"Hey, Sca´ara, nicht so schnell! Wo willst du denn hin?" Cherisal
trieb ihren schwarzen Hengst Sturmbringer an, um aufzuholen. Es war einer
jener warmen, sonnigen Sommertage, an denen mit der Welt einfach alles
in Ordnung war. Cherisal und ich waren unterwegs, ohne ein bestimmtes Ziel
zu haben.
"Mir ist gerade etwas eingefallen", erwiderte ich. "Wir könnten
doch Tara in ihrem Tal besuchen. Es liegt nicht weit von hier, und wir
waren schon ewig nicht mehr da!"
"Ja", nickte Cheri, "ich erinnere mich an das Tal. Es ist wunderschön
dort. Laß uns hinreiten!"
"Wer schneller ist!" lachte ich und gab meinem Fuchs 'Teufel' die
Sporen. Kopfschüttelnd tat Cherisal es mir gleich, und gemeinsam jagten
wir in Richtung Tara´s Tal.
"Irgend etwas stimmt hier nicht!"
Ich nickte. Wir waren in der letzten Stunde Tara´s Tal immer
näher gekommen, aber wo uns früher üppige Vegetation und
wilde Tiere begrüßt hatten, war das Land immer kahler und trostloser
geworden. Als wir ins Tal hineinritten, verschlug es uns die Sprache: Wo
früher grünes Gras und bunte Blumen geblüht hatten, war
nur noch der nackte Erdboden zu sehen; große Bäume hatten sich
in verwachsene Krüppel verwandelt, und der klare Bach war zu einem
schlammbraunen Gerinnsel geworden. Über allem lag eine unheimliche
tote Stille. Kein Leben weit und breit. Beunruhigt machten wir uns auf
zu Tara´s Hütte.
Vor Tara´s Hütte saßen wir ab und klopften an. Auf
ein schwaches "Herein!" traten wir ein.
Tara lag auf ihrem Bett, aber sie war nur noch ein Schatten ihrer
selbst. "Sca´ara! Cherisal! Wie schön euch zu sehen! Wie geht
es euch?" Sie versuchte aufzustehen, aber wir waren zur Stelle und drückten
sie wieder in die Kissen.
"Uns geht es gut, aber was ist mit dir? Was ist mit dem Tal passiert?"
Tara sank zurück und seufzte. "Es begann vor genau zwei Wochen.
Zwar ist es normal, daß Blumen verblühen, aber an diesen Tag
waren es ungewöhnlich viele. Da ich keine Ursache finden konnte, machte
ich mir keine Sorgen. Doch in den in den nächsten Tagen begannen immer
mehr Pflanzen abzusterben, nach einer Woche war alles tot. Wie es jetzt
aussieht habt ihr ja gesehen. Und im gleichen Maße wie dem Land schwindet
auch mir die Kraft."
"Aber wer tut so etwas?" warf Cherisal ein.
"Ein Magier namens Mulahyr und sein Henker, Taloz. Mulahyr zapft
dem Land die Kraft ab, um oben auf dem Berg einen Dämonen zu beschwören.
Taloz beschützt ihn. Ich bin zu schwach um das zu verhindern."
"Warum hilft dir denn keiner?" fragte ich.
"Viele Männer wollten mir helfen. Aber Taloz hat sie alle getötet,
keiner kam zurück."
"Wenn die Männer es nicht schaffen, müssen wohl wir Frauen
das erledigen!" grinste ich. "Cheri, kommst du?"
Wir saßen auf und jagten im gestreckten Galopp zum Berg.
Schon von weitem sahen wir die beiden. Während sich über
dem Magier eine unheimlich aussehende Wolke zusammenbraute, hielt der Henker
am Hang Wache.
"Wer wagt es, Mulahyr zu stören?" rief Taloz uns an.
"Unwichtig. Hört ihr freiwillig auf, oder müssen wir nachhelfen?"
"Ihr? Zwei Frauen wollen uns aufhalten? Na dann, versucht
es doch!"
Er ritt auf einem gewaltigen Schlachtroß, das ohne Zweifel
im Kampf ausgebildet war, direkt auf mich zu. Wenn er diese kämpfen
ließ, hatten Teufel und ich keine Chance. Fieberhaft überlegte
ich.
Wie bei einem Tjost ritten wir auf einander zu. Ich schob die Füße
tiefer in die Steigbügel und wechselte mein Schwert in die Linke,
Taloz war fast heran. Als er zum Schlag ausholte ließ ich mich zur
Seite fallen; sein Schlag ging ins Leere, aber ich zerschnitt ihm die Zügel.
Dann richtete ich mich wieder auf, wendete mein Pferd und setzte ihm wieder
nach.
Ohne Zügel war Taloz hilflos. Wie ein Wirbelwind war ich um
ihn herum und versetzte ihm einen Schwerthieb nach dem anderen. Dann war
ich wieder hinter ihm. Das Schwert wie einen Dolch in der Hand stach ich
zu. Tödlich getroffen sank Taloz vornüber. Ich gab seinem Pferd
einen Klaps und wandte mich wieder dem Geschehen auf dem Berg zu.
Cheri war mitten in einem magischen Duell mit Mulahyr. Blitze zuckten,
Winde fauchten und Schutzschilde flimmerten. Und ich saß daneben
und konnte nichts tun. Aber Cheri hatte mich gewarnt: "Lenke mich niemals
ab, wenn ich zaubere. Wenn ich nur einen Moment die Konzentration verliere,
kann der Zauber nach hinten losgehen und mich schlimmstenfalls sogar töten!"
Nachdenklich blickte ich umher. Da hatte ich eine Idee. Sie durfte
ich nicht stören, aber ihn...? Ich schob mein Schwert wieder in die
Scheide, löste meinen Bogen vom Sattel und nahm einen der besonderen
Pfeile, die mir ein dankbarer Elf geschenkt hatte.
Der Schuß war nicht besonders gut gezielt, aber als er Mulahyrs´s
Schutzschild traf, wurde dieser für genau den Moment abgelenkt, den
Cheri brauchte: mit aller Kraft schlug sie zu.
Wo Mulahyr Gestanden hatte schoß eine meterhohe Feuersäule
in den Himmel; ein unmenschlicher Schrei ertönte. Dann verflüchtigte
sich die Dämonenwolke in einem nicht vorhandenen Wind, und eine plötzliche
Stille umgab uns.
"Danke Sca."
"Ist es vorbei?"
"Ich glaube schon."
"Du glaubst?"
"Nein, ich bin mir sicher."
"Dann laß uns zurückreiten."
Schweigend machten wir uns auf den Rückweg, vorbei an kahlem
Boden und verkrüppelten Bäumen. Aber es war.... anders. Das Land
sah zwar aus wie vorher, aber es.... lebte wieder. Es war nicht mehr tot.
"Fühlst du es?" fragte Cheri.
Ich nickte lächelnd.
Als wir uns der Hütte näherten, erwartete Tara uns schon.
Sie sah wieder wunderschön aus, und um ihre Hütte fing das Gras
schon wieder an zu sprießen.
"Ich danke euch! Ihr habt mir und dem Tal das Leben gerettet, schon
bald wird alles wieder wie früher sein. Bleibt doch noch ein paar
Tage hier und ruht euch aus!"
Wir nahmen das Angebot dankend an.
Als wir nach ein paar Tagen wieder aus dem Tal ritten grünte
und blühte es um uns herum, und Tiere huschten durch das dichte Unterholz.
Cheri ritt neben mir. Ich blinzelte ihr zu. "Was ist, machen wir
ein Wettrennen?"
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Inspiriert von dem Song "A walk into Tara´s valley"
von Oliver Shanti & Friends
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