Langsam gelang es Narian die Augen zu öffnen. Wenn auch nur
eins. Das andere behielt er zu. Schon stach das Sonnenlicht ihm in das
Rechte und er schloss es wieder. Nach einiger Zeit öffnete er diesmal
langsam beide Augen, und wartete bis sie sich ans Licht gewöhnt hatten.
Schließlich konnte er seine Umgebung erkennen: Links von ihm lag
das Meer, das ruhig da lag und Wellen an den Strand schwappen ließ.
An der Küste vor ihm und weiter im Osten gab es keine Fjorde und Steilhänge,
nur Steinstrände, rechts von ihm in einiger Entfernung, die er nicht
richtig abschätzen konnte, das Ende der östlichen Grenzberge
Ghaidhads. Zwischen dem Meer und den Bergen lag eine kleine Ebene, die
von einem Fluss aus Angarin durchzogen wurde. Denn schließlich blickte
er nun auf dieses Land, auf das Ziel seiner kurzen Reise. Genau in der
Mitte der Ebene lag eine kleine Stadt mit Steinmauern, von der eine Straße
nach Ghaidhad und in den Süden hinter dem Gebirge führte. Narian
bemerkte erst jetzt, warum er so weit sehen konnte: Er saß auf einer
Erhebung, direkt am Saum des Waldes, aus dem sie gekommen waren.
Da kam es ihm wieder. Die Alben! Er sprang auf, fiel aber sofort
wieder zu Boden, als ihn ein stechender Schmerz ins linke Bein schoss.
Er fiel aufs Kinn und konnte sich nicht bewegen. Seine Arme und Beine waren
vom Schmerz gelähmt. Er konnte den Fluss sehen und nun sah er etwas,
das er vorhin nicht bemerkt hatte: Einen schwebenden, dunklen und glitzernden
Punkt knapp über dem Wasser in einiger Entfernung. Als der Punkt näher
geflogen kam, erkannte Narian in ihm Mardic, der im Fluss fischte. Als
er einen dicken Fisch mit dem Maul herausschnappte, drehte er vom Fluss
ab und hielt auf Narian zu. Mit großem Getöse landete er direkt
vor Narian. Den Fisch hatte er schon verschluckt.
»Guten Morgen, Langschläfer«, begrüßte
er ihn.
»Was heißt hier Langschläfer?« murmelte Narian
in das Gras, auf dem er immer noch lag.
»Weil du 24 Stunden am Stück geschlafen hast«,
meinte Mardic.
Narian versuchte aufzustehen, was ihm teilweise gelang: Er lag jetzt
auf dem Rücken.
»24 Stunden? Und warum tut mir dann alles weh?« wollte
er wissen.
»Die Schmerzen werden schnell verschwinden«, sagte Mardic.
Kurz und knapp aber natürlich sehr ausgeschmückt erklärte
Mardic, was vorgefallen war.
»... und so habe ich dich durch meinen Einsatz gerettet.«
Die Erzählung hatte wohl die Schmerzen eingeschläfert,
denn Narian konnte sich jetzt endlich, aber mit Mühe aufrichten.
»Ist ein Wort davon wahr?« fragte er.
»Die Hälfte«, sagte Mardic. »Zugegeben etwas
ausgeschmückt, aber ist doch egal.«
Mardic hatte ihm allerdings den Teil mit dem Bluttransfer vorerst
verschwiegen. Wozu sollte Narian das wissen...
»Na schön. Andere Frage: Was machen wir jetzt?«
fragte Mardic.
Narian schaute auf die kleine Stadt hinter dem Fluss.
»Ich hab Hunger und kauf mir erstmal was zu essen.«
Er schaute sich um. »Wo ist mein Rucksack?«
»Den hab ich im Wald vergessen, glaub ich«, gestand
Mardic.
»Super, und womit soll ich mir was zu essen kaufen?«
fragte Narian.
»Hast du die Karte noch?« wollte Mardic wissen?
»Mein Rucksack ist ja leider weg!« sagte Narian.
»Hosentasche?« sagte Mardic nur.
Narian kramte in den kleinen Taschen. »Warum sollte ich sie
dort haben, wo ich doch...«
Er zog ein zusammengefaltetes Stück Papier heraus.
»Upps«, sagte Narian nur. »Ich hab sie wohl doch
nicht in den Rucksack getan. Und was willst du jetzt damit machen?«
»Ich nichts«, sagte Mardic. »Aber du. Verkauf
sie, dann hast du Geld zum Essen. Die Karte ist sicher etwas wert, so wie
die gezeichnet ist.«
»Verkaufen? Das ist nicht dein Ernst!«
»Dann klau halt«, meine Mardic und legte sich hin.
Narian überlegte.
»Schön, meinetwegen, Herr Schlauberger, ich versuch es
mal.«
Mardic brummte und Narian verstand es so, dass Mardic es gehört
hatte.
Also stand der Jung auf und leider musste er Mardic recht geben:
Die Schmerzen waren schon fast verschwunden.
Narian erreichte nach einer Weile den Fluss und ging südlich,
in Richtung der Straße. Diese führte über eine Holzbrücke
über das Wasser. Die Straße war nicht gepflastert und würde
bei starkem Regen fast unbenutzbar sein.
Als er die Stadt erreichte, war es schon Abend. Die dicken Steinmauern
waren aus riesigen grauen Granitblöcken gebaut worden. Im Abstand
von 100 Metern waren Wachtürme eingebaut worden. Hinter den Zinnen
auf der Mauer patrouillierten Wachen mit großen Langbögen. Der
Torbogen war extra noch verstärkt worden, um möglichen Angreifern
die schwächste Stelle in der Mauer zu nehmen. Die Tore waren aus massivem
Holz und mit Stahlschlössern versehen. Allerdings standen die Tore
noch offen, was Narian auch einen Blick ins Innere dieser Stadtfestung
ermöglichte: Die Straße lief vom Tor aus schnurgerade ins Innere
der Stadt, wo sie sich mit anderen Straßen kreuzte. Sie wurden beleuchtet
durch Lampen, die an den Wänden der Gebäude angebracht waren.
Obwohl es jetzt etwa 6 Uhr abends war, gab es noch viel Verkehr, denn kleinere
Wägen, die von Ochsen oder anderen Tieren gezogen wurden, durchquerten
noch die Stadt. Jedoch fuhr keiner von ihnen in Narians Richtung. Sie kamen
aus Seitenstraßen und verschwanden auch wieder. Auch die Leute waren
noch auf den Beinen. Manche davon konnten sich allerdings schon nicht mehr
so richtig auf ihnen halten. Die Häuser der Stadt waren zum Teil aus
Stein und Holz, die meisten allerdings aus beidem. Alle hatten zwei Stockwerke
und vor vielen hingen Schilder, die wohl zum Trinken und Essen einladen
sollten. Sie hatten spitz zulaufende Dächer und wurden dennoch von
den Mauern und dem größten Gebäude der Stadt überragt,
welches sich im Mittelpunkt der Stadt erhob. Es hatte fünf Stockwerke
und sah eher aus wie ein Turm, obwohl es den gleichen Bau wie die andere
Gebäude besaß*1.
Die Straßen hielten genau auf das Gebäude zu, woraus Narian
schloss, dass es sich um das Rathaus, den Sitz des Stadtherrn, handelte.
Vor dem Tor standen links und rechts noch kleine Ein-Mann-Häuschen,
vor denen jeweils eine Wache stand. Als sie ihn erblickten, schritt einer
der beiden Männer auf ihn zu und hielt ihn auf.
»Na, kleiner Mann«, sagte er. »Wohin soll’s gehen
und woher kommst du?«
Narian musterte den Mann. Er trug eine leichte Rüstung, darunter
einen Lederwams. Eigentlich wurden nur die wichtigsten Stellen geschützt.
Am Ledergürtel hing ein Schwert, in der einen Hand hielt er einen
Speer. Einen Helm trug er nicht, welcher sein Gesicht verdeckten würde.
Es war ein kantiges Gesicht, von einigen Narben am Kinn und der
Nase überzogen. Sein Drei-Tage-Bart stand ihm nicht wirklich. Es war
ein Gesicht eines Soldaten, der schon viel erlebt haben musste. Sein dunkles
Haar wurde zudem schon etwas grau und licht. Ghaidhads Soldaten, die Narian
schon gesehen hatte, waren jünger und frischer gewesen, was sicher
an der Tatsache lag, dass die Jungen mit 18 eingezogen wurden. Doch der
Mann, der vor ihm stand, war sicherlich ein Kriegsveteran. Der Wachdienst
am Tor gefiel ihm sicher nicht.
»Ich will in die Stadt mir essen kaufen. Woher ich komme behalte
ich für mich«, sagte Narian frech.
»Tut mir ja Leid, aber ich muss fragen«, meinte der
Wächter. »Wenn du aus Ghaidhad bist, solltest du uns besser
zum Bürgermeister begleiten, denn Besucher aus Ghaidhad sehen wir
hier nicht oft.«
»Wer sagt ihnen. dass ich aus Ghaidhad bin?« fragte
Narian.
»Mein Gefühl. Und die drei Tatsachen, dass du Kleidung
aus Ghaidhad trägst, wie jemand redest, der aus Nord-Ghaidhad stammt,
und aus der Richtung dieses Landes kommst.«
»Ich bin ein 16-jähriger Junge und hätte gerne etwas
zu essen«, meinte Narian. »Wollen sie mich deswegen ernsthaft
zum Bürgermeister bringen?«
»Adokras, lass den Jungen gehen, er ist ja nicht mal bewaffnet.
Was soll er anrichten?« rief der zweite Wächter. Dann kam er
hergelaufen. Viel anders als der erste Wächter sah er nicht aus.
Dann kramte er in seiner Tasche und holte drei Silbermünzen
heraus.
»Sicherlich hast du noch nicht mal Geld, so wie du aussiehst«,
meinte er und drückte Narian die Münzen in die Hand. »Verschwinde
und mach dir um den Brummbär hier keine Sorgen. Oder Adokras?«
»Hmmmm...«, meinte der erste Wächter.
»Vielen Dank«, sagte Narian durchaus verlegen und ging
durch das Tor.
Hinter sich hörte Narian die Wachen noch diskutieren, aber
das interessierte ihn jetzt nicht. Er konnte seine Karte behalten
und hatte dazu noch drei Silbermünzen bekommen. In Ghaidhad waren
drei Silbermünzen viel Geld, zumindest für ein armes Landei wie
Narian.
Die Stadt war wie gesagt noch ziemlich lebhaft am frühen Abend
und Narian ließ sich den Weg zu einem Obst- und Gemüsehändler
zeigen. Der Laden lag am Rande eines großen freien Platzes, welcher
direkt an diesem turmartigen Gebäude lag.
»Ein Schilling.*2«,
sagte der Verkäufer und reichte Narian die zwei Äpfel und wies
ihm den Weg zur nächsten Bäckerei, die glücklicherweise
gleich um die Ecke war.
Narian fiel auf, wie sauber die Stadt war. Nirgendwo fanden sich
Abfälle wie in den Städten Ghaidhads, in denen er gewesen war,
um Besorgungen für den Dorfmagier zu machen.
In der Bäckerei kaufte er sich für den nächsten Schilling
einen Laib Brot und verpackte alles in einer Stofftasche, die er dazu bekam.
Obwohl er erst eine Stunde in dieser Stadt war, gefiel sie ihm irgendwie
viel mehr als Ghaidhads Städte.
Schließlich lehnte er sich an ein Haus am Rand des großen
Platzes und beobachtete das große Gebäude, welches von den vielen
Lampen, die an den Seitenwänden des Gebäudes befestigt waren,
erleuchte wurde. Es bestand zum Großteil aus Steinen, nur einige
Querstreben in den Wänden bestanden aus Holz. Das Gebäude hatte
die Form eines Quadrates und stand in der Mitte des Platzes wie ein Wachturm.
Es gab in jedem Stockwerk viele Fenster, die beleuchtet waren, einige wiederum
nicht. Das Gebäude besaß sogar einen kleinen Vorgarten rund
herum.
Langsam bekam Narian Durst und Mardic konnte ruhig noch etwas warten.
Er hatte nur insgeheim die Befürchtung, dass die Tore der Stadt in
der Nacht geschlossen wurden.
Also suchte er sich eines der Gasthäuser aus und nahm das mit
dem lustigsten Schild. Nach reiflichem Überlegen entschied er sich
für den 'lachenden Hasen'.*3
Er öffnete die Vordertüre und betrat das volle Gasthaus.
Es gab hier viele kleinere Tische, an denen mindestens fünf Leute
saßen. Die wenigsten Plätze waren leer und nur eine Hand voll
hockte alleine an den Holztischen. Das Zimmer war an sich eigentlich ziemlich
groß und Narian vermutete, dass es noch eine Gaststube zum Übernachten
und weitere Gastzimmer im zweiten Stockwerk gab, denn aus dem Zimmer hier
führten sowohl eine Treppe nach oben, als auch zwei Türen. Als
die Vordertür zuschnappte, sahen einige Leute zu ihm herüber
und Narian ging schnell an die Bar. Einige Hocker waren noch frei und so
setzte er sich so nah wie möglich an die Türe, denn er fühlte
sich hier nicht ganz wohl. Und wie bestellt kam auch schon der Wirt. Ein
netter älterer Mann mit einem Schnauzer fragte: »Na, was darf’s
denn sein, Kleiner?«
»Haben sie vielleicht eine Limonade oder so was?« fragte
Narian.
»Sicher, was für eine?«
»Mir egal, solange ich sie mit einem Schilling bezahlen kann.«
Der Wirt schmunzelte. »In Ordnung.«
Kure Zeit später stand der Wirt mit einem Glas Zitronenlimonade
da.
»Bist du zum ersten Mal hier in Aënna? Ich hab dich hier
noch nie gesehen und ich darf wohl von mir behaupten, dass ich fast jeden
in dieser Stadt kenne«, fragte der Wirt.
»Ja«, meinte Narian dann nur und trank.
»Verstehe, du willst nicht mehr sagen. Gut«, meinte
der Wirt dann nach einer stillen Minute.
»Ich nehme an, du willst dann auch nicht sagen, was du hier
willst.«
»Nein«, sagte Narian und trank mit schnellen Zügen
das kleine Glas aus.
»Gut, verstehe ich. Möchtest du noch was?« fragte
der Wirt.
»Tut mir Leid, aber ich habe kein Geld mehr«, meinte
Narian.
»Macht nix, er nimmt trotzdem noch mal dasselbe«, ertönte
eine Stimme hinter Narian.
Auf den Hocker neben ihm setzte sich ein junger Mann, nicht älter
als 24. Er hatte volles schwarzes und kurzes Haar, etwa so wie Narians,
nur noch zerzauster, ein volles Gesicht und dunkle Augen. Er machte den
Eindruck eines sportlichen jungen Adligen, so hatte Narian das Gefühl.
Der Mann strahlte Selbstsicherheit aus und trug ein Hemd aus einem Narian
unbekanntem Stoff sowie eine Hose wie Narian sie besaß. Über
dem Hemd allerdings trug er, ebenso wie Narian, eine Weste, deren Stoff
er auch nicht kannte und dünner und fester zu sein schien als der
Stoff von seiner Weste. Die des Mannes war leicht blau, bestickt und mit
einem Reißverschluss geschlossen.
»Wollt ihr es ihm bezahlen, werter Herr?« wollte der
Wirt wissen.
»Gewiss, werter Herr Wirt«, sagte der Mann. Er hatte
eine weiche Stimme, aus der Narian die Ruhe und Lässigkeit hörte,
die der Mann ausstrahlte.
Der Wirt nickte und holte ein neues Glas Limonade.
»Darion, freut mich«, sagte der Mann und reichte Narian
die Hand.
»Narian«, sagte er und schüttelte die Hand des
Gegenübers. »Und wenn ihr mir die Frage erlaubt: Warum zahlt
ihr mit bitte etwas zu trinken und was wollt ihr von mir?«
»Ich will gleich ehrlich zu dir sein«, meinte Darion.
»Du siehst sehr, wie soll ich sagen, interessant aus. Deine Kleidung
verrät dich: Du kommst aus Ghaidhad, nicht?«
»Ja«, sagte Narian nur. »Und?«
»Leute aus Ghaidhad kommen, wie du dir vielleicht denken kannst,
nicht sehr oft hierher«, sagte Darion. »Und vor allem keine
kleinen Jungen.«
»He, so wie du aussiehst bist du keine fünf Jahre älter
als ich«, konterte Narian.
»Ich bin vierundzwanzig, und du?«
»Sechzehn.«
»Dann bin ich’s doch«, meinte Darion. »Nun ja,
was ich von dir wollte: Dich fragen, was du hier machst und wie du über
die Grenze gekommen bist.«
»Geht dich nichts an«, entgegnete Narian.
»Tja, schade«, sagte Darion gespielt enttäuscht.
»Kannst du mir dann vielleicht erklären, woher dieser Drache
kommt, der heute Mittag im Fluss vor der Stadt gefischt hat?«
Narian war wie vor den Kopf gestoßen. Der Mann wusste von
Mardic!? Narian versuchte sich dumm zu stellen.
»Drache? Welcher Drache?« fragte er.
»Der goldschwarze Drache, der so etwa zehnmal über den
Fluss geflogen ist. Das letzte mal kurz bevor du die Stadttore passiert
hast«, sagte Darion.
»Woher willst du wissen, wann ich die Stadttore passiert habe?«
wollte Narian wissen und klang verunsichert.
»Ich hab dich gesehen. Ganz einfach«, sagte Darion.
»Hier ist die Limonade! Tut mir Leid, ich musste erst noch
welche suchen, die letzte Flasche war leer«, sagte der Wirt und stellte
das Glas vor Narian ab.
Darion gab ihm das Geld. »Ich würde gerne weiterreden,
Junge, aber ich hab zu viel zu tun«, sagte der Wirt und eilte davon.
Darion blickte wieder zu Narian.
»Nun?« fragte Darion. »Willst du mir nun sagen,
was du weißt? Es ist nicht leicht mich anzulügen.«
Narian überlegte. Was wäre das Schlimmste, was passieren
könnte, wenn er Darion von Mardic erzählte? Ihm fiel nichts ein.
»Was ist wenn nicht?« wollte Narian wissen.
»Weißt du«, meinte Darion. »Du kannst ruhig
alles für dich behalten, aber da ich ja weiß, dass du nicht
aus Angarin kommst und jetzt kein Geld mehr hast, wirst du diese Stadt
irgendwann wieder verlassen müssen und dann werde ich dir folgen.
Dann werden wir ja sehen.«
»Das wäre nicht fair«, sagte Narian.
»Mir egal. Also erzählst du mir jetzt endlich, was du
über den Drachen weißt und was du hier willst?«
Narian sah für sich keinen Ausweg mehr. Darion ließ sich
wirklich nicht anlügen; er hatte gesehen, dass Narian mehr wusste
als er vorgab.
»Ja, ich weiß was von dem Drachen, aber was, das musst
du selber herausfinden«, sagte Narian.
»Und wie bitteschön?« fragte Darion.
»Ich stell ihn dir vor.«
»Und was wollt ihr hier?« fragte Darion hinterher. Er
ließ einfach nicht locker.
»Das erzähl ich dir später«, gab Narian zurück.
Er trank sein Glas leer, stand auf und ging zur Tür.
Was mach ich da bloß? dachte sich Narian. Warum hatte
er sich so schnell geschlagen gegeben? Er hätte Darion noch hinhalten
können oder versuchen können ihn weiter zu belügen. Er stellte
sich auch noch eine andere Frage: Was wollten er und Mardic hier?
Darion hatte ihn das schon gefragt, doch er hatte keine Antwort
darauf gefunden. Eigentlich hatte er noch gar nicht darüber nachgedacht,
was sie machen sollten, wenn sie in Angarin waren. Darüber musste
er mit dem Drachen noch reden. Wenn er ihn nicht sitzen ließe, wie
er es zu Anfang im Alfing-Wald vorhatte.
Aënna schloss seine Tore nachts nicht, dafür standen jetzt
vier Wächter vor dem Tor und auf den Mauern patrouillierten noch mehr
Wachen. Sie wurden weder aufgehalten noch befragt, was Narian komisch vorkam.
Zwar war es nicht leicht in der Dunkelheit den Weg zurück zu finden,
aber als er lange genug am Fluss entlang lief, hörte er das Brummen
von Mardic. Der Drache schlief anscheinend. Er folgte dem Geräusch
und merkte, dass das Gelände anstieg. Hier waren sie richtig.
Schließlich erreichten sie den schlafenden Drachen und Narian
schlich sich an ihn heran und warf sich mit seinem Körper gegen die
Seite des Drachen. Mardic schreckte auf und spie einen kleinen Feuerstrahl
in die Nacht.
»HE!« rief er und schaute sich um. Dann sah er Narian.
»Hättest du mich nicht sanfter wecken können!?«
»Hab ich doch«, meinte Narian mit sarkastischem Unterton
in der Stimme. »So sanft wie ich konnte.«
»Haha, wie witzig«, gab Mardic zurück. »Und
das ist wer noch mal?« Er zeigte auf Darion.
»Darion«, sagte Narian. »Er hat mir was zu trinken
spendiert und mich ausgefragt. Leider war ja jemand so schlau direkt vor
den Augen der Stadtwachen und der ganzen Stadt zu fischen.«
»Hey, Moment mal!« sagte Mardic verärgert. »Ich
kann nicht der einzige sein, der Fehler gemacht hat. Schließlich
muss der Kerl da irgendeinen Grund gehabt haben dich auszufragen, oder
nicht?« Er sah Darion genauer an. »Wer bist du überhaupt?«
»Narian hat ja schon meinen Namen erwähnt, aber wenn
ich mich vorstellen darf: Ich bin Darion. Ich stehe im Dienst der Armee
des Königs und bin nun mal ziemlich neugierig, weshalb ich auch gerne
wüsste, wer ihr seid und was hier macht.«
Narian und Mardic sahen sich an.
»Wie ich sehe, seid ihr durchaus überrascht«, sagte
Darion. »Als Mitglied der Armee habe ich das Recht euch zu befragen
wer ihr seid und was ihr wollt, und ihr habt als Einreisende die Pflicht
mir zu antworten. Ansonsten kann ich euch verhaften oder, falls ihr fliehen
solltet, verfolgen lassen.«
Die beiden waren wirklich überrascht. So hatten sich die beiden
ihre Ankunft in Angarin nicht vorgestellt. Aber wenn Darion die Wahrheit
sagte, hatten sie keine andere Wahl als zu antworten. Allerdings leuchtete
Narian mit dieser Erklärung auch ein, warum die Wachen sie nicht aufgehalten
hatten. Sie kannten Darion.
»Na schön«, sagte Narian. »Ich bin Narian,
Gehilfe des Dorfmagiers aus Handringen in Ghaidhad, und das ist Mardic,
ein Drache.«
»Wenn man sich vorstellt, dann schon richtig«, meinte
Mardic gekränkt.
»Ich bin Mardic, der letzte der Drachen Ghaidhads.«
»Ist auch nicht viel mehr als ich gesagt habe«, sagte
Narian.
»Es hört sich aber besser an«, sagte Mardic.
»Die Antwort auf die zweite Frage wäre: Wir haben keine
Ahnung, was wir jetzt machen sollen«, sagte Narian und überging
Mardics Äußerung.
»Wieso das?« fragte Darion.
»Wir sind aus Ghaidhad geflohen«, erzählte Mardic,
»und haben uns noch nicht überlegt, was wir jetzt tun sollen.«
»Zwei Flüchtlinge ohne Plan«, lachte Darion. »Wie
wär’s, wenn ihr mit mir kommt?«
»Wohin?« fragte Mardic. »Und überhaupt: Warum
sollten wir?«
»Was wollt ihr sonst machen? Dahin, wohin ich gehe, habt ihr
viel mehr Möglichkeiten und es wird euch sicher was einfallen. Außerdem
wird es hier bald nicht mehr so ruhig sein.«
»Was meinst du damit?« wollte Narian wissen.
»Tut mir Leid, streng geheim.«
»Wohin?« fragte Mardic noch mal.
»Nach Méarlice.«
Narians Augen leuchteten plötzlich. Jahrelang hatte er von
Méarlice, der großartigen Stadt der Zauberer, gehört.
Die größte bekannte Stadt überhaupt mit mehr als 100.000
Einwohnern und die prächtigste Stadt, die es gibt. Hunderte Geschichten
gab es in Ghaidhad über Méarlice. Angeblich stammen die Stoffe,
die heute fast jedes Kind am Leib trägt, aus Méarlice, auch
Narians Stoffe, ebenso wie die Armbanduhr an seinem Handgelenk in Méarlice
ersonnen wurde. Narians Gedanken wirbelten umher.
»Ich komme mit!« sagte er sofort.
»Und was ist mit mir?« wollte Mardic wissen.
»Du kommst mit! Dort wird es bestimmt auch sicherer sein als
hier am Rand des Albenwaldes oder?«, meinte Narian.
»Da hat er allerdings Recht«, sagte Darion. »Kommt
morgen zum Südtor Aënnas, da treffen wir uns. Und als Soldat
der Armee sage ich euch offiziell: Willkommen in Angarin.«
Darion verschwand in der Nacht.
»Hoffentlich hält der Kerl, was er verspricht. Ich will
endlich meine Ruhe haben, wenn wir dort sind«, sagte Mardic, ließ
sich auf den Boden fallen und versuchte weiterzuschlafen.
Narian allerdings lag die ganze Nacht wach. Er konnte kaum den Morgen
abwarten.
Er war so aufgeregt, dass er gar nicht bemerkte, dass kein Alb aus
dem Wald kam, der ihn suchen könnte. Der Wald hinter ihm verhielt
sich totenstill..
Ende des vierten Kapitels
Das erste Kapitel, welches nicht aus der Sicht Mardics geschrieben
wurde, widme ich einem Freund, der mich dem Buch "Eragon" näher brachte.
(Wie gesagt, Name erst am Ende in einer externen Liste der Widmungen,
und nein, Mardic ist keine männliche Saphira und Narian kein Abbild
Eragons!!)
Fußnoten:
(Der kleine blaue Pfeil ()
führt jeweils in die Zeile zurück, von wo aus auf die jeweilige
Fußnote verwiesen wurde.)
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1: |
Ja, auch hier gibt es Fußnoten! Ich will ja
nicht außen vorgelassen werden! Aaaaaaaaaalso: Eigentlich wollte
ich nur sagen, zur kleinen Hilfe für euch zum Vorstellen wie die Stadt
aussieht, obwohl ich euch nicht den Spaß an der Fantasie nehmen will
blahblabalbalblah blablabla... Die Stadt ist mittelalterlich und hat halt
auch so mittelalterliche Gebäude aus Holz und Stein mit diesen komischen
Querstreben in der Wand usw. Ok, mehr wollt ich nicht sagen^^ Obwohl ich
noch mehr zu sagen hätte... |
2: |
1 Pfennig = 1 Bronzemünze
10 Pfennige = 1 Schilling
1 Schilling = 1 Silbermünze
50 Schilling = 1 Taler
1 Taler = 1 Goldmünze
Natürlich waren die Preise nicht alle festgelegt
wie die Währung, denn es konnte auch getauscht werden und gehandelt.
Jede Ware hat dennoch einen bestimmten Wert, der in der oben genannten
Währung angegeben wird. |
3: |
Das ist noch einer der normalsten Namen in dieser
Stadt... |
.
© Salyan
Silberklinge
Vor Verwendung dieser Autoren-EMail-Adresse
bitte das unmittelbar am @ angrenzende "NO" und "SPAM" entfernen!
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