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Am frühen Abend, eigentlich die Zeit,
in welcher Narthan den Weg nach Hause nimmt, hielt Farnesh ihn zurück.
Der Tag war hart gewesen, härter als
zuvor.
"Nimm die beiden Waffen dort aus meiner Ecke,
Junge."
~Nanu~ ging es diesem durch den Sinn, ~was
kommt denn nun?~
Doch folgsam, wie er es immer war, tat er wie
ihm geheissen. Farnesh nickt nur, bedeutete ihm mit einer Geste, er möge
ihm folgen.
Nun war Narthan gänzlich verwirrt. ~Was.
Um diese Zeit noch in die Stadt~ grübelte er, hinter dem Schmied einhergehend.
Nicht weniger staunte er bald darauf.
Nach kurzem Weg erreichten beide Männer
die Arena, welche am Rand der Stadt erbaut wurde.
"Geh schon. Wird Zeit, etwas zu tun", murmelte
Farnesh seltsam abwesend und irgendwie auch angespannt wirkend.
Gleichmütig gehorchte Narthan, auch wenn
ihm nicht ganz wohl dabei war.
Die Gladiatoren, welche sonst hier ihre Schaukämpfe
zur allgemeinen Belustigung des Volkes gegeneinander oder auch gegen Tiere
wie Löwen und Bären auszutragen pflegten, waren weit und breit
weder zu sehen noch zu hören, was um diese Uhrzeit aber auch verständlich
schien.
Auch ihr Tagewerk ist hart und irgendwann
mochten auch sie entweder schlafen oder des Abends, so wie jetzt, in die
Stadt und ein wenig Kurzweil erleben.
Mit leisem Quietschen öffnete sich die
Narthan gegenüberliegende Tür der Arena.
Dessen Augen wurden groß, als sich aus
dem Gang der Helden eine in voller Rüstung gewandete und bis an die
Zähne bewaffnete Gestalt löste. Begleitet von einem Wesen, ebenfalls
bewaffnet, aber mit scharfen, langen Fangzähnen.
Die Jahre des Lernens trugen Früche.
Es bedurfte keiner weiteren Erklärung.
Die Schritte des fremden Kriegers hatten sich noch nicht der Mitte der
Arena genähert, als Narthan ebenfalls kampfbereit in dieser stand.
Wenngleich es eigentlich nicht aussah, als
ob Narthan darauf aus wäre, kämpfen zu wollen.
Regungslos stand der riesige Elf dort. Das
einzige, was an ihm im Moment zu leben schien, waren seine Augen.
Die Rüstung des fremden Kriegers blitzte
im Sonnenschein des erwachenden Tages.
Jetzt wurde erkennbar, welcher Art Krieger
da auf Narthan zumarschierte.
~An sich~ ging es Narthan noch durch den Kopf
~wie kann das sein~. Doch verwarf er diesen Gedanken sofort und ermahnte
sich, jetzt seine Konzentration einzig diesem Kampf zu widmen.
Ein seichter Wind streifte über den glänzenden
Sand der Arena.
Irgendwo aus der Ecke der Zuschauerränge
drang die Stime von Farnesh zu Narthan:
"Es ist alles erlaubt, Jüngelchen. Nur
noch eine kleine Nebensächlichkeit...
Es ist ein Kampf auf Leben und Tod."
Narthan gefror das Blut in den Adern. Er hatte
gewusst, dass irgendwann eine Prüfung dieser Art kommen würde.
Doch hatte er bis zum Schluss gehofft, dass es mit seinen Prüfungen
nicht so enden mochte.
Der junge Elf verbeugte sich leicht, als sein
Gegenüber ihn erreichte. Von dort drang lediglich ein kaltes Aufblitzen
zwischen den Sehschlitzen der Rüstung hervor.
Im nächsten Moment führte der Fremde
bereits den ersten Hieb für einen Angriff aus!
Es blieb keine großartige Zeit, den andren
zu betrachten oder zu versuchen, ihn ein- geschweige denn abzuschätzen.
In dieser typischen, stummen Art führte Narthan eine halbe Drehung
zur Seite aus, dabei in einer fließenden Bewegung das Schwert ziehend,
welches Farnesh ihm gegeben hatte, und parierte den Schlag des Gegners,
im nächsten Moment auch schon hinter diesem stehend.
Die Wangenknochen des Elfen traten in einer
unbewussten Anstrengung hervor, als er das Schwert erneut anhob.
Der fremde Krieger wirbelte herum. Ein höhnisches,
scheinbar siegessicheres Grinsen lag auf seinem Antlitz.
Nur eine Hand hebend offenbarte sich für
Narthan dann, dass dieser Kampf nicht nur mit den herkömmlichen Waffen
würde geführt werden:
In der Hand des anderen begannen kleine, grünliche
Feuerbälle zu tanzen.
Gierig leckten die Flammen über die Hand
des Kämpfers, züngelten fast zärtlich wirkend über
dessen Arm.
"Brenne ... verglühe im Seelenfeuer!"
knurrte der Krieger.
Narthans Augen weiteten sich, dann reagierte
er. Seine freie Hand zeichnete ein kleines Muster in die Luft, während
er sich zu konzentrieren begann.
In der Hand des Elfen begann es sanft zu pulsieren,
dann umtanzte ihn ein helles, blaues Licht.
"Wehr Dich", grollte jäh der fremde Krieger
auf und schleuderte auch schon seine gleisenden Feuerkugeln auf Narthan.
Jener spreitzte, als er sah, wie die Kugeln
auf ihn zukamen, die Finger und schickte seinerseits die Lichtfragmente
gen dem Krieger. Diese wirkten im Gegensatz zu den Feuerkugeln eher kühl
und tatsächlich!
Es zischte laut, als Magie auf Magie traf.
Der Krieger wartete gar nicht erst ab, was
passierte, sondern zischte der schuppigen Dornenechse, welche ihn begleitete,
zu. Jene fauchte und hechtete auf den Elfen zu, im gleichen Moment setzte
der Krieger zu einer neuerlichen Attacke an.
Narthans Kugeln vermischten sich mit denen
des Kriegers. Kurz wurde die Arena von einem grellem Blitz erhellt, dann
waren Licht- und Feuerfragmente fort.
Dem Elfen blieb jedoch keine Zeit, sich über
diesen kleinen Sieg zu freuen, denn schon stürmten zwei Gegner auf
ihn los.
Keuchend zog er das andere Schwert, führte,
beide Arme vor sich ausstreckend, leichte Drehbewegungen mit dem Handgelenk
aus. Wie ein scharfes Schutzschild wirbelten die Klingen vor dem Elfen,
dann sprang er hoch, als die Echse auf ihn zustürzte, drehte sich
in der Luft um die eigene Achse, stieß dann jäh zu, als er sich
genau über dem Tier befand, streckte gleichzeitig den anderen Schwertarm
in Richtung des Kriegers, welcher sich unmittelbar hinter dem Tier befand.
Ein schriller Schrei ertönte, als sich
das Schwert seinen Weg durch die Schuppenpanzer der Echse bahnte.
Sofort zog Narthan die Klinge wieder zurück.
Ein dumpfes Geräusch, als zeitgleich der Krieger samt seiner Echse
in den Sand der Arena fielen.
Doch kaum geschah dies, flirrten die Umrisse
der beiden leblosen Körper.
Narthan landete, in die Hocke gehend, im Sand,
die Schwerter überkreuzt vor sich haltend, misstrauisch wartend, was
nun passierte.
Mit einem Puffen, als klopfe man einen Teppich
aus, lösten sich beide Körper auf.
Tief atmete der Elfe ein, dann erhob er sich
und ging langsam, die Schwerter zurück in die Schwertschneiden gleiten
lassend, zu der Stelle, an welcher eben noch der Krieger und die Echse
gelegen hatten, blickte sich dabei verwirrt um.
"Gratulation, Gelia-"
Narthan, noch immer atemlos, neigte respektvoll
den Kopf, als die beiden Meister die Zuschauerränge verließen.
Mit einer Hand den Schweiß von der Stirn
wischend, innerlich vollkommen aufgewühlt und erst jetzt realisierend,
dass er es tatsächlich geschafft hatte, sah er den beiden so unterschiedlichen
Elfen entgegen.
"Nun, Deine erste Prüfung hast Du mit
Bravour hinter Dich gebracht", lächelte der Hüne seinen Schüler
an und ließ es sich nicht nehmen, Narthan auf die Schulter zu klopfen.
"War doch klar", murrte Farnesh neben ihm.
"Nun mach aber mal hinne. Auf mich wartet noch einiges."
~Erste Prüfung?~ hallte es in Narthan
nach. Fragend war wohl auch sein Blick, doch der Weißhaarige lachte
leise.
"Gut gut, Mellon. Wollen wir auch den Prüfling
nicht lang warten lassen."
Der Schmied und Waffenmeister nickte leicht,
warf Narthan dabei einen kurzen, wenngleich unübersehbaren, zufriedenen
Blick zu.
"Tja, ich hasse lange Abschiede. Meine Pflicht
ist getan und Du, Narthan, hast mir große Ehre erwiesen. Deine Lehrzeit
ist vorbei. Zumindest bei mir." Farnesh grinste zwar, doch dem nach außen
hart wirkenden Elfen war wehmütig ums Herz. Auch wenn er es nicht
zugeben mochte, doch würde er diesen Mann vor sich sehr vermissen.
Narthan mochte sein Schüler gewesen sein,
doch beide hatten sich auch so sehr gut verstanden.
Wo er insgeheim seinen Hut zog, war die Tatsache,
dass er die Ausdauer, den Fleiß und vor allem die Intelligenz von
Narthan achtete.
Es hatte nicht einen Moment gegeben, an welchem
sein Schüler gemurrt hätte, oder unwillig gewesen wäre.
Im Gegenteil.
Der weißhaarige Elf nickte zu den Worten
von Farnesh und bedeutete Narthan mit einer Handbewegung, ihm zu folgen.
"Wohlan, wollen keine Zeit verlieren."
Farnesh selber ersparte sich und den anderen
etwaige Abschiedsworte und sich auch, die Blöße geben zu müssen,
doch noch etwas wie Gefühle zeigen zu müssen und drehte sich
einfach um, verließ die Arena am Seitenausgang.
Auch Narthan war etwas mehr als wehmütig
ums Herz.
Wie schon so oft in seinem Leben wünschte
er sich nichts mehr, als reden zu können, außer einer tiefen
Verbeugung konnte er dem nun Davoneilenden seine Dankbarkeit nicht zeigen
- und seinem Blick.
Unwillkürlich berührte Narthan den
so merkwürdig kalten, schwarzen Stein, der, seit er denken konnte,
unterhalb der Stelle saß, an welcher sein Kehlkopf war.
Dann richtete er sich langsam auf und sah
seinen Meister an, Zeichen dafür, dass er bereit war.
Bereit seine nächste und letzte, wie
er hoffte, Prüfung anzutreten.
Der nickte nur und wies mit einer Hand zum
Hauptausgang, an welchem zu Narthans Überraschung die silberne Wölfin
schwanzwedelnd stand.
Es kam ihm fast so vor, als freue auch sie
sich für ihn.
Die beiden Männer gingen, nachdem sie
die Arena verlassen hatten, den Weg zurück, den sie gekommen waren.
Unterwegs gab sich sein Meister ungewohnt
einsilbig.
Erst als sie das letzte Viertel des Weges
zu gehen hatten, begann er zu reden. Ernst blickte er Narthan dabei immer
wieder an.
"Es ist an der Zeit, Narthan... Du hast in
all der Zeit viel erlernt. Ich sehe und weiß um Dich und Deine Möglichkeiten."
Auf Narthans fragenden Blick huschte kurz
ein Lächeln über das ansonsten verschlossene Gesicht.
"Deine letzte Prüfung als solches ist
eigentlich eher eine Entscheidung.
Eine Entscheidung darüber, welchen Weg
Du künftig gehen und leben wirst."
Der Hüne blieb stehen und betrachtete
den Mann neben sich lange, ehe er fortfuhr zu reden. Silbermond, die ungewohnt
an Narthans Seite nebenher trottete, setzte sich, als wüßte
die Wölfin, dass die "Pause" länger dauern würde.
Der Dunkelelf setzte sich in das hohe Gras
am Wegesrand und bedeutete Narthan, es ihm gleich zu tun.
"Ich muss dich nun fragen" redete er weiter,
als dieser sich im Schneidersitz neben ihm niedergelassen hatte, "ob Du
gewillt bist, Dich mir mit dieser Prüfung auch anzuvertrauen." Die
tiefgründigen Augen, die in der untergehenden Sonne merkwürdig
leuchteten, ruhten ernster denn je auf Narthan.
Dieser nickte sofort, ohne groß zu zögern,
oder zu wissen, was da eigentlich auf ihn zukommen würde.
"Gemach, Gelia-, gemach. Es ehrt Dich, dass
Du mir traust, doch..." - fahrig strich sich der Lehrmeister das offen
herabhängende Haar aus dem Gesicht - "muss ich dir jetzt noch einiges
erzählen, bevor wir beginnen können."
~Merkwürdig~, dachte Narthan, ~was um
der Waldgöttin Willen mag da nur auf mich zukommen?~
"Lange Rede, kurzer Sinn." Die Schockgrünen
Augen des Dunkelelfen gen dem grünen Dach des Waldes gerichtet, begann
er leise, in seiner typischen, monotonen Art zu reden, wenn er Narthan
unterrichtet hatte.
"Deine Lehrjahre haben sich hauptsächlich
auf der Bahn der magischen Ebene bewegt. Du hast sowohl die Seite des Lichts",
ein bedeutungsvoller Blick an Narthan, der ihm aufmerksam zuhörte,
"aber auch jene des Dunklen kennen gelernt. Wenn ich nicht ganz falsch
liege und Dich hoffentlich richtig einschätze", etwas ironisch, aber
auch humorvoll klang die Stimme des Meisters nun, "weiß ich wohl,
dass Deine Art und Dein Wesen von Anfang an dem Licht bestimmt ist."
Eifriges Nicken von seinem Schüler, doch
der große Elf fuhr unbeirrt fort zu reden.
"Das, was Dich seit Kindheit an zum... sagen
wir... "nicht geduldeten" in der Gesellschaft dem Leben macht", der Hüne
wendete sich nun gänzlich wieder Narthan zu, "ist ein, wenn auch nicht
allzu oft angewendeter, sehr starker Fluch."
Narthan, bislang noch relativ entspannt, wenn
auch innerlich ein wenig aufgewühlt, der interessiert zugehört
hatte, erstarrte fast, deutete nach einer Minute des Schocks auf sich,
als er sich wieder einigermaßen gefasst hatte.
"Ay, mein Freund. Du bist nicht irgendein junger
Mann."
Ein tiefes Seufzen.
Silbermond, die zwischen den Männern geruht
hatte, bewies durch ein, wenn auch nicht sehr lebhaftes Gähnen, wobei
sie zwei Reihen mehr als imposanter, scharfer Zähne präsentierte,
dass sie munter war.
Als hätte das Tier jedes Wort verstanden,
woran eigentlich Narthan längst nicht mehr zweifelte, klappte sie
klackend das Maul wieder zu und legte, ihn dabei mit ihren unergründlichen,
silbernen Augen betrachtend, ihren Kopf auf seinen Oberschenkel.
"Jetzt, hier und heute" - Narthan’s Hand fuhr
sanft in das silbrige Fell der Wölfin, die darauf ein genüssliches
Brummen von sich gab - "ist es an Dir, zu entscheiden, ob jene sich in
Dir täuschten und ob Du wirklich stark genug bist, reif, Deiner Bestimmung
zu folgen."
~Irgendwie ahne ich, was er meint. Aber...~,
Narthans Stirn kräuselte sich nachdenklich, ~irgendwie weiß
ich gleichzeitig überhaupt nicht, was er meint?~ grübelte Narthan
und fragte sich weiter, was jetzt wohl passierte und wie er denn wohl weiter
geprüft werden sollte.
"Steh auf, Gelia - sofern Du bereit bist. Bereit
und willens, diese Deine letzte, aber auch wichtigste und härteste
Prüfung anzutreten."
Ernst und ruhig ruhte der Blick des Hünen
auf Narthan.
Diesem wurde, zugegeben, doch recht mulmig.
So zufrieden seine Meister stets mit ihm gewesen sind, so gern er immer
wieder lernte und es auch immer noch tat, wurde ihm klar, dass mit dieser
"Prüfung" er wohl jetzt mit Situationen konfrontiert werden
würde, die so überhaupt nichts mit seinen Lehrjahren zu tun hatten.
Dennoch. Entschlossen erhob sich Narthan und
verneigte sich leicht. Zeichen des Respekts, aber auch dafür, dass
er willens und auch bereit war.
Selbst dem Meister war die eigene Anspannung
mehr als deutlich anzumerken.
"Gut." Er räusperte sich. "Dann lass uns
beginnen." Der Dunkelf erhob sich ebenfalls.
"Folge mir."
~Nanu. Wohin denn nun noch?~ Zwar eine Augenbraue
verwundert anhebend, ging er hinter dem Meister her. Die Wölfin erhob
sich ebenfalls, verschwand jedoch mit einem gewaltigem Sprung in das nahe
Unterholz.
Narthans Erstaunen war nicht gering, als die
beiden Männer auf einer Lichtung halt machten.
Silbermond hörte man nicht weit entfernt
im Unterholz umherhuschen, sie zog es offensichtlich jetzt vor, für
sie wichtigeren Dingen, wie schmackhaften Kleintieren zu jagen, nachzugehen.
Aufmerksam und mit wachen Sinnen, welche in
all den letzten Jahren so vollkommen geschult und trainiert waren, noch
ausgeprägter dadurch, als sie ihm ohnehin als Elf gegeben waren, nahm
der Elf seine Umgebung in Augenschein.
~Donnerwetter.~
So wie es aussah, war es wohl vor langer Zeit
nicht bloß eine Lichtung gewesen.
Überall zeugten stumme Zeugen in Form
von Ruinen und großen Steinbrocken davon, dass hier wenigstens drei
große Gebäude prachtvoll gestanden haben mussten.
Das einzige, was den Zerfall - oder war es
eine Zerstörung? - "überdauert" hatte, war ein Gebäude,
platziert genau im Zentrum der Lichtung.
Alt war es sehr wohl. Sehr alt. Der junge
Elf sah schon anhand der Pflanzen, welche das gesamte Gebäude bewuchsen
und auch zum Teil überzogen, dass es Äonen her sein musste, als
es zuletzt betreten und benutzt worden war.
Doch was für eine Art Gebäude war
das? Welchem Nutzen hatte ihm innegewohnt.
Die Ohren des Elfen spielten unter der Haarflut,
während er alles zu erkunden suchte und die diversen Gerüche
und Geräusche sondierte, ortete und zuordnete.
Ein altes Sprichtwort sagt:
"Manchmal holt einen die eigene Vergangenheit
ein."
In Narthans Fall erscheint es umgekehrt.
Er fand in diesem Moment wohl eher diese und
das innerhalb von wenigen Minuten, noch dazu wies sich wohl, dass diese
alles andere als positiv war:
Eine Flut von Bildern, Eindrücken und
heftigsten Gefühlen prasselten förmlich auf ihn ein, kaum dass
er einen Fuß in das Gebäude setzte.
Der Dunkelelf folgte ihm schweigend.
Als hätte dieser das ganze gahnt, berührte
er, sofort bei und hinter Narthan stehend, diesen mit den Fingerkuppen
des Zeige- und Mittelfingers jäh an Schläfe und Wangenknochen
mit der rechten Hand, stützte ihn mit der anderen Hand gleichzeitig,
als dieser in die Knie ging.
"Ruhig, Gelia-, so ist es gut, nicht dagegen
wehren!" flüsterte er dem Bleichgewordenen vernehmlich zu, der unter
dieser unglaublichen Anspannung nur dumpf stöhnt.
Narthan hörte nur wie aus weiter Ferne
die dunkle Stimme seines Meisters.
Seine stahlblauen Augen waren schreckensweit
geöffnet.
Das was er gerade erlebte oder besser gesagt,
hier und jetzt nacherlebte, wäre für manch einen, der nicht geübt
ist, eindeutig tödlich.
Kalter Schweiß lief dem jungen Mann den
ganzen Körper herab.
Wie ein wohl Betrunkener oder einem Schlafwandler
gleich, stemmte er sich wieder hoch.
Seine Schritte, die somit eher als taumel
zu bezeichnen wären, waren jedoch nicht ziellos.
Direkt hinein, tief in den Tempel zog es den
jungen Elfen.
~Schwarze Flammen~
~Beißender Schmerz~
~Griff von Händen so stahlhart und schmerzhaft~
~eine Verschwörung, die ihn gefangen
hielt die Zeit über~
~kaltes Material~
~Singsang, auf- und abschwellend~
"Gelia-! Komm zu Dir! Es ist Vergangenheit!"
Scharf und hart fuhr der Meister den wie paralysiert
wirkenden Elfen an, welcher sich - vergeblich – versucht, gegen einen Einfluss
zu wehren.
"Verdammt... das geht zu schnell... so hatte
ich mir das nicht gedacht" Der Dunkelelf fluchte vor sich her.
Zum ersten Mal erreichte der Lehrer seinen
Schüler nicht und der Dunkelelf erkannte sofort, dass er sich unterschätzt
hatte.
Mit einer beinah wütenden Verbissenheit
kniete er sich zu Narthan, der zwischenzeitlich unweit eines zerborstenen
Altars nach Atem ringend auf den Boden ging, auf allen vieren mit wie in
Trance pulsierendem Blick in eine undefinierbare Ferne blickte.
"Keine Zeit für Erklärungen, hm?"
Ein grimmiges Lächeln, ein Pfiff und
im nächsten Augenblick hetzten Tatzen über den Flur.
Silbermond hatte längst gespürt,
dass etwas geschah.
Auch begriff die Wölfin, dass es ernst
wurde. Knurrend und ungewöhnlich aggressiv tapste sie näher,
zog schließlich dunkel grollend die Lefzen hoch.
Das Fell der Wölfin knisterte fast, während
es sich sichtbar zu sträuben begann.
Außer hektischem Keuchen und einem seltsamen
Leuchten in seinen Augen hörte und sah man nichts von Narthan.
Der Magier blickte kurz die Wölfin an,
welche sich zur Linken von Narthan begeben hatte, an ihm schnüffelte.
"Silber, er braucht unser beider Hilfe", gab
er fast bittend zu.
Was bezweckte er? Wie sollte eine einfache
Wölfin dem Elfen in dieser vertrackten Situation helfen können?
Da ist es mit Schmusen nicht getan.
Ein dumpfes Grollen tief aus ihrer Kehle war
ihre Antwort.
Der Dunkelelf nickte erleichtert. Es war immer
ein gutes Gefühl, dies Wesen an seiner Seite zu wissen. "Dann beginne",
fordert er sie auf, als ob sie einer Aufforderung bedürfe. Aber zu
was denn?
Irgendwie schien er nicht bei Sinnen zu sein.
Hätte Narthan jetzt all seine Sinne beisammen
gehabt, hätte er sich im nächsten Moment doch gefragt, ob ihm
etwas vorgegaukelt wurde oder er einer Halluzination erlegen war.
Ein leiser, klagender Laut, dann legte die
Wölfin sich nieder.
Mit einem Mal wurde sie von einem seltsamen
Licht umgeben, streckte sich der pelzene Leib, verformten sich unter leisen
Lauten von ihr die Gliedmaßen, streckten sich, dehnten sich.
Das Leid ging dem Dunklen noch nach wie vor
durch und durch, er wischte sich über die Augen und es war deutlich,
dass er mit ihr litt.
Sacht nur streckte er eine Hand aus, als es
irgendwann still wurde... wurde umfasst von einer bleichen, fast weißen,
zierlichen Hand.
Blickten ihn bernsteinfarbene, unergründliche
Augen sanft an, als sich eine unglaublich zarte, zerbrechlich wirkende
Frau dort erhob, wo eben die Wölfin noch lag.
"Aluve, Geliebte", begrüßte er
sie mit einer Stimme, so sanft wie man es von ihm noch nie vernommen hatte.
"Aluve, mein Geliebter", kam es zart und sanft,
wenn auch in diesem Moment noch ein wenig rauh, die Stimmbänder deutlich
noch nicht wieder daran gewöhnt, dass sie andere Laute als Knurren
und Grollen von sich zu geben hatten. Doch war es eine Stimme, so zart
und rein, die so gar nicht auf ihr sonstiges Erscheinungsbild zurückschließen
ließ.
"Lass uns keine Zeit verlieren", hauchte das
zarte Wesen sodann, den Elfen am Boden besorgt musternd.
Ihre Blöße stieß jetzt weder
bei ihm noch bei ihr an, dafür war jetzt auch einfach nicht der rechte
Moment.
Nur ein Hauch, so vorsichtig ihre Berührung,
als die Frau eine Hand zu Narthans Nacken führte, dann weiter zu seiner
Kehle gleitete.
Jener zuckte zusammen, ein Röcheln nur,
weiter nichts außer dem hektischem Atmen.
Sie spürte deutlich, wie alles an ihm
kämpfte, kniete nun nieder.
Der Dunkelelf tat es seiner Gefährtin
gleich und legte, rechts niederknieend, seine Hände an Narthans Schläfen.
Gleichzeitig nickten die beiden sich zu, murmelte
er "Jetzt!"
Ein leiser, heller Gesang, sich immer weiter
hochschwingend, harmonisch, kam von ihr.
Kaum wahrnehmbar zunächst, dann gesellte
sich ein dunkler, gleichmäßiger Ton hinzu, kommend von dem Dunkelelfen,
dessen Augen jetzt ebenfalls in dem gleichen, bernsteinfarbenen Ton pulsierten,
welchen seine Gefährtin hatte.
Beide Tonlagen trafen sich, vereinten sich
nach einer Weile in einer harmonischen Umarmung. Doch bewirkte das augenscheinlich
mehr, als wohl gedacht.
Aus den Händen beider geheimnisvollen
Wesen flossen deutlich sichtbar Ströme bunter Lichtfragmente in den
Körper Narthans.
Lediglich beim Dunkelelfen wurde deutlich,
dass es ihm schwer zu fallen schien, diese Art der Verbindung einzugehen
und diese zu halten. An sich war dies kein Wunder, war seine Rasse im Vergleich
zu Narthans gänzlich anders.
Nichtsdestotrotz war er derjenige, der Narthan
zur Seite stand seit Jahren.
"Ich seh ihn", wispert die Frau, die den Namen
Silbermond trug, schließlich.
Beide Wesenheiten verstärkten ihre Kräfte,
als Narthan sich ohne Vorwarnung aufbäumte.
Doch gelang, was beide bezweckten ~ sie erreichten
ihn in der Vergangenheit, um ihm dort zu helfen.
Ihn dort von einem Fluch befreien wollend,
der ihm das Leben in der Gegenwart verwehren sollte, wie es ihm an sich
bestimmt war.
.
~ Aus seiner Dunkelheit ~
Eben noch war er mit seinem Meister unterwegs,
erkundete eine alte Ruine. ...die dann doch keine war...?
~Warum nur fühle ich mich anders~ geht
es ihm durch den Sinn, als er halbwegs wieder klar denken kann. ~Wo bin
ich. Warum kann ich mich nicht bewegen?~
Der Albtraum wird immer schlimmer. Er muss
träumen, denn wieso ist sein Körper zum einen der eines... Kindes.
Und... warum liegt er, gekettet an allen Gliedmaßen...
Kalter Untergrund. Unruhig werdend versucht
er sein Umfeld auszumachen.
Er liegt... sein Atem wird schneller, als
das Adrenalin seinen Körper durchflutet.
Ein Altar. Warum auf einem Altar?
Um sich herum erkennt er vage dunkle Kerzen,
die in schweren, ebenso schwarzen Halterungen an der Wand flackern.
Dumpfer Gesang, dazu dieser merkwürdige,
betäubende Geruch, der schwer in der Luft liegt und ihm das Atmen
kaum noch möglich macht.
Die Augen des Elfen weiten sich, als die Gesänge,
ein tiefes, dissonantes Auf- und Abschwellen von Tönen, die absolut
unharmonisch, düster und geheimnisvoll, aber auch beängstigend
auf gewisse Weise, näher kommen. Alles hier wirkt mehr als beklemmend
und selbst Narthan, so schnell durch nichts zu erschrecken, verharrt sich
versteifend.
Eine schwere Steinplatte wird zur Seite geschoben,
kurz darauf betreten mehrere Gestalten, in tiefroten Kutten mit merkwürdigen
Runen versehen, den Raum.
Narthans Atem rasselt, erst jetzt stellt er
fest, dass er bis auf einen Lendenschurz nichts am Leibe trägt. Er
zuckt zusammen, das Schlucken fällt ihm schwer, in der Kehle brennt
es fürchterlich.
~Unbemerkt leuchten in einer Nische abseits
des Altars zwei Paar bernsteinfarbener Augen im Dunkel auf.~
Narthan stockt der Atem, als er diese unheimliche
Prozession auf sich zukommen fühlen kann.
Alles an diesem Ort strahlt das reine Böse
aus.
Schweigend gruppieren sich die vermummten
Gestalten um den Altar, auf welchem der Elf liegt.
Nichts von und an ihnen lässt ihm einen
Rückschluss zu, wo er ist, noch weniger warum.
Das Herz des Elfen rast förmlich.
Sein Körper, eh angespannt bis auf den
letzten Muskel, wird von einem weiteren Adrenalinschub durchflutet, als
die neben seinem Kopf stehende Person in einem kalt klingenden, grausamen
Kauderwelsch anhebt zu intonieren.
Es geht Narthan durch und durch, regelrecht
zuckt er zusammen - aber er kann sich nicht weiter rühren, als die
Ketten es zulassen -, als er mit ansieht, wie eine der anderen Gestalten
in einer plötzlichen Bewegung den rechten Arm hochreißt und
etwas langes, unübersehbares Scharfes in der zur Klaue geformten Hand
aufblitzt.
~Ihr Götter. Hört mein Flehen~ bittet
er mit vor Schrecken geweiteten Augen innerlich ~lasst nicht zu...~
Ein schriller Schrei voll der Pein gellt durch
das Gewölbe, mit einer schnellen, geübten Bewegung wird über
Narthans Leib die Kehle einer kleinen Kreatur, welche panisch in einem
unbarmherzigen Griff zappelt, durchtrennt.
Angewidert kämpft der Elf gegen den folgenden
Brechreiz an, als er spürt, wie sein Leib von dem Blut des Wesens
~lass es ein Tier gewesen sein... lass es ein Tier gewesen sein~ benetzt
wird.
Wo nur ist er hier. Und warum? Die Gedanken
rasen durch seinen Kopf und verzweifelt windet er sich in den Ketten.
Narthan.
Dieser erstarrt, als er in sich - seinen Gedanken
- eine Stimme zu hören vermeint.
Fremd und doch vertraut.
Narthan. Halte durch. Nein. Zwei Stimmen.
Eine weibliche. Eine männliche.
Was ist das nur. Hat man ihm einen Trank verabreicht,
der ihm etwas vorgaukelt?
Der andauernde Singsang der in Kutten verhüllten
Gestalten schwillt an und wird schier unerträglich.
"Höre uns an, Dämon, Du Herrscher
allen Übels. Wir weihen Dir heute ein besonderes Opfer. Nimm an unsere
Gabe. Das Erzeugnis der Hohen aus dem Tempel. Einen des einzigen Lichtkriegers.
Deines verhassten Feindes."
Zynisch presst er jedes Wort hervor, ja voller
Hass mustern ihn die Gestalten, deren Gesichter er nur schemenhaft unter
den Kapuzen zu erkennen vermag.
Erst jetzt wird er sich des grausamen Schmerzes
wieder bewusst, der ihn aus seiner Bewustlosigkeit geholt hatte. Seine
Kehle schmerzt, als hätte er zuvor geschrien, wie noch nie in seinem
Leben. Etwas an ihm fühlt sich fremd an...
Wieder blitzt der Opferdolch auf, als der Arm,
diesesmal langsam, gehoben wird.
Sich langsam seinem Oberkörper nähert.
In diesem Moment sirrt es leise, ein dumpfer
Laut und die Gestalt, welche den Dolch hält, kippt vorn über.
Der Dolch verfehlt sein eigentliches Ziel, doch die Klinge fährt bist
tief über der linken Augenbraue in die Haut hinein, gleitet, als die
Gestalt stumm über Narthan zusammensackt, über das Lid, fällt
erst zu Boden,als sich die Klinge noch den Weg bis zu seinen Wangenknochen
herab gebahnt hat.
Der Elf würde jetzt schreien wollen, doch
außer einem gurgelnden Laut kommt nichts aus seiner Kehle. Um ihn
herum bricht nun die Hölle aus.
Die düsteren Gestalten stieben auseinander,
als einer der ihren zu Boden geht.
"Eindrrrringliiiing" gellt es und "Faßt
ihn", davon ausgehend, dass nur ein Fremder sich eingeschlichen hatte.
Ein tödlicher Irrtum.
Aus der dunklen Nische hinter dem Altar schnellen
zwei Schatten mit glühenden Augen hervor. Einer gefährlicher
als der andere.
Ungleich die Fronten an Anzahl der Gegner,
aber das war es auch schon.
Lautlos sind die beiden Gestalten, doch mit
einer tödlichen Präzision in allem, was sie tun.
Vier glühende Klingen, umgeben von einem
merkwürdigen blauen Feuer, singen ein tödliches Lied. Die Vermummten
sind viel zu überrascht.
Der Abtist, gerade noch die Gefahr erkennend,
versucht sich, an die Wand gedrängt, unauffällig aus dem Raum
zu schleichen. Ein hämisches Grinsen, als er den Flur erreicht.
"WA..." Ein verblüffter, fragender Ton
ist noch, was über seine Lippen kommt, dann rutscht er an der Wand
herab, sein gebrochener Blick immer noch wie erstaunt auf den Dolch in
seiner Brust gerichtet.
Ein abfälliger Knurrlaut ist alles, dann
sprintet eine schlanke, hochgewachsene Frau zum Altar, den jetzt übrigen
Überlebenden Sektenmitgliedern keinen Blick mehr würdigend, diese
würden genug zu tun haben, erst einmal zu überlegen, wie sie
weiter vorgehen sollen. Oder ob sie es wohl tun sollen. Feige Sippe scheint
ihr Knurren wohl aussagen zu wollen.
"Silber. Weiter!" Beinah gleichzeitig rennen
die beiden zum Altar. Kurz nur tauschen der Dunkelelf und die zierliche
Frau einen Blick aus, als sie die Person auf dem Altar betrachten, dann
nickt der Mann leicht und wispert "Wir sind rechtzeitig gekommen."
"Das wird sich erst zeigen." So leise sie
spricht, sind ihre Worte eindeutig skeptisch.
"Wie auch immer", erwidert der Weißhaarige.
"Wird Zeit, hier wieder zu verschwinden."
"Mmmh." Mit einer merkwürdigen Mischung
aus Freude, aber auch Trauer nähert sich diese so zerbrechlich wirkende
Frau, allein die durchscheinend helle Haut bestärkt diesen Eindruck
noch, dem jungen Mann auf dem Altar.
Ein unendlich sanfter Zug liegt auf ihrem
Gesicht, als sie in einer kaum merklichen Bewegung ihre Hand ausstreckt
und mit einer noch schnelleren Geste, zwei leise gesprochenen Worten den
Hals des jungen Mannes dort berührt.
Die Augen unter den geschlosssenen Lidern
zucken, doch weiter rührt er sich nicht, auch als sie leise flüstert:
"Deine Mutter vom Volk der Sternenkinder hat Dich nie vergessen, mein Sohn."
Zögerlich ein Blick zu ihrem Begleiter
und Gefährten. Der nickt nur, flüstert jedoch: "Eil Dich. Die
Sanduhr der Gegenwart hat begonnen..."
Eine einzelne Träne läuft der schmalen
Frau über das Gesicht, als sich Silbermond nochmals über ihren
Sohn beugt.
Entschlossen greift die jugendlich wirkende
Frau zu, mit einem kurzen Ruck reißt sie dem Regungslosen einige
Medaillons und Amulette ab, murmelt, als sie dann zurücktritt:
"Die Schuld des dunklen Vaters von der Mutter
auf sich genommen, auf dass die Saat des Lichts aufgehe. Eine verlorene
Tochter gibt zurück das wohin es soll. Bereit, die Last zu tragen
für das Wohl des Lebens aller und den Weg ins Licht zu bereiten."
Noch während die sanfte Stimme Silbermonds
durch die Stille des Tempels wispert, verändert sich etwas.
Sie selber scheint nicht mehr in der Lage
zu sein, sich auf ihren Beinen zu halten.
Mit einem leisen, schmerzunterdrückten
Laut geht die junge Frau auf die Knie.
Ein sanftes, silbernes Licht beginnt sie zu
umspielen, hüllt schließlich den ganzen Körper ein.
.
Der große weißhaarige Mann senkt
den Blick, sonst so unnahbar und hart im nehmen, schlägt die Hände
vor das Gesicht, als er hört, wie Knochen sich verformen, leise ein
Rascheln, als Fell über einst so wundervolle Haut wächst.
Leise schluchzt er auf und sinkt auf die Knie.
"Götter... oh Geliebte, warum nur diese
Strafe."
"Ich liebe Dich, bis über alle Zeiten
hinaus", wispert es, dann Stille.
.
Minuten später, als nur die Atemzüge
Narthans gleichmäßig in der ansonsten nun vorherrschenden Stille
zu hören sind, stupst eine feuchte, kalte Nase den Magier an.
Wortlos schlingt dieser die Arme um das treue
Tier, versenkt die Finger in das samten schimmernde silberne Fell.
Steht schließlich stumm auf, sanft
noch die Berührung seiner Lippen auf die Wolfsschnauze, dann tritt
der Drow auf den Altar zu, legt dem dort Liegenden die linke Hand an die
Schläfe.
"Geben die Götter, Du schaffst jetzt
auch die letzten Schritte der Etappe.
Diese hier war knapp genug."
Noch immer schimmern die Augen des Dunkelhäutigen
feucht, die Stimme rau und gebrochen, als er zurück in die Nische
tritt. Unaufgefordert folgt die Wölfin ihm.
~Dann ist der Junge mit seiner neuen Vergangenheit
allein~
.
~ Zurück aus der Dunkelheit ~
.
Keuchend, noch immer am ganzen Körper
zitternd, ob dessen was eben... wann... geschehen war.
"..." Ein rauer Laut. Stimmbänder, Ewigkeiten
gezwungen zu schweigen, nahmen die Tätigkeit auf.
Wie im Fieber glänzende, blaue Augen richteten
sich auf den Mann, der neben ihm am Boden kniete und ihn ruhig, aber eine
nicht zu übersehende Trauer im Blick, beobachtete, langsam nun die
Hand von ihm löste.
Narthan wendete den Blick ab, weiter suchend,
stemmte sich hoch und taumelte schweratmend auf einen silbern schimmernden
Körper zu, ehe der andere noch reagieren kann.
"Nana..."
Die Silben noch holprig, eher krächzend,
doch ist das Wort in seiner Muttersprache verständlich. Mutter.
Bernsteinfarbene Augen öffneten sich.
"Mach es ihr nicht unnötig schwer. Bitte."
"Schwer." Die Stimme klang nicht nur für
ihn noch fremd. Narthan nickte verstehend, beugte sich vor und hauchte
der Wölfin einen sanften Kuß zwischen die Augen.
Ein leiser, wie klagender Laut, Silbermond
wendete den Kopf zur Seite, die Vorderpfoten legten sich über die
Schnauze, als wollte sie ihr Gesicht verbergen.
Mühsam richtete sich der Elf wieder auf
und blickte seinen Meister an.
Meister... Noch zögerte er, sah den Mann
minutenlang stumm an, neigte dann langsam den Kopf und führte die
linke Hand zum Herzen.
"Seid Ihr...?" Narthan räusperte sich
nach der Frage, ungewohnt, ein komisches Gefühl noch immer, jedoch
zwang er sich jetzt, denn die Jahre, auf welche er dort mit ihm hingearbeitet
hatte, haben den Moment erreicht.
Dem die Frage galt, war nach außen ruhig,
aber in ihm tobte genauso ein Gefühlschaos wie in Narthan.
"Bist Du mein Vater?"
Nun war die Frage gestellt. Kein Ausweichen
oder eine Flucht noch möglich.
"Ja ... und Nein", kam es nach einer kleinen
Ewigkeit zurck.
Jener, Narthans Augen glühten für
einen Moment auf. Wie konnte es sein.
Dann jedoch sah er vor seinem innerem Auge
noch einmal dies so zarte Geschöpf, das hinter den beiden ruhte.
Die bleiche, fast durchscheinende Haut. Der
Zarte Bau des Körpers. Sanfter Blick in Wolfsgestalt.
Was war er? Sich zurückzwingend, die Aufmerksamkeit
auf ihn dort richtend, wartete er.
Der Weißhaarige Hüne, für andere
nie Gefühle zeigend, neigte das Haupt.
"Mein Recht darauf, mich so zu nennen, hab
ich längst verwirkt. Aber ansonsten. Ja.
Ich bin es. Die Ehre hat diese wundervolle
Frau dort mir erwiesen."
Der Tränen, die Narthan jetzt heiß
über die Wangen rannen, schämte er sich nicht.
Es überrollten ihn nur jetzt doch zu
viele Emotionen, gerade der Verwirrung noch dazu.
All die Jahre. Bei den Pflegeeltern. Im Dorf.
Als man ihm sagte, er habe keine Eltern.
Selbst die Luft blieb ihm nun kurz weg.
"Du kannst mich hassen, Narthan. Es war alles
mehr als unfair, nicht gerecht, magst Du jetzt denken", begann der Drow
nun leise zu reden, den Blick unverwandt auf die Wölfin gerichtet,
die nun die Augen wieder geöffnet hatte, die Szene mitverfolgte.
Schwach klopfte ihre Rute, als wollte sie
ihm Mut zusprechen, endlich alles offen darzulegen.
"Weder Deine Mutter, noch ich wussten, wo Du
warst.
Gesucht haben wir Dich all die Zeit, doch
Anhaltspunkte hatten wir zu wenige."
Narthans Beine fühlten sich an wie Pudding.
Ausnahmsweise gestand er sich die Schwäche zu.
Er suchte Halt, lehnt sich dann an eine Säule
und starrte den Mann, der sein Vater sein sollte, fassungslos, angespannt
und doch aufmerksam zuhörend an.
Er schafft es doch, eine Frage zu stellen,
weil der Drow ihm einfach zu lange schwieg.
"Gesucht. Das habe ich verstanden. Doch wie
kam es zu der Suche?"
Innerlich fuhr er zusammen, seine eigene Stimme,
die tief und wohltönend durch den Raum schwang, war ihm noch immer
recht fremd.
Es dauerte einen Moment, bis sein Vater ihm
wieder antwortete.
"Es war an einm Sommertag, Du hattest gerade
gelernt zu laufen. Niemand hat es vorausgesehen, obwohl es Jahre vorher
eine Warnung gegeben hatte.
Bei einem Treffen der Tempelräte stürmten
die Anhänger eines Kultes den Tempel, in welchem Deine Mutter diente.
Bis auf sie und einige andere wurde alles nieder gemacht.
Sie nahmen uns alle mit." Ein tiefes einatmen,
dann sprach er heiser weiter.
"Sie taten was sie mit uns Drow meistens tun.
Folter, Zwangsarbeit und anderes. Egal."
Er wischt mit einer Hand durch die Luft.
"Das... was Deiner Mutter widerfuhr, ist schlimmer
als bei Dir."
Narthan runzelte die Stirn, das alles war hart.
Verdammt hart.
Die Vergangenheit wurde in diesem Moment zum
zweiten Mal an einem Tag zum hier und heute, wenn auch jetzt verbal.
Der Blick des Elfen wanderte erneut zu der
Wölfin.
Es zerschnitt ihm fast das Herz, ahnte er
doch, dass sie für und wegen ihm scheinbar weiter als durch die Hölle
gegangen war.
"Sie... Nana..."
"Law, Narthan. Gib ihr die Chance."
"Ada." Narthan sah wieder zu dem Drow und ein
sanftes Lächeln, auch wenn er erschöpft, noch immer so angespannt
war, legte sich auf sein Antlitz.
Zeigte er doch, dass er verstanden hatte.
"Eine Frage nur noch, Ada. Erzählt Ihr
es mir irgendwann?"
Der weißhaarige Hüne erstarrte,
als er erneut die Betitelung in der Sprache seiner bereth, seiner Frau,
hörte.
Ungläubigkeit, gefolgt von Erleichterung,
dann schlossen sich Narthans Arme um seinen Vater.
"Ay, mel iôn, ja mein Sohn. Das werden
wir."
.
~ Ende dieser Geschichte ~
.
Anmerkungen von TaShiRa zur Kurzgeschichte:
Hamburg, 15.04.2007 - 11.10.2007
Diese kleine Geschichte möchte ich jemandem
ganz Speziellem widmen.
Ein kleiner Dank für eine unglaublich
wundervolle (noch virtuelle) Bekanntschaft, die sich für mich längst
zu einer Freundschaft entwickelt hat und ich möchte diesen Menschen
nie mehr missen.
Danke, Shila, für all die wundervollen
Stunden, Tage, Nächte, die wir bislang miteinander haben verbringen
dürfen und ich hoffe, es werden noch viele weitere folgen... und ich
hoffe, dass Du keinen "Kulturschock" bekommst, wenn wir uns eines Tages
wirklich RL über den Weg laufen.
Deine
TaShiRa
© TaShiRa
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