Ring des Todes von Benedikt Julian Behnke

1565 Gordolon

Sein Pulsschlag raste, sein Herz schlug ihm bis zum Hals, als er sah, wie die winzigen rot-gelben Punkte in der Ferne über die Hügel der 'Moorwellen' flogen. Sie wirkten wie kleine Glühwürmchen, doch leider sah die Realität ganz anders aus. 

Schnell, schneller als Schatten, tanzten die Lichter über dem Moor auf und ab, vollführten große Kreise und blieben manchmal sogar starr am Fleck stehen. Langsam konnte er, Dragorn, erkennen, wie viele es waren, nämlich zwölf, unheimlich und beängstigend, fast wie Geister schwebten sie dahin. Dragorn tat ein paar Schritte vom Pfad, der durch das Moor führte, der ausgetrampelt und mit dunklem, schleimigem Gras bewachsen war, zurück, duckte sich beim Laufen leicht, um sich von der vielleicht nahenden Gefahr zu schützen. Hinter ihm ragte ein mächtiger Wald empor, dessen Stämme alt und knorrig und mit dichtem Moos bewachsen waren. Silbenmoorwald nannte man ihn und er entsprang den tiefen des Moores, was einst ein Stausee war, der schließlich durch den Wall gebrochen war, sich aber nicht ganz vom Land entfernt hatte. Mit der Zeit entstanden viele, kleine Teiche, die mit seltsamen Schilfpflanzen bewachsen und deren Wasser trüb waren. Durch diese Gewässer, so hieß es, streiften oft die gefährlichen Wächter des Höllenschlundes, ein schwarzer, wolkenverhangener Berg, der hinter den Sumpflanden aufragte und in dem eine Höhle geschlagen worden war, die viele Millionen Kilometer tief sein und in welcher der finstere König Kauladin seine Gemächer haben sollte.
Natürlich war das alles nur ein Hirngespinst der Bauern, die ihn hier hergeschickt hatten, um diesen verdammten Ring zu finden, der in einem der vielen Teiche gefallen war und dem Magie zugesprochen worden war. Seit Dragorn’ s Herr, der König der Gleishad – Gefildes, ihn abkommandiert hatte, den Dorfbewohnern beim Bau der Bauernburg zu helfen, hatte es nur Ärger gegeben, ständig wollten die einfachen Leute Gold- und Silbermünzen von ihm stehlen, von denen er selber nur wenige besaß, oder es gab irgend ein Problem, das die Leute nicht alleine beheben konnten und so musste er sich jedes mal tierisch ins Zeug legen, um diesen nervenden Gestalten zu helfen, wie zum Beispiel letztens, als ein Pfeiler der Palisadenwand umkippte und einen der Dörfler im Schlamm begrub. Keiner konnte den Balken wegräumen und so musste Dragorn ran und sich in den Matsch werfen, um den armen Kerl freizuschaufeln und den Stamm wegzudrücken.
Aber das eigentliche Erlebnis, was ihn hierher brachte, war, als die Tochter des Goldschmiedes von ihrem Vater einen Ring mit angeblichen Zauberkräften erhalten hatte, die sich nur bei Vollmond zeigten. Diesen hatte sie bei einem morgendlichen Spaziergang durch den Sumpf verloren und natürlich war sie auch gleich zu ihm gekommen und hatte ihn angebettelt ihr zu helfen, da keiner der anderen Landsleute Kampferfahrungen hatten und es nachts hier nur so von Dämonen und Geistern wimmelte, hatte er schließlich zugesagt und war unter äußerst schwierigen Begebenheiten, die ihm anstrengend erschienen, zu den Ufern des Moores gelangt.
Dragorn duckte sich hinter eine besonders große und knorrige Wurzel und beobachtete die Lichter, die sich beim näherkommen als ziemlich menschliche Wesen entpuppten. Diese Menschen schienen schwer bewaffnet und mit dicken Rüstungen bekleidet zu sein und man musste sich fragen, wie diese spindeldürr erscheinenden Gestalten so eine gewaltige Montur tragen konnten. Auch, das konnte Dragorn jetzt erkennen, waren die seltsamen, wie Glühwürmchen erscheinenden Lichter Fetzend von hellgelber Magie, welche sich in kleinen, leuchtenden Punkten um die Spitzen der gewaltigen Speere der Wesen drehten, und ein schummriges Licht aussandten. Es waren Reiter, auf teuflischen Gäulen, die still wie der Tod wankten und langsam, mit geisterhaft vorsichtigem Tempo ihre Wege durch den Sumpf fanden. Diese Reiter waren eigentlich keine Menschen mehr, erkannte Dragorn jetzt, wankte geschockt und mit Angstschweißausbrüchen auf der Stirn zurück, da es reitende Skelette in Rüstungen mit scharfen Eckzähnen waren, zwölf an der Zahl, welche die Leere in ihren Augenhöhlen gefangen zu halten schienen.
"Die Wächter des Höllenschlunds...", stotterte Dragorn, schluckte und fühlte sich wie zu einer Salzsäule erstarrt, torkelte gefühllos zurück und stockte dann am ganzen Leib zitternd unter einer großen Kiefer, die schwarz und finster in den kühlen Nachthimmel aufragte.
Langsam versuchte er sich zu fassen, denn die Gestalten schien ihn gesehen zu haben, bewegten sich mit der genausten Präzision auf ihn zu, während sie die Spieße in ihrer knochigen, bleichen Hand drehten und wendeten. 
"Du musst es schaffen!", sagte er mit gepresster Stimme zu sich selbst, während er versuchte die Muskelkrämpfe in seinem Körper zu bändigen. Stockend bewegte er die Hand, wie als würde er nur für Sekunden aus der Lähmung erwachen, zu seinem breiten, ledernen Gürtel, an dem sein Sarazenenschwert geheimnisvoll prangte. 
Aber kurz bevor er den Griff erreicht hatte, jagte ein ohrenbetäubender Schmerz durch seinen Arm, von der Hand aus bis zur Schulter und in seinem Inneren schien etwas fürchterlich laut zu knallen und dann alles leicht zu werden. Die Verkrampfung aus seiner Hand ließ augenblicklich, aber mit einem schmerzhaften Knacken nach und er konnte sein Schwert völlig packen, es schwungvoll aus seiner Scheide ziehen und seinen kurz aufblitzenden Glanz bewundern. Seine Augen blinzelten ungläubig, als seine Angst völlig nachließ und eine ungewohnte, fast spöttische Kühle wiederkehrte. Ein Lächeln, vielleicht das erste seit zwei Tagen, huschte über seine Lippen und blieb da für einen ungezwungenen Augenblick haften. 
Noch immer hielten die unheimlichen Reiter mit den flammenden Speeren auf ihn zu, doch jetzt waren sie nicht mehr für ihn unheimlich, sondern einfach nur noch Skelette, in denen noch ein Funken Leben steckte, das er jetzt einfach aushauchen konnte. Ein leichter Windstoß blies seine langen, schwarzen Haare auseinander und sie ordneten sich wie von alleine wieder hinter seiner Schulter. Der erschöpft grinsende Gesichtsausdruck blieb und er ließ das Schwert in einer Übung kurz durch die Luft sirren, und trat in Kampfstellung, während ihm der erste Reiter schon sehr nahe gekommen war. 
In einer einzigen, blitzschnellen Sekunde stach der Wächter mit seiner magischen Waffe nach ihm, die viel länger als zuvor zu sein schien und zerfetzte sein Hemd. Fast währe er, Dragorn, es gewesen, der zerfetzt worden, währe, wenn er nicht eilig gehandelt hätte und ausgewichen wäre. 
Nun hielt der Dunkle in der geschickt ausgeführten Bewegung inne und zischte dem bereiten Krieger zu:
"Ein schöner Tag zum sterben, nicht wahr?"
Das Geräusch, was er beim Sprechen machte, war höllisch und hörte sich an, als wäre ein Eiswürfel in einem Glas mit Wasser zersprungen.
Schon das nächste Rühren des Teufels, hätte den Ringsucher töten können, da sich die Lanze in einem unaufmerksamen Moment seinerseits in seine Brust gebohrt und Rippen zerstoßen hatte, die sich nun mit einem Film aus giftigem Eis umschlossen fühlten. Das war die Magie der toten Wächter. Der Schmerz explodierte in seiner rechten, nun stark blutenden Brust und begann sich weiter in ihm auszubreiten.
Dragorn presste das Leid in einem einzigen, aber langandauernden Schrei heraus, versuchte gegen die Magie anzukämpfen, während er den breiten, hölzernen Pfahl mit einem Ruck aus sich herausriss und dicker, Blutstrom aus der Wunde schoss und er fast die Besinnung verlor, doch ein Schlag mit dem Speer des zweiten Reiters gegen seine Schläfe, riss ihn aus seiner Besinnungslosigkeit und ein Dröhnen drang durch die linke Seite seines Kopfes und er vernahm das leise Geräusch von zu Bruch gehenden Knochen.
"Jetzt noch nicht!", brüllte der zweite Reiter dem ersten mit der eisigen Stimme zu. "Wir wollen noch unseren Spaß mit dem Kerlchen hier haben!"
Die nächste Geste des Dunklen ließ Dragorn erstaunen, denn der Teufel legte doch tatsächlich die Hand auf seine Brust, drang in ihn ein wie durch nichts, befühlte den Schlag des Herzens, umklammerte es schattenhaft und riss es mit einer fast sanften Handbewegung heraus, doch seltsamerweise verlor der Ringsucher kein Blut und erlitt auch sonst keinen weiteren Schmerz, eher wurde ihm der alte genommen und kein Gefühl war mehr in seinem Körper. Alles erschien ihm unheimlich, doch damit kümmerte er sich nicht mehr, da war nur noch diese durchdringende Leere in ihm, die ihn zu bestrafen schien und sein Leben in Ketten hielt und ihn einfach nicht sterbend zusammenkrachen ließ.
"Nun bist du ein Unsterblicher!", gurrte der Reiter mit diesem leichten, hohlen Zischen in der frostigen Stimme und grinste hämisch. "Du wirst nun tun, was wir von dir verlangen, oder dein Leben auf dieser Welt ist für immer verwirkt, Diener!"
"Und so lange wir dein Herz in der Hand und deine Seele in Ketten halten, bist du es... Unser Diener! Willenloser! Schmarotzender Untertan!", schallte der dritte und machte eine wegwerfende Geste mit der knochigen Hand. "Du wirst uns in den Höllenschlund folgen und uns deinen Körper zum Spielen überlassen, oder du siehst kein Tageslicht mehr... Ach und gib mir dein Schwert! Es ist gut, ich werde es gebrauchen können!"
Willenlos warf Dragorn es ihm zu, wobei seine Muskeln schlaff und wie tot erschienen. Das Skelett fing die Waffe in der Luft auf und betrachtete es kurz, warf es aber dann doch in einen der sumpfigen Tümpel, spuckte und schüttelte den Kopf.
"Schlechtes Material! Brauche es doch nicht... Was hast du sonst noch bei dir, Unsterblicher?"
Der Ringsucher ließ seine Arme am Körper herunterbaumeln und der lederne, kleine Rucksack rutschte ihm von den Schultern, landete mit einem dumpfen Scheppern auf dem Boden. Danach öffnete er ihn gehorsam. In ihm befand sich eine Flasche Wasser, ein harter Kanten Brot, eine angebissene Wurst und drei Möhren. 
"Gib her!", befahl der vierte im Bunde der zwölf Reiter und öffnete die Hand, um die Nahrung in Empfang zu nehmen. 
Dragorn nahm den Rucksack und warf ihn dem Reiter zu, der ihn geschickt auffing und darin herumzuwühlen begann. Derweil fiel dem Ringsucher eher unbewusst auf, dass der, welcher sein Herz genommen hatte, einen Käfig in den Klauen hielt, der schwarz und dünn verziert war. In ihm war ein schattenhafter Nebel, ständig zu wallen schien und sich um einen kleinen, rötlichbraunen Gegenstand zu kräuseln schien. Es war sein Herz. Sollte er es schaffen, dem Wesen den Käfig aus der Hand zu stoßen und sein Herz zu ergreifen, könnte er wieder Herr über sein Tun werden.
"Warum frisst du Karotten?", fragte der zweite den vierten bösartig geifernd. "Du weißt doch genau, dass es dir nichts bringt, Nahrung aufzunehmen!"
"Sie machen guten Augen!", gab der vierte lauthals schmatzend zur Antwort und in dem Moment glommen seine Augen blutrot auf. 
Dragorn dachte weiter angestrengt über sein Herz nach, doch bevor er einen rechten Entschluss gefasst hatte, reckte der mit dem Käfig blitzschnell den Hals hinab zu dem Ringsucher, funkelte ihn aus garstig glühenden Augenhöhlen an und fragte in schimpfenden Ton belauernd:
"Du da, he, woran hast du gerade gedacht?"
Er erschrak, er hätte damit rechnen müssen, dass die Teufel auch seine Gedanken lesen konnten und handelte schnell. Er stieß dem Reiter die Stirn gegen das Nasenbein, was sofort zu brechen schien, ihn aber überhaupt nichts spüren ließ, da er ja unsterblich war, sodass dieser den Käfig in hohem Bogen in Richtung Sumpf fallen ließ und fast vom Pferd fiel. Die anderen schwarzen Hengste keilten erschrocken aus, wieherten feurig und stießen Feuerzungen aus den Nüstern, die zwei der Reiter lodernd in Brand setzten. Sie kreischten, schlugen wild um sich, ein Pferd galoppierte verstört davon und die Hufe donnerten auf den Erdboden. 
Dragorn hechtete dem Käfig hinter her, fing ihn mit beiden Armen auf, während sein Herz wieder in ihn hineinglitt und hell aufleuchtete, als es wieder zu schlagen begann. Er selbst kullerte stöhnend und zugleich luftholend in das dreckige Wasser des Sumpfes und tauchte notgedrungen hinter einem Schilfgebüsch wieder auf. Sein Herz raste und jeder Schlag jagte ihm Schmerzen durch die Arterien, weil endlich wieder Blut in ihnen floss und der Ringersucher atmete schwitzend tief ein und aus, um den Herzschlag wieder seinem Atemrhythmus anzupassen. Die zwölf Reiter suchten noch immer lauthals fluchend nach ihm, während er spürte, dass die Kette um seine Seele sich auch langsam aufzulösen begann. 
Plötzlich ertasteten seine Finger zwischen Algen, Schlamm und Getier einen scharfen Gegenstand im Wasser, der halb im Boden steckte. Dragorn umfasste ihn und förderte ihn zu tage. Erleichtert atmete er auf, es war sein Schwert. Er hatte einen spontanen Einfall und tauchte kurz unter, um nach einem Stein oder etwas ähnlichem zu suchen. 
Er fand einen Ast, der sich mit Wasser vollgesogen hatte und deshalb ziemlich schwer war. Schnell entfernte er die Algen und wollte gerade loslegen seinen Plan auszuführen, als er tappende Schritte auf sich zukommen hörte. Reflexartig versenkte er seinen Körper etwas tiefer in das trübe Wasser, sodass nur noch sein Kopf von der Nasenspitze anzusehen war. Das musste reichen, den Rest würde das Schilf erledigen. 
Es war einer der Reiter, der auf seinem dunklen Tier am Rande des Gewässers suchte, den Kopf leicht vorn übergeneigt, die Zügel nur locker in Händen haltend. Seine Blicke streiften die Umgebung genau, schienen sie geradezu zu durchkämmen. 
Dragorn sah durch eine Lücke im Schilfgebüsch, wie die Hufe des Rosses ungeduldig im Boden scharrte und schnaubende Geräusche machte, die leichte Rauchfahnen aus den Nüstern aufstiegen ließen. Der Schweif knallte und schlug warnend um sich. Das Skelett senkte den Arm mit dem magisch glühenden Speer, beleuchtete den Boden, um nach möglichen Spuren zu suchen, die der Ringsucher womöglich ins Gras getreten hatte. Es fand zwar keine Fußabdrücke, dafür aber Schleifspuren, die Dragorn hinterlassen haben musste, als er in den Tümpel gekullert war. Der Kämpfer schluckte seine Bedenken herunter und versuchte seinen Kopf etwas zu drehen, um sich nach den anderen Teufeln umzusehen. Tatsächlich entdeckte er einen weiteren, der sich ihm aber abgewandt hatte und dessen Pferd anscheinend  davon gelaufen war. 
In dem Moment kam der leuchtende Speer dem Sucher gefährlich nahe und er spürte, wie das heiße Leuchten der Magie seine erst vom Schlamm nasse Stirn trocknete. Jetzt war der Moment gekommen, das Wesen hatte ihn entdeckt und ohne weiter zu überlegen, ergriff er den Speer und zerrte seinen Gegner, bevor der auch nur einen Ton herausbekam, ins Wasser. Es spritzte und der Klatsch musste mindestens drei Reiter aufmerksam gemacht haben, doch bevor sich der naheste umgedreht hatte, ein abgewetztes Breitschwert in den zu Klauen gekrümmten Fingern, hatte Dragorn erst dem Skelett den Hals umgedreht, sodass der Kopf vom Körper flog und sich dann am Halfter des Pferdes in den ersten Steigbügel gezogen. Er schwang sich nicht ganz hinauf, sondern verharrte so und ließ das Pferd ein paar Schritte weitergehen. Der Reiter, dessen Pferd davon gestürmt war, hatte sich vollends umgedreht und erblickte jetzt nur noch einen herrenlosen Gaul, der am Ufer trabte, Dragorn sah er nicht, da dieser vom Körper des Pferdes verdeckt wurde.
"Was ist da...?", wollte der verunsicherte Wächter sagen, bemerkte aber ein deutliches Knacken, was sich im Gebüsch unweit des Moores abspielte und das Dragorn erzeugt hatte, indem er den Stock, den er aus dem Wasser gezogen hatte, als Ablenkung dort hingeschleudert hatte. Er, der höllische Wächter, lächelte bösartig und siegesgewiss, trat leise auf und kam der Hecke nähere, während er des Breitschwert in der Hand wog und sich schon auf den Schlag vorbereitete.
"Hast wohl schon einen von uns erwischt?"
"Nein, zwei!", erklang die Stimme des Ringsuchers, der sich nun ganz auf das schnaubende Tier gezogen hatte und den magischen Speer, den er dem Kopflosen abgenommen hatte, mit einem Kräftigen Ruck seines Armes auf den Feind schleuderte. Das Wurfgeschoss verhakte sich in dessen Rippen und er wurde durch die Wucht mitgezogen und an dem nächsten Baum aufgespießt, doch noch lebte er.
"Das... ist... eine Lüge! Lüge...!"
Dann war es vorbei, Dragorn hatte dem garstig grinsenden Wesen das Haupt abgeschlagen, welches nun am Boden herumkullerte. Kaum hatte der Mensch dem toten Körper ein verträumtes Lächeln geschenkt und mit der Zunge geschnalzt, um sein Pferd voranzutreiben, da schoss eine schwarze Gestalt aus dem Gebüsch, welche zweifellos ein Skelett mit einem schwarzen Umhang war, umschlang ihn mit beiden Armen in einem stählernen Griff, sodass er vom Pferd auf den Boden krachte und der Schwarze seine Langen, nadelspitzen Eckzähne in seine Halsschlagader schlug, wobei er blutdurstig zischte und kalt und verfault hauchte:
"Weißt du... Auch wir müssen einmal essen... Aber nicht so wie ihr... Es gibt uns Leben..."
Schon der erste Tropfen blut, der dem Wesen die Kehle benetzt hatte, ließ ihn deutlicher werden (d.h.: Es begannen wieder Fleisch und Muskelfleisch an ihm zu wachsen.). Adern pflanzten sich durch Fleisch und Knorpelmasse und so länger das Wesen saugte und trank, desto menschenähnlicher wurde es.
"Weißt du...", begann es wieder, als es absetzte um kurz Luft zu holen, Dragorn immer noch fest im Griff seiner stählernen Klauen, "wir haben Jahre Lang keinen Lebenden mehr...", er schien vor dem Wort zurückzuschrecken, "...ausgesaugt..."
Es schien unheimlich lange zu dauern, bis er diesen Satz zuende gesagt hatte und diese Zeit nutzte der Ritter, um nachzudenken, was ihm aber schwer fiel, da er einen hohen Blutverlust erlitten hatte und er jetzt erst den Schmerz verspürte, der ihm die ganze Zeit im Körper gebrannt hatte, zum Beispiel, als er sich an der Klinge seines Schwertes geschnitten hatte, oder als er zweimal zu Boden geworfen wurde. Die ganze Erschöpfung der letzten beiden Tage loderte in ihm, doch die Wunde in der rechten Brust, die ihm der Speer zugefügt hatte, die war auf wundersame weise verheilt, hatte sich geschlossen, als er für einen kurzen Moment ein Unsterblicher in den Fängen der Teufel war. 
Er erinnerte sich an die saugenden Geräusche, die es gab, wenn das Wesen ihm an den Hals fiel und die Eckzähne in ihn schlug, erinnerte sich an das Gefühl, welches er dabei empfunden hatte, die grabenden Regungen der Zähne in seinem inneren...
Nun wusste er, dass er einen Entschluss fassen musste, also stieß er sein Schwert in den Rücken des langsam zu Fleisch gewordenen Reiters in der schwarzen Kutte und stieß auf größeren Wiederstand als bei den Skeletten, da die Muskeln und das Fleisch dem Kerl einen besseren Schutz boten. Der Dunkle zuckte zusammen, krümmte sich nach hinten, seine Augen waren Blutunterlaufen und nun sah Dragorn auch, dass die Haare des nun menschlichen Wesen vor ihm dunkel und wirr waren, die Nase hakenförmig. Er erschrak, als er sah, dass der Blutdurst in den Augen seines Gegenübers verschwunden war und sie statt dessen einen glasigen Dunst in sich beherbergten. Kleine Blutrinnsale tropften von den Eckzähnen herab und vermischten sich mit dem Blut, welches aus der Wunde an seinem Hals lief. Der Körper sackte über ihm zusammen, schien leblos, doch dann krallte sich die eiskalte Pfote des Mannes in seinen durchlöcherten Lederpanzer.
"Nun bist du einer von uns...", hauchte er, "aber wenn man dir den Kopf abtrennt", er machte ein zischendes Geräusch, als wolle er darstellen, wie sich es anhörte, wenn es passieren sollte, sozusagen ein kleiner Vorgeschmack, "bist du ganz tot..."
"Nein!", brüllte Dragorn auf, stieß den verrückt kichernden Mann von sich weg, sprang in der gleichen Bewegung auf die Füße, machte eine horizontale Bewegung mit dem Sarazenenschwert und der Kopf des Reiters kullerte über den Boden. Der Blutfluss hatte den Boden benetzt und sofort durchstieß ein Energiestrom von Kraft durch den Körper des Ringsuchers, der sich deshalb aufbäumte, brüllend und schnaubend, alle Muskeln bis zum zerreißen anspannend. Die Verletzung an seiner Seite heilte schneller als er es vermutet hatte und etwas anderes geschah auch noch, er fühlte, es musste mit seinem Oberkiefer zu tun haben, riss sein Maul auf und schickte einen dröhnenden Schrei zum Himmel, der mehr als Schmerz und Rache in sich trug. Lange Eckzähne prangten in seinem Mund, standen Heraus wie bei denen eines Wolfes, zum Packen, durchlöchern oder gar töten gedacht. Ein Gewitter zog blitzschnell auf, doch statt dass es zu regnen begann, wallten die Wolken hellbraun, kupfergelb und bronzefarben, grau lag in den schattigeren Ecken und aus der tobenden Wolken und Nebelmenge formte sich ein Gesicht, eine Fratze, die das höchste Grauen darstellte und in dem Moment, in welchem ein Blitz, hell und gleißend, vom Himmel schoss, seinen Bahnen bis hinunter zum Festland setzte und dann direkt auf Dragorn einschlug, der die Arme empfangsfreudig hinaufreckte, suchte sich Blut in seinen Augen den Weg, durchspülte die Pupillen, sodass statt der gewohnten Augenfarbe ein teuflisches Rot entstand. 
Das Gesicht öffnete den Mund, um mit einer dröhnenden, tiefen, allmächtig herrischen Stimme zu sagen:
"Mein Krieger des Todes, von dir verheißt die Prophezeiung, dass du einst kommen wirst, wenn sich der Mond blutrot gefärbt hat und sich die gewaltigen Schatten des Bösen über die Landen gelegt haben! Nimmst du an?"
"Ja!", schrie Dragorn, ein grausam tierisches Brüllen in der Stimme, was noch vom Höllenschlund her hallte.
"Dann vereinige dich mit dem Ring des Todes, oder verfalle auf ewig der Hölle!"
"Satan würde ewig vor mir erzittern, mein Herr und Gebieter! Gebt mir den Ring des Todes!", rief er, die Hand wie zum Schwur erhoben.
"Nimm so den Ring des Todes, Totenmeister!", sagte die Stimme und aus den Wolken formte sich ein Hand, die zu einer riesigen Klaue gekrümmt war und sich über den nun tosenden Wassern des Sumpfes hin und her bewegte. Das Wasser teilte sich an einer Stelle, öffnete sich erhaben und ein dämonisch glühender Ring verließ die Tiefen des Tümpels, schwebte durch eine Handbewegung des allmächtigen, reinen Bösen über dem Schilf, was sich wie bei Sturm und Wind bewegte, hinweg und Dragorn brauchte nur die Hand auszustrecken, damit das magische Schmuckstück auf sein Finger gestreift wurde. Flammen schossen aus dem Ring, legten sich wie eine dunkle Aura dicht um den Totenmeister, dessen Aussehen einer Leiche gleichte, die so mit Kraft und Energie gestopft war, dass es so aussah, als würden die Muskeln jeden Moment unter der geballten Power platzen. Die Kleider hingen ihm in Fetzen und dreckverschmiert und verkrustet vom Körper, sein  Schwert abgenutzt und doch scharf, wie ein Blattchen rostiges Metall, das immer noch hart und unzerstörbar war, was Blutvergiftungen hervorrief in kleine, besonders spitze Splitter in die Haut dringen ließ...

1612 Gordolon – Legende von Dragorn dem Totenmeister

Die Menschen sagten, das schiere Grauen wäre geboren worden, hätte sich wie ein schwarzer Teppich über das Land gelegt und alles vernichtet. Burgen waren zerstört, Dörfer in Brand gesetzt, Frauen und Kinder geschändet, deren Männer im Kampf gegen die Dämonischen Horden Satans gekämpft hatten und blutrünstig zerfetzt worden waren... Der Tod hatte das land schwer getroffen. Normalerweise galten die Männer Mephistos, die zu Tausenden kamen, als sterblich, doch einer unter ihnen, der immer in einer schwarzen Kutte auftauchte und die Herscharen anführte, konnte von keiner Klinge ernsthaft verletzt werden und so siegte am Ende doch das Böse und herrschte über die Welt und da der Durst nach Blut nun nicht mehr gestillt werden konnte, starben auch die Herscharen schließlich, doch einer blieb immer noch erhalten, Dragorn der Totenmeister.

2003 Geeinigten drei Länder – Tagebucheintrag von Dragorn dem Totenmeister

Heute traf ich auf meiner Wanderschaft durch die verwüstete Welt einen Keimling, der aus der Asche des Vulkans entsprossen war. Ich hoffe, dass die Welt bald wieder so wird wie früher. Es ist langweilig so lange zu leben; - ich denke an einen Selbstmord. Aber was wäre, wenn auch der scheitern würde? Das wie und wozu kann ich ja noch herausfinden, ich habe ja alle Zeit der Welt.
Aber eines ist mir klar: 
Den Ring des Todes werde ich wohl nie wieder abnehmen können, da er in meine Haut hineingewachsen ist...
 

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