.
Gebirge von Tahth - Jufgarrs Reich
5. Xatar, Anno 1036
Verflucht! Das hat gesessen! Langsam öffnete Likah die
Augen, um sie augenblicklich wieder zu schließen. Von dem Schlag
hatte er noch grässliche Kopfschmerzen und seine steifen Muskeln zeigten
ihm, dass mit ihm nicht besonders rücksichtsvoll umgegangen worden
war. Einige Zeit blieb er einfach liegen, um die neue Situation in Ruhe
zu überdenken.
Seine Hände waren auf den Rücken gefesselt und bei der
kleinsten Bewegung der Gelenke schnitten ihm die Bänder ins Fleisch.
Die
Fesseln müssen mit diesem verfluchten Mineral beschichtet sein...
Dieser Kerl scheint etwas geahnt zu haben. Wer ist er überhaupt? Und
woher, bei Gallra, hat er diese große Macht?... Was mache ich mir
eigentlich solch einen Kopf? Er wird sich schon zu erkennen geben...
Sealla! Verflucht!
Mit einem Ruck richtete Likah sich in sitzende Position auf und
sah sich aufmerksam um. Neben ihm ließ Cullyn ein erschrockenes Zischen
hören. "Kerl!" fluchte er. "Musst du mich so erschrecken?"
Likah wendete den Blick zu ihm. Neben Cullyn hockte Arton und starrte
mit leerem Blick auf den Boden. Likah zuckte, so gut es ging, die Schultern
und wendete den Blick nach links. Dort lag Norton bewusstlos am Boden.
Sealla entdeckte er nicht. Erleichtert sah er zu Cullyn zurück.
"Sealla?" fragte er leise. Cullyn lachte etwas abfällig. "War
ja klar! Wir sind gefangen und du denkst zuerst an sie..."
Likah verzog das Gesicht. "Entschuldige! Ich werde mich das nächste
Mal erst nach dir erkundigen. Du Dummkopf wolltest ja nicht auf mich hören
und verschwinden!!"
Cullyn wurde plötzlich still. "Schon gut...", murmelte er schließlich
entschuldigend, "mir gefallen nur diese verdammten Ketten nicht!"
Likah lächelte milde. Dann blickte er sich genauer um. Es waren
fünf Dämonen zugegen, doch sie kümmerten sich nicht um die
Gefangenen. Der Mann vom vorherigen Tag war nicht anwesend.
Lange Zeit saßen die Söldner schweigend da und dachten
nach. "Sealla ist in Sicherheit", sagte Cullyn plötzlich.
Likah blickte Cullyn einen Augenblick verwirrt an, dann nickte er.
"Vorerst..." fügte Arton bitter hinzu.
Likah schloss die Augen. "Und Gaia und Gjarth?"
Cullyn lachte. "Die Asrai hat sich sehr schnell verzogen und Sealla
wurde von dem Drachen weggebracht."
Likah nickte zufrieden. "Dann hat er verstanden..."
Cullyn verzog das Gesicht. "Das war deine Idee?"
Likah lächelte abwesend. "Von sich aus hätte sie mich
nicht alleine gelassen. Ich habe sie nur beschützt."
Cullyn lachte wieder. "Und was bringt dir das?"
"Die Gewissheit, dass sie meinetwegen nicht sterben muss!" Likah
sah Cullyn nun direkt in die Augen.
Langsam senkte dieser den Blick. "Dann hoffen wir das beste. Dieser
Mistkerl ist ausgezogen, die drei zu fangen."
Likah hob den Blick zum Himmel. "Solange Sealla bei Gjarth bleibt,
wird er sie nicht finden."
"Und da haben wir das Problem: Sie wird die nächste Gelegenheit
nutzen, uns zu suchen."
Likah schloss die Augen. Tu mir das nicht an, Sealla!
"Warum habt ihr euch meinem Befehl widersetzt?" Likahs Frage traf
Cullyn und Arton völlig unvorbereitet.
Cullyn starrte ihn nur mit offenem Mund an, währenddessen Arton
vor sich hinstotterte. "Weil wir keine Kameraden und erst recht keine Freunde
im Stich lassen!" brachte Cullyn endlich heraus.
"Aber ihr habt meinem Befehl folge zu leisten, egal wie schwer euch
das fällt!"
Arton schüttelte den Kopf. "Wem hätte das etwas genützt?"
Er blickte Likah herausfordernd an. "Du wärst gefangen und wir...
Wir mussten dir helfen!"
Cullyn nickte zustimmend. "Du hast uns auch schon des öfteren
geholfen, obwohl die Order anders lautete."
Likah legte den Kopf schräg und sah Cullyn von der Seite an.
"Ich bin aber nie ein Risiko eingegangen. Wie, denkt ihr, hättet ihr
mir helfen können, wenn sogar Magie versagt?"
Arton lachte lautlos. "Das war nicht deine wahre Macht! Das kannst
du mir nicht weismachen!"
Likah starrte wieder zum Himmel. Erst jetzt fiel ihm auf, dass es
schon beinahe Mittag war. Besorgt warf er einen Blick auf Norton. Cullyn
bemerkte diesen Blick sofort. "Keine Sorge, der schläft nur. Er war
diesem Verräter zu laut, man hat ihm Schlafmittel gegeben."
Langsam nickte Likah. Schlaf... Das ist genau das richtige. Ich
muss sowieso abwarten, da kann ich wenigstens meine Kräfte schonen...
"Lasst mich endlich los!" Sealla versuchte energisch, sich aus dem
Griff des Drachen zu befreien. "Ihr habt nicht das Recht, mich festzuhalten!"
Gjarth seufzte schwer, ließ sie aber nicht los. "Ich tue nur
Likah einen Gefallen damit. Es ist zu Eurem Besten!" ermahnte er sie.
"Das ist mir egal!" Sie schlug Gjarth die Fingernägel mit voller
Kraft in seine Handgelenke. Mit einem schmerzhaften Zischen ließ
er sie los und schüttelte seine Hände. "Verfluchtes Gör!"
fluchte er und sah sie vorwurfsvoll an. "Was fällt Euch ein?"
Sie lächelte kalt und streifte ihre Kleidung glatt. "Es ist
ein tolles Gefühl, zu etwas gezwungen zu werden?" fragte sie höhnisch.
"Ich werde gehen. Und wenn Ihr versucht, mich aufzuhalten, dann werde ich
Euch als Feind ansehen", drohte sie leise, "auch wenn ich damit Likah wütend
machen sollte!"
Gjarth zischte wieder. Dieses Mädchen! Doch er blieb
still. Mit gezogenem Schwert entfernte Sealla sich rückwärts
von dem Drachen. Das wird Likah nicht gefallen... Gjarth schloss
die Augen und drehte sich langsam zu Gaia um. "Und das ist wirklich von
Nöten?"
Langsam nickte die Asrai. "Die drei müssen zusammen sein!"
Gjarth sah Sealla nach und nickte dann. "Ich will Euch dieses eine
Mal vertrauen..."
Likah wurde mit einem unsanften Stoß in die Rippen geweckt.
Langsam öffnete er die Augen und sah seinen Gegenüber unter den
Lidern hervor an. Das kommt zurück..., schwor er sich insgeheim,
doch ließ er sich nichts anmerken. Er hatte im Schneidersitz geschlafen,
weswegen ihn der Rücken etwas schmerzte.
Betont langsam hob er den Kopf, um den Mann genauer zu mustern.
Wobei er sich nicht ablenken ließ. Der Mann hatte sehr harte Züge,
das stach sofort ins Auge, sonst war er eher der Rittertyp, doch Likah
bezweifelte solch eine Ausbildung. Kein Magier machte eine Ausbildung zum
Ritter... Doch das beängstigende an ihm waren seine Augen: absolut
leer, keine Gefühle.
Der Unbekannte sah Likah lange Zeit grinsend an. "Ihr wart Euch
Eurer wohl sehr sicher." höhnte er. Likah zwang sich, ein leichtes
Lächeln aufzulegen, was seinen Gegenüber sehr verärgerte.
Wütend trat er Likah in die Seite. "Ihr seid nicht in der Position,
überheblich zu sein!" fauchte er.
Likah schloss seine Augen, doch sein Lächeln behielt er bei.
"Und Ihr?" fragte er plötzlich. "Was wollt Ihr von uns?"
Einen Moment lang sah er Likah völlig perplex an. Mit so etwas
hatte er nicht gerechnet. Dann lachte er plötzlich. "Mein Herr hat
mich schon vor Eurem frechen Mundwerk gewarnt", nickte er nachdenklich,
"Ihr werdet es also nicht schaffen, mich aus der Reserve zu locken, egal
wie sehr Ihr Euch bemüht!"
Likah schloss seine Augen und wurde ernst. "Da habt ihr wohl vollkommen
recht..." murmelte er. Da unterschätzt du mich gewaltig, mein lieber!
Dein Fehler.
Der Fremde war nun wieder völlig überrascht. Er wusste
gar nicht mehr, was Likah eigentlich bezweckte. Doch auch Cullyn und Arton
starrten ihren Freund verständnislos an.
Plötzlich sah Likah wieder auf. "Ich wüsste jedoch zu
gerne, wer Ihr seid, dass Ihr Euch einem Magier anschließt..." Er
schüttelte den Kopf. "Denn wie ich sah, seid Ihr selbst Magiker..."
Der Magiker lachte amüsiert. "Ich bin eben nur Magiker. Meister
Jufgarr kann mich zum Magier ausbilden."
Likah zuckte die Schultern. "Das dachte ich mir schon... Ich möchte
lieber Euren Namen wissen."
Mit seinen unbefangenen Worten hatte er geschickt den Stolz seines
Gegenübers geweckt. "Wer ich bin?" fragte dieser erstaunt.
"Das wisst Ihr nicht? Ich bin Afrim von Djarnbeth!"
Ach so ist das! Der Herr erhofft sich wohl einen Anteil...
Likah nickte scheinbar beeindruckt. "Ein Djarnbeth..." Er sah zu Cullyn.
"Ist diese Familie nicht eng mit dem Königshaus befreundet?"
Cullyn überlegte eine Weile. "Ja, eigentlich schon..." Dann
grinste er plötzlich. "Ihr habt wohl von Eurem Vater nichts vererbt
bekommen?" spottete er.
Afrim wurde rot und hob die Hand zum Schlag. Dann besann er sich
anders. Leise lachte er. "Ich weiß zwar nicht, warum mein Meister
Euch lebend will, Elbenhund, aber ich werde mich diesem Befehl nicht widersetzten."
Damit drehte er sich um. Nach einigen Schritten drehte er sich noch einmal
zu Likah um. "Ihr könnt Euch ja schon einmal Gedanken machen", sagte
er zu Likah, "Meister Jufgarr wird Euch bestimmt auf seiner Seite sehen
wollen."
Likah starrte nachdenklich vor sich hin. "Interessant, wie viel
dieser Speichellecker auf sich einbildet", lachte Cullyn, "und wenn er
unnütz geworden ist, wird er aus dem Weg geräumt." Er schüttelte
den Kopf. "Also, der Hellste ist er ja nicht."
Likah nickte und sah zu Arton. "Also, in die Burg kommen wir jetzt
ja", lächelte er plötzlich.
Cullyn zischte. "Und was bringt uns das?" fragte Arton resigniert.
"Cullyn hat Ketten um, ich habe keine Entfesselungstrick auf Lager, Norton
ist auch in Ketten und du hast eine Magiesperre."
"Und?" grinste Likah.
"Sag an...", begann Cullyn plötzlich. Likah blickte ihn fragend
an. "Das war doch von Anfang an geplant, nicht wahr?"
Likah lächelte. "Kennst du eine sichere Methode, in eine Burg
zu gelangen?"
Cullyn grinste breit. "Die ein oder andere..." Doch dann schüttelte
er den Kopf. "Ich hoffe, du hast wirklich noch ein As im Ärmel."
Likah lächelte geheimnisvoll. "Vielleicht..."
Am folgenden Morgen wurden die drei Söldner sehr früh geweckt.
Etwas mürrisch setzte Cullyn sich auf, um herauszufinden, warum es
so laut geworden war. Likah richtete sich ebenfalls verwundert über
die plötzliche Lautstärke der Dämonen auf.
Afrim trat gerade an die Söldner heran. "Ihr habt wirklich
Glück, Ihr könnt Euch über Gesellschaft freuen!"
Likahs Augen wurden schmal. Dieser Satz gefiel ihm ganz und gar
nicht. Lachend drehte Afrim sich um und deutete etwas mit der Hand. Zwei
Werwölfe traten auf sie zu, und im Schlepptau: Sealla! Likah zischte
erschrocken. Cullyn klappte der Kiefer herunter. Schließlich stieß
er einen gewaltigen Fluch aus. Arton saß mit zusammengepressten Lippen
und starrte Sealla wütend an.
Afrim grinste über die Reaktion der Söldner hämisch.
"Das wären dann alle." Er stieß Sealla hart in den Rücken,
so dass sie nach vorne stolperte. Mit hartem Druck auf die Schultern zwangen
die Dämonen sie schließlich, sich hinzusetzen. Sealla starrte
auf den Boden, sah niemandem in die Augen und sprach auch kein Wort.
"Plaudert noch schön", höhnte Afrim, "sobald ich gegessen
habe, bringe ich euch zum Meister." Dann ging er davon.
Likah sah ihm eine Weile lang nach. Doch er schwieg auch noch nach
Minuten. Cullyn blickte Arton vielsagend an. Das verhieß nichts Gutes.
"Ich weiß, du bist mir böse..." setzte Sealla schließlich
ungeschickt an.
Likah lächelte hart. "Nein." Er schloss die Augen. "Nur schwer
enttäuscht."
Sie starrte wieder zu Boden. Das hatte gesessen. Cullyn schüttelte
den Kopf. "Grollen bringt uns auch nicht weiter."
Likah sah ihn von der Seite an, doch er sagte nichts. Er musste
Seallas Unvernunft erst einmal verarbeiten. "Warum?" fragte er plötzlich.
Sealla hob erschrocken den Blick. "Ich... habe gedacht, ich könnte
helfen", versuchte sie zu erklären.
"Und hast damit alles noch schlimmer gemacht", konterte Arton kalt.
Sie senkte den Blick, wie ein geschlagener Hund. "Es tut mir leid",
flüsterte sie leise.
Arton schüttelte den Kopf. "Das nächste Mal denkst du
zuerst!"
"Das reicht!" Likah starrte noch immer nach vorne. "Es ist jetzt
auch nicht mehr rückgängig zu machen, also machen wir das beste
daraus." Wenn auch ungern schluckte Arton seinen Ärger herunter und
beobachtete das Treiben der Dämonen.
Keiner von ihnen sprach während der nächsten Stunden etwas.
Selbst als Afrim sie beschimpfte, schwiegen sie. "Elende Hunde!" knurrte
Afrim. "Ihr werdet schon sehen, was ihr von eurer Sturheit habt!" Dann
lachte er plötzlich. "In zwei Tagen werdet ihr sowieso Meister Jufgarr
gegenüberstehen, dann wird euch eure Überheblichkeit vergehen."
Likah lächelte leicht im Mundwinkel, doch er sagte nichts.
Erbost drehte Afrim sich um und deutete den Dämonen, dass der Aufbruch
nun bevorstand. Die Söldner wurden von einigen Kreaturen unsanft auf
die Beine gezogen und vorwärts gestoßen. Als sie erkannten,
wohin sie gebracht wurden, keuchte Arton erschrocken.
Vor ihnen standen pferdeähnliche Tiere, doch sie waren sehr
dünn, erinnerten eher an Skelette. Die Augen waren glühend rot
und verhießen nichts Gutes. Likah war sich sicher, dass es sich dabei
ebenfalls um eine Art Dämon handelte. Mit großem Unbehagen stiegen
sie auf die Rücken der Tiere. Likah spürte sofort die ungebändigte
Energie des Tieres, das ihn wahrscheinlich am liebsten umgebracht hätte.
Das Unbehagen seiner Gefangenen blieb Afrim nicht verborgen, und
er ergötzte sich daran. Doch er trödelte nicht lange und gab
seinem Pferd die Sporen. Er wollte die Gefangenen so schnell als möglich
abliefern. Auch konnte er sie damit ein wenig quälen, denn die Dämonenpferde
waren sehr wild und auf ihrem Rücken zu sitzen, ohne sich festhalten
zu können, war sehr schmerzhaft.
Einige wenige Dämonen liefen hinter ihm her, um den Transport
zu überwachen. Afrim hasste diese Dämonen sehr, denn er hatte
sie kaum unter Kontrolle. Wenn sie schlecht gelaunt waren, oder wenn Jufgarr
seinen Zauber ein wenig abschwächte, würden sie ihn wahrscheinlich
sofort angreifen – Als Rache dafür, dass sie ausgenutzt worden waren...
Likah beobachtete während des gesamten Ritts die Umgebung genau.
Es war erstaunlich, wie eben der Weg war, obwohl sie durch die Berge ritten.
Es
wird schwer werden, die Fesseln abzubekommen... Es ist zwar nicht genug
des Minerals daran, um meine Kraft ganz zu blockieren, aber ich habe
nur noch äußerst wenig Magie zur Verfügung. Jetzt müsste
man eine Assassinenausbildung haben...
Nachdenklich sah er zu Afrim vor. Er könnte mir behilflich
sein... Er ist dumm genug, dass man seinen falschen Stolz ausnutzen könnte...
Aber wie kann ich ihn dazu bringen, mir die Fesseln ein wenig zu lockern?
Plötzlich machte sich ein hinterhältiges Lächeln in Likahs
Zügen breit. Was ihm jetzt eingefallen war, könnte funktionieren.
Und er würde nicht einmal die Hilfe dieses Idioten benötigen
– auch wenn es ungemein gefährlicher war.
Einen Augenblick sah er das Tier, auf dem er saß, abschätzend
an. Das Tier schien den Blick zu spüren, denn er wendete den Kopf
und sah Likah direkt an – drohend. Dann ging es vorne kurz hoch, aber so,
dass Likah nicht abfiel und trat hart auf den Boden auf. Likah wurde gewaltig
durchgeschüttelt und seine Schulter fing wieder an zu schmerzen. Leise
fluchte er über das Tier, das beinahe höhnisch schnaubte.
Den Rest des Tages und auch der Vormittag des folgenden Tages verstrichen
ereignislos. Doch am Mittag wurde es für Likah langsam Zeit, seinen
Plan durchzuführen, wenn er noch etwas Luft haben wollte – falls sein
Plan nicht aufging. Am vorherigen Abend hatte er bereit seine Fesseln an
einigen Steinen geschabt. Sie waren zwar nicht lockerer geworden, aber
das Mineral ließ sich abschaben. Und das war, was er bezweckte. Doch
es an kleinen Steinen abzuschaben brauchte Zeit... Zeit, die er nicht hatte.
Er sah wieder auf sein Reittier herab. Ich werde dich wohl ein wenig
ärgern müssen... Das tut mir zwar leid, aber der Zweck heiligt
die Mittel... Das Tier zitterte plötzlich leicht, als hätte
es seine Gedanken gelesen. Likah selbst schloss seine Augen und atmete
tief durch. Hoffentlich geht das gut! Dann stieß er dem Tier
die Hacken mit ganzer Kraft in die Flanken. Einen schmerzhaftem Schrei
ausstoßend ging das Tier vorne hoch und warf Likah dabei ab. Likah
tat nichts, den Sturz abzufangen – er fiel genau auf seinen Rücken.
Sofort meldeten seine Arme und Handgelenke sich schmerzhaft zu Wort.
Afrim hatte inzwischen angehalten und ritt gerade zu Likah zurück.
"Was bei allen Göttern!?" fauchte er wütend. Dann sah
er das Dämonenpferd an. "Was sollte das?" schrie er entgeistert.
Die anderen Tiere hatten ebenfalls gehalten, Cullyns direkt neben
Likah. "Alles in Ordnung?" fragte er besorgt.
Likah richtete sich mühsam auf. Er lachte in wenig gepresst.
"Es benötigt schon mehr, als so eine Schindmähre, mir großartig
etwas anzutun." Doch sein Gesicht sprach etwas anderes, als Afrim ihn unsanft
am Arm packte und auf die Beine zog.
Afrim sah sich kurz Likahs Arme an und schüttelte schadenfroh
den Kopf. "Ich weiß nicht, was diese Eskapade sollte, aber der gebrochene
Arm wird Euch hoffentlich von weiteren Fluchtversuchen abhalten!"
Likah verzog das Gesicht. Cullyn lachte leise. "Das nennt man dann
wohl Glück, wie?" murmelte er ironisch.
Afrim jedoch nahm keinerlei Rücksicht auf Likah. Er zwang ihn
wieder auf den Rücken des Pferdes, obwohl es ihn schmerzte. Likah
wusste, dass Afrim sich ganz und gar an seinem Schaden erfreute. Schön,
der rechte Arm ist also gebrochen! Und die Handgelenke will ich gar nicht
erst wissen. Aber das Mineral ist größtenteils ab... Hoffentlich
bemerkt dieser Tunichtgut es nicht...
Er bemerkte es nicht. Sichtlich genervt von dieser Unterbrechung
ging Afrim wieder zu seinem Reittier, ohne sich weiter um die Fesseln zu
kümmern. Die magische Beschaffenheit der Fesseln sorgte dafür,
dass sie sich nicht lockern ließen. Doch Afrim vertraute zu sehr
auf jene Magie.
Gereizt gab er schließlich seinem Pferd die Sporen und trieb
seinen Zug nun energischer an. Er wollte sich nicht verspäten. Das
würde Jufgarr nicht gutheißen. Likah beobachtete Afrim und vor
allem die Dämonen, die sie begleiteten, genau, während er das
Ergebnis überprüfte. Langsam spürte er die leise Kraft seiner
Magie in seinen Armen pulsieren. Jetzt musste er sich sehr konzentrieren,
damit die Wunden sich nicht verfrüht heilte. Das würde ihn verraten
und den Plan gefährden.
Am nächsten Nachmittag ließ Afrim halten. Sie hatten erst
einen schmalen Bergpass hinter sich gelassen. Mit einem fast höhnischen
Lächeln setzte Afrim zurück und hielt sein Pferd an Likahs Seite.
"Seht her", höhnte er so laut, dass auch die anderen Söldner
es hören konnten. "Dies ist die Burg des Meisters Jufgarr. Sie wird
vielleicht der letzte Anblick sein, den Ihr sehen werdet."
Cullyn verstand diese Anspielung sofort und lachte abfällig.
"Als ob solch ein Verräter wie Ihr mir Angst machen könnte!"
Bei diesen Worten spuckte er aus.
Afrim wurde sichtbar rot. "Elbenhund!" fauchte er und zog seinen
Dolch. Dann wurde sein Gesicht nachdenklich. Mit einem Grinsen steckte
er den Dolch zurück. "Nein! Ihr werdet mich nicht dazu bringen, Eure
Qualen zu vermindern." Er drehte sich um und ritt weiter auf die Burg zu.
Likah betrachtete die Burg genau. Sie war sehr groß, doch
sie wirkte düster. Selbst Arton spürte den dunklen Hauch, der
ihnen entgegen strömte. Eingeschüchtert sah er zu Likah. Gepresst
nickte dieser über den fragenden Blick.
"Diese Aura", zischte Cullyn erschrocken. Dann sah er zu Afrim.
"Seid Ihr so dumm, oder warum seht Ihr denn nicht, was dies bedeutet?"
fragte er ihn gereizt.
Afrim lachte leise vor sich hin. "Redet nur, Elbenhund! Ihr werdet
Euer Schicksal nicht abwenden können!"
Cullyn schüttelte resigniert den Kopf. "So dumm kann man doch
nicht sein!?" Doch als Antwort bekam er nur Schweigen.
Likah wusste auch welch Wahnwitz es war, Jufgarr zu unterschätzen.
Diese Aura zeugte von einer sehr starken Magieentfaltung. Ungewöhnlich
stark. Wer ist dieser Jufgarr nur? Woher hat er diese Macht? Langsam
begann Likah sich Sorgen zu machen, dass ihr Unterfangen vielleicht fehlschlagen
könnte.
Doch Afrim gönnte sich keine Zeit. Er trieb bereits wieder
sein Reittier an. Cullyn schüttelte wieder und wieder den Kopf. "Das
ist doch verrückt!" zischte er schließlich.
Likah konzentrierte sich ganz auf die Burg. Er versuchte den Ursprung
dieser großen Macht auszumachen, die er für nicht natürlich
hielt. Kein normaler Magier konnte eine so große Macht haben. Es
könnte sich als äußerst schwer erweisen, Jufgarr zu besiegen.
Als sie in die Burg einritten, bot sich den Gefangenen ein erstaunlicher
Anblick. Hier war kaum ein Dämon zu sehen, fast nur Menschen. Likah
verstand nicht, warum diese sich Jufgarr angeschlossen hatten. Erhofften
sie sich etwas davon? Doch jemanden fragen konnte er nicht. Afrim ließ
sie sofort von den Dämonen in den Kerker führen. Die Gänge,
die sie auf dem Weg zum Kerker sahen, zeigten eindeutig, dass die Burg
schon sehr alt war.
"Könnte es sein, dass dieser Jufgarr die Burg erobert hat und
die Leute hier nicht weg wollen?" fragte Arton nachdenklich, als sie allein
in dem Kerker waren.
Likah nickte. "Gut möglich."
Sealla schüttelte den Kopf. "Wieso sollten sie? Jufgarr ist
böse!"
"Die Heimat bedeutet vielen mehr als das Leben. Eine neue Heimat
zu finden ist sehr schwer", mischte Norton sich ein. "Ich weiß das."
Sealla senkte den Blick. "Was machen wir jetzt?" fragte sie leise.
Likah schloss die Augen und lehnte sich, so gut es ging, gegen eine
Wand. "Abwarten."
Erschrocken fuhr ihr Kopf hoch. "Wie? Das kann doch nicht dein Ernst
sein! Wir müssen doch etwas unternehmen!"
Likah lächelte leicht. "Schon geschehen. Also entspann dich.
Wir werden unsere Kräfte brauchen."
Wenn auch ungern, setzte Sealla sich auf die Steinbank am hinteren
Teil des Kerkers und starrte die verschlossene Tür an.
Erst am nächsten Morgen sahen die Söldner endlich wieder
ein menschliches Gesicht. Ein ihnen unbekannter Mann trat ein und hieß
sie, dass sie mitkommen sollten. Als sie aus der Tür traten, standen
ihnen wieder Dämonen gegenüber.
Cullyn lachte spöttisch. "Da meint es jemand gut mit uns!"
höhnte er. "Was verschafft uns nur diese Ehre?"
Likah zuckte die Schultern. "Wahrscheinlich ist er überängstlich.
Das soll bei Regenten vorkommen. Vor allem bei jenen, die die Welt unterjochen
wollen", murmelte er gleichgültig.
Der Mann schien diese Anspielung zu verstehen. "Damit wir uns gleich
richtig verstehen: Ich mache das nicht freiwillig", wehrte er sich augenblicklich.
"Es geht um meine Familie."
Arton nickte abwesend. "Das ist schon ein Problem. Habt ihr nie
versucht, euch zu wehren?"
Beinahe panisch lachte der Mann. "Ihr habt seine Macht nicht gesehen!
Das ist völlig zwecklos."
"Wie ist seine Macht? Was habt Ihr gesehen?" forschte Likah misstrauisch.
Einen Augenblick lang sah der Mann ihn nur abschätzend an,
dann nickte er. "Er hat eine zweihundert Mann Armee mit einer Handbewegung
im Boden verschwinden lassen." Er sah zu den Dämonen. "Und denen hat
er ohne Probleme den Willen geraubt. Er hält mehrere hundert Dämonen
gleichzeitig in seinem Bann."
Likah schloss die Augen. "Eine große Macht..." Er sah zu den
anderen. "Ich werde wohl wirklich eure Hilfe benötigen."
Sie nickten etwas gepresst. Sie wussten nicht, was Likah vorhatte,
doch es war vielleicht die einzige Chance.
Sie wurden zu einer großen Flügeltür gebracht. Dahinter
lag der Thronsaal. Der Raum war sehr groß, doch fast leer. Auf dem
Boden lag kein Teppich, an den Wänden hingen keine Gemälde. Nur
der überdimensionale Thron und zwanzig Statuen, die den Weg von der
Tür zum Thron hin säumten, waren im Saal. Der Thron lag im Dunkel,
so dass sie Jufgarr nur als Schemen wahrnehmen konnten.
Der Mann wies sie an, zum Thron zu gehen und verschwand selbst schnell
wieder aus dem Raum. Sealla verstand dieses Verhalten sehr gut, denn dieser
Raum war angsteinflößend. Langsam gingen sie zwischen den Statuen
entlang. Sie stellten bizarre Wesen dar, die noch keiner von ihnen je gesehen
hatte. Dass keine Wache da blieb, zeigte deutlich, wie sicher Jufgarr sich
fühlen musste.
Ein leises Lachen empfing sie, als sie vor dem Thron stehen blieben.
"Und solch Jammergestalten wollten mich besiegen?" Jufgarrs Stimme war
tief und hatte einen metallischen Unterklang.
Cullyn schnaubte abfällig. "Nehmt mir die Ketten ab und ich
zeigte Euch, wer hier die Jammergestalt ist!"
Jufgarr lachte nur überlegen. "Das könnte ich und es wäre
bestimmt eine interessante Beschäftigung." Dann erhob er sich und
trat aus dem Schatten.
Likah zischte erschrocken und auch die anderen Söldner gaben
ihren Schrecken Kund. Jufgarr hatte eine menschliche Gestalt – nur dass
seine Züge dämonisch wirkten und er Fledermausflügel hatte.
Likah presste die Lippen aufeinander. Solch ein Wesen hatte auf Pantrath
nichts zu suchen. "Warum seid Ihr nicht in Eurer Welt geblieben, wie es
sich gehört?" fauchte er Jufgarr an.
Langsam drehte dieser seinen Kopf zu Likah. Seine Augen waren misstrauisch.
"Esthar!" zischte er plötzlich. "Ich dachte, die Menschen hätten
euch ausgerottet!"
Likah lächelte dünn. "Ihr solltet doch wissen, dass wir
nicht so einfach zu besiegen sind."
Arton legte den Kopf ein wenig schräg. "Könnte mich mal
jemand aufklären?" fragte er leise.
Jufgarr drehte sich um. "Wie viele Esthar leben noch?" fragte er
wütend, während er an Likah herantrat.
Likah lachte höhnisch. "Glaubt Ihr etwa, ich verrate meine
Rasse? Genug, um Euch zu vernichten!"
Jufgarr fuhr herum und versetzte Likah einen harten Schlag. "Redet,
oder ich schicke Euch in die Hölle!"
Likah sah ihm fest in die Augen. "Davor habe ich keine Angst. Doch
Ihr werdet mich begleiten."
Nun lachte Jufgarr. "Ihr seid nicht in der Position, mir zu drohen.
Wenn Ihr redet, werde ich Euer Leben verschonen."
"Oh! Welch Großmut!" murmelte Cullyn sarkastisch. "Ihr glaubt
doch nicht etwa, dass einer von uns ein Verräter ist!"
Jufgarr lachte wieder. "Ihr glaubt nicht, was die Leute im Angesicht
des Todes alles machen, nicht wahr, Assassine?"
Cullyn zischte wütend. "Ihr habt Euch den Falschen ausgesucht.
Ich habe noch nie jemanden verraten, und ich werde mich hüten, diesen
Schwur zu brechen."
Jufgarr drehte sich um und trat wieder zu seinem Thron. "Ich mache
Euch einen einfachen Vorschlag: Dient mir, und ich werde euer jämmerliches
Leben noch ein wenig verschonen."
"Ihr solltet Euch selbst reden hören!" zischte Arton, "Was
wollt Ihr überhaupt von solch 'Jammergestalten' wie uns?"
Jufgarr sah lächelnd zu den Söldnern. "Ihr könnt
mir zwar nicht das Wasser reichen, aber ihr habt so einige meiner Dämonen
getötet."
Sealla schloss die Augen. "Gebt es doch zu, Ihr könnt Eure
Dämonen nicht mehr kontrollieren!"
Jufgarr fuhr wie vom Blitz getroffen zusammen. "Ihr wagt es!?"
Sie lächelte. "Habe ich Euren wunden Punkt getroffen? Und darum
wollt Ihr menschliche Sklaven."
Likah sah sie kurz an. Sie verstand seinen beschwörenden Blick.
Sie durfte Jufgarr nicht zu sehr reizen. Langsam trat dieser an Sealla
heran. "Hat man Euch nicht beigebracht, wann es besser ist, den Mund zu
halten?" Dann grinste er plötzlich. "Aber solch eine Wildkatze ist
eine willkommene Herausforderung."
Das traf nicht, wie Jufgarr es wollte, Sealla, sondern Likah. "Wagt
es nicht!" drohte dieser leise.
Jufgarr drehte sich um und lächelte siegessicher. "Ihr Esthar
seid solche Narren!" lachte er dann. "Dass aber immer Frauen euer Schwachpunkt
sind, wird langsam langweilig. Aber danke, dass Ihr es mir so leicht macht."
Likah starrte zu Boden. Warum hatte er sich auch nicht beherrschen
können?
Jufgarr schwieg eine Weile und sah die Männer nacheinander
an. Schließlich ging er wieder zu seinem Thron und setzte sich. "Ihr
habt die Wahl, Esthar. Stellt Euch und Eure Magik in meine Dienste, oder
seht die Frau sterben."
Likah presste die Lippen fest zusammen. Jufgarr hatte einen Trumpf
in der Hand, wenn Likah es zuließ. "Tu es nicht, Likah!" beschwor
Sealla ihn leise.
Arton und Cullyn sahen ihren Freund schweigend an. Sie kannten Likah.
Er ließ andere nie im Stich. "Überleg es dir genau", zischte
Cullyn nun, "du weißt, was davon abhängt!"
Likah schloss die Augen und lächelte leicht im Mundwinkel.
"Ja, das weiß ich. Seallas Leben."
Sie keuchte. "Vergiss es!" zischte sie. "Ich will nicht weiterleben,
mit dem Wissen, dass die Welt dafür leiden muss!"
Likah lächelte noch immer. Keiner der Söldner wusste,
was in ihm nun vor sich ging. Und das war gut so. Als er noch immer schwieg,
versuchte Sealla es anders. "Ich weiß, es ist schwer, jemanden zu
verlieren, aber Opfer müssen gebracht werden. Ich weiß, dass
wir uns wiedersehen werden."
"Wenn du es sagst, möchte man es fast glauben", murmelte er
versonnen, "doch ich will es nicht ausprobieren."
Sie zischte erschrocken. Likahs Worte lösten bei Jufgarr ein
triumphierendes Lachen aus. Er wähnte sich nun als eindeutigen Sieger.
"Ihr wollt, dass ich Euch diene?" fragte Likah leise. "Meine Antwort
ist simpel: Nein!" Jufgarr keuchte entsetzt, während die Söldner
erleichtert aufatmeten.
"Einen Augenblick hatte ich schon gedacht...", begann Sealla.
Er schüttelte den Kopf. "Ich werde nicht zulassen, dass du
stirbst, wie damals Diaria." Er drehte sich zu Jufgarr um, der sich von
dem Schock noch nicht erholt hatte. "Ihr habt Euch den Falschen ausgesucht",
höhnte er leise, "ich habe bereits einen Meister. Und den werde ich
nicht verraten!" Er ließ ein kurzes Wort hören und die Fesseln
sanken zu Boden. Likah rieb sich kurz die Handgelenke. Der Bruch war bereits
verheilt.
"Wie um alles in der Welt!" zischte Jufgarr.
"Ich bin nicht so dumm, wie Ihr glaubt!" Er lächelte und nutzte
die Zeit, die Jufgarr noch unfähig war, zu handeln. Er machte eine
leichte Handbewegung und die Fesseln der anderen sanken ebenfalls zu Boden.
Cullyn lachte lauthals los. "Das gefällt mir schon besser!"
murmelte er zufrieden.
"Wie? Wer seid Ihr?" zischte Jufgarr schließlich wütend.
Likah lächelte mitleidig. "Ahnt Ihr das denn nicht? Ich bin
Euer Bezwinger."
"Ich habe Euch wohl unterschätzt. Das wird kein zweites mal
passieren!" Er hob die Hand und eine rotglühende Barriere umschloss
die Söldner.
Likah sah sich um. "Habt Ihr nicht besseres zu bieten?" Er bewegte
keinen Muskel, doch die Barriere brach plötzlich in sich zusammen.
Jufgarr fuhr zurück. "Was zum Teufel!?" schrie er.
Likah legte den Kopf schräg. "Ihr habt Euch den Falschen ausgesucht",
wiederholte er. Er schloss kurz die Augen und hob die Hand, als würde
er etwas festhalten. Die Luft verdichtete sich zu einem schwarzen Nebel,
dann nahm sie Form an. Als Likah die Augen wieder öffnete, war der
Nebel weg und er hielt in seiner Hand seinen Fundra. Sealla keuchte erschrocken.
Diesen Stab mit dem Krummschwert an seiner Spitze hatte sie schon gesehen.
Jufgarr ließ eine unterdrückten Schrei hören. "Das
kann nicht sein!" Likah lächelte kalt. Auf einmal machte er selbst
Arton Angst. Diese Macht...
Langsam trat Likah auf Jufgarr zu. Dieser wich zurück und versuchte,
sich mit magischen Attacken zu wehren. Likah errichtete einen schwarzen
Schild vor sich und die Blitze prallten wirkungslos daran ab. Doch auch
er ging plötzlich zum Angriff über. Ein Strahl von unglaublicher
Helligkeit fuhr auf Jufgarr zu – und traf ihn auch. Als das Licht endlich
verblasste, ließ Likah ein erschrockenes Stöhnen hören.
Jufgarr stand noch und war fast unversehrt.
Jufgarr lachte gellend. "Ihr seid ein Narr! Ich bin Eurer Macht
gewachsen!"
Dann griff er wieder an. Mehrere Zauber gleichzeitig. Likah konnte
sie nicht alle abwehren. Einer ging durch. Cullyns schmerzerfüllter
Schrei drang an Likah heran. Er fuhr herum und sah Cullyn zu Boden gehen.
Arton war sofort an seiner Seite und kniete bei ihm nieder. "Er ist schwer
getroffen." keuchte er.
Likah nahm keine Rücksicht auf sich selbst. Er lief ebenfalls
zu Cullyn und sah ihm fest in die Augen. "Wie schlimm ist es?" fragte er
leise.
Cullyn lachte abfällig. "Das haut doch keinen Elben um!"
Sealla sah Likah an. Er wird nicht überleben? fragte
sie ihn wortlos.
Statt eine Antwort zu geben, stand Likah auf und drehte sich zu
Jufgarr. "Das hättet Ihr nicht tun dürfen!" zischte er leise
und schneidend scharf.
Jufgarr wich zurück und startete wieder einen Angriff. Doch
Likah war dieses Mal vorbereitet und der Zauberschild stand bereits. Doch
er musste viel Kraft darauf konzentrieren.
"Jetzt seid ihr dran!" sagte er gepresst zu Sealla.
Sie sah ihn verständnislos an. "Womit?"
Er sah sie kurz an. "Geh zu Cullyn und Arton. Ich brauche eure Kraft."
Langsam trat sie zu den Beiden und kniete ebenfalls nieder. Verwirrt sah
sie zu Arton, in der Hoffnung, er wisse, was zu tun war. "Konzentriert
euch auf eure Kraft." Likahs Worte waren sehr gepresst, denn Jufgarr versuchte
mit aller Macht, Likahs Schild zu überwinden und die Söldner
aufzuhalten. Und seine Macht war unbeschreiblich.
Norton hatte inzwischen die Tür besetzt, um ihnen den Rücken
freizuhalten. Sealla sah verzweifelt von Arton zu Likah. "Welche Kraft?"
"Konzentriert euch!" keuchte Likah ohne weitere Erklärung.
Sealla sah zu Cullyn, der sich unter Schmerzen aufsetzte. Er lächelte
sie an. "Augen schließen und dem Geist freien lauf lassen", flüsterte
er, "wie beim Beten." Dann tat er ein gutes Beispiel. Völlig entspannt
saß er zwischen Sealla und Arton. Sealla schloss schließlich
auch die Augen und versuchte an nichts zu denken, außer daran, dass
sie Likah helfen musste.
Likah lachte plötzlich leise. "Sie haben es verstanden." Er
sah siegessicher zu Jufgarr. "Wir sehen uns in der Hölle", höhnte
er.
Er hatte die Kraft seiner Freunde schon längst gespürt.
Jetzt nahm er sie auf, sammelte die Lebensenergie, die sie ausstrahlten.
Einen Augenblick lang schien die Zeit stillzustehen, als Likah den Schild
fallen ließ und die Energie mit seiner bündelte. Für den
Bruchteil einer Sekunde stand er schutzlos mit geschlossenen Augen da.
Dann öffnete er die Augen plötzlich und sein Stab fuhr
in Brusthöhe. Jufgarr schrie entsetzt auf, versuchte Likah seine ganze
Magie entgegen zu schleudern, doch es war zu spät. Um Jufgarr herum
hatte die Luft sich plötzlich in Bewegung gesetzt, umkreiste ihn wie
ein lauerndes Tier. Jufgarrs Zauber verschwand wirkungslos in den Wogen.
Likah sah zu, wie der Kreis sich verdichtete und dunkler wurde.
Eine endlos Minute lang konnte man nichts mehr sehen, außer den wogenden
Kreis, dann lichtete sich das Dunkel wie ein Nebel, durch den der Wind
wehte. Jufgarr war verschwunden. Zufrieden lächelnd sank Likah auf
die Knie. Soll der Wächter der Hölle sich mit Jufgarr beschäftigen.
Dann empfing ihn die wohltuende Schwärze der Ohnmacht...
© Dragonsoul
Lianth
Vor Verwendung dieser Autoren-EMail-Adresse
bitte das unmittelbar am @ angrenzende "NO" und "SPAM" entfernen!
|