»Was hast du morgen vor?«, fragte Atina während
des Abendessens ihre älteste Tochter.
»Ich habe Lust aufs Nichtstun und zum Träumen«,
entgegnete Tumdah.
»Aufs Nichtstun?«, fragte Annug ungläubig, die
ihre große Schwester nur als eine viel beschäftigte Fürstin
kannte, und vorher, als Erbprinzessin, viele Termine absolvierte.
»Genau, meine liebe Schwester. Mal keine Termine haben und
keine Besucher empfangen oder Besuche machen. Nur die Seele baumeln lassen.
Etwas über unseren Vater nachdenken«, antwortete Tumdah und
wandte sich an ihre Mutter: »Ich weiß kaum was über unsere
Vorfahren und warum unser Wappen nur ein halbes ist. Und warum darin Sterne
und ein halber Drache abgebildet sind.«
»Darüber willst du nachdenken?«, fragte Atina.
»Ja, Mutti. Wie kamen unsere Vorfahren ins Land? Da sind so
viele Fragen, so auch, warum mag ich Katzen und Drachen«, antwortete
eine nachdenkliche Tumdah und legte ihre Servierte neben den Teller.
Atina nickte und stellte fest: »Du hast kaum Zeit gehabt,
um um deinen Vater zu trauern. Und während der Ausbildung gab es ebenfalls
keine Zeit über deine Vorfahren nachzudenken.«
Eine Stunde später betrat Atina die Bibliothek, wo sie auf
Juna traf.
»Juna«, fing Atina an, »Tumdah möchte gern
etwas über ihre Vorfahren wissen. Bitte bringe ihr morgen etwas über
die Familie.«
Juna nickte. »Mache ich gern. Werde die Familienchronik hervor
suchen und sie ihr bringen.«
»Sehr schön, Juna«, bedankte sich Atina und ließ
sich einen Roman geben. Dann verschwand sie in ihrem privaten Wohnzimmer
und legte sich auf ihr Sofa. Die Abendnachrichten wurden angesehen und
ein Liebesfilm. Müde und mit kleinen Augen wechselte sie hinüber
in ihr Schlafzimmer, wo ihre Zofe bereits auf sie wartete.
Der Spätsommer zeigte sich in seinem schönsten Kleid.
An diesem Morgen nahm Tumdah das Frühstück in ihrem Wohnzimmer
ein.
Die Zofe räumte das Geschirr weg und stellte eine Karaffe mit
frischem Quellwasser auf den Beistelltisch. Ein Wasserglas aus dem feinsten
Kristallglas kam daneben und wurde von der Zofe mit Wasser aufgefüllt.
Auf dem Sofatisch stand eine Glasschale mit frischem Obst, die täglich
aufgefüllt wurde.
Tumdah dankte, ging zum Fenster und schaute hinaus. Sie seufzte
und setzte sich in ihren Lieblingssessel. Da tauchte Juna in der Tür
auf und schob einen der Bücherwagen vor sich her. Die Chroniken von
Sternen lagen darauf. Auf dem Weg von der Bibliothek durch die Flure zu
Tumdahs Appartement sang Juna leise den neuesten Schlager vor sich hin.
Leise öffnete sie die Tür und studierte die junge Fürstin,
die in einem bequemen Sessel saß.
Durch eine Bewegung wurde sie auf Juna aufmerksam und hob den Kopf.
Freundlich sah sie ihre Bücherfee an, so nannte Tumdah Juna auch noch.
Juna kam näher und schob den Bücherwagen, der aus edelstem
Holz geschreinert worden war, neben Tumdah. An einer der Seiten gab es
mal das komplette Familienwappen.
»Hier sind die Chroniken der Familie«, sagte Juna.
Erstaunt sah Tumdah auf die Bücher. »Was soll ich mit
den Büchern tun?«, fragte sie Juna verschmitzt.
»Du wolltest doch Erkundigungen über deine Vorfahren
einholen. In diesen Büchern findest du genaueres über die Prophezeiung,
die ich dir vor wenigen Tagen zeigte«, antwortete Juna, nickte zum
Abschied und verschwand.
Kurze Zeit später saß Juna bei einer Freundin, die bei
einem Unfall ihr Augenlicht verloren hatte. Diese fragte Juna nach Tumdah
aus und wie sie jetzt aussah und was sie so machte.
Juna nahm die Hand ihrer Freundin und erzählte: »Die
zierliche Tumdah hat grüne Augen mit goldenen Punkten, zarte Elfenohren
und das lange schwarze Haar, das bis zu den Hüften reicht, bindet
sie zu einem Zopf. Bei Festlichkeiten steckt sie die Haare hoch und schmückt
sie mit Juwelen.
Die knapp einssiebzig große Tumdah trägt gerne Kleider.
Heute trug sie eine beigefarbene und mit Goldfäden bestickte Tunika
aus feinster Seide. Die passende Hose war in türkis und dazu passende
Sandalen.«
»Hatte Schmuck an?«, fragte Junas Freundin sie im Telegrammstil.
»Heute nicht, da sie daheim bleibt. Ich habe ihr die Familienchronik
gegeben, weil sie ihre Ahnen kennenlernen will.«
»Was mag sie?«
Juna lächelte, knabberte an einem Haferkeks, dazu ein Schluck
Apfelwein und erzählte weiter: »Sie mag Katzen und Drachen.«
»Drachen?«, fragte Junas Freundin erstaunt.
»Ja«, nickte Juna, »in ihrem Wohnzimmer hat sie
viele Bücher über Katzen und Drachen. In einer Glasvitrine stehen
die verschiedensten Drachen- und Katzenfiguren. Als ich sie heute morgen
aufsuchte, um die Bücher zu bringen, saß sie nachdenklich in
ihrem Sessel und sah das alte Ölbild an, das ihren Urahn Thule den
Ersten mit einem Regenbogendrachen zeigte.«
Junas Freundin lächelte und schwieg.
Juna streichelte ihrer Freundin übers Gesicht und berichtete:
»Tumdah ist eine Kämpferin und hat Mut. Sie hat einen starken
Willen und weiß was sie will. Sie liebt ihre Mutter und ihre Geschwister.
Als ihr Vater starb, musste sie ihre Mutter stützen, die zusammengebrochen
war, und dann ihre Geschwister trösten. Da sie über Nacht unerwartet
die Regentin des Fürstentums Sternen wurde, dadurch hatte sie sehr
wenig Zeit, um zu trauern.«
Juna wechselte das Thema und versorgte ihre blinde Freundin.
Tumdah hielt das Glas mit Wasser in der Hand und sah nachdenklich
die Chroniken an. Sie stellte das Glas auf den Beistelltisch, stand auf,
holte ihren Lieblingsplüschdrachen, den sie im Handarbeitsunterricht
selbst genäht hatte, und setzte sich wieder hin. In Griffnähe
etwas zu trinken und zu essen.
Tumdah beherrschte die verschiedensten Dialekte, die in Sternen
und in Mondstaub gesprochen wurden, und die Fremdsprachen.
Sie schlug den ersten Band der Chronik auf. Die Bücher waren
mit dem feinsten Kalbsleder, das es gab, eingeschlagen und die Schrift
auf dem Buchdeckel bestand aus Gold.
Auch das Wappen war in Gold abgedruckt. Tumdah kannte ihr Hauswappen
aus dem Effeff. Hier sah sie das komplette Wappen, außer der zweiten
Drachenhälfte waren hier weitere Sterne und ein Mond zu sehen.
Die Halbrundschilde der Fürstenfamilie von Sternen und des
Herzogs von Mondstaub waren blau mit goldenen Figuren und jeweils gespalten.
Als aus Sternenmond Sternen und Mondstaub wurde, teilten die Heraldiker
das Wappen. Jede Familie erhielt die Hälfte des Motivs. Seitdem hat
das Fürstentum Sternen die linke Hälfte und das Herzogtum Mondstaub
die rechte Hälfte.
Der gespaltene Halbrundschild der Fürstenfamilie von Sternen
und die des Landes Sternen gab es seit Jahrzehnten, wie auch derer von
Mondstaub.
Das gespaltene Wappen, links die goldenen Symbole auf blauem Hintergrund
und rechts komplett blau, von Tumdahs Familie hatte ein Steinmetz über
das Eingangsportal angebracht.
An den Uniformen der Polizeibeamten und den Zollbeamten sowie auf
den Briefbögen und auf den Urkunden und anderen offiziellen Schriftstücken
prangten sie ebenfalls. Viele hatten sich daran gewöhnt und nur ältere
erinnerten sich daran, dass die Wappen von Mondstaub und Sternen eigentlich
zusammen gehörten.
Wie Tumdah bemerkte, waren die Blätter der Chroniken aus handgeschöpften
Papier, der allerbesten Qualität, hergestellt. Die Grundlage für
dieses Papier war die Lokatapflanze, ein Seidelbastgewächs.
Diese Pflanze war aus Nepal importiert worden und wuchs jetzt im
Drachengebirge. Geschrieben wurde sie in einer Mischsprache, die aus Elfisch,
Drachisch und Menschisch zusammengemixt war.
Diese alte Sprache beherrschte Tumdah perfekt. Ihre Tante Blaustern
und ihr Mann Blunang schulten sie von Kind an in dieser Sprache. Nachdem
die Drachen verschwanden, wurde drachisch in der Schule nicht mehr gelehrt.
Aber Tumdahs Vorfahren hatten sich, unterstützt von den Drachen,
die Mühe gemacht und drachisch in Schriftform festgehalten. In einem
Regal der Schlossbibliothek standen alte Wörterbücher und Schulbücher
für drachisch, die aus einer Zeit stammten, bevor die Drachen verschwanden.
Elfbanisch war die Amtssprache von Sternen, wie in Mondstaub und
Stolzen.
Wer im Sonnen-Drachenland leben und arbeiten wollte, musste die
verschiedensten Kurse belegen; unter anderem Sprachkurse besuchen, um eine
Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis zu erhalten.
Davon ausgenommen waren Tagesgäste und Urlauber.
Die Zugänge zum Sonnen-Drachenland waren eine Art Tunnel, damit
die Zuwanderer besser kontrolliert werden konnten. Das war Tumdah durch
den Geschichtsunterricht bekannt. Von diesem Tunnelzugang bemerkten die
Einreisenden kaum etwas, nur dass das Wetter und die Landschaft auf der
anderen Seite anders war.
Zauberer, dafür waren die Zauberer der Klasse vier zuständig,
sorgten durch Zauberformeln, dass die Gäste Elfbanisch verstanden
und einfache Sätze sprechen konnten.
Grenzwächter waren eingesetzt, damit diese aufpassen sollten,
damit niemand unbefugt einreiste und etwas herein oder heraus schmuggelten.
Als Thoren starb, brachen die Sicherheitsrichtlinien zusammen. Die
ehrlichen und treuen Amts- und Behördenleiter des Zollamtes, sowie
des Amtes für Grenzschützer, auch Behörden genannt, wechselten
in den Ruhestand, und neue nahmen den Dienst auf. So kam es, dass niemand
die beiden Ämter kontrollierte. Tumdah wie auch Löw wurden über
diesen Missstand nicht aufgeklärt. Tumdah wunderte sich zwar, dass
sie Menschen sah, die nicht Elfbanisch sprachen.
Was Tumdah und auch Löw nicht wussten: Es gab immer mehr bestechliche
Beamte. Auch die zuständigen Minister für diesen Bereich verdiente
daran sehr gut. Es wäre ihre Aufgabe gewesen, bei der Sitzung Fürstin
Tumdah und Herzog Löw auf diese Missstände aufmerksam zu machen.
Die meisten der Grenzwächter und Zollbeamten vererbten ihren
Arbeitsplatz auf den Sohn, obwohl ein Gesetz dies nicht vorsah. Die Amtsleiter
und leitenden Mitarbeiter machten aus Bequemlichkeit keine Meldungen und
weil sie keine Lust hatten auf die reichlich fließenden Schmier-
und Schwarzgelder zu verzichten. Diese leicht verdienten Gelder wollte
keiner der Mitarbeiter der Grenzbehörde vermissen, obwohl sie gut
verdienten. Jeder hatte ein Haus, das gut und manchmal sehr luxuriös
eingerichtet war.
Tumdah blätterte und entdeckte auf den ersten Seiten die ersten
Zeichnungen und Landkarten von Sonnen-Drachenland. Ein großer Abdruck
dieser Landkarte hing in ihrem Arbeitszimmer.
Auf der vierten Seite fing die Chronik an. Es ist der 13. Mai 1600,
fing Tumdah an zu lesen.
Endlich haben wir eine neue Heimat gefunden, schrieb Elbkönig
Thulema. Meine Frau Goldblue und meine vier Kinder, Goldblume, Lematha,
Francoma, Bluemone, sind mit mir gekommen und in meinem Gefolge sind weitere
Elfen, die die verschiedensten Berufe haben.
Sie sind sehr fleißig und werden uns helfen, einen friedlichen
Ort zu gründen. Weil wir nicht wussten, was wir an Lebensmitteln vorfinden,
haben wir genügend mitgebracht. So auch Saatgut und junge Pflanzen.
Ebenfalls haben die Handwerker auf ihren Wagen ihre Werkzeuge und
Hausrat verstaut. In einem besonderen Wagen regierte die Wehfrau, die sich
um schwangere Frauen kümmerte.
Ich habe keine Kraft mehr, um um Frieden in Nagaria zu kämpfen.
Auch meinen Begleitern war das Blutvergießen, und das bereits seit
Jahrzehnten, leid. Wann hört das unsinnige Blutvergießen auf?
Unschuldige verlieren ihr Leben oder werden für immer gekennzeichnet.
Tumdah las, wie die ersten Häuser gebaut und die erste Ernte
eingebracht wurde. Nachdem die reichliche Ernte eingebracht worden war,
wurde ein großes Dankfest veranstaltet.
Dezember 1600: Haben Drachen entdeckt, darunter auch Elfendrachen.
Die sagen uns, das es dass Drachenjahr einhundertvierzig sei.
Es liegt viel Schnee, aber in unseren Häusern ist es mollig
warm. Als wir bedrückt und mutlos waren, ermutigen uns die kleinen
Drachen, doch weiter zu machen und brachten uns zum Lachen.
An einem Frühlingstag stand ich an einem See, schrieb Thulema,
da landete neben mir ein Regenbogendrache mit seiner Gefährtin, die
sich als Gurlu und Lulu vorstellten. An ihren Ohren konnte ich sehen, dass
die beiden mich neckten.
Wir verstanden uns auf Anhieb gut. Meine Kinder durften, wie meine
Frau und ich, auch auf ihren Rücken platz nehmen und mit ihnen von
oben aus das Land kennenlernen.
Gurlu half mir beim Kartographieren und freute sich über ein
besonderes Geschenk von mir. Denn mein Hobby ist es, selber Papier herzustellen.
Gurlu fauchte begeistert, hob das Papier hoch und entdeckte sein
Wappen darin. Mit Drachenspezialtinte schrieb er seine Familiengeschichte
auf.
Menschen tauchten auf, es sind müde Menschen, die sich mit
den letzten Kräften hierher geflüchtet haben. Wie wir einige
Tage später erfuhren, hieß der Anführer Isidor Sternenberg.
Weil sein Halbbruder Idor nach seinem Erbe gierte und versuchte Isodors
Sohn und Erben zu töten, deshalb habe er, so Isidor der Gütige,
seine Familie genommen und ist klammheimlich, als Idor verreist war, aus
der väterlichen Burg ausgezogen.
In seinem Gefolge waren Handwerker und Bauern, die Angst vor Isidors
Halbbruder Idor hatten, der unbarmherzig gegenüber seinen Untertanen
war und keine Gnade kannte.
Die Drachen merkten sehr schnell, dass wir friedliebend sind und
niemanden töten wollen. Dies stellten auch die anderen Bewohner schnell
fest. Viele Freundschaften und Familienbande wurden geknüpft.
Thulema notierte: Isidor hat mir von seinem Traum erzählt,
warum er hierher gezogen ist.
Tumdah hob den Kopf und blickte das alte Ölgemälde an.
Es hatte sich geändert. Sie rieb sich die Augen, da saßen zwei
Männer in einem großen Raum, im Kamin flackerte ein Feuer. Dann
hörte sie die beiden Männer reden.
»Das Schloss Sternenmond ist sehr schön geworden und
meine Familie fühlt sich hier sehr wohl«, fing Isidor der Gütige
an.
»Das Lob freut mich. Ich habe das Schloss nach Elbenart bauen
lassen«, erklärte Thulema. »Wie kam es dazu, gerade hierher
zu ziehen?«
Isidor der Gütige lächelte, legte seine Hände zusammen
und sagte: »Ich hatte einen Traum, in dem ein Regenbogendrache vorkam.«
Jetzt tauchte ein gutaussehender Drache im Bild auf und Tumdah hörte
ihn Isidor fragen: »Du glaubst an uns Drachen?«
Isidor sah Gurlu lächelnd an: »Ja. Im Traum erklärte
mir der Drache, wie ich hierher komme.«
Auf dem Bild erschien ein Jahresdatum. Tumdah schlug das Jahr 1605
auf und las:
Heute, Anno 1. März 160 neue Drachenzeit wurde das dritte Gebäude,
mit Werkstatt dem Schmid Thur übergeben. Der umgehend seine Esse anheizte
und Pflüge und Hufeisen für die Bauern und deren Pferde schmiedete.
Thur hat genügend zu tun.
Aus dem Lageplan konnte Tumdah entnehmen, dass dieser Ort an einem
See lag, der vom Fluss Nihar genährt wurde.
Eine Wassermühle und eine Windmühle wurde gebaut, damit
das Getreide gemahlen werden konnte.
Schnell wuchs der kleine Ort und am Ortsrand hatten die Landwirte
ihre Höfe und dahinter ihre Wiesen und Felder.
Es gab mehrere Papiermühlen, die an Flussläufen errichtet
wurden. Das Wasser wurde geschickt in Energie umgewandelt, um so die Maschinen
anzutreiben.
Isidor und Thuleman wurden zu sehr guten Freunden, die durch dick
und dünn gingen. Als dritter in der Runde war der Drache Gurlu. Von
dieser Freundschaft profitierten ihre Familien und unternahmen sehr viel
gemeinsam.
Isidors Sohn Ingomar unterstützte seinen Vater und ging bei
Thulema in die Lehre, damit er ein guter Regent wird und geschickt schlichten
konnte.
Tumdah las, dass Lehrbücher für die Sprachen Elfisch und
Drachisch geschrieben wurden, damit jeder sie lernen kann. Aus den mitgebrachten
Sprachen entwickelte sich langsam die Landessprache Elbanisch.
Es war Mai des Drachenjahres zweihundert, als Isidor der Kluge zur
Welt kam und aus den Sternenbergs wurde Sternen von Mondstaub.
Mit Erstaunen las Tumdah, dass ihr Vorfahr Isidor der Kluge ebenfalls
Zeuge eines Drachenschlupfes war und vorhersagte, dass einst ein weiblicher
Nachkomme auch einem besonderen Schlupf bewohnen würde. So beeindruckt
war er von diesem Schlupf. Sein Sekretär notierte den Satz und die
Familie, die ihn hörte, dachte nicht weiter nach.
Der Regenbogendrache Gurmoon hing an Isidor und seiner Familie.
Die beiden Drachen Gurlu und Lulu hatten noch weitere Kinder, die
als erwachsene Drachen eigene Höhlen bezogen und eigene Familien gründeten.
Die Höhle, die Gurlu und Lulu bezogen und bewohnten, war einfach
eingerichtet. Nach und nach baute Gurlu das Höhlensystem aus, denn
die Familie wurde größer und die Bibliothek nahm an Umfang zu.
Tumdah erfuhr einige Seiten später, wie Isidor der Kluge das
Schloss Sternenmond erweiterte.
Im Ölbild erschien ein glücklicher Isidor, der ein kleines
Mädchen im Arm hielt. Zu seinen Füßen spielte ein zehnjähriger
Junge.
Aus der Chronik entnahm Tumdah, dass der Junge Kasimir und das Baby
seine Schwester Gunvera war.
Tumdah legte den ersten Band beiseite und stand auf. Als sie aus
dem Bad kam, hatte die Zofe ihr einen Imbiss auf den Tisch gestellt.
Nachdenklich lief sie in ihrem Wohnzimmer hin und her, dabei wurden
die belegten Brote gegessen. Hin und wieder blickte sie auf ihre beiden
Lieblingsbilder.
Sie setzte sich wieder hin, nahm den nächsten Band und hier
erfuhr Tumdah, wie Kasimirs Vater hochbetagt starb und seinem Sohn ein
sehr großes Reich hinterließ. Isidor wusste nicht, wem seiner
Kinder er das ganze Reich hinterlassen sollte und teilte es unter seinen
drei Kindern auf.
Davon erhielt seine Tochter Gunvera einen kleinen Teil, das heutige
Stolzen. Wie Tumdah las, tauchte aus Navira ein gut aussehender Mann auf,
der Gunvera heiratete und Töchter zeugte. Die älteste Tochter
Gyna erbte von der Mutter die Grafschaft und die gab es an ihre Tochter
Gundey weiter.
Gundey durfte eine Auslandsreise machen und brachte einen Mann mit,
der sich Tin von Stolz nannte. Mit ihm hatte sie Sohn Troi, der ihr einziges
Kind war.
Von Mutter auf Tochter wurde das ebenmäßige Gesicht sowie
das haselnussbraune Haar vererbt. Während die Söhne ihren Väter
ähnelten.
Kasimir, so entnahm Tumdah aus der Chronik, heiratete die Auelfe
Bluemoon. Das einzige überlebende Kind war ihre Tochter Eila, die
das Reich im Drachenjahr 360 erbte.
Eila lernte bei einem Segeltörn den Elbenfürsten Thule
kennen und heiratete ihn, denn er gefiel ihr sehr gut. Zusammen hatten
sie drei Kinder. Thule und Eila liebten sich und sie fand in ihrem geliebten
Mann einen starken Partner, der sie auch bei den Regierungsgeschäften
unterstützte.
Bluegras, der älteste Sohn, erhielt das Elfenkönigreich
Sonnenland. Der mittlere Sohn Eike erhielt den Herzogstitel und den Familiennamen
Sternen von Mondstaub, und Thule wurde Fürst Sternen.
Ihr Vetter Troi wurde von seiner Mutter Gunday aufgezogen und sehr
beeinflusst, der Vater hatte nichts zu melden. Als dieser merkte, dass
er seiner Frau nicht mehr genügte, zog er sich zurück und führte
ein einfaches Leben. Gunday war der Meinung, dass ihr Sohn der rechtmäßige
Erbe von Isidor dem Klugen sei und vergaß dabei, dass Isidor seiner
Tochter ein Stück Land vermachte, das große Erzvorkommen hatte.
Troi war sehr groß, so um die zwei Meter, und erhielt den
Beinamen der Große. Er heiratete eine sehr reiche Frau und hatte
mit ihr mehrere Kinder.
Der Älteste erhielt den Namen Troi Twe und wurde wie sein Vater
ein stolzer Mann. Dieser Sohn lernte von seinem Vater, dass man mit der
eisernen Rute regieren muss, um an der Macht zu bleiben.
Vater und Sohn kannten keine Gnade denjenigen gegenüber, die
schwächer waren als sie. Verarmte ein Stolzener Bürger, erhielten
sie nur dann Unterstützung, wenn sie sich als Leibeigene an Troi verkauften.
So wurden sie zu seinen Sklaven und hatten keine Rechte mehr. Nur noch
Pflichten. Der eine oder andere tat dies, andere wiederum zogen nach Sternen
oder Mondstaub um. Das wurmte Troi den Großen, dadurch wurde sein
Hass auf seine Vettern immer größer.
Troi Twe und sein Vater Troi der Große holten Söldner
ins Land, denen sie Gold versprachen. Es gab Goldvorkommen in den Bergen.
Diese Schätze wurden von den Zwergen und den Drachen gut behütet.
Die Zwerge dachten nicht daran, weder Troi noch dessen Sohn zu verraten,
wie die an die Goldvorräte kommen könnten und wo sie waren.
Die Söldner wurden ausgebildet und konnten sich, wenn sie es
wollten, an der Küste niederlassen. Im Tross der Söldner waren
auch Frauen und Kinder. Von dieser Maßnahme wussten weder die Regenten
in Sternen, noch im Mondstaub. Im Elfenland wurde darüber gemunkelt,
dass in Stolzen etwas in Gange war. Es wurden Erkundungstrupps zusammengestellt,
die nichts auffälliges sahen, nur fremde Menschen.
Als Tumdah las, dass Troi den Boten aus Sternen und Mondstaub falsche
Informationen mitteilen ließ, schüttelte sie entsetzt den Kopf.
Sie hob den Kopf, sah zu dem Bild und beobachtete, wie die drei
Geschwister friedlich beisammen saßen.
Drachen, Kinder und die Ehepartner der drei Geschwister erschienen
auf dem Bild und setzten sich an eine gedeckte Kaffeetafel.
Da tauchte ein Bote auf und übergab Bluegras ein Schreiben.
Er runzelte die Stirn und verschwand. Tumdah erhob sich ebenfalls, nahm
ihren Plüschdrachen und lief im Zimmer hin und her.
»Ich möchte gern wissen, was mit dem Stammschloss ist
und wie es aussah«, murmelte sie und sah das Bild an.
Hier war noch das Familienfest im Gange.
Tumdah seufzte und blätterte in der Chronik. Hier fand sie
nichts, nicht einmal eine Zeichnung vom Schloss oder eine Beschreibung.
Sie klingelte und Junas Assistentin wurde gerufen.
»Ich benötige das Buch mit den Zeichnungen und das Tagebuch
von Eila«, bat Tumdah und hatte einige Zeit später die gewünschten
Bücher vor sich liegen.
Sie sah sich die Zeichnungen, die ihre Vorfahrin Eila angefertigt
hatte, an. Aus dem Tagebuch erfuhr Tumdah, dass Eila das Schloss von ihrem
Vater als Hochzeitsgeschenk erhielt.
Erstaunt war Tumdah, als sie feststellte, dass das Schloss nicht
aus Holz, sondern aus behauenem Feldstein sowie Marmor und Sandstein bestand.
Tumdah hatte noch ein weiteres Ölbild in ihrem Wohnzimmer hängen.
Bis zu diesem Zeitpunkt wusste sie noch nicht, dass dies Bild das Stammschloss
zeigte.
Sie sah das Ölbild an und stellte auf einmal fest, dass da
ein Mann aufgetaucht war. Der drehte sich um und winkte Tumdah zu, um sie
zu einem Besuch in diesem Schloss einzuladen, und die junge Fürstin
setzte sich direkt vor das Bild. Das andere ebenfalls im Blick, hier sah
sie, wie ein weiteres Fest gefeiert wurde.
»Ich bin Thule«, stellte sich der Elbe vor, »und
ich möchte dir jetzt das Haus von Eila und mir zeigen. Folge mir bitte.«
»Ich folge dir«, antwortete Tumdah leise.
Thule nickte und erzählte: »Die Fassade ist weiß
gekalkt, das haben Zwerge gemacht, die sich damit gut auskennen, und es
soll die Mauern gegen Feuchtigkeit schützen.«
Tumdah sah, dass die Fenster mit grünen Fensterläden versehen
waren.
Langsam ging Thule auf die Freitreppe zu, stieg die zehn Stufen
empor, blieb vor der Tür stehen und blickte zu Tumdah hin.
Die schöne Tür, mit Motiven aus der einheimischen Tierwelt,
wurde geöffnet. Diese Tür war Tumdah sehr bekannt, da sie jetzt
bei ihnen am neuen Schloss den Eingang behütete.
Thule öffnete die Tür und betrat den Flur. Der Fußboden
war aus Marmor und wurde durch Teppiche geschmückt. An den Wänden
hingen Bilder und einige Truhen standen neben den Türen. Auch dieses
Inventar war ihr bekannt und war hier im neuen Schloss. Wie diese hergebracht
wurden, las sie später in der Chronik.
»Hier in diesem Geschoss sind die Arbeitszimmer von mir, Eila
und meinem Sekretär. Der Speisesaal und Wohnräume, die neben
Kamine auch moderne Kachelöfen haben. Wenn die Familie alleine ist,
sitzen wir in dem kleinen Speisezimmer, der nur den Kachelofen hat.
Über die schöne Holztreppe gelangt man in die nächste
Etage, wo die Schlafräume und Kinderzimmer waren. Unter dem Dach wohnt
das Hauspersonal. Im Untergeschoss ist eine große modern eingerichtete
Küche, die Vorratsräume, sowie Wohn- und Esszimmer des Personals.
Das Dach hat rote Tonziegel, die wir aus Narina importiert haben.
Eine Ziegelei wird gerade aufgebaut, damit die Häuser nicht
nur aus Lehm, sondern auch aus gebrannten Ziegeln gebaut werden können.
Bei einem Spaziergang sind zwei große Tonlager gefunden worden
und daraus machen wir nicht nur irdene Gefäße sondern auch gebrannte
Steine für die Hauswände. Die einfachen Häuser sind aus
Lehm und Holz gebaut und haben Strohdächer.
Wir sind gerade dabei, die Brandgefahr durch die offenen Feuer einzudämmen.
Es brennt mal hier und mal dort. Es kommt davon, wenn die Feuerstellen
unbeaufsichtigt sind«, seufzte Thule und lief weiter durchs Haus.
Stolz zeigte Thule die Einrichtung der Zimmer und Tumdah stellte
fest, dass Thule und seine Frau ihre Räume sehr einfach eingerichtet
hatten.
© Luise
Drachenanwältin
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