Aus Rawbots Welt Rhyne
Sonnenaufgang über Rikkenau von Rawbot

Verschwitzt und heftig atmend schnellte Träumer von seinem Bett hoch.
Sein Herz hämmerte derart gegen seinen Brustkasten, dass es Träumer so vorkam, als ob sein Herz seinen Körper durchbrechen und auf seinem Zimmerboden herumhüpfen wolle. 
Es war schon seltsam, überlegte Träumer. Er konnte sich eigentlich immer recht gut an seine Träume erinnern, besonders an seine Alpträume. Aber dieser Traum war ihm entschwunden, warum auch immer.
Träumer lugte aus seinem großen Zimmerfenster. Dort draussen, ausserhalb von Rikkenau, ausserhalb der ganzen Mittelreichkonföderation, irgendwo am Ende der Welt schickte sich die Sonnenscheibe, geschoben von Hailos, an, den Himmel erneut zu erobern. Träumer liebte diese Augenblicke. Besonders wenn er an seinem liebsten aller Plätze war. 
Er erhob sich von seinem Bett und zog sich seine Alltagskleidung, eine einfache Lederhose und ein leinenes Hemd und darüber einen Wollüberzieher, an. Langsam öffnete Träumer dann die Tür, um nur ja keinen seiner Kommilitonen oder seiner Kommilitoninnen zu wecken. Vielleicht beschwerten sie sich ja noch...
Der lange Gang war nur durch das Licht erhellt, welches durch die großen Fenster an beiden Enden des Ganges schien. Jenes Licht hüllte den Gang in ein dunkles, verwaschenes Grau. Darum, und nicht zufälligerweise über irgend etwas zu stolpern, ließ Träumer ein kleines, hell strahlendes Kügelchen in seiner linken Hand entstehen, welches ihm genügend Licht spenden sollte, damit er gefahrlos seinen Weg durch den Gang bis zur Treppe finden würde.
Seine Schritte hallten durch den Flur. Die Lichtkugel in seinen Händen vertrieb zwar die Dunkelheit um ihn, aber erschuf auch neue Schatten, weiter hinten im Gang. Wenn man es so sah, dann war das „Traumwerk„ doch eine ziemlich unheimliche Stätte und von den Gesprächen her, die in der Mensas immer herumschwirrten wie Fliegen um eine tote Ratte, wusste er, dass einige, tiefer gelegene Teile des Traumwerks, vornehmlich unterhalb des Erdbodens, noch nicht ganz erkundet und kartographiert waren. Aber das waren auch nur wieder Gerüchte...
Er war an der Treppe angekommen, die mit einer Kette verhängt war, an der wiederum ein Schild mit der halb-verwitterten roten Schrift 

Forsicht,
ZUTRIT VÄRBOHTEN!
L Ä B E N S G E F A !!

angebracht war.
Quasidmo, der leicht buklig-verstellte Hausmeister des Traumwerks, hatte sich wirklich Mühe gegeben. Er hatte Träumer schon einmal erwischt, als er oben auf dem Turm saß, aber er hatte Verständnis für Träumer gezeigt. Schließlich ging er selbst öfter auf das Turmdach, die Aussicht sei auch zu verlockend, meinte er damals. Aber Quasidmo hatte ihm natürlich strengstens verboten, je wieder auch nur einen Fuß auf die Treppe nach oben zu setzen. Wer weiss, wenn er Träumer das nächste mal erwischen würde, erzählte er es vielleicht dem Dekan und dann...
Träumer mochte sich das Gebrülle und die Strafe danach nicht ausmalen, weshalb er diese doch eher unfreundlichen Gedanken abschüttelte, tief durchatmete und dann so leise wie möglich über die Kette stieg.
Die Treppe, beziehungsweise der ganze Turm, waren keineswegs so baufällig wie immer getan wurde, aber trotzallem zeigte Träumer doch Vorsicht bei jedem Schritt, den er tat.
Das Turmdach war genauso verlassen wie eh und je. Träumer stieg die kleine Leiter zur Luke hinauf, durch die man auf das Turmdach gelangen konnte. 
Er nahm die Haltung ein, die ihm immer am bequemsten war, den einen Fuß lässig ausgestreckt, den anderen an der kleinen, etwa einer halben Elle großen eisernen Brüstung abgestützt.
Träumer lehnte sich zurück und genoß das Schauspiel, das sich ihm nun sehr bald bieten würde.
Langsam erhob sich die Sonne, kaum sichtbar, über die äußere Stadtmauer. Bald darauf hatte sie die Mauer zur Hälfte überwunden und streckte nun ihre warmen Fühler in die Welt. Sie überragte schon die meisten Häuser und Mietskasernen Rikkenaus und macht sich nun daran, es den Türmen Der Sechs Götter an Höhe gleichzutun. Diese Türme waren bei weitem nicht mehr die höchsten Bauwerke Rikkenaus, aber wohl eins der vielen Markenzeichen einer der größten Städte ganz Rhynes. 
Es dauerte nicht lange, da hatte die mächtige Sonnenscheibe bereits auch jene Türme überwunden und strahlte nun von oben herab auf die Welt und auf all ihre Bewohner. Genauso auf Menschen wie auf Elfen, Zwerge, Orks, Elben und alle anderen Wesen dort draussen. 
Schon fingen einige Hähne zu krähen und Hunde zu bellen und jaulen an.
Das Leben begann wieder, in der großen Stadt am Rikk.
Träumer seufzte. Wenn er je wieder nach Rikkenau zurückkehren würde, wenn er einmal seinen Abschluss an der  Universität gemacht hatte, dann wegen diesem einzigartigen Gefühl von Ruhe, Geborgenheit und allgegenwärtigem Frieden, den ihm dieser Moment gab.
Wieder seufzte Träumer. Bald würden die sechs Glocken läuten und dann würde man sich fragen wo er war, wenn nicht auf seinem Zimmer. Er musste hinunter.

Ein neuer Tag wartete auch auf ihn.
 

.