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Dämonenfeuer von Rubaan
6 - Treffen mit dem Herrn der Träume

Reno riss die blutunterlaufenen Augen auf und spannte seine Muskeln an.
Er lag auf dem steinernen Boden des Berges, an dem Platz, an dem er hingefallen war, doch außer ihm niemand. Er konnte die Höhle Xaugons sehen, die verschlungenen Pfade, die auf die andere Seite des Berges führten, und erspähte in der Ferne Rauchwolken aus den Häusern von Figarr, hinter dem Gebirge. Der Himmel war bedrohlich rot angelaufen, graublaue Wolken lagen wie ein zerrissener Schleier der Dunkelheit auf ihm, und ein paar krächzende, schwarze und dunkelgrüne Vögel, wahrscheinlich Raben oder ähnliche, umschwärmten verschiedenste Berggipfel des Gebirges.
"Thares! Thares!!" rief Reno laut und richtete sich schnell auf. Als er wieder auf den Füßen stand, brüllte er in das Tal hinunter: "Lynn? Wo bist du?!", und in die Höhle hinein, "Oh Tenet! Teenneettt!!"
Er bekam keine Antwort von nirgendwo. Nichts passierte, nichts regte sich.
Doch plötzlich konnte er lautes Gestampfe hören. Und zwar das einer riesigen Horde von kolossalen Golems. Reno wartete ab, ihm rannen heiß glühende Schweißtropfen über die Stirn, und seine Augen funkelten.
Doch niemand kam.
Es schien ihm, als wäre er bereits eine ganze Stunde auf dem Berg verharrt, in angriffslustiger Haltung, auf Feinde vorbereitet, als es Reno genug wurde und er sich umdrehte. Er trippelte langsam und unsicher auf die Pforte zu Xaugons unbewacht scheinendem Hort. Sobald er mit seinem ganzen Körper in der Höhle war, schob sich eine dicke, staubige Steinplatte, ein wahrlich riesiger Anblick, vor den Eingang und versperrte ihn.
Es wurde stockdunkel, und alles, was man noch erspähen konnte, waren die grell glühenden Augen von großen Fledermäusen, die entweder durch die Höhle flatterten oder mit dem Kopf nach unten spitze Stalaktiten umklammerten.
Reno versuchte verzweifelt, die Steinplatte mit seinen Händen wegzuschieben, doch so sehr er sich auch anstrengte, der Fels rührte sich nicht einen kleinen Millimeter von der Stelle.
"Verdammt! Hier komme ich nicht mehr hinaus. Ich muss einen anderen Ausgang finden."
Reno schlich leise durch die rabenschwarze Dunkelheit der Drachenhöhle, und je tiefer er in den Berg hineinging, desto mehr blitzte ein eingebildet scheinendes, goldenes Licht in seine Augen und wurde wie von einem Spiegel an die Decke der Stollen reflektiert. Nach einiger Zeit schimmerte das goldene Licht vor Reno hin und her und über die Wände. Es schimmerte wie der Glanz eines kugelrunden Vollmondes, der zusammen mit dem Licht der Sterne die schwarze Nacht erhellte. Und das Echo seiner Schritte hallte durch die stille Höhle.
Doch plötzlich rutschte er einen niedrigen, steilen Hang hinunter, und Reno landete in einem großen, steinernen Raum, und die Dunkelheit verschwand wie Nebel am frühen Morgen auf dem Sonnenberg.
Reno sah sich um, und seine Augen strahlten von dem göttlichen Anblick. Er stand in Xaugons Hort, dem wichtigsten Punkt der ganzen Donnerstein-Berge.
Überall funkelten und glitzerten Schätze: Dort lag ein Haufen goldener Dublonen, da funkelte ein Kelch aus Platin, Silber, Elfenbein und Saphiren, und dann und wann konnte er sogar eine Axt oder ein wundervolles Schwert aus Himmelssilber und Wolkenstahl erblicken. Hier gab es Schatztruhen, randvoll mit Silbermünzen und Perlen, die selbst aus Rotgold und Donnerbronze bestanden. Edelsteine in allen Größen, Formen und Farben kullerten über Berge aus Gold und Silber, und an den Wänden hingen feinste Schmuckstücke und Ausrüstungsgegenstände aus Zwergen- und Elbenschmieden aus den Bergen von Hatorok und dem Walde Ifareoo; Kettenhemden, die einst Zwerge in der Schlacht trugen, verzauberte Amulette, die die Elbenherrscher besaßen, und einige besonders eindrucksvolle und wertvolle Schätze wie eine Panzerrüstung aus Drachengold und eine Streitaxt aus magischen Juwelen, mit einer Schneide, die aus feinstem, funkelndem Engelseisen und Geisterchrom gemacht war. Ich kann nicht mehr über diese wundervolle Pracht berichten, doch ihr könnt euch sicher vorstellen, wie es weitergeht.
Auch Reno war von diesem Anblick wie verzaubert, und seine Augen funkelten.
"Dieser Schatz, er... er... ist bezaubernd...", murmelte er.
Er machte einige Schritte nach vorne und nahm dann einen Haufen Golddublonen und Silbermünzen in die Hand. Er erwischte außerdem noch zwei kleine Saphire und einen funkelnden Rubin in Form eines Goblinkopfes, der äußerst merkwürdig aussah.
"Ich werde mir alles... nehmen!" rief Reno laut aus, denn der Schatz hatte ihn ins einen Bann gezogen.
Schnell streifte er sich eine dünne Rüstung aus Himmelsilber über und nahm sich ein Kampfschild aus Donnerbronze, mit Stacheln aus Diamanten und mit kleinen Silberkügelchen verziert. Seine neuen Stiefel waren aus feinstem Leder und mit Stahlketten bearbeitet, genau so wie die Handschuhe, die er jetzt trug. Sein golden glänzender Helm aus einem unbekannten Material war mit einem dicken Topas in Form eines Drachenschädels verziert und sonderte ein helles Licht ab. Nun sah er aus wie ein Meisterpaladin aus Harabot am schimmernden Fluß.
Er stand weiter verzaubert von den Gold- und Silbermassen, mit einem gierigen Blick in den Augen. Er verharrte stundenlang in der Halle der Schätze, doch all seine Aufmerksamkeit war nun dem Schatz gewidmet, und kein Fünkchen dem Gedanken an den Drachen, die Dämonen oder seine Begleiter und Freunde.
Doch plötzlich hörte er eine vertraute Stimme, die erstickt durch die Steinplatte und die Höhle zu ihm drang.
"Reno! Wo bist du? Hilf mir! Hilfe!!!" rief sie zitternd und beängstigt.
Reno erkannte die Stimme: Es war die von Lynn! Sie schien sich in großer Gefahr zu befinden, denn sie schrie herzzerreißend und voller Furcht. Plötzlich hörte Reno auch noch ein Grummeln der Erde und ein Krachen an den Höhlenwänden und auf dem Boden.
Ein Erdbeben war ausgebrochen, und unter dem Schatz öffnete sich eine ausgedehnte Erdspalte. Ein kostbares Objekt nach dem anderen, zusammen mit Massen an Gold, fielen in die Spalte und kamen nicht wieder heraus.
Reno musste unbedingt seinen neuen Schatz retten, doch Lynn war wohl in Lebensgefahr. Zögernd und nachdenklich stand er da, während der Schatz verschlungen wurde und die Hilferufe immer lauter zu ihm tönten.
Schließlich sah Reno noch ein letztes Mahl auf die Juwelen- und Münzenpracht und sagte schließlich zu sich selbst, mit wahrer Entschlossenheit: "Ich rette sie!"
"Ich komme, Lynn! Halte aus!" rief er laut.
Schnell drehte er sich um und rannte auf den niedrigen Felsabhang zu, über den er in den Raum gerutscht war. Nach etlichen Versuchen schaffte er es, den Abhang zu erklimmen und befand sich nun wieder in der Höhle. Mit einer irrsinnigen Geschwindigkeit rannte er in Richtung Ausgang, wie eine Rakete mit Füßen, die über einen rauen Steinboden flog. Als er vor der Steinplatte stand und die Hilferufe von Lynn immer lauter, verzweifelter und schallender klangen, bewegte sich die Platte, wie von Geisterhand ergriffen und weggezerrt, vom Ausgang weg und plumpste mit einem dumpfen Knall auf den Boden des Berges vor dem Hort.
Reno sah ein erschütterndes Bild vor sich: Die Armee von Golems war gekommen und stand still vor dem Eingang der Höhle. Geothande umschlang mit seinem Arm aus Stein Lynns Hals und war dabei, sie zu erdrosseln, als er Reno erblickte und      schallend lachte.
"Reno Starduum! Hahaha! Du bist also hier?" fragte der Dämon mit einem diabolischen Klang in der zitternden Stimme.
"Gut gemacht, junger Held!" hörte Reno nun aus Geothandes Mund, doch es war nicht seine Stimme. Die Stimme klang irgendwie verzerrt, mysteriös und erfreut.
Plötzlich verschwand Geothande, und mit ihm Lynn in seinen Armen und die ganze Horde der Golems.
"Was? Wie? Wo seit ihr alle? Lynn? Lynn!!" rief Reno und rannte ziellos über die felsige Fläche, auf der gerade noch seine Feinde und seine Freundin standen.
Doch dann tat sich eine weitere, kleine Felsspalte auf, und heraus kam eine schattenumhüllte Gestalt. Reno trat vor das Etwas und blieb, mit einem fragenden Blick im Auge, davor stehen.
Die Schatten verzogen sich, und nun erfüllten helle Lichtblitze wie ein Feuerwerk den dunklen, bewölkten Himmel über den Bergen. Es glitzerte überall wie ein strahlender Regenbogen.
Reno sah die Gestalt an.
Sie sah aus wie ein zwei Meter großer, grüner, aufrecht gehender Frosch mit drei grünlich schimmernden Augen wie Smaragde. Der Frosch war in einen himmelblauen Mantel mit goldenen Zotteln gehüllt und hatte ein silbernes Zepter mit einem großen Rubin in der Hand. Jeder seiner Finger wurde von einem kostbaren und prächtigen Ring geschmückt, und um seinen dicken Bauch war ein enger Gürtel aus dehnbarem Stahl mit Goldknöpfen gezogen.
"Der Meister... der Träume?" murmelte Reno erschrocken und ging einige kleine Schritte in Richtung des Frosches.
"Genau, Reno Starduum. Ich bin Xabolom, der Herr der Träume."
"Aber ihr tretet doch nie in der Realität auf, sondern nur in Träumen...", meinte Reno verlegen.
"Du hast es erfasst, junger Krieger. Das hier ist auch nur ein Traum. Genauer gesagt, ein Test von Xaugon, um zu beweisen, dass du des Schwertes Arkhora und seiner Macht wirklich würdig bist", sagte Xabolom mit tiefer Stimme.
"Nur ein Traum? Nur ein Test?!" fragte Reno und wiederholte somit Xaboloms Erklärung.
"Genau", meinte der Herr der Träume beruhigend, "es war ein Test, was dir wichtiger ist: Deine Freunde oder ein unglaublicher Schatz, und du hast bestanden, indem du den Schatz in die Spalte fallen lassen hast und Lynn zur Hilfe geeilt bist. Das war äußerst tapfer. Und nun gehe, Reno, denn eine große Schlacht steht kurz bevor!! Geothande und Tarantos werden euch im Morgengrauen des nächsten Tages angreifen, also sei gewarnt, Reno! Und merke dir meine Worte: Die dunkle Aura kann nur durch die Macht des Feuers verlöschen, und ihr Herz ist die Kehle des Monstrums."
Bevor Reno noch etwas sagen konnte, war Xabolom verschwunden. Er hatte sich in eine grüne Rauchwolke aufgelöst, und die Lichtstreifen auf dem Himmel verblassten. Kurz darauf sah Reno sich selbst verschwinden, wie ein Monster, das in einen Zha-Kristall gebannt wurde.

Reno riss die Augen weit auf.
"Willkommen zurück in der Wirklichkeit, Reno Starduum", sagte Xaugon laut, und seine Freunde beugten sich über ihn und halfen ihm auf.
"Nur ein Test?" murmelte er immer noch benommen vor sich hin.
"Genau. Und du hast bestanden. Ich werde euch nicht fressen, und du, Reno, bist des Schwertes Arkhora wirklich mehr als würdig. Du hast ein reines Herz", meinte Xaugon stolz.
"Vielen Dank, großer Xaugon, doch im Moment gibt es wichtigeres zu besprechen! Xabolom, der Herr der Träume, hat mir gesagt, dass..."
Reno wurde von dem Drachen abrupt unterbrochen: "Ich weiß. Eure Feinde werden im Morgengrauen hier sein."
"Wie bitte?" fragte Lynn erschrocken.
"Genau, oh scharlachroter Drache. Xabolom sagte, dass wir uns für die große Schlacht rüsten müssen."
"Ich weiß. Folgt mir in meinen Schatzhort", sagte Xaugon mit donnernder Stimme, wandte sich um und stampfte langsam in seine Höhle hinein.
Die Vier folgten ihm, und nach einem kurzen Marsch durch eine stinkende Felsenhöhle, gefüllt mit großen Fledermäusen, kletterten sie über Xaugons Schwanz den niedrigen Abhang hinunter, den Reno in seinem seltsamen Traum gesehen hatte, und landeten in der strahlenden Schatzkammer von Xaugons Drachenhort im Herzen des Berges.
"Wie wunderschön!" bemerkte Tenet und war sofort, wie alle andere auch, von den Schätzen und Reichtümern Xaugons verzaubert.
"Rüstet euch schnell aus! An den Wänden und unter dem Gold liegen jede Menge magische Waffen und Rüstungen aus Zwergen- und Elbenschmieden der ganzen Welt!" sagte der Drache mit befehlender Stimme.
Zwanzig kurze Minuten später waren sie alle mit feinsten Schmiedewerken ausgerüstet und sahen aus wie die Elitegarde eines übermächtigen Königs.
Reno war genau so angezogen wie in seinem Traum, bis auf die Streitaxt, die er mit zweifelnden Blicken bombardierte und einfach auf einem Haufen aus Silberdublonen liegen ließ. Er umklammerte den schimmernden Griff seines Feuerschwertes und spürte ein vertrautes, beruhigendes Gefühl am ganzen Leib.
Lynn hatte sich ein neues, giftgrünes Kleid angezogen, das ihrem früheren wie ein Ei dem anderen glich, bis auf die Tatsache, dass es aus magischer Elfenseide gesponnen war und somit Eis und Feuer Großteils abschirmte und so gut wie unzerreißbar war. Und einen neuen Kampfstab besaß sie auch, und zwar einen aus Donnerbronze und Himmelssilber, mit einem großen, glitzernden Granat an der Spitze, der die Form eines zwanzigseitigen Würfels hatte.
Tenet bekam nur einen Helm aus Blitzplatin, einem äußerst beständigen, magischen Material, das oft von Paladinen getragen wurde. Er hatte genau die Form eines Greifenkopfes, mit einem vergoldeten Schnabel und zwei Hörnern aus Amethysten an der Oberseite.
Thares behielt sein Runenschwert Tharandir, nahm sich aber zur Sicherheit noch einen Tornado-Dolch aus Wolkenstahl, mit einem Griff aus Topas und bekam eine dünne Schuppenrüstung, die ebenfalls aus Wolkenstahl bestand, mächtig besetzt mit Rubinen und grünlichen Opalen. Seine neuen Stiefel aus Ubanje-Eber-Leder glänzten wie frisch poliert, und seine neuen Kettenhandschuhe aus Blitzplatin blitzten wie ein Sonnenstrahl.
Nun waren sie gut genug gerüstet für den Kampf gegen Geothande, Tarantos und die Armee. Der Gedanke an das große Gemetzel der Steine ließ sie schaudern und ihre Körper erzittern, und auch der Drache grummelte seltsam.
Sie schritten wieder aus der Höhle hinaus, und mit der Zeit wurde es Nacht, und Reno stand auf einem großen, grauen Felsen auf einer Klippe und spähte auf einen breiten Bergpfad. Die Vier und Xaugon warteten gespannt auf das Eintreffen der Golems im Morgengrauen, bereit für den Kampf, bereit für das Gefecht, bereit für die Schlacht. Eine der größten, die sie je erleben würden.

"Xaugon! Komm zu mir!" hörte der Drache eine diabolisch klingende Stimme rufen.
"Wie? Stalos? Lass mich!" brüllte er, und Reno, Lynn, Thares und Tenet drehten sich erschrocken um.
"Komm zu mir! Du darfst nicht kämpfen!" sagte die Stimme, die nur der Drache vernehmen konnte.
"Stalos! Lass es!" schrie Xaugon, und kurz darauf erhob er sich wie ein wütender Blitz in die Lüfte und flog wie ein Adler auf der Jagd davon, über Figarr hinweg und in Richtung Ozean.
"Xaugon! Wir brauchen dich!" rief Reno ihm verzweifelt nach.
"Stalos! Stalos! Rrraahhh!!" konnte er noch vernehmen, und dann war alles still...

Eine dunkle Wolke bildete sich hoch am Himmel in der Morgendämmerung. Dies war wirklich kein schöner Morgen, denn schwarze und rote Wolken schwebten in der Luft herum, wie ein grauer Schleier, der die Hoffnung verhüllte.
"Da! Seht!" rief Tenet aus, der ganz oben auf einem hohen Felsen saß, und von der aufgehenden Sonne geblendet wurde. "Sie kommen! Ich kann einen großen Golem sehen, und neben ihm einen riesigen Mann ohne Beine, der auf einer Spinne sitzt! Dahinter mindestens 400 Steinkrieger!"
"Mehr als 400? Bei Xor´phan dem Großen*! Wie können wir das schaffen?" fragte Thares.
"Rede nicht so viel", zischte ihn Reno an, "konzentriere dich lieber, denn gleich gibt es einen Kampf!"
"Genau", meinte Lynn verbittert.
"Wenn wir doch nur Xaugon hätten. Warum hat er uns verlassen?" dachte sich Reno verzweifelt und sah die anstürmende Armee an.
Nun wurden auch die Vier von den Golems und dem Spinnenmann entdeckt.
"Dort oben sind sie! Vor dem Hort! Machen wir sie kalt!" rief Tarantos voller Wut, als er Reno in seiner neuen Paladin-Ausrüstung sah.
Kurz darauf entflammte der wilde Kampf.
Tenet kam im Sturzflug auf die Armee zu, und das war sozusagen das Signal zur ersten und letzten Runde. Der Greif packte zwei Golems, eine äußerst schwere Last, und warf sie den Berghang hinunter, worauf sie zerkrachten und zerbrachen.
"Meine Leibdiener sind mir egal! Wichtig ist mir nur der Sieg und mein Bruder!" brüllte Geothande und schickte einige fliegende, spitze Kristalle auf die Reise.
Reno schaffte es gerade noch, sie mit seinem Kampfschild abzufangen, ehe sie Lynn in die Brust trafen.
"Danke... sehr...", sagte sie zitternd und wurde sauer.
"Quinxade Frakugugu Malto Efhabendo Fizitri Nakek...", murmelte sie, und aus dem Granat an der Spitze ihres Kampfstabes sauste eine pralle, leuchtende Energiekugel die drei Golems dem Erdboden gleich machte. Sie wurden getroffen und lösten sich sofort in Staub auf.
Als die anderen Steinkrieger das sahen, bekamen sie es mit der Furcht zu tun. Die Hälfte von ihnen floh in Panik den Berg hinunter oder sprang, voller Dummheit, über eine nahe Klippe. So ähnlich ging es lange, lange weiter, bis nur noch ungefähr zwanzig Golems, Geothande, Tarantos und vier Helden, davon zwei, Lynn und Tenet, leicht und schwer verwundet zum Kampf bereit waren.
Während die anderen gegen Tarantos antraten, kämpfte Thares allein mit Geothande. In seiner Eile tastete er seinen Gürtel nach der Schwertscheide ab und bekam nur den kleinen Tornado-Dolch zu fassen, der leider nicht so mächtig war wie Tharandir, doch in Nahkämpfen eine beeindruckende Wirkung zeigte.
Schließlich standen sie beide auf einer breiten, langen Klippe, der höchstgelegenen auf dem Drachenberg. Jeder, der hinunterfällt, landet dreitausend Meter tiefer in einem schmalen, kleinen Tal am Fuße des Berges, zermatscht und zerschmettert.
Und genau dieses Schicksal schien Thares gerade zu drohen! Geothande trieb ihn wie mit der Peitsche einen Esel an den Rand der Klippe. Die Sonne ging gerade in blutroten Farbtönen auf, und ein unheimliches Licht schimmerte auf die beiden Kämpfenden.
"Stell dir die Reise ins Jenseits wie einen langen, langen, Fall vor, du Wurm!" sagte Geothande bedrohlich und packte den Elbenprinz am Arm.
Gerade, als er ihn in die Verdammnis schleudern wollte, zog Thares sein magisches Schwert und hielt es vor Geothandes Gesicht.
"Tharandir... Der... Steinbrecher?" fragte Geothande, und die Furcht packte ihn, denn dieses Schwert konnte auch den stärksten Stein spalten.
"Genau...", zischte Thares und hackte mit einem Schlag seinem Widersacher die Hand ab, worauf er schmerzend auf den Boden der Klippe plumpste.
"Lass... mich... damit... in... Ru... Ruhe!" stotterte Geothande und wich zurück.
"Nein! Jetzt bin ich an der Reihe!"
Thares schlug mit dem Steinbrecher zu, und traf das Körperteil, das er sich erhofft hatte zu treffen: Geothandes Füße! Sie wurden in kleine Kieselsteinchen zerschmettert, und der Golem konnte nicht mehr richtig stehen. Er verlor sein Gleichgewicht, kippte um und stürzte den Berg hinunter.
Thares konnte noch einen gellenden Schrei hören, doch dann war es still, denn Geothande war auf den Boden geknallt.
Thares keuchte und stand auf. Er sah nach unten und erblickte eine nebelige Waldlandschaft, in der sein Feind wahrscheinlich gelandet war. Ein seltsames Gefühl übermannte ihn, doch dann fiel im Etwas ein: Tarantos!!!

Als Thares nach vielen weiteren, kleinen Gefechten mit den übriggebliebenen Golems zu der Stelle kam, auf der Tarantos gegen seine Freunde gekämpft hatte, war die Schlacht bereits vorbei. Er konnte nur noch Reno stolz mit seinem Schwert in der Hand sehen, Lynn und Tenet, stark verwundet daneben verharrend, und auf dem Boden eine stinkende, brennende Leiche eines Dämons.
"Tarantos ist tot!" dachte sich Thares erstaunt und ging zu Reno und seinen Freunden hinüber.

"Nun, Thares, ich werde es dir schnell erzählen", sagte Reno und setzte sich auf einen kleinen Felsen.
"Während du Geothande bekämpft und vernichtet hast, sind wir drei gegen Tarantos angetreten. Er war ein wirklich zäher Bursche, wahrscheinlich mächtiger als Geothande. Am Anfang sah es aussichtslos für uns aus. Tarantos feuerte mit dunklen Strahlen und roten Eiskugeln um sich, bis nur noch ich vor ihm stand, da Tenet und Lynn verletzt auf dem Boden lagen. ‘Du bist des Todes!’ donnerte Tarantos, und unser Kampf verwandelte sich in ein kurzes Wortgefecht, dann wieder in eine Schlacht. Er war mir haushoch überlegen, bis mir Xaboloms Worte wieder einfielen: Das Herz der dunklen Aura ist der Rachen des Monsters! Ich nahm Arkhora und stieß es Tarantos´ Spinnenunterteil in den Mund, und er begann sofort zu bluten und zu brennen, bis er schließlich nachgab und auf den Boden sank. Das war sein Ende."
Mit diesen Worten sah Reno noch das Skelett des Dämons an, das nun verwitternd auf dem Boden des Berges lag, dachte an seinen und Thares´ Sieg, stand auf und ging langsam in die Höhle hinein.


* Anmerkung des Autors: Auf Lemminia herrschen unter dem Baum Óga-Lem dreizehn andere Götter. Der Oberste von ihnen, also der, der mächtiger ist als die anderen zwölf Götter, doch unter dem göttlichen Baum steht, ist Xor´phan. Seine Kameraden heißen Zetemowáá und Helýademas, und die Namen der anderen 8 Götter lauten Onoróx, Meltio, Thénél: drei männliche Götter; und die fünf weiblichen: Arnaghále, Imatía, Temmera, Sedúce und Faam´dérýa. Nie erwähnt werden jedoch die vier Götter des Bösen Arghóon, Zhentem, Quásmór und Yakuun, mit ihrem Oberhaupt Dáronth, die vor langer Zeit von Xor´phan und seinen Gefährten in einen magischen Kerker  verbannt wurden. Auch existieren die sogenannten `Razhás, sozusagen eine Rasse zwischen Menschen und Göttern, so wie Xabolom, der Herr der Träume, oder der teuflische Erderschütterer Moraal. ´Razhás herrschen meist über Gebiete wie Wälder, Gebirge und Gewässer. Sie können, im Gegensatz zu den Göttern, vollkommen getötet und vernichtet werden.
 

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Und schon folgt auch das 7. Kapitel: In den Höhlen von Gra Éngor

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