Regenbogendrachen von Luise Drachenanwältin
Teil 1: Lugur und Lilian
Kapitel 5: Tumdah liest in den Sterner Chroniken

»Was hast du morgen vor?«, fragte Atina während des Abendessens ihre älteste Tochter.
»Ich habe Lust aufs Nichtstun und zum Träumen«, entgegnete Tumdah.
»Aufs Nichtstun?«, fragte Annug ungläubig, die ihre große Schwester nur als eine viel beschäftigte Fürstin kannte, und vorher, als Erbprinzessin, viele Termine absolvierte.
»Genau, meine liebe Schwester. Mal keine Termine haben und keine Besucher empfangen oder Besuche machen. Nur die Seele baumeln lassen. Etwas über unseren Vater nachdenken«, antwortete Tumdah und wandte sich an ihre Mutter: »Ich weiß kaum was über unsere Vorfahren und warum unser Wappen nur ein halbes ist. Und warum darin Sterne und ein halber Drache abgebildet sind.«
»Darüber willst du nachdenken?«, fragte Atina.
»Ja, Mutti. Wie kamen unsere Vorfahren ins Land? Da sind so viele Fragen, so auch, warum mag ich Katzen und Drachen«, antwortete eine nachdenkliche Tumdah und legte ihre Servierte neben den Teller.
Atina nickte und stellte fest: »Du hast kaum Zeit gehabt, um um deinen Vater zu trauern. Und während der Ausbildung gab es ebenfalls keine Zeit über deine Vorfahren nachzudenken.«
Eine Stunde später betrat Atina die Bibliothek, wo sie auf Juna traf.
»Juna«, fing Atina an, »Tumdah möchte gern etwas über ihre Vorfahren wissen. Bitte bringe ihr morgen etwas über die Familie.«
Juna nickte. »Mache ich gern. Werde die Familienchronik hervor suchen und sie ihr bringen.«
»Sehr schön, Juna«, bedankte sich Atina und ließ sich einen Roman geben. Dann verschwand sie in ihrem privaten Wohnzimmer und legte sich auf ihr Sofa. Die Abendnachrichten wurden angesehen und ein Liebesfilm. Müde und mit kleinen Augen wechselte sie hinüber in ihr Schlafzimmer, wo ihre Zofe bereits auf sie wartete.
Der Spätsommer zeigte sich in seinem schönsten Kleid. An diesem Morgen nahm Tumdah das Frühstück in ihrem Wohnzimmer ein.
Die Zofe räumte das Geschirr weg und stellte eine Karaffe mit frischem Quellwasser auf den Beistelltisch. Ein Wasserglas aus dem feinsten Kristallglas kam daneben und wurde von der Zofe mit Wasser aufgefüllt. Auf dem Sofatisch stand eine Glasschale mit frischem Obst, die täglich aufgefüllt wurde.
Tumdah dankte, ging zum Fenster und schaute hinaus. Sie seufzte und setzte sich in ihren Lieblingssessel. Da tauchte Juna in der Tür auf und schob einen der Bücherwagen vor sich her. Die Chroniken von Sternen lagen darauf. Auf dem Weg von der Bibliothek durch die Flure zu Tumdahs Appartement sang Juna leise den neuesten Schlager vor sich hin. Leise öffnete sie die Tür und studierte die junge Fürstin, die in einem bequemen Sessel saß.
Durch eine Bewegung wurde sie auf Juna aufmerksam und hob den Kopf. Freundlich sah sie ihre Bücherfee an, so nannte Tumdah Juna auch noch.
Juna kam näher und schob den Bücherwagen, der aus edelstem Holz geschreinert worden war, neben Tumdah. An einer der Seiten gab es mal das komplette Familienwappen.
»Hier sind die Chroniken der Familie«, sagte Juna.
Erstaunt sah Tumdah auf die Bücher. »Was soll ich mit den Büchern tun?«, fragte sie Juna verschmitzt.
»Du wolltest doch Erkundigungen über deine Vorfahren einholen. In diesen Büchern findest du genaueres über die Prophezeiung, die ich dir vor wenigen Tagen zeigte«, antwortete Juna, nickte zum Abschied und verschwand.
Kurze Zeit später saß Juna bei einer Freundin, die bei einem Unfall ihr Augenlicht verloren hatte. Diese fragte Juna nach Tumdah aus und wie sie jetzt aussah und was sie so machte.
Juna nahm die Hand ihrer Freundin und erzählte: »Die zierliche Tumdah hat grüne Augen mit goldenen Punkten, zarte Elfenohren und das lange schwarze Haar, das bis zu den Hüften reicht, bindet sie zu einem Zopf. Bei Festlichkeiten steckt sie die Haare hoch und schmückt sie mit Juwelen.
Die knapp einssiebzig große Tumdah trägt gerne Kleider. Heute trug sie eine beigefarbene und mit Goldfäden bestickte Tunika aus feinster Seide. Die passende Hose war in türkis und dazu passende Sandalen.«
»Hatte Schmuck an?«, fragte Junas Freundin sie im Telegrammstil.
»Heute nicht, da sie daheim bleibt. Ich habe ihr die Familienchronik gegeben, weil sie ihre Ahnen kennenlernen will.«
»Was mag sie?«
Juna lächelte, knabberte an einem Haferkeks, dazu ein Schluck Apfelwein und erzählte weiter: »Sie mag Katzen und Drachen.«
»Drachen?«, fragte Junas Freundin erstaunt.
»Ja«, nickte Juna, »in ihrem Wohnzimmer hat sie viele Bücher über Katzen und Drachen. In einer Glasvitrine stehen die verschiedensten Drachen- und Katzenfiguren. Als ich sie heute morgen aufsuchte, um die Bücher zu bringen, saß sie nachdenklich in ihrem Sessel und sah das alte Ölbild an, das ihren Urahn Thule den Ersten mit einem Regenbogendrachen zeigte.«
Junas Freundin lächelte und schwieg.
Juna streichelte ihrer Freundin übers Gesicht und berichtete: »Tumdah ist eine Kämpferin und hat Mut. Sie hat einen starken Willen und weiß was sie will. Sie liebt ihre Mutter und ihre Geschwister.
Als ihr Vater starb, musste sie ihre Mutter stützen, die zusammengebrochen war, und dann ihre Geschwister trösten. Da sie über Nacht unerwartet die Regentin des Fürstentums Sternen wurde, dadurch hatte sie sehr wenig Zeit, um zu trauern.«
Juna wechselte das Thema und versorgte ihre blinde Freundin.

Tumdah hielt das Glas mit Wasser in der Hand und sah nachdenklich die Chroniken an. Sie stellte das Glas auf den Beistelltisch, stand auf, holte ihren Lieblingsplüschdrachen, den sie im Handarbeitsunterricht selbst genäht hatte, und setzte sich wieder hin. In Griffnähe etwas zu trinken und zu essen.
Tumdah beherrschte die verschiedensten Dialekte, die in Sternen und in Mondstaub gesprochen wurden, und die Fremdsprachen.
Sie schlug den ersten Band der Chronik auf. Die Bücher waren mit dem feinsten Kalbsleder, das es gab, eingeschlagen und die Schrift auf dem Buchdeckel bestand aus Gold.
Auch das Wappen war in Gold abgedruckt. Tumdah kannte ihr Hauswappen aus dem Effeff. Hier sah sie das komplette Wappen, außer der zweiten Drachenhälfte waren hier weitere Sterne und ein Mond zu sehen.
Die Halbrundschilde der Fürstenfamilie von Sternen und des Herzogs von Mondstaub waren blau mit goldenen Figuren und jeweils gespalten.
Als aus Sternenmond Sternen und Mondstaub wurde, teilten die Heraldiker das Wappen. Jede Familie erhielt die Hälfte des Motivs. Seitdem hat das Fürstentum Sternen die linke Hälfte und das Herzogtum Mondstaub die rechte Hälfte.
Der gespaltene Halbrundschild der Fürstenfamilie von Sternen und die des Landes Sternen gab es seit Jahrzehnten, wie auch derer von Mondstaub.
Das gespaltene Wappen, links die goldenen Symbole auf blauem Hintergrund und rechts komplett blau, von Tumdahs Familie hatte ein Steinmetz über das Eingangsportal angebracht.
An den Uniformen der Polizeibeamten und den Zollbeamten sowie auf den Briefbögen und auf den Urkunden und anderen offiziellen Schriftstücken prangten sie ebenfalls. Viele hatten sich daran gewöhnt und nur ältere erinnerten sich daran, dass die Wappen von Mondstaub und Sternen eigentlich zusammen gehörten.
Wie Tumdah bemerkte, waren die Blätter der Chroniken aus handgeschöpften Papier, der allerbesten Qualität, hergestellt. Die Grundlage für dieses Papier war die Lokatapflanze, ein Seidelbastgewächs.
Diese Pflanze war aus Nepal importiert worden und wuchs jetzt im Drachengebirge. Geschrieben wurde sie in einer Mischsprache, die aus Elfisch, Drachisch und Menschisch zusammengemixt war.
Diese alte Sprache beherrschte Tumdah perfekt. Ihre Tante Blaustern und ihr Mann Blunang schulten sie von Kind an in dieser Sprache. Nachdem die Drachen verschwanden, wurde drachisch in der Schule nicht mehr gelehrt.
Aber Tumdahs Vorfahren hatten sich, unterstützt von den Drachen, die Mühe gemacht und drachisch in Schriftform festgehalten. In einem Regal der Schlossbibliothek standen alte Wörterbücher und Schulbücher für drachisch, die aus einer Zeit stammten, bevor die Drachen verschwanden.
Elfbanisch war die Amtssprache von Sternen, wie in Mondstaub und Stolzen.
Wer im Sonnen-Drachenland leben und arbeiten wollte, musste die verschiedensten Kurse belegen; unter anderem Sprachkurse besuchen, um eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis zu erhalten.
Davon ausgenommen waren Tagesgäste und Urlauber.
Die Zugänge zum Sonnen-Drachenland waren eine Art Tunnel, damit die Zuwanderer besser kontrolliert werden konnten. Das war Tumdah durch den Geschichtsunterricht bekannt. Von diesem Tunnelzugang bemerkten die Einreisenden kaum etwas, nur dass das Wetter und die Landschaft auf der anderen Seite anders war.
Zauberer, dafür waren die Zauberer der Klasse vier zuständig, sorgten durch Zauberformeln, dass die Gäste Elfbanisch verstanden und einfache Sätze sprechen konnten.
Grenzwächter waren eingesetzt, damit diese aufpassen sollten, damit niemand unbefugt einreiste und etwas herein oder heraus schmuggelten.
Als Thoren starb, brachen die Sicherheitsrichtlinien zusammen. Die ehrlichen und treuen Amts- und Behördenleiter des Zollamtes, sowie des Amtes für Grenzschützer, auch Behörden genannt, wechselten in den Ruhestand, und neue nahmen den Dienst auf. So kam es, dass niemand die beiden Ämter kontrollierte. Tumdah wie auch Löw wurden über diesen Missstand nicht aufgeklärt. Tumdah wunderte sich zwar, dass sie Menschen sah, die nicht Elfbanisch sprachen. 
Was Tumdah und auch Löw nicht wussten: Es gab immer mehr bestechliche Beamte. Auch die zuständigen Minister für diesen Bereich verdiente daran sehr gut. Es wäre ihre Aufgabe gewesen, bei der Sitzung Fürstin Tumdah und Herzog Löw auf diese Missstände aufmerksam zu machen.
Die meisten der Grenzwächter und Zollbeamten vererbten ihren Arbeitsplatz auf den Sohn, obwohl ein Gesetz dies nicht vorsah. Die Amtsleiter und leitenden Mitarbeiter machten aus Bequemlichkeit keine Meldungen und weil sie keine Lust hatten auf die reichlich fließenden Schmier- und Schwarzgelder zu verzichten. Diese leicht verdienten Gelder wollte keiner der Mitarbeiter der Grenzbehörde vermissen, obwohl sie gut verdienten. Jeder hatte ein Haus, das gut und manchmal sehr luxuriös eingerichtet war.
Tumdah blätterte und entdeckte auf den ersten Seiten die ersten Zeichnungen und Landkarten von Sonnen-Drachenland. Ein großer Abdruck dieser Landkarte hing in ihrem Arbeitszimmer.
Auf der vierten Seite fing die Chronik an. Es ist der 13. Mai 1600, fing Tumdah an zu lesen.
Endlich haben wir eine neue Heimat gefunden, schrieb Elbkönig Thulema. Meine Frau Goldblue und meine vier Kinder, Goldblume, Lematha, Francoma, Bluemone, sind mit mir gekommen und in meinem Gefolge sind weitere Elfen, die die verschiedensten Berufe haben.
Sie sind sehr fleißig und werden uns helfen, einen friedlichen Ort zu gründen. Weil wir nicht wussten, was wir an Lebensmitteln vorfinden, haben wir genügend mitgebracht. So auch Saatgut und junge Pflanzen.
Ebenfalls haben die Handwerker auf ihren Wagen ihre Werkzeuge und Hausrat verstaut. In einem besonderen Wagen regierte die Wehfrau, die sich um schwangere Frauen kümmerte.
Ich habe keine Kraft mehr, um um Frieden in Nagaria zu kämpfen. Auch meinen Begleitern war das Blutvergießen, und das bereits seit Jahrzehnten, leid. Wann hört das unsinnige Blutvergießen auf? Unschuldige verlieren ihr Leben oder werden für immer gekennzeichnet.
Tumdah las, wie die ersten Häuser gebaut und die erste Ernte eingebracht wurde. Nachdem die reichliche Ernte eingebracht worden war, wurde ein großes Dankfest veranstaltet.
Dezember 1600: Haben Drachen entdeckt, darunter auch Elfendrachen. Die sagen uns, das es dass Drachenjahr einhundertvierzig sei.
Es liegt viel Schnee, aber in unseren Häusern ist es mollig warm. Als wir bedrückt und mutlos waren, ermutigen uns die kleinen Drachen, doch weiter zu machen und brachten uns zum Lachen.
An einem Frühlingstag stand ich an einem See, schrieb Thulema, da landete neben mir ein Regenbogendrache mit seiner Gefährtin, die sich als Gurlu und Lulu vorstellten. An ihren Ohren konnte ich sehen, dass die beiden mich neckten.
Wir verstanden uns auf Anhieb gut. Meine Kinder durften, wie meine Frau und ich, auch auf ihren Rücken platz nehmen und mit ihnen von oben aus das Land kennenlernen.
Gurlu half mir beim Kartographieren und freute sich über ein besonderes Geschenk von mir. Denn mein Hobby ist es, selber Papier herzustellen.
Gurlu fauchte begeistert, hob das Papier hoch und entdeckte sein Wappen darin. Mit Drachenspezialtinte schrieb er seine Familiengeschichte auf.
Menschen tauchten auf, es sind müde Menschen, die sich mit den letzten Kräften hierher geflüchtet haben. Wie wir einige Tage später erfuhren, hieß der Anführer Isidor Sternenberg. Weil sein Halbbruder Idor nach seinem Erbe gierte und versuchte Isodors Sohn und Erben zu töten, deshalb habe er, so Isidor der Gütige, seine Familie genommen und ist klammheimlich, als Idor verreist war, aus der väterlichen Burg ausgezogen.
In seinem Gefolge waren Handwerker und Bauern, die Angst vor Isidors Halbbruder Idor hatten, der unbarmherzig gegenüber seinen Untertanen war und keine Gnade kannte.
Die Drachen merkten sehr schnell, dass wir friedliebend sind und niemanden töten wollen. Dies stellten auch die anderen Bewohner schnell fest. Viele Freundschaften und Familienbande wurden geknüpft.
Thulema notierte: Isidor hat mir von seinem Traum erzählt, warum er hierher gezogen ist.
Tumdah hob den Kopf und blickte das alte Ölgemälde an. Es hatte sich geändert. Sie rieb sich die Augen, da saßen zwei Männer in einem großen Raum, im Kamin flackerte ein Feuer. Dann hörte sie die beiden Männer reden.
»Das Schloss Sternenmond ist sehr schön geworden und meine Familie fühlt sich hier sehr wohl«, fing Isidor der Gütige an.
»Das Lob freut mich. Ich habe das Schloss nach Elbenart bauen lassen«, erklärte Thulema. »Wie kam es dazu, gerade hierher zu ziehen?«
Isidor der Gütige lächelte, legte seine Hände zusammen und sagte: »Ich hatte einen Traum, in dem ein Regenbogendrache vorkam.«
Jetzt tauchte ein gutaussehender Drache im Bild auf und Tumdah hörte ihn Isidor fragen: »Du glaubst an uns Drachen?«
Isidor sah Gurlu lächelnd an: »Ja. Im Traum erklärte mir der Drache, wie ich hierher komme.«
Auf dem Bild erschien ein Jahresdatum. Tumdah schlug das Jahr 1605 auf und las:
Heute, Anno 1. März 160 neue Drachenzeit wurde das dritte Gebäude, mit Werkstatt dem Schmid Thur übergeben. Der umgehend seine Esse anheizte und Pflüge und Hufeisen für die Bauern und deren Pferde schmiedete. Thur hat genügend zu tun.
Aus dem Lageplan konnte Tumdah entnehmen, dass dieser Ort an einem See lag, der vom Fluss Nihar genährt wurde.
Eine Wassermühle und eine Windmühle wurde gebaut, damit das Getreide gemahlen werden konnte.
Schnell wuchs der kleine Ort und am Ortsrand hatten die Landwirte ihre Höfe und dahinter ihre Wiesen und Felder.
Es gab mehrere Papiermühlen, die an Flussläufen errichtet wurden. Das Wasser wurde geschickt in Energie umgewandelt, um so die Maschinen anzutreiben.
Isidor und Thuleman wurden zu sehr guten Freunden, die durch dick und dünn gingen. Als dritter in der Runde war der Drache Gurlu. Von dieser Freundschaft profitierten ihre Familien und unternahmen sehr viel gemeinsam.
Isidors Sohn Ingomar unterstützte seinen Vater und ging bei Thulema in die Lehre, damit er ein guter Regent wird und geschickt schlichten konnte.
Tumdah las, dass Lehrbücher für die Sprachen Elfisch und Drachisch geschrieben wurden, damit jeder sie lernen kann. Aus den mitgebrachten Sprachen entwickelte sich langsam die Landessprache Elbanisch.
Es war Mai des Drachenjahres zweihundert, als Isidor der Kluge zur Welt kam und aus den Sternenbergs wurde Sternen von Mondstaub.
Mit Erstaunen las Tumdah, dass ihr Vorfahr Isidor der Kluge ebenfalls Zeuge eines Drachenschlupfes war und vorhersagte, dass einst ein weiblicher Nachkomme auch einem besonderen Schlupf bewohnen würde. So beeindruckt war er von diesem Schlupf. Sein Sekretär notierte den Satz und die Familie, die ihn hörte, dachte nicht weiter nach.
Der Regenbogendrache Gurmoon hing an Isidor und seiner Familie.
Die beiden Drachen Gurlu und Lulu hatten noch weitere Kinder, die als erwachsene Drachen eigene Höhlen bezogen und eigene Familien gründeten.
Die Höhle, die Gurlu und Lulu bezogen und bewohnten, war einfach eingerichtet. Nach und nach baute Gurlu das Höhlensystem aus, denn die Familie wurde größer und die Bibliothek nahm an Umfang zu.
Tumdah erfuhr einige Seiten später, wie Isidor der Kluge das Schloss Sternenmond erweiterte.
Im Ölbild erschien ein glücklicher Isidor, der ein kleines Mädchen im Arm hielt. Zu seinen Füßen spielte ein zehnjähriger Junge.
Aus der Chronik entnahm Tumdah, dass der Junge Kasimir und das Baby seine Schwester Gunvera war.
Tumdah legte den ersten Band beiseite und stand auf. Als sie aus dem Bad kam, hatte die Zofe ihr einen Imbiss auf den Tisch gestellt.
Nachdenklich lief sie in ihrem Wohnzimmer hin und her, dabei wurden die belegten Brote gegessen. Hin und wieder blickte sie auf ihre beiden Lieblingsbilder.
Sie setzte sich wieder hin, nahm den nächsten Band und hier erfuhr Tumdah, wie Kasimirs Vater hochbetagt starb und seinem Sohn ein sehr großes Reich hinterließ. Isidor wusste nicht, wem seiner Kinder er das ganze Reich hinterlassen sollte und teilte es unter seinen drei Kindern auf.
Davon erhielt seine Tochter Gunvera einen kleinen Teil, das heutige Stolzen. Wie Tumdah las, tauchte aus Navira ein gut aussehender Mann auf, der Gunvera heiratete und Töchter zeugte. Die älteste Tochter Gyna erbte von der Mutter die Grafschaft und die gab es an ihre Tochter Gundey weiter.
Gundey durfte eine Auslandsreise machen und brachte einen Mann mit, der sich Tin von Stolz nannte. Mit ihm hatte sie Sohn Troi, der ihr einziges Kind war.
Von Mutter auf Tochter wurde das ebenmäßige Gesicht sowie das haselnussbraune Haar vererbt. Während die Söhne ihren Väter ähnelten.
Kasimir, so entnahm Tumdah aus der Chronik, heiratete die Auelfe Bluemoon. Das einzige überlebende Kind war ihre Tochter Eila, die das Reich im Drachenjahr 360 erbte.
Eila lernte bei einem Segeltörn den Elbenfürsten Thule kennen und heiratete ihn, denn er gefiel ihr sehr gut. Zusammen hatten sie drei Kinder. Thule und Eila liebten sich und sie fand in ihrem geliebten Mann einen starken Partner, der sie auch bei den Regierungsgeschäften unterstützte.
Bluegras, der älteste Sohn, erhielt das Elfenkönigreich Sonnenland. Der mittlere Sohn Eike erhielt den Herzogstitel und den Familiennamen Sternen von Mondstaub, und Thule wurde Fürst Sternen.
Ihr Vetter Troi wurde von seiner Mutter Gunday aufgezogen und sehr beeinflusst, der Vater hatte nichts zu melden. Als dieser merkte, dass er seiner Frau nicht mehr genügte, zog er sich zurück und führte ein einfaches Leben. Gunday war der Meinung, dass ihr Sohn der rechtmäßige Erbe von Isidor dem Klugen sei und vergaß dabei, dass Isidor seiner Tochter ein Stück Land vermachte, das große Erzvorkommen hatte.
Troi war sehr groß, so um die zwei Meter, und erhielt den Beinamen der Große. Er heiratete eine sehr reiche Frau und hatte mit ihr mehrere Kinder.
Der Älteste erhielt den Namen Troi Twe und wurde wie sein Vater ein stolzer Mann. Dieser Sohn lernte von seinem Vater, dass man mit der eisernen Rute regieren muss, um an der Macht zu bleiben.
Vater und Sohn kannten keine Gnade denjenigen gegenüber, die schwächer waren als sie. Verarmte ein Stolzener Bürger, erhielten sie nur dann Unterstützung, wenn sie sich als Leibeigene an Troi verkauften. So wurden sie zu seinen Sklaven und hatten keine Rechte mehr. Nur noch Pflichten. Der eine oder andere tat dies, andere wiederum zogen nach Sternen oder Mondstaub um. Das wurmte Troi den Großen, dadurch wurde sein Hass auf seine Vettern immer größer.
Troi Twe und sein Vater Troi der Große holten Söldner ins Land, denen sie Gold versprachen. Es gab Goldvorkommen in den Bergen.
Diese Schätze wurden von den Zwergen und den Drachen gut behütet. Die Zwerge dachten nicht daran, weder Troi noch dessen Sohn zu verraten, wie die an die Goldvorräte kommen könnten und wo sie waren.
Die Söldner wurden ausgebildet und konnten sich, wenn sie es wollten, an der Küste niederlassen. Im Tross der Söldner waren auch Frauen und Kinder. Von dieser Maßnahme wussten weder die Regenten in Sternen, noch im Mondstaub. Im Elfenland wurde darüber gemunkelt, dass in Stolzen etwas in Gange war. Es wurden Erkundungstrupps zusammengestellt, die nichts auffälliges sahen, nur fremde Menschen.
Als Tumdah las, dass Troi den Boten aus Sternen und Mondstaub falsche Informationen mitteilen ließ, schüttelte sie entsetzt den Kopf.
Sie hob den Kopf, sah zu dem Bild und beobachtete, wie die drei Geschwister friedlich beisammen saßen.
Drachen, Kinder und die Ehepartner der drei Geschwister erschienen auf dem Bild und setzten sich an eine gedeckte Kaffeetafel.
Da tauchte ein Bote auf und übergab Bluegras ein Schreiben. Er runzelte die Stirn und verschwand. Tumdah erhob sich ebenfalls, nahm ihren Plüschdrachen und lief im Zimmer hin und her.
»Ich möchte gern wissen, was mit dem Stammschloss ist und wie es aussah«, murmelte sie und sah das Bild an.
Hier war noch das Familienfest im Gange.
Tumdah seufzte und blätterte in der Chronik. Hier fand sie nichts, nicht einmal eine Zeichnung vom Schloss oder eine Beschreibung. Sie klingelte und Junas Assistentin wurde gerufen.
»Ich benötige das Buch mit den Zeichnungen und das Tagebuch von Eila«, bat Tumdah und hatte einige Zeit später die gewünschten Bücher vor sich liegen.
Sie sah sich die Zeichnungen, die ihre Vorfahrin Eila angefertigt hatte, an. Aus dem Tagebuch erfuhr Tumdah, dass Eila das Schloss von ihrem Vater als Hochzeitsgeschenk erhielt.
Erstaunt war Tumdah, als sie feststellte, dass das Schloss nicht aus Holz, sondern aus behauenem Feldstein sowie Marmor und Sandstein bestand.
Tumdah hatte noch ein weiteres Ölbild in ihrem Wohnzimmer hängen. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste sie noch nicht, dass dies Bild das Stammschloss zeigte.
Sie sah das Ölbild an und stellte auf einmal fest, dass da ein Mann aufgetaucht war. Der drehte sich um und winkte Tumdah zu, um sie zu einem Besuch in diesem Schloss einzuladen, und die junge Fürstin setzte sich direkt vor das Bild. Das andere ebenfalls im Blick, hier sah sie, wie ein weiteres Fest gefeiert wurde.
»Ich bin Thule«, stellte sich der Elbe vor, »und ich möchte dir jetzt das Haus von Eila und mir zeigen. Folge mir bitte.«
»Ich folge dir«, antwortete Tumdah leise.
Thule nickte und erzählte: »Die Fassade ist weiß gekalkt, das haben Zwerge gemacht, die sich damit gut auskennen, und es soll die Mauern gegen Feuchtigkeit schützen.«
Tumdah sah, dass die Fenster mit grünen Fensterläden versehen waren.
Langsam ging Thule auf die Freitreppe zu, stieg die zehn Stufen empor, blieb vor der Tür stehen und blickte zu Tumdah hin.
Die schöne Tür, mit Motiven aus der einheimischen Tierwelt, wurde geöffnet. Diese Tür war Tumdah sehr bekannt, da sie jetzt bei ihnen am neuen Schloss den Eingang behütete.
Thule öffnete die Tür und betrat den Flur. Der Fußboden war aus Marmor und wurde durch Teppiche geschmückt. An den Wänden hingen Bilder und einige Truhen standen neben den Türen. Auch dieses Inventar war ihr bekannt und war hier im neuen Schloss. Wie diese hergebracht wurden, las sie später in der Chronik.
»Hier in diesem Geschoss sind die Arbeitszimmer von mir, Eila und meinem Sekretär. Der Speisesaal und Wohnräume, die neben Kamine auch moderne Kachelöfen haben. Wenn die Familie alleine ist, sitzen wir in dem kleinen Speisezimmer, der nur den Kachelofen hat.
Über die schöne Holztreppe gelangt man in die nächste Etage, wo die Schlafräume und Kinderzimmer waren. Unter dem Dach wohnt das Hauspersonal. Im Untergeschoss ist eine große modern eingerichtete Küche, die Vorratsräume, sowie Wohn- und Esszimmer des Personals.
Das Dach hat rote Tonziegel, die wir aus Narina importiert haben.
Eine Ziegelei wird gerade aufgebaut, damit die Häuser nicht nur aus Lehm, sondern auch aus gebrannten Ziegeln gebaut werden können.
Bei einem Spaziergang sind zwei große Tonlager gefunden worden und daraus machen wir nicht nur irdene Gefäße sondern auch gebrannte Steine für die Hauswände. Die einfachen Häuser sind aus Lehm und Holz gebaut und haben Strohdächer.
Wir sind gerade dabei, die Brandgefahr durch die offenen Feuer einzudämmen. Es brennt mal hier und mal dort. Es kommt davon, wenn die Feuerstellen unbeaufsichtigt sind«, seufzte Thule und lief weiter durchs Haus.
Stolz zeigte Thule die Einrichtung der Zimmer und Tumdah stellte fest, dass Thule und seine Frau ihre Räume sehr einfach eingerichtet hatten.
 

© Luise Drachenanwältin
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