Kriegsrat im Gasthof von Sue Falkenkralle

Ahnahed und Isold betraten die Gaststätte zwei Stunden nachdem die Sonne untergegangen war. Sie hatten einen langen Ritt hinter und einen mindestens ebenso langen noch vor sich. Isold wollte am liebsten gleich ins Bett gehen, doch Ahnahed zerrte ihn noch mit in den Schankraum. Obwohl sie beide denselben Beruf ausübten - beide waren Söldner in des Königs Armee im Schlachtzug gegen die Waldelfen - waren sie unterschiedlich wie Tag und Nacht. Ahnahed hatte schon viele Schlachten gesehen, sein Gesicht und seine Hände waren wettergegerbt und mit Narben übersät. Seine dunklen Haare wären ihm über die Schultern gefallen, hätte er sie nicht zusammen geflochten. An seiner Seite hingen neben dem großen Breitschwert noch zwei anderthalb Fuß lange Dolche.
Isold war gut zehn Jahre jünger als sein Kamerad, er hatte ein noch fast jugendliches Gesicht, das von kurzen, roten Locken eingerahmt wurde und schlanke Hände, die aber genauso wie seine Haltung verrieten, dass er an ein hartes Bauernleben gewöhnt war. An seinem Gürtel hing nur ein zwei Fuß langer Dolch, seinen Einhänder sowie seinen Kurzbogen hatte er oben im Zimmer gelassen.
Als sie sich setzten, kam der Wirt, ein älterer grauhaariger Mann, sofort auf sie zu. Das Königreich war dazu gezwungen, die Elfen an zwei Fronten zugleich zu bekämpfen, und Neuigkeiten waren immer begehrt.
"Nun, meine Herrn, was darfs denn sein?"
"Zwei Maß Bier, aber ordentliches", schnaubte der ältere der beiden, bevor er dem Wirt deutete sich zu setzen, nachdem dieser die Bestellung einem Zwerg zugerufen hatte, der sich sofort an die Arbeit machte.
"Nun, von wo kommt ihr und wo wollt ihr hin, wenn ich fragen darf. Und wie steht es?"
"Wir sind von der Westfront zur Nordfront unterwegs", antwortete Ahnahed. Isold war von einer Gestalt, die ein paar Tische weiter saß, abgelenkt. Sie war dunkel gekleidet, hatte die Kapuze ihres schwarzen Mantels tief ins Gesicht gezogen und den Krug, der vor ihr stand, anscheinend noch nicht angerührt. Gerade als er seine Tischgenossen darauf ansprechen wollte, kam das Bier und lenkte ihn ein weiteres Mal ab.
Der Abend verging rasch, Krug um Krug wurde gelehrt und der alte Söldner erzählte vom Geschehen auf dem Schlachtfeld, als wäre er selbst einer der Generäle, die die Strategien ausgearbeitet hatten. Sein junger Kamerad, der vom vielen Bier langsam in einen angenehmen Halbschlaf fiel, musste in Stillen zugeben, dass Ahnahed wirklich eine Menge aufgeschnappt hatte.
"Im Moment sieht es zwar nicht gut aus", grölte dieser gerade. "Aber ich sage euch, das wird sich bald ändern. Diese verdammten Spitzohren werden ihr blaues Wunder erleben! Unser König hat sich nämlich etwas Neues ausgedacht. Ihr habt doch bestimmt schon von der Angewohnheit der Elfen gehört..."
Und so fuhr er fort über die Bräuche des Feindes zu reden und wie sie ihm zum Verhängnis werden würden.
Es war fast Mitternacht, als er bemerkte, dass Isold über dem letzten Krug eingeschlafen war. Sich lauthals verabschiedend rüttelte er den Jungen wach und beide machten sich leicht schwankend auf den Weg in ihr Zimmer.

Zur ersten Stunde des neuen Tages trat die in dunkel gehüllte Gestalt auf den Hof des Gasthauses.
"Das war interessant", murmelte sie, während sie ihre Kapuze nach hinten schob und ein zufriedenes Lächeln sowie ein paar spitz zulaufende Ohren enthüllte. Eine schnelle Bewegung mit dem Handgelenk und man sah nur noch einen Raben immer höher in den Himmel steigen, weg von dem Gasthaus und schnell auf die nordwestlichen Wälder der Elfenlords zu.
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© Sue Falkenkralle
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