Auf der Suche von Rania
Das Tal der Wandlung

Ich streifte wie immer durch den dichten,  dunklen  nächtlichen Wald, der mittlerweile meine zweite Heimat geworden war.
Es hatte geregnet und es roch so furchtbar angenehm. Ich liebte den Wald nach einem heftigen Regen! 
und nun konnte ich dort ganz allein sein; ohne die betrügerischen Augen der restlichen Menschen, ohne Zwang und Kummer. 
Hier an diesem wunderbaren mystischen Ort konnte ich einfach ich sein, mit all meinen Fehlern und Leidenschaften.
Ich rutschte den nassen Berg hinunter. 
Als ich zum stehen kam erblickte ich meine so sehr geliebten dinge. Die moosüberwachsenen grün- grauen Felsen, den Wasserfall, der sich zwischen ihnen herschlängelte in seiner monströsen Gestalt, die immergrüne Wiese mit den wilden Rosen.
Ohh wie liebte ich diesen Ort, diese Stille, diese Harmonie. Niemand hätte je diesen heiligen Ort finden können, es sei denn geführt von einer höheren Gewalt oder Kraft, denn er lag versteckt hinter all den hohen Felsen und tief im tiefsten Wald. 
Kein Mensch hätte sich je hier her getraut.
Ausser mir. Ich suchte mein Leben und ich hatte es hier gefunden. Verfolgt von blutrünstigen Wölfen, rutschte ich in mein Glück. 
Zuerst fürchtete ich mich vor diesem Ort, denn noch nie durfte ich eine solche Welt betreten in der ich die einzige war und niemand da war, der mein Leben wollte. Keine hasserfüllten Gestalten, keine anderen Menschen.  
Ich fühlte mich plötzlich geborgen und wusste, dass ich hier mein wahres Leben finden konnte. 
Seit diesem dunklen stürmischen Tage an kam ich jede Nacht an diesen von Licht verzauberten Ort, um Abstand zu nehmen von der kalten und grausamen Welt.
Es war Nacht und ich war an „meinem" heiligen Ort. Allein. Ich philosophierte wie immer über mein Leben und was es ausmachte. 
Ein Knacken. Ein lautes Knacken. Ich drehte mich um. Ich sah nichts. Der volle strahlende Mond spendete viel Licht. Doch ich sah nichts. Nichts, ausser der verspielten Sterne, die um den Mond tanzten; ihn geradewegs umwarben.
Wollte jemand meinen Frieden stören? War mir unbemerkt jemand gefolgt, obwohl ich wachte wie ein Luchs? Welcher Dieb wagte es mir meine Geborgenheit zu nehmen? Oder war es doch nur ein kleines Tier, das sich verlaufen hatte, oder das nasse Unterholz?
Ein weiteres knacken. Es kam näher. Angst, alles zu verlieren, stieg in mir auf. Panik.
Ich schrie laut, so dass sich alles in mir zusammenzog. Ich wollte kämpfen; ich hätte mit meinem Leben bezahlt, um diesen Ort zu verteidigen. Niemand hatte das recht dieses Paradies der realen Welt zu öffnen! 
Stille. Nichts regte sich mehr. Langsam kehrte mein Seelenfrieden wieder ein.
Ich setzte mich auf den alten umgefallen Holzstamm und genoss die Stille.
Nein, niemand wollte mir meinen Platz in der heilen Welt streitig machen.
Ich war zufrieden und liess die atemberaubende Aura weiter auf mich wirken. Wie konnte ich nur auf die Idee kommen, dass sich jemand hier her verirrte?!
Nein. Das konnte nicht passieren.
Ich philosophierte weiter und kam zu dem Entschluss, dass es für heute nacht reichen würde. Wieder war ich zu keinem Ergebnis gekommen was mein Leben anging, aber ich war mir sicher es in der nächsten Nacht zu erfahren.
Denn das war es schliesslich was mich jede nacht hier her trieb, das und die unendliche macht die ich hier besaß.
Ich stand auf und wollte langsam den aalglatten Berg hinaufklettern und verabschiedete mich noch ehrwürdig und dankend von meinem Seelenfrieden.
Ein Stoß. Nein. Ein Hieb. Ich schlug zu Boden. Ich wusste nicht wie mir geschah;
ich drehte mich um, doch ich sah nichts... nichts. 
Eine beissende Angst. Ich rannte. Zurück zum Holzstamm. Dort stand der Mond in voller Pracht. Licht. Licht!
Ich sah ihn... nein... es.
Es kam langsam und doch aggressiv auf mich zu. Ich erstarrte. Nichts konnte ich tun. Ich sah es; es sah mich. Es beobachtete jeden meiner Atemzüge und es schien mir als wenn es mich auslachte, geglaubt zu haben, dass ich an diesem Ort sicher sei vor ihm. 
Es blieb stehen. Es stand nun im vollen Mondlicht und ich konnte endlich sehen was „es" war.
Kein Tier, kein, Mensch, nichts hätte mich mehr ängstigen können als dieses Wesen! Es war so unbeschreiblich häßlich und doch strahlte es eine unbewusste Schönheit aus; eine die ich noch nie sah oder spürte.
Ich ertappte mich dabei Sympathie für dieses Wesen zu empfinden; was war es... was wollte es? War es meine Strafe? Die Strafe für das Vergehen, welches ich beging als ich diesen Ort betrat?
Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Rennen, dachte ich, rennen, doch ich konnte nicht.
Es faszinierte mich zu sehr. Wie es dort stand, mit grossen mächtigen Flügeln, glühenden wütenden Augen. Es hatte mächtige Muskeln und riesige Klauen mit denen es mich sofort hätte töten können. Wenn es gewollt hätte, oder spielte es nur mit mir? Ich wusste es nicht! Und dennoch blieb ich. 
Die Kraft die es ausstrahlte schien aus jeder einzelnen Pore seines Körpers zu spriessen. 
Es kam weiter auf mich zu und blieb zwei Meter vor dem Holzstamm stehen, hinter dem ich mich versuchte zu schützen.
Es fing an, in einer mir fremden Sprache, zu sprechen. Ich verstand es nicht; und doch verspürte ich zu wissen was es mir sagen wollte. 
Ich bekam plötzlich rasende Angst. Ich musste rennen, und ich tat es. Ich rannte, ich rannte um mein Leben, den rutschigen Berg hinauf, durch den tiefen Wald hinein in die reale Welt. Ich sah mich nicht um.
Erschöpft kam ich an meinem Haus an. Schweissnass und völlig atemlos stand ich dort nun. In der realen Welt. Endlich. Ich war nie glücklicher all diese Menschen, mit ihren hassverzerrten Gesichtern, zu sehen. Menschen die ich sonst hasste.
Ich konnte nicht glauben was dort vor ein paar Minuten passiert war. Ich verstand es nicht. Es stand mir noch nicht zu es zu verstehen.
Ich war so erschöpft. So müde. Ich betrat mein Haus und legte mich keuchend in mein Bett. Kurz darauf verfiel ich in einen ohnmachtsähnlichen zustand, aus dem ich erst am nächsten morgen erwachte, als mich die grellen Sonnenstrahlen durch das Fenster weckten. 
Ich hatte geträumt. Ich hoffte es.
Der Tag wollte nicht enden. Die Nacht nicht eintreten. Ich wollte zurück, zurück an meinen so atemberaubenden Platz, ich wollte wissen ob diese furchtbaren dinge Wirklichkeit waren oder ob mich nur mein Unterbewusstsein quälte. 
So ein wundersames Wesen konnte nicht existieren.
Nein.
Nacht. Endlich. Der Schutz der Dunkelheit. Meine Zeit war gekommen.
Ich streifte los. Durch den dunklen Wald. mein Zuhause. Ich kam endlich an dem kleinen kaum sichtbaren steilen Berg an. Nein so ein Wesen gibt es nicht, dachte ich verstört, und rutschte hinunter, in meinen frieden.
Ich war angekommen. Friedlich wie immer schlummerte das Tal im Mondlicht. Oh wie verlockend war doch das Wasser. Das Wasser. Ich konnte nicht widerstehen. Ich musste hineinspringen um all die Last von meinen Schultern zu sprengen. Ich fühlte mich wie in Ketten. Schwere Eisenketten.
Der Wasserfall spülte alles hinfort. Ich war wieder befreit. Befreit von all der schweren Last der realen Welt. 
Da.
Nein das kann nicht sein. Es stand vor dem Wasserfall. Nein. Einbildung.
Nein. Es war real. 
Es stand dort und beobachtete mich eindringlich und bewachend. Ich wollte flüchten. Ich konnte nicht. 
Es hatte mir den Weg abgeschnitten und mir keinen Ausweg gelassen. Nicht wie in der letzten nacht. Nein. Kein Ausweg. Was sollte ich tun? 
Seltsam, diesmal verspürte ich plötzlich keine angst mehr, keine langsam aufsteigende Panik. 
War es mein Beschützer? War es geschickt worden um mich zu erlösen? Dürfte ich für immer in dieser, mit liebe erfüllten, Welt bleiben? Ich roch die wilden Rosen.
Es fing wieder an in dieser mir so fremden Sprache zu reden. 
Es merkte das ich es nicht verstand was es mir sagen wollte. 
Es brüllte. Es brüllte so laut wie ich bis zu diesem Zeitpunkt noch nichts brüllen gehört hatte. aber es war kein aggressives oder hassendes Brüllen, eher ein verzweifeltes brüllen.
Langsam stieg ich mit meinem nackten Körper aus dem purpur farbenen Wasser heraus. Es perlte von meinem Körper hinunter. 
Wird es mich angreifen? Nein. Es braucht Hilfe, dachte ich naiv.
Ich sprach. 
Ich sagte das ich keine Angst hätte und ihm helfen wolle. 
Das Wesen starrte mich aufmerksam an. 
Es verstand! Es verstand meine Sprache. 
Ein unbeschreibliches Glücksgefühl breitete sich in meinem Körper aus. Es floss durch meine Adern. War das „seine" Kraft? Oh ja ich spürte sie. Unverwechselbar. Einzigartig.
Es fing an zu sprechen. Ich konnte nun ebenfalls verstehen was es sagte. Es sagte mir das es ein Drache sei und Menschen eigentlich strengstens meiden würde, aber ich sei in sein Tal eingedrungen und habe „seinen" Frieden gestört.
Seinen frieden...wie oft war ich nun hier und habe noch nie etwas davon gemerkt das ich jemanden in seinem frieden störe? Oder war ich so vertieft darin...meinen Frieden zu finden?
Ich hakte nach und wollte wissen wieso er mich nie verscheucht hätte oder nur ansatzweise versucht hat auf sich aufmerksam zu machen!
Er sah mich verwundert an. 
Wie kann ich ein so wunderbares Wesen verscheuchen? Du bist nicht wie andere Menschen, du vernichtest nicht das was du fürchtest. Ich beobachtete dich. Lange. Oft. Jeden deiner Atemzug sog ich in mich auf um zu erfahren wie du fühlst. Ich kann dich verstehen. Du bist einzigartig. Wie ich. Dich gibt es nur einmal. Genau wie mich, nur das deine Rasse  noch nicht ausgerottet ist wie meine. Ich bin der letzte Drache. Wir wurden Jahrhunderte lang gejagt und verfolgt, gequält, gehetzt und grauenvoll abgeschlachtet, nur damit Prinzen oder sonstige Möchtegern Drachentöter ihre Potenz beweisen konnten! Doch du bist anders, redete er ruhig aber zugleich aggressiv und rachsüchtig. 
Du bist anders? Das gab mir zu denken, war ich anders weil ich mein Leben suchte, weil ich vor der realen Welt fliehen wollte? Meine „Gattung" würde so ein verhalten als verrückt abstempeln. Ein Drache? Ein Fabelwesen. Ein wundervolles Fabelwesen! So mächtig, so allwissend! 
Langsam redete er weiter; ich weiss, dass du das einzige menschliche Wesen bist welches mir helfen könnte, allerdings müsstest du mir voll und ganz vertrauen und mit deinem restlichen leben abschließen um ein Teil von dieser dir so fernen Welt zu werden. Ich weiss ebenfalls das dies ein grosses Opfer wäre und du vielleicht nicht dafür bereit wärest, aber ich habe dich beobachtet, studiert und von dir gelernt. Ich denke das dies das langersehnte Leben wäre, welches du suchst. Niemals mehr müsstest du diesen Hass und Schmerz der Menschen empfinden. Du bist hergeführt worden von einer Kraft die dich ausgewählt hat.
Ich war überwältigt.
Wie konnte dieses Wesen fühlen was ich dachte, wie konnte es mir so ein Angebot stellen? War es wirklich meine Aufgabe, mein neues Leben, ein teil von dieser fremden Welt zu werden? 
Ich war verwirrt und fragte ihn unwissend und leise nach seinem Namen.
Er sagte ich würde seinen Namen nicht verstehen und sollte ihn deshalb Patalaimon nennen. Ich wurde still, denn Pantalaimon bedeutete in meiner Sprache soviel wie satanischer Drachengott! Also hatte Satan seine Finger im Spiel?
Ich wurde ängstlich.  
Er spürte meine Angst und beruhigte mich und sagte, dass es der einzige mir verständliche Drachenname wäre. Ich war beruhigt!
Er wusste meinen Namen...woher auch immer, er sprach ihn dreimal hintereinander, mit gesenktem Blick, aus.
Rania... Rania... Rania
Ich wusste nicht was es war... aber ich verspürte eine starke Bindung. Das spürte ich tief in mir. Was war es? Ich verstand es noch nicht! 
Ich fragte ihn was ich für ein Opfer bringen müsste.
Er wurde ganz ruhig und setzte sich mit seinen mächtigen Hinterläufen auf den feuchten Waldboden, seine rote lederne Haut, von der der Sternenstaub perlte, glänzte im Mondlicht.
Rania, sprach er leise, wir müssen uns vereinen, du musst ein teil von mir werden und ich ein teil von dir. Es lag ein Hauch von zittern in seiner dunklen stimme. Ich wusste  was er fürchtete.... 
Aber ich antwortete ihm gleich und bewusst.
Pantalaimon, ich schaute ihm tief in die Augen während ich dies bestimmend aussprach, ich möchte ein Teil von dir sein, über den menschlichen Dingen stehen, deine macht teilen und deine Kraft spüren.
Ich konnte nicht zulassen, dass eine so wunderbare Rasse ausgerottet wurde, auch wenn es für mein menschliches dasein den Tod bedeutete; aber was hatte ich schon zu verlieren? All den Hass und den Schmerz? Ich nahm sein Angebot mit offenem Herzen an.
Er fragte mich ob ich wirklich sicher wäre und ob ich alles hinter mir lassen könnte! Und ich stimmte zu! 
Er erklärte mir genau was er mit mir machen müsse damit ich ein Halb-Drache werden könne. Er würde mich beissen und mein Blut mit dem seinen vermischen, ich würde in eine Metamorphose fallen, die Tage oder sogar Wochen bräuchte und dann würde ich endgültig über den menschlichen Wesen stehen. Ich stimmte nickend zu.
Unter dem Schutz des Mondes, seinem licht und im Glanz des Wasserfalls  erhoben wir uns allmächtig und gewaltig in die kühle klare Nachtluft. Die Sterne glänzten und funkelten vom Himmel herab.
Pantalaimon hielt mich fest und wog mich in seinen starken Armen, die mit riesigen Klauen endeten, und seine Flügel schlugen wild und frei. Er stieß mir mit geballter Wucht seine grossen blitzenden Zähne in den Hals, so tief, dass er meine Halsschlagader traf und ich drohte zu verbluten. 
Doch das war ein Teil des Rituals. 
Ich spürte keinen Schmerz sondern stolz. Nun würde ich ein teil einer höheren kraft werden! 
Er stieß merkwürdige laute in den dunklen Nachthimmel, die wie ein Echo von den Sternen zurückgeschickt wurden. dann wurde ich ohnmächtig und Pantalaimon ließ mich wohl sanft zu Boden gleiten. 
Als ich aufwachte waren meine Gedanken nicht sortiert und ich musste alles in Bewegung bringen damit ich wenigstens einen klaren Gedanken fassen konnte! war es Wirklichkeit?
ich versuchte aufzustehen. Es ging nicht. Ich öffnete die Augen. Ich sah Pantalaimon über mir, sanft half er mir auf.
Da stand ich nun, halb Drache, halb Mensch. Ich schaute mich neugierig an. Ich war nicht rot sondern purpur, wie mein geliebter Wasserfall, ich hatte grosse gewaltige Flügel und Pantalaimon bestätigte mir, dass ich eine wunderschöne Drachendame geworden war.
Ich war glücklich wie nie... endlich hatte ich das gefunden wonach ich mein Leben lang gesucht hatte, meinen Frieden, meine Aufgabe!
Intelligenz und viele Gefühle machen einen Drachen aus... und das vereinst du Rania, sprach er herrschend. 
Ich sah ihn dankend an und stieß einen lauten und wohltuenden Schrei aus.
endlich war ich frei von all der menschlichen Qual, von all dem Schmerz und Leid. 
Nun war ich ich, und niemand könnte es mir jemals nehmen!
 
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Bestimmt gibt's hier bald das 2. Kapitel... ;-)

Denkt bitte daran: auch diese Geschichte nimmt am Drachentaler-Wettbewerb teil.
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