es dann endlich, die Verstreuten in die Nähe des Sternbildes Pegasus zu bringen. Dragon und Helios erreichten den Asteroiden als Letzte. Obwohl beide während ihrer langen Reise mehrfach überlegt hatten, ob eine Versöhnung ihrer Rassen nicht doch der Suche ein positives Ende gegeben hätte, waren sie nicht bereit, aufeinander zuzugehen und Frieden zu schließen. Im Gegenteil, der alte Groll entflammte zu neuem, heftigem Streit. Merlin gebot ihnen mit donnernder Stimme Halt. Vor Zorn sprühten helle Funken aus seinen sonst so gütigen Augen. "Begreift ihr denn immer noch nicht, wohin Euch diese alte, dumme Fehde geführt hat? Meint Ihr, es hat mir Spaß gemacht, Euch in allen Winkeln des Universums zu suchen und hierher zu bringen? Jeder von Euch erhebt den Anspruch auf Weisheit, doch in Wirklichkeit seid Ihr nichts anderes als engstirnige, verbohrte Egoisten." Merlin schwieg und schaute Dragon und Helios forschend an. Seine Rede schien Wirkung zu zeigen. Doch kaum hatte ihnen dieser den Rücken zugewandt, ging der Streit von vorne los. Diesmal musste Merlin die beiden Streithähne durch einen gezielten Blitz trennen, bevor sie auf einander losgingen. Wenn jetzt nicht bald Nepumuk und Argon in Aktion traten, dann gab es wirklich keine Hoffnung mehr. Merlin starrte gebannt in Richtung Pegasus, dessen Sterne und Nebelschleier ein sanftes Licht verbreiteten. Er wartete.

Nepumuk hatte unterdessen Argon eingeholt. "Argon, du verdammter.....", das Wort "Idiot" blieb ihm im Halse stecken. Verblüfft schaute er sich um. Die Nebelwolke dort kannte er, und den kleinen grünlichen Asteroiden auch, beide hatte er auf Quarzals Sternenkarte gesehen. "Du, ich glaube, ich weiß jetzt, wo wir sind. Komm schnell, wir müssen dort entlang." Er wies auf eine fluoreszierende Gaswolke. Jetzt war es Nepumuk, der seinen Weggefährten zur Eile antrieb. So schnell er konnte, setzte er sich wieder in Bewegung. Vor lauter Aufregung bemerkte er dabei nicht, dass sich Argon bei dem von ihm angezetteltem Wettlauf, total verausgabt hatte und seinem Gefährten nur mühsam folgen konnte. Nepumuk wurde immer schneller, bald lag die Gaswolke hinter ihm und dann sah er endlich das Sternbild des Pegasus vor sich. Er steuerte eine rötliche Nebelwolke in dessen Zentrum an und ließ sich elegant darauf nieder. Erst jetzt fiel ihm auf, dass Argon nicht direkt hinter ihm war, wie er geglaubt hat. Aufmerksam spähte er in die Richtung aus der er gekommen war, aber von seinem Reisegefährten war keine Spur zu entdecken. Er musste lange warten, bis auch Argon das Ziel erreichte. Völlig erschöpft brach dieser zusammen. Besorgt schaute Nepumuk auf seinen Gefährten nieder. Argon konnte nicht einmal mehr seinen Kopf heben. "Los, geh schon, ich bleibe hier", keuchte er. "Ich kann nicht mehr weiter. Hätte ich nur auf dich gehört." Argons Stimme sank zu einem Flüstern zusammen. "Ich bleibe bei dir", erwiderte Nepumuk. "Ich lasse meinen Freund doch nicht im Stich." Er breitete schützend seine Flügel über Argon aus, dann schloss auch er erschöpft seine Augen. Plötzlich geschah etwas Seltsames. Eine Aureole aus goldenem Licht umgab die beiden ungleichen Freunde, ein schmales, blasses Lichtband stieg auf und streckte sich einem fernen glitzernden Stern entgegen. Je weiter sich das Lichtband jedoch von dieser Aureole entfernte, desto schwächer wurde es und bald war es nicht mehr zu erkennen. Die Aureole selbst strahlte allerdings immer heller und nahm die Form eines gewaltigen Pegasus an.

Endlich! Genau auf diesen Augenblick hatte Merlin gewartet. Er deutete auf die Erscheinung und forderte Dragon und Helios auf, ihm zu folgen. Widerstrebend taten die beiden Kontrahenten, was Merlin verlangte. Doch wie erstaunt waren sie über das Bild, was sich Ihnen bot, als sie den Ursprung des Lichtes erreichten. Dort lagen Dragons Sohn und Helios Bruder friedlich vereint. Beschämt senkten beide ihre Köpfe. Jetzt erkannten sie, wie falsch ihr Verhalten gewesen war. "Dragon, verzeih mir", brach Helios als Erster das Schweigen. "Lass gut sein, Helios", erwiderte Dragon, "wir wollen nicht mehr zurückblicken. Dort", er wies auf die Schlafenden, "liegt unsere Zukunft." Bei diesen Worten dehnte sich die Aureole weiter aus und erfasste auch Helios und Dragon. Das schmale, blasse Lichtband wurde zu einem hellstrahlenden Bogen, der sich jetzt deutlich sichtbar bis zu jenem fernen, glitzernden Stern erstreckte. Der Weg zum Garten der Phantasie lag nun endlich offen vor ihnen. Voller Ungeduld wartete man, bis sich Nepumuk und Argon von ihrer Erschöpfung erholt hatten. Faflar war überglücklich, ihren Sohn wieder zu sehen und Helios konnte nicht umhin, den Mut und die Ausdauer seines Bruders zu loben. Dann strebten alle voller Erwartung ihrer neuen Heimat entgegen, wo Phantasie bereits sehnsüchtig auf sie wartete.
 

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Und gleich weiter zum ... *ups* nein, die Geschichte ist hier ja beendet... ;-)

Aber vielleicht interessiert Euch ja die Homepage der Familie Sommerkamp? :-)
(mit Fantasy-Abteilung)

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