Diese Geschichte ist ab 2005 am Drachentaler Wettbewerb leider nicht mehr teilnahmeberechtigt,
da sie in den vorherigen Jahren zu wenig Punkte erhalten hat.
 
Spring von Iva

Ich frage, ich frage mich warum, warum ich? Niemand hat das verdient, aber warum gerade ich? Das ist egoistisch, na gut. Nur... warum? Warum, warum. Fragen über Fragen. Wieso musste Lara sterben, warum müssen Menschen sterben, gibt es ein Leben nach dem Tod, wer bin ich, was bin ich??
Jetzt stehe ich hier oben auf der Klippe, die Wellen weit unter mir donnern die Wellen an den rauen, zerklüfteten Fels, der Wind zerrt an meinem Fell, meinen Haaren. Es ist Nacht, kein Stern zu sehen, die Welt liegt im Dunklen und doch sehe ich, sehe gut. Sehe mein Leben meine Vergangenheit, das was ich einmal war. Meine raue Zunge fährt über die Lippen. Ich habe Hunger. Ich könnte springen. Meine kräftigen Beine vom Boden abstoßen. Ich würde den Aufprall nicht spüren. Nur der Wind und das Meeresrauschen in meinem Ohr. Alles wäre vorbei. Keine weiteren Versuche, mir eine neue Existenz aufzubauen, die alle irgendwann scheiterten. Ich schloss die Augen. Es war ganz einfach. Einfach nur springen, fallen lassen.
Plötzlich ein Geräusch hinter mir. Ich fuhr herum, meine bernsteinfarbenen Augen jetzt zu kleinen Schlitzen verengt. Die Scheinwerfer eines Autos leuchteten auf. Kurz darauf stieg ein Mensch aus dem jetzt stehenden Auto aus. Eine Taschenlampe flammte auf und tauchte mich in ein grelles Licht. Geblendet hielt ich mir die Hand vor die Augen. "Hey, sie wollen doch wohl nicht etwa springen?" Ich blinzelte vorsichtig in das Licht. Ich konnte gegen das Licht undeutlich die Umrisse eines jungen Mannes ausmachen. Jetzt kam er langsam auf mich zu und senkte dabei das Licht der Taschenlampe ab. "Sie wollten doch wohl nicht etwa springen?" fragte er noch mal. Ich schwieg und drehte ihm wieder den Rücken zu. Einfach nur fallen lassen... doch so weit kam ich nicht, denn der junge Mann packte mich bei den Schultern und riss mich von den Klippen weg. Wütend fuhr ich herum und gab ihm eine schallende Ohrfeige. Er ließ mich ziemlich verdutzt los und starrte mich entgeistert an. Ich betrachtete etwas verlegen meine Hände. Unbehaarte Hände. Nicht die einer Bestie wie ich sie war. "Wollen sie vielleicht mitfahren?" fragte der Mann vorsichtig. "Ich wohne hier in der Nähe und sie sehen ziemlich mitgenommen aus. Ich bin übrigens Raphael" Ich zögerte etwas. Dann nickte ich. Er lächelte. "Und mit wem habe ich die Ehre?" "Ich bin Anna", antwortete ich. Er ging zu seinem Auto. Ich ging mit. Auf der Fahrt starrte ich in Gedanken versunken aus dem Fenster. "So", sagt ich mir, "jetzt bist du wieder soweit. Die Chance einer neuen Existenz, eines neuen Lebens. Bis der Tag kommt..." Meine Zunge fuhr wieder über meine Lippen und meine kleinen spitzen Reißzähne. Ich fuhr fort in ein neues Leben. Zurück blieb das Rauschen des Meeres dessen Brandung sich an den rauen, zerklüfteten Felsen brach...
 
© Iva
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