Dämonenwut von Angel Taja
Kapitel 2: Verbündete oder Feinde? (2)

"Wer seid Ihr und was macht Ihr hier?", wollte Ellie wissen. Sie trug ein Tablett in der Hand, worauf Tajas Essen stand und ein Brief lag!
"Das ist jetzt nicht so, wie du jetzt denkst. Weißt du, Taja ist meine Freundin und ich wollte mich überzeugen, dass es ihr gut geht. Es konnte ja sein, dass sie Drohbriefe bekommt!", versuchte sich Tiarra heraus zu reden.
"Drohbriefe? Dann hätte sie mir davon erzählt. Allerdings sprach sie von einer sehr vorwitzigen Freundin, die gern durch ihre Sachen schnüffelt. Ihr müsst Tiarra sein!", stellte Ellie sachlich fest.
"Ähä, ertappt. Von wem sind die Briefe?", wollte Tiarra wissen.
"Ich weiß nicht, ich bekomme sie immer von einem Dienstboten der männlichen Krieger und leite sie dann weiter."
"Sie sind von einem jungen Ritter, der mir des öfteren über die Füße läuft!", klärte plötzlich Taja auf, die in der Tür stand.
"Oh, Taja, bist du schon wieder da?"
"Kein bisschen besser geworden. Du hast es also schon wieder gemacht!"
"Du könntest dir ja auch mal ein besseres Versteck für deine Privatsachen überlegen. Immer das gleiche mit dir!", tadelte Tiarra gespielt.
"Jetzt bin ich auch noch schuld, dass du an meine Brief gehst?", fragte Taja nach, sie grinste amüsiert. 
"Nein. Es war nur so spannend! Willst du mir nicht sagen, von wem die sind?"
"Na schön! Setzt euch!"
Auch Ellie setzte sich hin.
"Wie schon gesagt, sie sind von einem jungen Kämpfer, der vor kurzem zum Ritter geschlagen wurde. Er hat in einer schlimmen Schlacht seine Schwester verloren und so kamen wir ins Gespräch und lernten uns kennen. Am Tag ist leider zu wenig Zeit, um miteinander zu reden. Deshalb haben wir uns immer abends Briefe geschrieben. Doch in letzter Zeit schreibt er immer so seltsame Sachen!"
"Seltsame Sachen? Meinst du, dass er sich in dich verknallt hat?"
"Du hast sie auch noch gelesen! Ich denke, er sieht aber nur seine verlorene Schwester in mir. Aber er beteuert, dass er sich in mich verliebt hat!", erzählte Taja weiter.
"Und was ist daran so schlimm?", wollte Tiarra wissen.
"Seit das damals mit meinem ehemaligen Freund passiert ist, habe ich Angst und will mich nicht mehr verlieben. Er ist ein guter Freund für mich, aber nicht mehr."
"Meinst du nicht, du solltest die Sache vergessen und wieder in dein altes Leben zurückkehren? Versteh mich jetzt nicht falsch, aber du wirst auch nicht jünger werden. Du solltest deine Jugend genießen, dazu gehören nun mal auch Kerle und wenn er dich doch mag!"
"Das habe ich früher auch geglaubt, dass er mich mag, doch dann war alles auf einmal vorbei. Ich glaube daran, dass man sich nur einmal im Leben verlieben kann."
"Das ist Unsinn, Taja! Du bekommst gerade eine zweite Chance und nimmst sie nicht an. Denk doch noch mal darüber nach!", schlug Tiarra vor.
"Ich habe lange und gut drüber nachgedacht und teilte ihm meine Entscheidung schon mit!"
"Was, schon? Warum?"
"Ich lasse nicht gerne Leute im Unklaren, wie du sicher weißt."
"Und was hat er geantwortet?"
"Dass er mich versteht und mir Zeit lassen will. Allerdings wird er mich nicht vergessen und wartet ab!"
"Na also, wenn das keine Liebe ist. Vielleicht drängst du dich noch mal durch und versuchst es noch einmal. Sag mal, was ist das für ein Brief da?", fragte Tiarra plötzlich wieder neugierig.
"Wahrscheinlich wieder ein Gelöbnis mich nicht zu vergessen", lächelte Taja und öffnete den Brief.
"Und, was steht drin?", wollte Tiarra wissen.
"Er hat mir ein Gedicht geschrieben, worin er immer wieder verspricht mich nicht zu vergessen und auf jeden Fall Kontakt halten will. Außerdem hat er mir ein Vergissmeinnicht hineingelegt!"
"Der absolute Romantiker. Wenn du dir den nicht holst, dann bist du ganz schön blöd. Der ist treu, romantisch und nicht abzuwimmeln, genau wie du."
"Ich denk drüber nach. Aber heute Abend will ich erst noch in Ruhe essen. Wenn ich darf!"
"Klar, mach du ruhig, wenn ich jetzt in mein Zimmer gehe wird mein Essen auch schon dastehen. Das ist auch eine Idee, da quatschen wir die ganze Zeit und merken nicht, wie spät es ist. Hast du was dagegen, wenn ich auch was essen gehe?", schmunzelte Tiarra leicht.
"Nein, solange es nicht wieder Monate dauert, ehe wir uns wiedersehen!"
"Keine Sorge, ich komme so schnell wie möglich wieder. Schließlich will ich wissen, wie es mit euch beiden weitergeht."
Tiarra und Ellie waren aufgestanden und gingen aus dem Zimmer.
"Gute Nacht!", rief Tiarra noch.
"Gleichfalls! Bis dann!", antwortete Taja.
Wieder allein aß Taja noch auf und legte sich dann auf ihr Bett. Wie spät es geworden war! Sie hatten wirklich lange gequatscht, denn der Mond stand schon lange in ihrem Fenster.
Müde band sie die Briefe wieder zusammen und räumte sie zurück in die Kiste. Anschließend stellte sie diese in ihren Schrank und legte wieder Kleider drüber.
Gähnend legte sie sich auf ihr Bett. Es war ein schöner Abend gewesen, ganz so wie frührer. Sie lächelte breit. Tiarra hatte sich gar nicht verändert, sie würde sich auch wahrscheinlich nie ändern, und sich immer Sorgen um sie machen.
Leise summte sie ein Lied in ihrer Muttersprache und schloss die Augen. Schon bald schlief sie ein. Sie träumte von Zuhause, von ihren Eltern und von glücklichen Tagen, als sie alle zusammen gesungen hatten.
Plötzlich mitten in der Nacht klopfte es energisch an ihrer Tür.
"Herein", nuschelte sie unter der Bettdecke hervor.
"Taja, du musst aufstehen! Es ist etwas Schreckliches passiert! Man braucht dich!", erklärte Ellie schnell. Ihre Haare waren ebenso zerzaust wie die von Taja.
"Was ist denn passiert?", fragte diese, als sie sich im Bett aufrichtete.
"Sie sind wieder da! Die dunklen Schatten! Sie wollen die Prinzessin entführen und fürchterliche Krieger sind in das Schloss eingedrungen!", erklärte sie weiter.
"Was?! Schnell meine Rüstung! Ich muss mich beeilen!"
Taja sprang aus dem Bett und zog sich schnell das Nachtgewand aus, nebenbei kämmte sie sich die Haare auf. Nun blieb keine Zeit die Haare zu flechten, also band sie nur ein paar Strähnen zusammen. Schnell sprang sie in ihr Untergewandt. 
Kaum an, stülpte Ellie ihr auch schon die Rüstung über den Kopf. Diese fertig befestigt, schnappte sich Taja ihr Schwert und band es sich beim Laufen auf den Rücken. Sie rannte so schnell, wie ihre Beine sie trugen. Taja musste durch fast das gesamte Schloss, um endlich an den Marktplatz anzukommen.
Dort angekommen tobte schon eine große Schlacht. Im Vorbeirennen erschlug sie eine dieser seltsamen Kreaturen und sprang auf den Nächsten.
"Gutes Timing!", meinte Leonie, die gerade von Taja gerettet wurde.
"Keine Ursache. Man tut was man kann. Kleine Aufklärung, was sind das hier für welche?"
"Schattenmänner, die für ihren König die Prinzessin entführen sollen. Sie sind schon öfter gekommen, aber nicht in einer so großen Anzahl!"
"Keine Sorge, jetzt wo ich da bin, ist die Anzahl belanglos. Dann bekommt Tiarra auch mal endlich Arbeit."
Zusammen mit Leonie und den anderen Kriegerinnen sorgten sie dafür, dass nicht noch mehr ins Schloss gelangen konnten und kämpften unverbittert weiter.
Ihre Gegner konnte man nicht gerade als stark bezeichnen, aber zu zahlreich, um als keine Bedrohung zu gelten. Selbst Taja rann der Schweiß schon von der Stirn. Ihre Aufgabe bestand nicht nur darin, dass sie ihre Angreifer erschlagen musste, sondern sie achtete auch außerdem auf ihre Gefährtinnen. Es schien gar nicht so einfach zu sein, alles unter Kontrolle zu haben. Das erste Mal nach langer Zeit fühlte sie so etwas wie Erschöpfung, denn die Zahl ihrer Gegner nahm nicht ab, sondern es kamen immer mehr.
Also tat sie das einzige was ihr noch Kraft geben konnte. Sie sang ein altes Lied, das sie im Kampf gegen Tiarra oft gesungen hatte. Auch dieses war in der Sprache ihrer Eltern, sie liebte dieses Lied und ihre Kraft schien plötzlich wieder da zu sein. Ihr Zweihänder wütete unter den Angreifern wie ein greller Blitz, der alles zu Staub werden ließ. Doch egal wie sehr sie auch zuschlug, wie viele unter ihrem Schwert fielen, es kamen immer wieder neue.
"Da muss doch irgendwo ein Nest sein! Haltet hier die Stellung, ich seh mal draußen nach!", erklärte Taja und rannte auch schon zum Schlosstor hinaus.
Dabei mähte sie einige Reihen von diesen Wesen um. Vor dem Schloss angekommen sah sie etwas sehr eigenartiges. Seit wann gab es denn hier eine tiefe Schlucht? Diese war nicht da gewesen, als sie dieses Schloss zum ersten Mal betrat und es hatte sie auch sonst nie gegeben, wenn sie mal außerhalb spazieren ging.
Wie um alles in der Welt kam diese Schlucht hierhin? Sie war wirklich tief. Es sah aus, als brodelte etwas in ihr.
Allerdings konnte Taja das nur erahnen, da sie zu weit entfernt stand, um beurteilen zu können, was es wirklich zu sein schien. Doch sie sah den Grund, warum ihre Gegner nicht weniger wurden. Aus dieser vorher nichtvorhandenen Schlucht kletterten immer mehr dieser Wesen.
Einige Ritter bekämpften sie hier bereits. Doch auch für sie waren es zu viele. Schnell machte Taja sich daran, ihnen zu helfen. Je näher sie der Schlucht kam, umso heftiger vibrierte plötzlich ihr Schwert, als schien es einen eigenen Willen zu haben. Es glühte auch so seltsam. Was bedeutete das denn nun wieder? Anstatt zu fragen kämpfte sie weiter.
Vorn an der Schlucht erkannte sie auch den jungen Ritter, der ihr immer Briefe schrieb. Er schien ein echtes Problem zu haben, da diese Wesen immer versuchten, ihn in diese Schlucht hineinzuziehen. Schon bald war eine Übermacht bei ihm und sie zogen ihn unaufhaltsam hinunter.
Schnell sprang Taja zu ihm hin und erschlug die meisten dieser Wesen. Ihr Schwert leuchtete nun schon weiß auf. Was hatte ihr Schwert mit der Schlucht zu tun?
"Danke, Taja!", keuchte der junge Ritter.
"Keine Ursache. Komm, ich helfe dir hoch!"
Sie reichte ihm eine Hand und zog ihn wieder hinauf. Als er wieder aufgerichtet stand, atmete Taja richtig durch, langsam bemerkte sie die Grenzen ihrer Kräfte. Dann noch ihr Schwert, das plötzlich verrückt spielte.
Wieder wurden sie angegriffen und viele dieser Wesen wollten nach dem Ritter greifen und ihn endgültig nach unten ziehen. Sie stieß ihn grob von der Schlucht weg und rutschte dann selber aus. Das durfte doch echt nicht mehr wahr sein. Zuerst gab es diese Schlucht nicht und nun drohte sie selber hinunter zu fallen. Allerdings hatte sie ihr Schwert in die Wand gerammt, um nicht herunter zu fallen.
Als ihr Blick hinunter glitt. Sah sie eine Fläche, die immer wieder verschwamm. Was bedeutet das alles? Sie hatte keine Zeit darüber nachzudenken, denn erneut tauchten Wesen aus dieser Fläche auf und versuchten nun sie hinunter zu ziehen. Dummerweise hing ihr Schwert in dieser blöden Wand. Also konnte sie ihre nervigen Feinde nur mit Tritten und Schlägen loswerden. Es klappte gar nicht mal so schlecht, doch durch dir Bewegungen lockerte sich ihr Schwert und rutschte dann völlig aus der Wand.
Taja fiel ein Stück und wurde dann von einer Hand aufgehalten. Sie hatte impulsiv zugegriffen. Diese Hand gehörte dem jungen Ritter. Doch auch er wurde wieder von oben angegriffen und es kamen immer mehr Wesen, die sie hinunterziehen wollten.
"Elan! Lass los! Sie werden uns nur beide in die Tiefe ziehen."
"Nein, ich werde nicht loslassen!"
"Dann werden die dich umbringen!"
"Das ist egal!"
"Dann tut mir das leid!"
Taja hatte ihm in die Hand gebissen und er hatte vor Schreck losgelassen. Ein kleiner Schrei entfloh ihren Lippen und ihr Schwert leuchtete so hell auf, dass sich alle geblendet die Augen zuhalten mussten. Danach war sie und ihr Schwert verschwunden.

Als das Licht langsam nachgelassen hatte, sah man, dass überall diese seltsamen Wesen umher lagen -  regungslos! Das einzige, was an diese Schlacht erinnerte, war diese Schlucht. Sie schien nun leer zu sein und es leuchtete auch kein Licht mehr in ihr. Elan hatte sich an dessen Rand niedergekniet und sah hinab. Weshalb nur? Weshalb hatte sie sich für ihn geopfert? Wie konnte man nur so dumm sein? Tränen rannen ihm übers Gesicht.
"Komm, Elan. Es ist nicht mehr zu ändern. Komm zurück ins Schloss, wir müssen unseren Freunden helfen. Vielleicht sind dort auch noch solche Kreaturen", meinte ein weiterer Ritter.
"Das ist mir egal! Geht doch!"
"Du kommst mit! Das hast du dem König vor gar nicht all zu langer Zeit geschworen. Du bist ihm zu Treue verpflichtet!"
Er zog ihn unbarmherzig hoch und schleppte ihn mit ins Schloss. Doch auch hier hatte das Ende der Kämpfe Einzug gehalten. Sollte es wahr sein, dass Tajas Schwert dafür gesorgt hatte, dass sie alle besiegt wurden?
Schwer schleppte sich Elan in den Schlosshof und sah irgendwo Tiarra. Das war doch Tajas beste Freundin, oder? Nein, ihr wollte er nicht begegnen. Er konnte und wollte ihr nicht sagen, was sich zugetragen hatte. Doch sie kam schon auf die Gruppe Ritter zugelaufen.
"Wo ist Taja?", fragte sie direkt.
Die Ritter sahen sie nur schweigend an und deuteten dann auf Elan.
"Wo ist sie?", wiederholte sie.
Sie ahnte, was er sagen würde, denn sie sah seinen schmerzenden Blick. Aber sie hoffte, er würde etwas anderes sagen. Doch er schüttelte den Kopf.
"Sie hat sich für mich geopfert. Es tut mir leid!", flüsterte er und ging an ihr vorbei.
Das konnte nicht wahr sein! Tiarra sah die Ritter an, aber diese nickten nur. Schnell lief sie hinaus. Nur fort von diesem Schloss. Hier wollte Tiarra nicht mehr sein! Vor wenigen Stunden noch erzählte sie sich mit ihrer Freundin Witze. Nicht nur das, auch hatte sie ihre Freundin ermutigen wollen, sich wieder zu verlieben. Warum war die Welt nur so grausam?
Weinend blieb sie mitten im Wald sitzen, sie wollte alleine sein, und dann auch wieder nicht. Nach etlichen Stunden kam Sir Niclas und tröstete sie.
Er nahm sie in den Arm und versuchte ihre Tränen zu trocknen. Es nütze alles nichts, also gestattete er ihr, sich an seiner Schulter auszuweinen.
Erst am frühen Morgen waren sie müde ins Schloss zurückgekehrt. Am nächsten Tag veranstaltete man zur Tajas Gedenken eine Abschiedsfeier. Es flossen wieder etliche Tränen und Elan versuchte sich so weit es ging von Tiarra fern zu halten, doch sie schritt zu ihm und sagte, dass es nicht seine Schuld gewesen war. Erleichtert bedankte er sich.

Nicht ganz so weit weg und nicht ganz so tot wie gedacht rührte sich Taja endlich wieder. In ihren Ohren rauschte das Blut und sie hatte dessen bitteren Geschmack im Mund. Ihr ganzer Körper tat weh. Wie konnte der Tod nur so schmerzen? Als sie die Augen öffnete, sah sie gegen hohe Wände einer Felsschlucht und weit entfernt erahnte sie etwas Licht. Sie schloss die schmerzenden Augen wieder, als alles zu verschwimmen begann. Erst als sie glaubte, nicht mehr ohnmächtig zu werden, öffnete sie die Augen wieder. Sie lag in der Schlucht, die sie heruntergefallen war, aber warum lebte sie noch?
Oder sollte sie doch nicht tot sein und bildete sich die Schmerzen nur ein? Selbst wenn, was konnte  das nur sein, worauf sie da lag? Es war so weich! Taja schloss wieder die Augen. Oh wie sehr plagten sie die Kopfschmerzen! Plötzlich hörte sie Schritte.
"Es wundert mich gar nicht, dass es hier so stinkt!", hörte sie jemanden sagen.
Stinken? Was stank denn hier?
Vorsichtig sah sie in die Richtung, aus der die Stimme hergekommen war. Vor ihr stand ein Kerl. Ein gutaussehender Kerl. Er hatte sehr langes silbernes Haar und spitze Ohren. Dieser jemand trug eine schwarze Rüstung, die nur seine Brust und seinen Unterleib schützte. Darunter trug er eine weite weiße Robe. Seine Augen waren so wunderschön blau. Konnte das ein Engel sein? Allerdings fehlten dann die Flügel!
"Was schaust du so? Was treibt ein widerwärtiger Mensch hier unten? Dein Gestank wird jeden Dämon auf dich lenken!"
Nein, so was konnte mit absoluter Sicherheit kein Engel darstellen. Er sah zwar wie einer aus, aber er verhielt sich nicht wie einer. Was meinte er überhaupt mit dem Gestank? Und dann hatte er den Menschen so betont, als sei es etwas Schlimmes.
"Was ist? Habt ihr Menschen etwa das Sprechen verlernt? Es würde mich nicht wundern. Also wie kommst du hierher?", fragte er weiter.
Das wüsste sie auch gerne. Wie sollte sie ihm verständlich machen, dass sie diese Klippen heruntergefallen war und noch lebte. Wenn sie überhaupt noch lebte! Das konnte schon die Lösung sein!
"Kommen denn nicht alle Menschen hierher, wenn sie sterben?", wollte sie dann wissen.
"Bisher noch nicht. Warum sollten wir Menschen dulden, die hier abtreten?"
"Dann bin ich halt die Erste!"
"Für meinen Geschmack riechst du widerwärtig, nach einem lebendigen Menschen."
"Ich lebe noch? Das ist ja seltsam."
"Dem Zustand können wir Abhilfe schaffen. Da mir gerade meine Beute durchgegangen ist, nehme ich halt dich."
"Was soll das heißen? Du willst mich statt deiner Beute futtern? Bist du ein Kannibale, oder was?"
"Was seid ihr Menschen blöd geworden. Noch nie was von einem Dämonen gehört?"
"Dämonen? Du... du... bist... ein Dämon?", staunte sie.
"Na sieh mal einer an, langsam schnallst du es ja doch! Ich hasse eigentlich Menschenfleisch, aber wenn man Hunger hat, dann isst man so einiges!"
Erschrocken wich Taja zurück und drückte sich an die Felswand. Seine Augen blitzten plötzlich auf, als er das unter ihr verborgene sah. Es handelte sich um einen wilden Eber! Wie kam denn nun ein Eber hierher?
Oh, sie hatte solche Kopfschmerzen.
Danach sah er wieder zu ihr und atmete tief ein. Was trieb er denn nun wieder? Mit einem Sprung war er bei ihr und hob sie an den Haaren hoch. Das tat weh, richtig weh sogar, schmerzverzehrt verzog sie das Gesicht. Sein Interesse schien ihrer Schulter zu gelten. Er legte einen Finger in die Wunde, die dort prangte, und ließ Taja anschließend wieder fallen. Er führte den Finger etwas ins Licht, um besser sehen zu können. Er lächelte plötzlich böse. Dieses Lächeln gefiel ihr gar nicht.
"Was für eine glückliche Fügung des Schicksals. Ich habe meine Beute wieder und anscheinend noch etwas besseres. Sag, habt ihr Menschen rotes Blut?"
"Was soll die Frage? Natürlich, das besitzt doch jeder!"
"Jeder Mensch vielleicht, wir Dämonen haben sehr dunkles Blut, man erkennt es bald gar nicht mehr als rot an", sprach er.
"Was meinst du immer mit Dämon? Diese alten bösen Wesen, von denen man kleinen Kindern erzählt, um sie zu erschrecken? Diese Geschichten sind doch nur erfunden!"
"Erfunden, was? Ha, ihr Menschen habt es immer schon verstanden, alte überlieferte Geschichte so oft zu erzählen und zu verändern, dass am Ende nichts mehr stimmt. Dann heißen sie bei euch Märchen, nicht wahr? Aber ich bin echt und nicht erfunden, also was soll ich mit dir machen?"
"Wie wäre es, wenn du mich einfach wieder gehen lässt und ich verschwinde!"
"Dann wäre zumindest der Gestank wieder weg! Doch leider brauch ich dich noch. Schon seltsam, dass mir ein verhasster Mensch nützlich sein kann. Nein, du wirst mir schön helfen!", erklärte er.
"Warum sollte ich das tun? Ich kann auch einfach wieder hier raufklettern und ins Schloss zurück kehren", meinte sie trotzig.
"Du könntest es ja versuchen. Nur dummerweise hast du einiges an Verletzungen, die dich sicherlich behindern würden. Solltest du dennoch dieses Wunder vollbringen und klettern können, so würde ich dich ganz schnell wieder runter holen. Es ist sinnlos abhauen zuwollen!"
"Schön. Dann kannst du mich auch gleich umbringen, ich werde dir nicht helfen und wenn ich es täte würdest du mich auch nicht einfach gehen lassen. Wahrscheinlich wirst du mich dann wieder darüber aufklären, dass du ein Dämon bist und mir nichts Versprochenes halten musst. Du siehst, für mich hätte es keinen technischen Nährwert, dir zu helfen", schätze Taja ihre Zukunft.
"Du bist gar nicht so blöd für einen Menschen. Nun gut, was ich nicht ausstehen kann, sind Menschen und noch viel weniger kann ich tote Menschen leiden, die dann in unserm Reich verrotten. Hast du mir geholfen, bring ich dich wieder zurück unter dein Volk", schlug er plötzlich vor.
"Wieso sollte ich dir trauen?"
"Weil du gar keine andere Wahl hast! Wenn du versuchen würdest abzuhauen, würde das eintreten, was ich dir eben schon gesagt habe. Wenn du hier bleibst wirst du entweder verdursten oder von einem anderen Dämon gefunden und als Futter genommen. Mit deinen Verletzungen kommst du nicht weit. Versteh mich ja nicht falsch, doch wenn du auf mein Angebot eingehst, werde ich dafür sorgen, dass man sich um deine Verletzungen kümmert und du wieder nach Hause kommst. Aber nicht aus Gütigkeit, nur um dich wieder loszuwerden!", erklärte er mit Nachdruck.
"Keine Sorge, ich mag deine Gegenwart genauso wenig, wie du meine. Mir bleibt ja keine andere Wahl, also schön, abgemacht!", stimmte Taja dann schließlich zu.
"Dann komm, ich will keine Zeit verlieren."
Mühelos hob er den Eber auf seine Schulter und schritt voran. Nein, das war kein Engel! Hierbei handelte es sich um einen widerwärtigen, arroganten, eigennützigen und kaltherzigen Kerl, kurzum ein richtiger Dämon. Hatte der schon wieder vergessen, dass sie Verletzungen besaß und gar nicht so schnell gehen konnte? Er schritt wirklich voran und achtete nicht darauf, ob sie mitkam, oder nicht. Gern hätte sie gewusst, wozu ein Dämon die Hilfe eines Menschen brauchte. Warum fragte sie auch so was nicht, wenn der Zeitpunkt kam? Wahrscheinlich, weil es ihr egal gewesen war, Hauptsache sie kam zurück. Zurück nach hause.
Tiarra und Elan hielten sie doch für tot, dass musste sie schnell wieder rückgängig machen. Sie wollte nicht, dass ihre Freunde um sie trauerten. Den Umständen entsprechend ging ihr es ja gut, nur dass sie sich einem Dämon anvertrauen musste, gefiel ihr nicht. Nein, sie hatte es auch nicht viel leichter. Erst fiel sie eine Schlucht runter, die es gar nicht gab, und dann traf sie auf einen waschechten Dämon, den sie für ein Märchen hielt. Zumindest lebte sie noch.
Er besaß schon einen gewaltigen Vorsprung und sie musste sich beeilen, ihm hinterher zu kommen, dabei merkte sie jeden einzelnen Knochen. Konnte er denn nicht mal warten? Plötzlich blieb er stehen und drehte sich ruckartig um.
"Bleib stehen!", reif er.
"Was ist denn?"
"Du sollst auf der Stelle stehen belieben! Ich höre die Laute von weiteren Dämonen, sie haben dich also schon gewittert. Ich sag es doch, du stinkst widerwärtig nach Mensch!"
"Hör endlich auf damit zu sagen, dass ich stinke, was ich nicht tue! Halt dir eben die Nase zu!"
"Sag das lieber denen, die hinter dir her sind. Wie zum Beispiel Knochensammler, stinkenden Parasiten oder riesige mutierte Würmer oder Schlangen."
"Na toll, dass die hinter mir her sind, warum bleiben wir dann stehen?"
"Weil ich hören will, wie weit sie noch weg sind, aber du plapperst zu viel, da kann man doch nichts hören!"
Genervt zog sie die Augenbrauen zusammen und hielt den Mund.
Für einen kurzen Moment lauschte er und verzog dann ebenfalls das Gesicht.
"Das hab ich mir gedacht, sie sind schon viel zu nah. Wir werden sie wohl ausschalten müssen."
"Wir? Du meinst, viel eher du. Ich kann momentan nicht kämpfen!", verbesserte sie ihn schnippisch.
"Momentan? Ha! Ihr Menschen könnt gar nicht kämpfen. Euer Schwertgehampel ist eine echte Beleidigung fürs Auge. Am besten setzt du dich da in die Ecke und wartest, bis ich fertig bin!"
"Alles klar, Chef!", murrte sie wütend und ließ sich in einer Ecke nieder.
Worauf hatte sie sich da wieder eingelassen? Dieser Kerl war unerträglich! Wie konnte sie den nur gutaussehend finden? Na ja, solange er den Mund nicht aufmachte, konnte man auch nichts anderes sagen, als dass er schön aussah.
Schmollend sah sie zu ihm hin. Schon bald hörte sie auch die ersten Geräusche. Es handelte sich um eine wild gewordene Meute, mit sehr uneleganten Schritten. Das kümmerte sie nicht sonderlich, da Mister Dämon sich darum bemühen würde. Wenn er nur halb so gut Kämpfen wie er jemanden beleidigen konnte, dann schien er unübertrefflich.
Schon bald standen die Dämonen vor ihm. Es waren wirklich schrecklich mutierte Wesen. Eine Kreuzung quer durch den Tiergarten. Sie machte sich nicht die Mühe sie genauer zu studieren, da sie sowieso bald nicht mehr zu erkennen waren. Allerdings wirkten sie alle hünenhaft und um etliches größer als er. Doch er stand ihnen so zuversichtlich gegenüber, dass man sich keine Sorgen machen musste. Erschrocken blieben diese Mutanten vor ihm stehen.
"Wo wollt ihr denn hin?", fragte er tadelnd.
"Wir rochen Menschenfleisch, das wir nun aufspüren", knurrte einer, der aussah, als sei ein Schwein in einen Bären gelaufen. Er war so bereit und hatte ein Fell wie ein Bär. Doch stand er auf zwei Beinen und hatte eine schwere Keule in der Hand und das Gesicht eines Schweins.
"Tja, tut mir Leid, ich habe sie vor euch aufgespürt, sie gehört schon mir. Macht euch lieber weg!"
"Pah! Sieh doch mal das Kräftegleichgewicht an. Wir sind eine Meute und du bist nur ein winziger kleiner Erzdämon!", knurrte der Schweinskopf weiter.
Ein Erzdämon also. Er galt als ein gehobenes Tier unter all diesen Kriechtieren. Aber das hielt er wohl nicht für nötig zu erwähnen, wahrscheinlich darum, da sie der menschlichen Rasse angehörte. Wütend blickte sie ihn an.
Sollte diese Meute ihn doch fressen, wenn sie sie dann in Ruhe ließen. Doch daran glaubte Taja nicht wirklich. Sie brauchte diesen Erzdämonen noch, wie sehr sie sich auch dagegen sträubte.
"Dann wollt ihr lieber sterben? Bitte, mir soll’s recht sein!"
Der Erzdämon zuckte mit den Schultern.
Er zog plötzlich ein Schwert aus seinem Gürtel. Mit einer schnellen Bewegung schwang er es über den Kopf und lief auf die Meute zu. Im ersten Ansturm erschlug er den Schweinskopf und zwei weitere Dämonen. Danach drehte er sich um und entledigte sich der Restlichen. Elegant ließ er sein Schwert in seiner Scheide verschwinden und kam auf sie zu. Auffordernd sah er sie an.
"Soll ich jetzt beeindruckt sein?  Ist doch keine Kunst für einen Erzdämonen. Doch seltsam, dass einer wie du so lange für so ein paar Raufbolde braucht. Erwarte nur keine Bewunderung!", erklärte sie arrogant. Aber in Wirklichkeit stockte ihr noch immer der Atem, als sie daran dachte, wie mühelos er die Feinde besiegt hatte.
"Tu ich auch nicht, nicht von einem Menschen wie dir. Komm jetzt!"
Er drehte sich um und ging zu seinem niedergeworfenen Eber. Mühelos zog er ihn wieder auf die Schulter und ging weiter.
So wie er vor ihr herging, lockte sie das Angebot, ihn in den Hintern zu treten. Sie ließ es lieber, sonst vergaß er noch, dass er sie lebend zurück bringen wollte. Wo brachte er sie eigentlich nun wieder hin? Ihn fragen wollte sie nicht, nein, sie wollte, dass er die Klappe hielt. Er war es gar nicht wert, dass sie sich mit ihm unterhielt. Hauptsache sie kamen bald an und sie würde endlich versorgt werden.
Warum musste es hier unten nur so stockdunkel sein? Sie konnte kaum was sehen. Doch was sie sehen konnte, verärgerte sie immer wieder. Denn Herr Erzdämon ging vor ihr und an ihn musste sie sich orientieren.
Seufzend dachte sie an Tiarra. Diese dachte jetzt, sie sei tot und dabei musste sie sich nur mit einem Dämon ärgern. Halt nein, er gehörte ja zu den Erzdämonen, das durfte sie ja nicht vergessen. Wieso konnte er sie nicht direkt zurück bringen? Wie sollte sie den einem Erzdämon helfen? Er sagte ihr aber auch nicht das nötigste! Grummelnd sah sie zurück. Das schien der Weg zurück zu sein und sie ging in eine völlig andere Richtung und immer weiter weg von Zuhause.
Ihr Weg ging eine ganze Zeitlang gerade durch hohe Felswände. Sah diese Dämonenwelt überall so aus? Nach Ewigkeiten, wie es ihr vorkam, traten sie aus den kahlen Felswänden heraus und traten in einen dunklen, riesigen Wald. Darüber nachdenken, wo der auf einmal herkam, wollte sie nicht. Es handelte sich um eine andere Welt mit anderen Gesetzten, sie sollte nicht immer alles auf ihr Heimat beziehen. Dumme Fragen wollte sie ja auch nicht stellen, damit er nicht immer behaupten konnte, dass sie doof sei. Aber dieser Wald gefiel ihr um einiges besser als die kahlen Wände, dennoch galt er für ihren Geschmack als unheimlich.
 

© Angel Taja
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Und schon geht's weiter zum 3. (und letzten) Teil des 2. Kapitels...

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