Dämonenfeuer von Rubaan |
6 - Treffen mit dem Herrn der Träume |
Reno riss die blutunterlaufenen Augen auf und spannte seine Muskeln an. Er lag auf dem steinernen Boden des Berges, an dem Platz, an dem er hingefallen war, doch außer ihm niemand. Er konnte die Höhle Xaugons sehen, die verschlungenen Pfade, die auf die andere Seite des Berges führten, und erspähte in der Ferne Rauchwolken aus den Häusern von Figarr, hinter dem Gebirge. Der Himmel war bedrohlich rot angelaufen, graublaue Wolken lagen wie ein zerrissener Schleier der Dunkelheit auf ihm, und ein paar krächzende, schwarze und dunkelgrüne Vögel, wahrscheinlich Raben oder ähnliche, umschwärmten verschiedenste Berggipfel des Gebirges. "Thares! Thares!!" rief Reno laut und richtete sich schnell auf. Als er wieder auf den Füßen stand, brüllte er in das Tal hinunter: "Lynn? Wo bist du?!", und in die Höhle hinein, "Oh Tenet! Teenneettt!!" Er bekam keine Antwort von nirgendwo. Nichts passierte, nichts regte sich. Doch plötzlich konnte er lautes Gestampfe hören. Und zwar das einer riesigen Horde von kolossalen Golems. Reno wartete ab, ihm rannen heiß glühende Schweißtropfen über die Stirn, und seine Augen funkelten. Doch niemand kam. Es schien ihm, als wäre er bereits eine ganze Stunde auf dem Berg verharrt, in angriffslustiger Haltung, auf Feinde vorbereitet, als es Reno genug wurde und er sich umdrehte. Er trippelte langsam und unsicher auf die Pforte zu Xaugons unbewacht scheinendem Hort. Sobald er mit seinem ganzen Körper in der Höhle war, schob sich eine dicke, staubige Steinplatte, ein wahrlich riesiger Anblick, vor den Eingang und versperrte ihn. Es wurde stockdunkel, und alles, was man noch erspähen konnte, waren die grell glühenden Augen von großen Fledermäusen, die entweder durch die Höhle flatterten oder mit dem Kopf nach unten spitze Stalaktiten umklammerten. Reno versuchte verzweifelt, die Steinplatte mit seinen Händen wegzuschieben, doch so sehr er sich auch anstrengte, der Fels rührte sich nicht einen kleinen Millimeter von der Stelle. "Verdammt! Hier komme ich nicht mehr hinaus. Ich muss einen anderen Ausgang finden." Reno schlich leise durch die rabenschwarze Dunkelheit der Drachenhöhle, und je tiefer er in den Berg hineinging, desto mehr blitzte ein eingebildet scheinendes, goldenes Licht in seine Augen und wurde wie von einem Spiegel an die Decke der Stollen reflektiert. Nach einiger Zeit schimmerte das goldene Licht vor Reno hin und her und über die Wände. Es schimmerte wie der Glanz eines kugelrunden Vollmondes, der zusammen mit dem Licht der Sterne die schwarze Nacht erhellte. Und das Echo seiner Schritte hallte durch die stille Höhle. Doch plötzlich rutschte er einen niedrigen, steilen Hang hinunter, und Reno landete in einem großen, steinernen Raum, und die Dunkelheit verschwand wie Nebel am frühen Morgen auf dem Sonnenberg. Reno sah sich um, und seine Augen strahlten von dem göttlichen Anblick. Er stand in Xaugons Hort, dem wichtigsten Punkt der ganzen Donnerstein-Berge. Überall funkelten und glitzerten Schätze: Dort lag ein Haufen goldener Dublonen, da funkelte ein Kelch aus Platin, Silber, Elfenbein und Saphiren, und dann und wann konnte er sogar eine Axt oder ein wundervolles Schwert aus Himmelssilber und Wolkenstahl erblicken. Hier gab es Schatztruhen, randvoll mit Silbermünzen und Perlen, die selbst aus Rotgold und Donnerbronze bestanden. Edelsteine in allen Größen, Formen und Farben kullerten über Berge aus Gold und Silber, und an den Wänden hingen feinste Schmuckstücke und Ausrüstungsgegenstände aus Zwergen- und Elbenschmieden aus den Bergen von Hatorok und dem Walde Ifareoo; Kettenhemden, die einst Zwerge in der Schlacht trugen, verzauberte Amulette, die die Elbenherrscher besaßen, und einige besonders eindrucksvolle und wertvolle Schätze wie eine Panzerrüstung aus Drachengold und eine Streitaxt aus magischen Juwelen, mit einer Schneide, die aus feinstem, funkelndem Engelseisen und Geisterchrom gemacht war. Ich kann nicht mehr über diese wundervolle Pracht berichten, doch ihr könnt euch sicher vorstellen, wie es weitergeht. Auch Reno war von diesem Anblick wie verzaubert, und seine Augen funkelten. "Dieser Schatz, er... er... ist bezaubernd...", murmelte er. Er machte einige Schritte nach vorne und nahm dann einen Haufen Golddublonen und Silbermünzen in die Hand. Er erwischte außerdem noch zwei kleine Saphire und einen funkelnden Rubin in Form eines Goblinkopfes, der äußerst merkwürdig aussah. "Ich werde mir alles... nehmen!" rief Reno laut aus, denn der Schatz hatte ihn ins einen Bann gezogen. Schnell streifte er sich eine dünne Rüstung aus Himmelsilber über und nahm sich ein Kampfschild aus Donnerbronze, mit Stacheln aus Diamanten und mit kleinen Silberkügelchen verziert. Seine neuen Stiefel waren aus feinstem Leder und mit Stahlketten bearbeitet, genau so wie die Handschuhe, die er jetzt trug. Sein golden glänzender Helm aus einem unbekannten Material war mit einem dicken Topas in Form eines Drachenschädels verziert und sonderte ein helles Licht ab. Nun sah er aus wie ein Meisterpaladin aus Harabot am schimmernden Fluß. Er stand weiter verzaubert von den Gold- und Silbermassen, mit einem gierigen Blick in den Augen. Er verharrte stundenlang in der Halle der Schätze, doch all seine Aufmerksamkeit war nun dem Schatz gewidmet, und kein Fünkchen dem Gedanken an den Drachen, die Dämonen oder seine Begleiter und Freunde. Doch plötzlich hörte er eine vertraute Stimme, die erstickt durch die Steinplatte und die Höhle zu ihm drang. "Reno! Wo bist du? Hilf mir! Hilfe!!!" rief sie zitternd und beängstigt. Reno erkannte die Stimme: Es war die von Lynn! Sie schien sich in großer Gefahr zu befinden, denn sie schrie herzzerreißend und voller Furcht. Plötzlich hörte Reno auch noch ein Grummeln der Erde und ein Krachen an den Höhlenwänden und auf dem Boden. Ein Erdbeben war ausgebrochen, und unter dem Schatz öffnete sich eine ausgedehnte Erdspalte. Ein kostbares Objekt nach dem anderen, zusammen mit Massen an Gold, fielen in die Spalte und kamen nicht wieder heraus. Reno musste unbedingt seinen neuen Schatz retten, doch Lynn war wohl in Lebensgefahr. Zögernd und nachdenklich stand er da, während der Schatz verschlungen wurde und die Hilferufe immer lauter zu ihm tönten. Schließlich sah Reno noch ein letztes Mahl auf die Juwelen- und Münzenpracht und sagte schließlich zu sich selbst, mit wahrer Entschlossenheit: "Ich rette sie!" "Ich komme, Lynn! Halte aus!" rief er laut. Schnell drehte er sich um und rannte auf den niedrigen Felsabhang zu, über den er in den Raum gerutscht war. Nach etlichen Versuchen schaffte er es, den Abhang zu erklimmen und befand sich nun wieder in der Höhle. Mit einer irrsinnigen Geschwindigkeit rannte er in Richtung Ausgang, wie eine Rakete mit Füßen, die über einen rauen Steinboden flog. Als er vor der Steinplatte stand und die Hilferufe von Lynn immer lauter, verzweifelter und schallender klangen, bewegte sich die Platte, wie von Geisterhand ergriffen und weggezerrt, vom Ausgang weg und plumpste mit einem dumpfen Knall auf den Boden des Berges vor dem Hort. Reno sah ein erschütterndes Bild vor sich: Die Armee von Golems war gekommen und stand still vor dem Eingang der Höhle. Geothande umschlang mit seinem Arm aus Stein Lynns Hals und war dabei, sie zu erdrosseln, als er Reno erblickte und schallend lachte. "Reno Starduum! Hahaha! Du bist also hier?" fragte der Dämon mit einem diabolischen Klang in der zitternden Stimme. "Gut gemacht, junger Held!" hörte Reno nun aus Geothandes Mund, doch es war nicht seine Stimme. Die Stimme klang irgendwie verzerrt, mysteriös und erfreut. Plötzlich verschwand Geothande, und mit ihm Lynn in seinen Armen und die ganze Horde der Golems. "Was? Wie? Wo seit ihr alle? Lynn? Lynn!!" rief Reno und rannte ziellos über die felsige Fläche, auf der gerade noch seine Feinde und seine Freundin standen. Doch dann tat sich eine weitere, kleine Felsspalte auf, und heraus kam eine schattenumhüllte Gestalt. Reno trat vor das Etwas und blieb, mit einem fragenden Blick im Auge, davor stehen. Die Schatten verzogen sich, und nun erfüllten helle Lichtblitze wie ein Feuerwerk den dunklen, bewölkten Himmel über den Bergen. Es glitzerte überall wie ein strahlender Regenbogen. Reno sah die Gestalt an. Sie sah aus wie ein zwei Meter großer, grüner, aufrecht gehender Frosch mit drei grünlich schimmernden Augen wie Smaragde. Der Frosch war in einen himmelblauen Mantel mit goldenen Zotteln gehüllt und hatte ein silbernes Zepter mit einem großen Rubin in der Hand. Jeder seiner Finger wurde von einem kostbaren und prächtigen Ring geschmückt, und um seinen dicken Bauch war ein enger Gürtel aus dehnbarem Stahl mit Goldknöpfen gezogen. "Der Meister... der Träume?" murmelte Reno erschrocken und ging einige kleine Schritte in Richtung des Frosches. "Genau, Reno Starduum. Ich bin Xabolom, der Herr der Träume." "Aber ihr tretet doch nie in der Realität auf, sondern nur in Träumen...", meinte Reno verlegen. "Du hast es erfasst, junger Krieger. Das hier ist auch nur ein Traum. Genauer gesagt, ein Test von Xaugon, um zu beweisen, dass du des Schwertes Arkhora und seiner Macht wirklich würdig bist", sagte Xabolom mit tiefer Stimme. "Nur ein Traum? Nur ein Test?!" fragte Reno und wiederholte somit Xaboloms Erklärung. "Genau", meinte der Herr der Träume beruhigend, "es war ein Test, was dir wichtiger ist: Deine Freunde oder ein unglaublicher Schatz, und du hast bestanden, indem du den Schatz in die Spalte fallen lassen hast und Lynn zur Hilfe geeilt bist. Das war äußerst tapfer. Und nun gehe, Reno, denn eine große Schlacht steht kurz bevor!! Geothande und Tarantos werden euch im Morgengrauen des nächsten Tages angreifen, also sei gewarnt, Reno! Und merke dir meine Worte: Die dunkle Aura kann nur durch die Macht des Feuers verlöschen, und ihr Herz ist die Kehle des Monstrums." Bevor Reno noch etwas sagen konnte, war Xabolom verschwunden. Er hatte sich in eine grüne Rauchwolke aufgelöst, und die Lichtstreifen auf dem Himmel verblassten. Kurz darauf sah Reno sich selbst verschwinden, wie ein Monster, das in einen Zha-Kristall gebannt wurde. Reno riss die Augen weit auf.
"Xaugon! Komm zu mir!" hörte der Drache eine diabolisch klingende
Stimme rufen.
Eine dunkle Wolke bildete sich hoch am Himmel in der Morgendämmerung.
Dies war wirklich kein schöner Morgen, denn schwarze und rote Wolken
schwebten in der Luft herum, wie ein grauer Schleier, der die Hoffnung
verhüllte.
Als Thares nach vielen weiteren, kleinen Gefechten mit den übriggebliebenen
Golems zu der Stelle kam, auf der Tarantos gegen seine Freunde gekämpft
hatte, war die Schlacht bereits vorbei. Er konnte nur noch Reno stolz mit
seinem Schwert in der Hand sehen, Lynn und Tenet, stark verwundet daneben
verharrend, und auf dem Boden eine stinkende, brennende Leiche eines Dämons.
"Nun, Thares, ich werde es dir schnell erzählen", sagte Reno
und setzte sich auf einen kleinen Felsen.
© Rubaan
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