Burg Hammerfels von Gallandus

Sein Pulsschlag raste, sein Herz schlug ihm bis zum Hals, als er sah, wie die winzigen rot-gelben Punkte in der Ferne über die Hügel der 'Moorwellen' flogen. Sie wirkten wie kleine Glühwürmchen, doch leider sah die Realität ganz anders aus. Durch den morgendlichen Nebel konnte man kaum etwas erkennen, außer diesen seltsamen Punkten. Als sich der Nebel etwas lichtete und die Sonne die Hügel in ein schummriges Licht tauchte, erkannte Hauptmann Traufel, der auf der Mauer der Burg Hammerfels Wache hielt, dass die rot-gelben Punkte nur die Fackeln eines Heeres waren, das über die Hügel zog. Er schirmte mit seiner rechten Hand seine Augen gegen das Licht ab, um zu sehen, wie diese Heerschar langsam auf die Mauern zu steuerte. Neben Traufel stand Baron Verrigal, der sich mit steinerner Mine den Gegner betrachtete.
"Traufel, sag mir, haben wir alles in die Wege geleitet, um hier ihrem Ansturm zu trotzen? Können wir sie hinhalten bis Prinz Hurikal mit seinen Leuten kommt, um uns beizustehen?" fragte Baron Verrigal seinen Hauptmann mit unsicherem Lächeln. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn.
"Baron, wir haben einige Überraschungen für sie parat, die sie verwirren und zurückwerfen werden, so dass der Prinz genug Zeit haben wird, um uns zur Seite zu stehen. Die Moral bei unseren Männern stimmt auch. Wir werden standhalten", beantwortete er die Fragen des Barons.
Gespannt starrten sie weiter dem Aufmarsch entgegen, der sich vor ihnen erstreckte. Man konnte nun schon einige Geschöpfe näher sehen. Da waren Orks, die die größte Masse des Heeres ausmachten. Einige Bergriesen waren auch dabei, sowie menschliche Söldner, die glaubten reiche Beute zu machen. Angeführt wurden sie von einer imposanten Erscheinung. Es war ein Ork, der größer und breiter war, als seine Brüder. Er hatte eine schwarz glänzende Rüstung an, die in der Sonne leicht funkelte, da die Nieten aus purem Gold bestanden. Der Koloss ritt auf einem zotteligen Pferd, das groß und kräftig wirkte, um ihn überhaupt tragen zu können. Das Gesicht des Barons wurde kreidebleich.
"Ist es möglich? Ich hoffe, ich irre mich, aber ist das nicht Ugur, der schon etliche unserer besten Krieger erschlagen hat? Gott stehe uns bei, wenn er es ist!" keuchte der Baron.
"Ich fürchte, er ist es! Gott muss uns zur Seite stehen. Ugur ist nicht nur ein Monster in der Schlacht, er ist auch ein schlauer Fuchs. Er wird uns das Leben schwer machen. Die einzige Hoffnung ist Prinz Hurikal, der schon seit zwei Tagen unterwegs ist zum König, um mit einer Armee zurück zu kehren. Lang lebe der König, er wird uns retten", sagte Traufel.
Auf der Mauer der Burg tummelten sich nun schon viele Bewohner und Soldaten, um zu sehen, was dort draußen passierte. Als die Menge auf Ugur aufmerksam wurde, ging ein Wispern durch sie und viele fingen an zu zittern. In der Zwischenzeit nahm das feindliche Heer Stellung auf, und immer noch zogen viele Gegner über die Hügel der 'Moorwellen'. Ugur stieg unter frenetischem Gebrüll von seinem Reittier, um sich unter einer großen Kiefer auszustrecken. Das Treiben in der Burg wurde immer hektischer. Die Bewohner zogen sich zurück in ihre Häuser, bis bald nur noch die Soldaten, Bogenschützen und Ritter auf der Mauer standen. Sie erstarrten alle, als sich Ugur erhob und näher zur Burg kam. Seine scheußliche Stimme erhob sich über das Land und er sprach:
"Ihr Feiglinge kommt heraus und lasst uns spielen. Ihr werdet den nächsten Tag sowieso nicht mehr erleben, aber ich werde einem von Euch erlauben, gegen mich anzutreten, wenn ihr Manns genug seid." Mit einem Lächeln und verschränkten Armen stand er da und wartete.
"Was sollen wir machen, Baron Verrigal?" fragte Traufel.
"Wir werden ihm den Gefallen tun, vielleicht können wir ihn zur Strecke bringen, bevor dieses Gefecht richtig beginnt. Schickt Proter, er wird es schaffen, glaube ich", sagte der Baron, obwohl er wusste, dass er Proter zum Tode verurteilte mit seiner Entscheidung.
"Ich sag ihm Bescheid, mein Herr", erwiderte Traufel.
Proter war ein Riese unter den Menschen und stark wie ein Stier. Das Tor ging auf und er ging hinaus, um seine persönliche Schlacht zu schlagen, gegen einen Feind, der nicht zu bezwingen war. Er hatte nicht viel bei sich. Einen Lederharnisch trug er, ein Schwert und ein Schild machten seine Ausrüstung perfekt. Ugur sah Proter und fing zu lachen an, nahm seine Axt, die ihm ein Lakai brachte, und ging auf Proter los. Ein hitziges Gefecht entbrannte. Die Axt kam im weiten Bogen auf das Schild zu und erstarrte. Proter war keinen Millimeter gewichen und setzte zu einem Schlag an, der Ugur normalerweise, den Kopf von den Schultern getrennt hätte, aber dieser war schon zurück gesprungen. Nun drosch der Ork auf den Menschen ein, wie ein Besessener um ihm den Gar aus zu machen. Der Krieger hielt stand, obwohl er schon sehr erschöpft war und aus einigen Wunden blutete. Der Kampf dauerte nun schon eine halbe Stunde an, wobei Proter kaum noch die Schläge der Axt abwehren konnte. Ugur sah Proter in die Augen und ging einige Schritte zurück um Luft zu holen, dann sagte er:
"Anstrengend, dieser Kampf. Hätte nie gedacht, dass in dieser Burg ein gleichwertiger Krieger steckt. Wenn ich jetzt sagen würde, dass ich dich verschone, dann würde ich mich einer Lüge bedienen müssen und das werde ich niemals tun. Deshalb wollte ich dir, bevor ich dich töte, sagen: Ich werde dich ehren, großer Krieger! Nun werd ich es zu Ende bringen." Mit einem Kriegsgebrüll stürzte er sich auf Proter, der wie angewurzelt da stand, nicht fähig seine Arme zu heben, und schlug ihm die Axt von vorn in den Bauch und tötete ihn.
Der Tod Proters war wie das Startzeichen zum Angriff. Die Söldner und Orks rannten links uns rechts an Ugur vorbei auf die Mauern zu und wurden von einem Pfeilhagel empfangen. Die ersten Reihen fielen von Pfeilen gespickt, bis die Ersten die Mauer erreichten. Öl ergoss sich über den Angreifern, als sich einige Sturmleitern, die von weiter hinten nach vorne durchgereicht wurden, an der Burgmauer aufgestellt wurden. Die Bergriesen schleuderten Steine über die Mauer, um den Willen der Verteidiger zu brechen, aber Traufel hatte die erste Überraschung für sie. Riesige Katapult, die im Hof der Burg stationiert wurden, schleuderten gleichwertig Felsen zurück in die Reihen der Angreifer. Aber die Masse der Orks war zu groß, um die Burg zu halten. Immer mehr Sturmleitern krachten an die Mauer, immer mehr Gegner liefen auf die Burg zu. Traufel gab den Bogenschützen den Befehl für die zweite Überraschung. Mit brennenden Pfeilen entzündeten sie das heiße Öl, das schon seit dem ersten Sturmangriff über die Mauern geschüttet wurde. Das Geschrei der brennenden Orks und der menschlichen Söldnern erfüllte die Luft, aber es waren immer noch zu viele Widersacher übrig, so dass die Hoffnung der Verteidiger langsam immer mehr nachließ. Die Angriffswelle schwappte soeben an die Mauer, als ein fürchterlicher Laut über das Schlachtfeld getragen wurde. Dunkle Schatten schwebten hoch über den Orks, Bergriesen und Söldnern. Am Rande der Schlacht konnte man sehen wie Ugur sich mit einigen Orks aus dem Staub machte. Die Verteidiger wussten, dass sie überleben würden, denn dort kam der Prinz auf einem Drachen, der so schön war wie ein Sonnenuntergang und auch so tödlich wie die Sonne. Er war nicht allein, auch seine Brüder, es waren an die Hundert, die rot, grün und blau schimmerten, kamen jetzt im Sturzflug auf das Schlachtfeld zugerast, um mit ihrem feurigen Atem die Angreifer zu vernichten. Es war ein scheußlicher Anblick, der sich den Bewohnern der Burg bot, als sie auf die Ebene blickten. Es war alles verbrannt. Kein Gras mehr. Kein Baum mehr. Keine Gegner mehr. Das Land glühte noch rot und feurig. Die Verteidiger waren geschockt von dem Anblick vor ihrer Burg, aber waren froh noch am Leben zu sein. Der Prinz landete mit seinem Drachen nah an der Burg, stieg ab und kam zu Fuß zum Tor, das schon geöffnet war, weil der Baron mit Traufel hinaus trat. Sie trafen kurz vor der Burg aufeinander und schüttelten sich die Hände.
"Prinz! Wie können wir nur unseren Dank ausdrücken. Ihr kamt zur rechten Zeit. Länger hätten wir nicht mehr aushalten können. Habt Dank!" sagte der Baron.
"Oh , Baron Verrigal. Ich wäre lieber mit einer Armee gekommen, als mit hundert Drachen, aber die Zeit drängte. Die Vernichtung des Feindes war wichtig, auch wenn Ugur noch flüchten konnte. Habt aber keine Angst um euer Land, denn Drachenfeuer macht es sehr wertvoll, denn es wird nun alles wachsen lassen, was ihr wollt. Das Feuer eines Drachen hat magische Eigenschaften, die dem Land gut tun werden. Nun werde ich wieder auf meinen treuen Drachen Gremus steigen und werde zurück zu meinem Vater fliegen. Seid nicht traurig, das Land wird sich schnell erholen. Gehabt euch wohl!" erwiderte der Prinz.
"Lebt wohl, Prinz", sagte Traufel.
Sie traten zurück, und der Prinz ging zu seinem Drachen, stieg auf und erhob sich in die Lüfte. Hundert Drachen flogen nach Hause, was für ein Spektakel.
Einige Wochen später merkte man kaum noch, dass hier eine Schlacht geschlagen wurde, denn alles war wieder gewachsen. Ob Mais, Hafer oder Roggen: Die Felder gediehen prächtig. Bäume erhoben sich zwischen den Feldern, als ob sie schon Jahrzehnte dort stehen würden. Handwerker pflasterten wieder Straßen und Wege. Die Leute waren wieder glücklich und freuten sich ihres Lebens. Wie Ameisen wuselten sie durch die Burg und das Land davor. Seit diesen Tagen lebte Burg Hammerfels mehr den je und das war schön so. Der Friede möge ewig währen über Burg Hammerfels.
 
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