Zaina die Halbwölfin von unicorn.de |
Lautlos schlich sie durch den Wald. Ihr Auftrag war gefährlich, doch sie hätte ihn nicht ablehnen können. Nur sie allein könnte die Welt retten. Nur sie allein! Ob es ihr gelingen würde, sich mit den Wölfen zu verbünden? Der Mond schien rar und beleuchtete nur hin und wieder, durch die Zweige der Bäume, die große Schatten auf sie warfen, ihr junges Gesicht. Die gelblichen Augen glitzerten durch die Nacht und erspähten jede kleinste Bewegung in ihrer Umgebung. Nun kam vor ihr die bläulich schimmernde Lichtung in Sicht, von der ihr Gwayen Mour erzählt hatte. Ja, Gwayen Mour, ihr alter Freund, hatte ihr dies alles eingebrockt. Hätte er ihr nicht diesen Auftrag gegeben, wäre sie überhaupt nicht erst hier. Sie war nicht böse auf ihn, nein, im Gegenteil, sie war sogar dankbar, aber sie vermisste ihre Familie und ihre anderen Freunde. "Nur du allein kannst die Welt retten und kein anderer Mensch darf dir dabei helfen!", das hatte Gwayen Mour gesagt. "Wie soll ich das denn schaffen? Ich habe nicht einmal eine starke Waffe!" Er hatte ihr von dem Schwert der Wölfe erzählt. Nur eine Verbündete der Wölfe könnte das Schwert führen. "Kannst du nicht ein Schwert für mich schmieden?", hatte sie bei ihrem Schmiedfreund gebettelt. Doch er war unnachgiebig geblieben. Seinem Wissen nach war das Schwert der Wölfe die einzige Waffe, die das Schloss zerstören konnte. "Das Schloss von Kallisto! Ihn musst du besiegen! Du kennst seine Ziele und mit Hilfe seiner Monster könnte er es vielleicht sogar schaffen, seine Ziele durchzusetzen! Das musst du verhindern! Sein Schloss gilt als unzerstörbar. Es ist aus hartem Eisen geschmiedet! Nur dieses Schwert könnte es schaffen. Es besitzt genügend Magie!" "Ich weiß nicht! Klingt alles sehr riskant!" hatte sie ihm geantwortet. "Du bist die einzige, die mit den Wölfen kommunizieren kann als Halbwolf!" Es stimmte, sie war ein Halbwolf. Auch wenn sie mehr von ihrer Menschenmutter geerbt hatte, so war ihr Vater dennoch ein Wolf gewesen. Ihre gelblichen Augen und die Wolfsohren waren das einzige, das auf den Wolf in ihr deuten ließ. Vorsichtig schob sie die Zweige des Dickichts zur Seite, die ihre Sicht auf die Lichtung versperrten. Ein Feuer prasselte in Mitten der Wiese und um das Feuer saßen sie! Die Wölfe des Maan-Clans. Nach einigen Sekunden überblickte Zaina die Situation. Es war Vollmond. Wie jede Vollmondnacht wurde ein neuer Wolfshäuptling gewählt. Zaina zitterte. Daran hatte sie gar nicht gedacht. "Verdammt! Wie soll ich sie denn jetzt nach dem Schwert fragen?" Wölfe konnten es nicht ausstehen, wenn sie bei einer solchen Zeremonie beobachtet wurden. Keiner wusste so genau, was bei der Zeremonie stattfand, und es sollte auch niemand erfahren. Bekannt war nur, dass bei der Zeremonie eine Menge Blut floss. Nach einigen weiteren Sekunden erblickte Zaina ihren Vater in der Menge der Wölfe. Er wartete wie alle anderen auf das Erscheinen des Wolfshäuptlings und seines Rivalen, der ihn an diesem Tag zum Kampf herausforderte. Einige Wölfe knurrten und jaulten schon unruhig: "Wo bleibt er denn?" - "Die haben bestimmt Angst!" - "Achtung, ich glaube, da kommen sie!" Tatsächlich kam jemand von der anderen Seite der Lichtung, wie Zaina erkannte, in Richtung Feuer. Es war der Wolfshäuptling. Er stellte sich in die Nähe des Feuers. Hinter ihm kamen etwa zehn Werwölfe, die eine schwere Truhe hinter sich herzogen. Eigentlich hätte Zaina so klug sein sollen weg zu laufen, doch irgendetwas fesselte ihren Blick wie magisch an die Truhe. Plötzlich streckte der Wolfshäuptling, den man vor allem an seinem Halsschmuck erkannte, seine Nase in die Luft: "Es riecht... nach Mensch!" Zaina schluckte. Spätestens jetzt spürte sie die Alarmglocken in sich aufläuten. Doch noch immer lief sie nicht davon. Die Werwölfe rannten auf sie zu und rissen sie aus dem Gebüsch. Zainas Blick war immer noch auf die Truhe geheftet, obwohl die Werwölfe sie nicht gerade zärtlich zu ihrem Anführer zerrten. Ihr Vater zischte ihr wütend zu: "Was machst du denn hier?" Zaina beachtete ihn nicht. Ihr Vater wusste, wer sie war, aber er hatte sich nie sonderlich um sie gekümmert. Sie konnte ihn nicht wirklich leiden. Der Wolfsanführer knurrte Zaina wütend an: "Was denkt sich ein Halbwolf, hier einfach herein zu platzen? Du bist nicht in unserem Clan! Weißt du, was die Strafe für solche Verbrechen ist?" Endlich gelang es Zaina, ihren Blick von der Truhe zu reißen. Sie schluckte. Die imposante Figur des Wolfes war schon beeindruckend. Zitternd schüttelte Zaina ihren Kopf. Der Wolf antwortete knurrend: "Ich zerfetzte dich jetzt in der Luft! Damit kann ich auch meinen Ärger abbauen, der sich in mir durch das Nicht-Erscheinen dieses unwürdigen Gegners angestaut hat!" Die Wölfe knurrten und jaulten zustimmend. Zaina zitterte. Das war es also. Der Clan der Maan. Nun war sie verloren und mit ihr würde die gesamte Welt in einem Meer der Schreckensherrschaft enden. "Bitte, Herr Wolf..." wollte Zaina zu sprechen beginnen. Doch der Wolfshäuptling fauchte nur. Mit seinen Klauen schnitt er Zaina drei Kratzer in ihre Wange. Zaina, die immer noch von den Werwölfen des Anführers festgehalten wurde, stöhnte vor Schmerz. "Bitte hören sie auf!", ergriff plötzlich Zainas Vater die Initiative für sie. Zaina sah ihren Vater erstaunt an. Das hätte sie nicht erwartet. "Was soll das, Tradoot? Lass mich doch meinen Spaß haben!" Tradoot, Zainas Vater, meinte beschwichtigend: "Ja, ich habe ja auch gar nichts dagegen, dass ihr sie aufschlitzt..." - Zaina zischte wütend aus. Ja, das war ihr Vater. Wie hätte sie bloß denken können, dass er sich verändert hatte. - "...Aber es ist doch viel spannender, wenn ihr sie anstatt eures Rivalen zu eurer Gegnerin macht, großer Häuptling!" Der Häuptling wiegte seinen Kopf hin und her: "Aber geht das denn auch von den Regeln her, Tradoot?" Tradoot nickte: "Sie ist ein Halbwolf, also kann sie auch an dem Kampf teilnehmen." Zainas langes, graues Haar wehte ihr bei einer plötzlich aufkommenden Brise um den Kopf. Wie sollte sie das denn jetzt verstehen? Sie wusste, ihr Vater hätte damals lieber einen Jungen gehabt und sie war ein Mädchen geworden, die dann auch noch nur ganz wenig einem Wolf glich. Der Wolfsanführer fragte weiter: "Vom Halbwolf her hätte ich kein Problem damit! Aber sie ist eine Frau und noch dazu eine sehr junge! Sie wird ja nicht einmal kämpfen können!" Leise zischte Tradoot ihm zu: "Um so leichter für euch, mein Anführer!" Der Anführer grinste leicht und befahl den Werwölfen: "Lasst sie los!" Die Werwölfe lockerten ihren Griff um Zainas Arm und traten beiseite. Zaina hatte Angst. Sie hatte nur einen kleinen Dolch dabei und der würde ihr nicht viel bringen. Sie musste diese Truhe öffnen. Bestimmt befand sich in ihr das sagenumwobene Schwert, von dem Gwayen gesprochen hatte. Zitternd griff sie in ihre Gürteltasche. In ihr befand sich der kleine, spitze Dolch. Der Anführer der Wölfe umkreiste Zaina einige Male. Sie versuchte herauszufinden, was für ein Schloss die Truhe hatte und gleichzeitig den Wolfshäuptling im Auge zu behalten. Plötzlich sprang der Wolf sie an. Zaina rollte sich zur Seite. Ihr fiel auf, dass die Wölfe einen Kreis um sie gebildet hatten, so konnte sie nicht an die Truhe gelangen. Die Truhe wurde zudem noch von einigen Werwölfen bewacht. Zaina blickte dem Wolf in die grellgelben Augen. Sie glitzerten vor Zorn und Lust, sie in Stücke zu zerfetzen. Zaina packte den Dolch noch kräftiger. Er war ihre einzige Hilfe. Erneut sprang der Wolf sie an. Wieder wich Zaina aus und diesmal rammte sie ihm im Sprung den Dolch in die Kniescheibe. Der Wolf schrie vor Schmerz auf und brach mit einem Bein zusammen. Hinkend richtete er sich wieder auf. Keuchend sah er sie an: "Ich hätte nicht erwartet, dass ein Mädchen soviel Power besitzt!" Zaina keuchte ebenfalls. Plötzlich grinste der Wolf: "Aber das ist jetzt auch egal!" Mit seinen Zähnen zog er sich den Dolch aus seinem vorderen linken Knie und spuckte ihn in die Menge der Wölfe. Mit hauptsächlich drei Beinen raste er dann wieder auf Zaina zu. Diese wich erneut aus, doch diesmal hatte sich der Wolfshäuptling dies gedacht. Er drehte sich mitten im Sprung und packte Zaina am Oberarm. Mit seinem Kiefer riss er ihr ein paar Fetzen Haut ab. Zaina schrie vor Schmerz. In ihr kochte alles. Wütend packte sie ihren Arm. Sie blutete kräftig am Oberarm. Sofort griff der Wolf weiter an und schmiss sie um, sein Kiefer schnappte nach ihrer Kehle, doch mit ihrer blutüberströmten Hand drückte sie seinen Kiefer von sich weg. Plötzlich erstrahlte etwas im Wald. Die Wölfe ergriffen erschrocken die Flucht. Zainas Vater rammte den Wolfshäuptling und rief: "Schnell, es kommt!" Der Wolfshäuptling ergriff sofort die Flucht. Zaina wusste nicht, wer kam. Doch wer auch immer es war, er konnte nicht schlimmer sein als dieser Wolfshäuptling. Ihre Augen tränten vor Schmerz. Durch einen Tränenschleier erkannte sie, dass die Werwölfe die Truhe wegtragen wollten, sie dann aber doch irgendwie stehen ließen und davon rannten. Zaina starrte erneut wie gebannt auf die Truhe. Der Schmerz in ihrem Oberarm betäubte sie fast. Mit letzter Kraft strengte sie sich an und erkannte, dass das Schloss der Truhe aus einer Einkerbung bestand. Dann versagten ihr die Sinne. Als sie wieder zu sich kam, spürte sie
weiches Fell unter sich. Als sie den Mund öffnete, kamen einige weiße
Haare in ihn. Sie öffnete verwundert die Augen und spuckte die Haare
wieder aus. Sie befand sich auf einem sich bewegendem Einhorn.
Neben dem Einhorn lief ihr Vater, der die Truhe hinter sich herzog.
Es war ruhig. Fast zu ruhig für Zainas
Geschmack. Das roch nach einer Falle. Sie hatte Kallisto noch nie persönlich
getroffen, aber die Geschichten, die man sich über ihn erzählte,
gaben ihr schon zu denken. Manche sagten, er sei ein alter Zauberer. Andere
meinten, er sei ein junger Jägersmann. Auch über seinen Charakter
wurden die unterschiedlichsten Dinge erzählt. Zaina hatte keine Lust,
unbedingt den guten zu glauben. Sie musste den Käfig finden, in dem
Kallisto ihre Mutter und Gwayen gefangen hielt.
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