Sie kam näher. "Hey, Träumer, Träumer!!"
Träumer schreckte aus seinen Gedanken
auf. "Was?" fragte er ein wenig verstört.
"Mensch Träumer, wir haben in zehn Minuten
den nächsten Vortrag und du sitzt hier herum und brütest vor
dich hin... Wie immer!"
"Jaja, es tut mir ja leid. Wenn ich den Teich
hier sehe, vergesse ich halt manchmal die Zeit um mich herum."
Sie grinste. Narya hatte einfach ein bezauberndes
Grinsen wenn sie lächelte...
Träumer schüttelte diese Gedanken
wieder ab, sie waren zu verwirrend. Narya war eine Freundin von ihm, nicht
mehr, nicht weniger.
"HE!! Bei Morgan Studermus, du träumst
schon wieder! Wach auf Träumer! Deine Eltern haben dir diesen Namen
wirklich nicht umsonst gegeben!" Sie schüttelte den Kopf
"Schon gut, schon gut, ich steh‘ ja auf!"
Unwillkürlich musste er lachen. Immer wenn Narya sich aufregte...
Nein, nein, weiter würde er nicht denken! Eine Freundin, nicht mehr,
nicht weniger. Er musste das im Kopf behalten.
Die Magische Universität "Traumwerk" zu
Rikkenau war eine der größten Akademien in ganz Rhyne. Es gab
natürlich noch weitere, die Magische Universität in Kerzenburg,
in den südlichen Grenzgebieten der Drakkenlande im Norden gelegen,
hatte beispielsweise einen sehr guten Ruf, oder die "Akademie der Höheren
Magischen Künste" zu Laitina, doch unter allen kleineren und größeren
Magieakademien war "Traumwerk" die begehrteste und jene mit den höchsten
Anforderungen. Träumer hatte sich schon immer gefragt, weshalb er
gerade an dieser Akademie angenommen wurde. Er, ein kaum 18 Sommer alter,
hagerer Junge aus einer Handwerkerfamilie, welche sich ihr tägliches
Brot mit dem Reparieren und Anfertigen von Schuhen verdiente. Als er vor
ungefähr drei Sommern (immer wenn Träumer darüber nachdachte,
musste er den Kopf schütteln und sich eingestehen, dass er bereits
derart lang auf dieser Akademie lebte) hierher kam, hatte er kaum lesen
und schreiben gekonnt. Sein Vater hatte es ihm als er noch jünger
war beigebracht, aber auch er beherrschte diese Kunst nicht perfekt, er
nutze sie nur, um über seine Einnahmen sehr grob Buch zu führen.
Es war sowieso schon wunderlich, weshalb gerade
er mit den Segnungen der Magie in sich versehen wurde. Warum er, nicht
eines seiner Geschwister? Als der etwas heruntergekommene Magier bei ihnen
seine Schuhe reparieren lassen wollte, hätte er nicht in seinem ganzen
Leben daran gedacht, dass dieser Magier es sein würde, der ihn nun
mit scharfen Blick anschauen würde, sichtlich gekränkt, dass
Träumer während einer seiner Vorträge, nun, träumte.
"Student Träumer Heizgut, ich kann mir
denken, dass meine Vorträge nicht die interessantesten sind, aber
du solltest wenigstens Respekt vor dem Alter haben und mich mit deiner
Aufmerksamkeit würdigen! So wie es die anderen Studenten hier auch
tun!"
Klar, er hatte wieder geträumt. Dementsprechend
konfus war er auch, als er so unsanft aus seinen Gedanken herausgerissen
wurde. "Oh... eh... es... es tut mir leid, wirklich, ich habe... habe...
bin kurz weg gewesen..."
"Oh ja, das haben wir gemerkt!" Der Saal lachte,
lachte über ihn, lachte ihn aus. Träumer merkte, wie er rot wurde.
"Ich werde jetzt auch ihren Ausführungen folgen, ich verspreche
es!"
"Das will ich doch hoffen! Aber, falls es
dich tröstet, allzu viel musst du nicht mehr zuhören!"
Träumer nickte. Professor Caliagari war
einer der nettesten und demnach auch beliebtesten Professoren am "Traumwerk"
und Träumer war nicht gerade froh, dass er ihn gekränkt, schlimmer
noch, vielleicht sogar verärgert hatte.
Der Professor hatte recht behalten. Keine
fünf Minuten, nachdem der Professor Träumer so peinlich ermahnt
hatte, schloss Professor Caliagari den Unterricht und entließ seine
Studenten. Träumer haderte mit sich, ob er sich beim Professor entschuldigen
sollte, aber bevor er sich entscheiden konnte, zerrte ihn Narya mit sich.
"Das war ja ein ziemliches Ding was du dir
da geleistet hast! Wie konntest du nur derart wegtreten?"
Innerlich schüttelte Träumer den
Kopf. Nicht, dass er es nicht erwartet hatte, dass sie ihn darauf ansprach,
aber er hatte erwartet, dass wenigstens sie Verständnis für ihn
haben würde. "Ach...du kennst mich doch! Ich trete halt von Zeit zu
Zeit in mein Traumland ein und dann..." Ja, die ganze Sache ins lächerliche
zu ziehen war keine gute Taktik, aber die einzige, um einigermaßen
ruhig und gelassen zu wirken.
"He, komm, erzähl‘ mir nichts! Weswegen
bist du derart abgeglitten?"
Träumer schüttelte resignierend
den Kopf. "Ich...ich weiß es nicht. Manchmal, da...da kommen mir
so Gedanken, weißt du, so von diesem "Ferne Länder, Große
Abenteuer" Schwachsinn, verstehst du?"
Narya musst lachen. "Oh...Oh es tut mir leid,
aber...aber klingt so ganz und gar nicht nach dir!"
"Ja, das weiß ich, und das ist es auch,
was mir selber komisch vorkommt."
Sie waren vor Träumers Zimmer angekommen.
Sein Bewohner öffnete die Tür und machte einen Schritt in sein
Zimmer, bevor er sich umwandte und zu seiner Freundin sagte: "Tja, ich,
äh, ich muss noch etwas lernen, für morgen, deshalb müssen
sich unsere Wege hier wohl leider trennen." Narya lächelte. "Ja, gut,
ich geh dann mal selber in mein Zimmer und... bis morgen dann!"
"Ja, bis morgen."
Damit schloss Träumer Heizgut, Student
der Magischen Universität zu Rikkenau seine Zimmertür. An einem
ganz normalen Primtag...
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