Das Schwert des Lichtes von Salyan Silberklinge
Kapitel 2: Feenstaub

Torunar war auf dem Weg zu den Stadtmauern und lief zwischen den großen Häusern auf einer breiten und gepflasterten Straße, die Ausläufer der Hügelkette hinab, auf der Aretar stand. Immer wieder dachte er über das Geschäft mit dem Zwerg nach und ob er nicht doch besser Lebensmittel gekauft hätte. Das Schwert mag scharf sein, gut ausbalanciert und unglaublich leicht und ein Traum für jeden Soldaten, aber dadurch wurde es für Torunar auch unheimlich. Das Schwert ist nicht für Menschenhände gedacht, schoss es ihm immer wieder durch den Kopf. Langsam näherte er sich den dicken Stadtmauern und dem schweren Eisentor. Es war geöffnet und so schritt er hinaus. Von hier aus verliefen drei Straßen von der Stadt weg. Eine in den Osten, zur Stadtburg, eine in den Süden, nach Trymon, und eine nach Westen, nach Caia. Dies war sein Weg; durch die Wälder von Almita, über die Steinbrücken des Flusses Dolor und dann geradewegs nach Westen.
Gerade wollte er loslaufen, da rief hinter ihm jemand: "He da, warte auf uns!"
Torunar schaute hinter sich und sah... "Lavka! Rapa!" rief er freudig. "Was Macht ihr denn hier?"
Hinter ihm kamen zwei Männer die Straße heruntergeschlendert. Der eine war bereits um die fünfzig, hatte kurzes, weiße-graues Haar und einen Stoppelbart in derselben Farbe. Der andere war gerade mal zwanzig und hatte ein junges, sorgenloses Gesicht und hellblondes Haar, welche die Ohren verdeckten, aber nicht auf die Schultern fielen. Außerdem trug er ein Schwert. Beide hatten einen großen Sack auf dem Rücken.
"Das wollten wir dich gerade fragen", antworte Rapa, der Mann mit dem Bart.
"Ich habe auf dem Markt das hier gekauft", sagte Torunar und zeigte sein Schwert.
"Hübsch, aber auf Dauer hält dich das nicht am Leben", sagte Lavka. "Das hier schon: Wochenvorrat an Äpfeln."
Zusammen gingen sie nach Westen, denn alle wohnten in Caia. Lavka erzählte Torunar vom Leben in der Armee. Er war nämlich schon seit vier Jahren in der Armee und doch hatte er immer noch den Traum jedes Jungen aus Caia: Ein berühmter Mann im Dienste des Königs zu werden.
In Alamanda war es so, dass man mit sechzehn eingezogen werden konnte und mit siebzehn hatte man die Grundausbildung abgeschlossen. Die besten des Jahrgangs konnten dann noch weitere vier Jahre in die "Ausbildung für höhere Ränge" gehen. Lavka war einer davon. Die Auszubildenden hatten dann jedes Wochenende frei und konnten tun was sie wollten.
Es war kurz nach Mittag als sie den Saum des Waldes erreichten. Die Straße zog sich am Rande eines flachen Hanges noch einmal steil nach Norden ehe sie im Wald verschwand.
Der Blick nach Norden allerdings wurde vom Hang verwehrt.
KNACKS! KNIRSCH! KRAKS!
Plötzlich hörten die drei ein lautes Geräusch, das sich anhörte als ob ein Ast brechen würde. Kurz darauf hörten sie Stimmen von Norden:
"WAS SOLLTE DENN DAS JETZT WIEDER?!" schrie ein Mann wütend.
" 'tschuldigung", sagte ein zweiter Mann kleinlaut.
Die Stimmen kamen näher. "Hört sich nicht allzu freundlich an", sagte Rapa. "Gehen wir in Deckung, bevor wir nicht wissen, wer das ist. Auf den Hang! Schnell!"
Sie liefen auf den Hang. Er war hoch und man konnte ohne Mühe hinauflaufen. Außerdem bot er ein gutes Versteck. Hier legten sie sich auf die Lauer. Dann kam eine Eskorte von Norden her und wandte sich nach Westen. Alle trugen schwarze Uniformen.
"Soldaten aus Mandor", knurrte Rapa. "In meiner Zeit bei der Armee hab ich sie gehasst."
Es waren vier Soldaten, die einen Reiter auf einem schwarzen Pferd eskortierten.
Rapa blickte auf den Reiter. "Seht mal", flüsterte er. "Da hängt etwas am Sattel."
Sie schauten hin und sahen eine kopfgroße, goldene Kugel. Aus ihrem Inneren leuchtete sie.
"Von so etwas habe ich mal gehört", sagte er. "Es soll eine Kugel sein, mit der man Feen fangen kann."
Torunar schaute auf die Kugel. Irgendwie klang es für ihn unglaubwürdig eine Fee in einer solch banalen Kugel zu fangen. Ausgerechnet das mächtigste Wesen, das er sich vorstellen konnte?
"Glaubt ihr, dass da wirklich eine Fee drin ist?" fragte er.
"Diesen Halunken kann man alles zutrauen", antwortete Rapa. "Am besten wir warten bis sie weg sind."
Lavka öffnete einen Sack und holte einen Apfel heraus. "Ich hab eine bessere Idee", sagte er. Er warf den Apfel mit Wucht hinunter und traf genau den Kopf eines Soldaten.
"AU! Was war das?" rief der überrascht.
"Wie wäre es, wenn ihr lieber nachseht, anstatt hier dumm herum zu stehen", schnauzte der Reiter. "Wir können uns keine Verzögerungen leisten."
Alle vier Soldaten kamen nun den Hang herauf.
Torunar, Rapa und Lavka rannten weiter nach hinten bis das Gelände wieder anstieg.
Dort blieben sie stehen. "Spinnst du?", fragte Torunar aufgebracht.
"Nein", entgegnete Lavka nur und zog sein Schwert.
"Da!" rief einer der Soldaten. Sie waren herauf gekommen und stürmten nun auf die drei zu.
Lavka ging ihnen entgegen. Der erste Schwertstreich einer der Soldaten ging daneben weil Lavka auswich. Gleichzeitig fing er den Schlag eines anderen ab und schlug dem, der vorbei geschlagen hatte, mit der breiten Seite auf den ungeschützten Hinterkopf. Als der andere wieder auf ihn zugestürmt kam, ließ er ihn stolpern. Beide blieben liegen.
Die anderen zwei gingen auf Rapa und Torunar. Der hatte ebenfalls sein Schwert gezogen. Der erste Schlag einer der Soldaten zielte genau auf Torunars Kopf. Torunar blockte ihn ab, aber der andere schlug gleichzeitig zu.
Plötzlich fing das Schwert in Torunars Hand an zu vibrieren. Es schnellte vor und das Schwert des Soldaten flog mitsamt seinem Besitzer in einem hohen Bogen nach hinten. Wie ein Blitz schoss es dann nach unten und fing den Schlag des zweiten ab. Der machte ein verzerrtes Gesicht und kippte dann zur Seite.
Hinter ihm stand Lavka mit einem Stein in der Hand. "Wie hast du das gemacht?", fragte er.
Torunar zuckte mit den Schultern.
"Ist doch egal, wir haben andere Probleme", sagte Rapa und deutete auf den Rand des Hanges.
Dort stand der Reiter mit einem Schwert in der Hand. "Normalerweise hätte meine Wache drei Anfänger wie euch besiegen müssen", sagte er kalt.
Gerade wollte er auf sie zureiten, da sagte Lavka: "Glaubst du, drei Amateure wie wir könnten für dich keine Gefahr darstellen?"
"Um ehrlich zu sein nein. Aber wir werden sehen, ob ihr Glück habt und ich euch am Leben lasse." Er sprang von seinem Pferd und er griff an. Lavka ging ihm entgegen.
Torunar aber schaute auf den Sattel des alleingelassenen Pferdes und schlich leise zu ihm hin.
Die goldene Kugel leuchtete unaufhörlich und er wurde irgendwie davon angezogen. Leise schnitt er das Garn, mit dem sie befestigt war, durch und er legte sie auf den Boden. Er verspürte den Drang sie zu zerstören und ohne zu wissen was er tat hob er sein Schwert in die Luft und hieb mit alle Kraft darauf ein. Die Kugel zerbarst in tausend Teile und eine gewaltige Druckwelle riss Torunar plötzlich von den Beinen und warf ihn um Meter nach hinten.
"Torunar!", rief Rapa.
"Du törichter kleiner Junge!", schrie der Reiter.
Torunar öffnete die Augen. Alle starrten wie gebannt auf den Ort wo die Kugel zerbrach. Dort tobte nun ein vier Meter hoher Wirbelsturm, in dessen Zentrum das gleiche Licht, wie in der Kugel gewesen war, leuchtete. Unerwartet schossen fünf Arme aus Wind aus dem Sturm und erfassten die Eskorte.
Eine donnernde Frauenstimme rief: "TANA EN ORAN ANTAS!" Die Eskorte wurde den Hang hinuntergeschleudert und das Pferd rannte weg.
Dann schwächte der Sturm ab und hervor kam ...eine 20 Zentimeter große (oder kleine) Frau mit langem, blondem Haar, grünen Kleidern und kleinen, weichen Gesichtszügen. Auf ihrem Rücken wuchsen Libellenflügel, die sie dazu benutzte, in der Luft zu schweben.
Sie wandte sich an die Drei und sprach so laut, dass es jeder hören konnte, zu Torunar: "Ich danke dir, Torunar, dafür, dass du mich aus diesem Gefängnis befreit hast." Diesmal sprach sie mit weicher Stimme.
"Woher kennst du meinen Namen?"
"Du würdest dich wundern, wenn du wüsstest, was die Feen alles wissen."
"Eine Fee!", flüsterte Rapa ehrfürchtig.
"Ja, das bin ich. Ich bin Anatia. Und ich kann in deinem Gesicht lesen, dass du eine Frage hast, Torunar", sagte sie.
Torunar stammelte überrascht: "Ja, ich ...äh ... hätte gerne gewusst, wie man dich, also, eine Fee, in einer Kugel fangen konnte."
Sie nickte bedächtig und antwortete dann: "Durch Magie. Ebenso wie man sie nur durch Magie wieder befreien kann. Meine Frage: Wie hast du das gemacht?"
Torunar zeigte auf sein Schwert. Anatia flog es prüfend ab.
"Das ist ganz klar ein magisches Schwert. Und es ist ganz klar, dass das Geheimnis dieses Schwertes auf dieser Inschrift steht", sagte sie.
"Kannst du sie lesen?", fragte Torunar.
"Nein", antwortete sie schnell. "Aber ich kenne einen Ort, wo man es möglicherweise noch wissen kann: Bei meinem Volke im Herzen des Almita. Bei den Feen. Kommt mit mir wenn ihr wollt, aber dann tragt ihr alleine die Verantwortung wenn ich euch zu den Ältesten bringe." Alle schauten auf Anatia.
"Ich sehe, dass ihr alle mitwollt, doch bevor wir gehen, muss ich noch etwas erledigen." Sie wandte sich erneut an Torunar und nahm einen Beutel von ihrem Gürtel. Sie ließ ihn fallen, Torunar fing ihn auf und plötzlich wuchs er auf Faustgröße.
"Das ist Feenstaub. Der größte Schatz der Feen. Es sind 150 Körner", sagte sie. "Ein Staubkorn reicht in den falschen Händen aus, um großes Chaos anzurichten. Du darfst immer nur eins auf einmal benutzen. Öffne den Beutel und ein Staubkorn kommt in deine Hand geflogen. Puste es in die Richtung, in der du zaubern willst, stell dir vor, was passieren soll und rufe laut: 'NINIE ANDA!'
Das bedeutet MAGIE ERWACHE. Doch sei achtsam; es kann großer Schaden daraus erwachsen."
Torunar blickte verständnislos auf Anatia und als ob sie schon wieder in seinem Gesicht gelesen hätte sagte sie: "Weil du mich gerettet hast. Sieh es als meinen Dank an. Aber nun kommt!", rief sie. "Es wird Zeit. Lasst uns die Feen nicht länger warten!"
 
© Salyan Silberklinge
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Und sicher schon bald geht es hier weiter zum 3. Kapitel...

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