"Da haben wir einige nützliche Informationen!"
sagten die Drachenreiter. In den Unterlagen fanden sie Hinweise, dass es
um das Gebiet von der Festung Darks Klamm nur so von Todesfallen wimmelt.
Wachtürme, die mit magischen Pfeilen und Infrarot- Zielsuchtechnik
die Drachen abschießen konnten. Also kam "reinfliegen" schon mal
nicht in Frage. Skelette, die auf den Feldern der Burg lagen, wiesen darauf
hin, dass das Gebiet ringsherum vermient war. Der Kerker befand sich tief
im Inneren der Festung. "Wir wissen nicht mal, ob sie noch leben," sagten
die Drachenreiter, "aber wir geben die Hoffnung nicht auf!"
.
"Na, schmeckt euch das madige Brot?" fragte
einer der Goblinwachen im Kerker, als er am Gitter hin und herlief.
Im Kerker saßen die Überlebenden
aus dem Flugzeug, und Nemesar quetschte jede nur mögliche Information
aus ihnen heraus, bis er eine ziemlich genaue Karte von der Erde zusammengestellt
hatte. "Und finde mir die letzten zwei!" sagte Nemesar immer wieder zu
Murluck. Denn er war ziemlich sauer, als an dem Tag der Gefangennahme Elsyria
und Rafael fliehen konnten. Der Kerker war dreckig und stank nach verwesendem
Fleisch. Kein Wunder, denn einige Gefangene von früher hatte man einfach
in kleinen Käfigen an die Decke gehängt und ihre Skelette liegen
jetzt noch darin. Doch glücklicherweise ist noch niemand aus dem Flugzeug
seit der Gefangennahme ums Leben gekommen. Dixon und Thomas wurden zwar
ein paar Mal gefoltert, Jochen und Michael immer wieder verhört, doch
auch Nemesar merkte, dass es nichts brachte. Er saß oben in der Festung
und strich mit seinen langen, knochigen Fingern über den letzten Drachenstein.
Dann ging er auf eine Art Terrasse, wo man
den ganzen Schlossplatz überblicken kann. Er sah sich um. Unten standen
seine Goblins und Trolle und bereiteten ihren Krieg vor. Dunkle Wolken,
die fast kein Licht mehr auf den Boden kommen ließen, überzogen
den Himmel.
Dies war ein Werk seines bösen Zaubers
und wohl auch der Hauptgrund, warum in seinem Reich keine einzige Pflanze
wuchs. Keine Sonne = keine Fotosynthese.
Als die Goblins ihren Herrscher sahen, versammelten
sie sich in Reih und Glied vor der Festung.
Nemesar brüllte:
"Seit ihr bereit für die Schlacht?"
Goblinarmee:
"Yeaah!"
Nemesar:
"Seit ihr bereit für den letzten Kampf?"
Goblinarmee:
"Yeaaaahh!"
Nemesar:
"Wollt ihr Europa und die restliche Welt erobern?"
Goblinarmee:
"Yeaah!"
Nemesar:
"WOLLT IHR DEN TOTALEN
KRIEG?!!"
Goblinarmee:
"YEEAAAAAAAAAAAAAHH!!!"
Nemesar:
"Bereitet euch vor, übermorgen wird das
Dimensionstor geöffnet. VORWÄRTS!!"
Früher waren sie Menschen gewesen, bevor
Nemesar sie verwandelte. Nemesars Goblinarmee hatte einen großen
Vorteil. Die Goblins wurden mit dunkler Magie geschützt. Man kann
sie nicht so einfach töten. Und nun wollte eine Armee mit Tausenden
von ihnen in Europa einmarschieren.
"Das müssen wir unbedingt verhindern!"
sagten die Gefangenen, die am Kerkerfenster alles mitbekommen hatten.
.
Rafael und Elsyria waren inzwischen mit den
anderen Drachenreitern in Sky Haven, wo sie die Lage besprachen.
"Wir haben von den Mönchen im Kloster
alles erfahren, wie man am besten reinkommt. Es gibt da noch die "Gruffins",
eine dunkle Subkultur in den Bergen, die angeblich einen geheimen Tunnel
in die Festung kennen, aber der oberste Mönch des Klosters hat uns
vor ihnen gewarnt. Sie treiben angeblich gemeinsame Sache mit dem Teufel!"
Draku nickte. "Morgen früh, wenn es hell
wird, werden wir zu Nemesars Festung fliegen." sagte er.
"Aber vergiss nicht, dass die magischen Geschosse
euch Drachen abschießen können. Nemesar kennt die Schwachstellen
bei Drachen. Eure Körper sind zwar mit euren Schuppen gepanzert, aber
eure Flügel sind es nicht!" fügte Mirinur besorgt hinzu.
"Wir müssen uns unauffällig zum
Haupttor schleichen, in die Burg kommen und den Kerker finden." Rafael
zeigte auf den Plan vom Schloss. "Wir müssen uns aufteilen. Jemand
befreit die Gefangenen, während einer von uns den letzten Drachenstein
klaut!"
Mirinur sagte: "Rafael, wenn ihr das schafft,
diesem Nemesar den letzten Drachenstein zu klauen, verhindert ihr den größten
Krieg aller Zeiten. Ihr seid dann die ersten Drachenreiter, die in so kurzer
Zeit das goldene Drachenamulett erhalten!"
Rafael grinste: "Vorausgesetzt, wir überleben!"
"Das einzige, woran ich mich noch nicht so
recht gewöhnt habe, ist die Zeitumstellung. Ein Tag in Dracania dauert
genau 37,8 Stunden" seufzte Elsyria.
Rake sah sie an. "Und wie lange dauert er
in eurer Welt?"
"24 Stunden genau." sagte Elsyria.
"Also übermorgen Vormittag beginnt Nemesars
Plan. Wir dürfen nicht trödeln!" sagte
Mondkralle.
"Ich und Elsyria gehen rein und klauen den
Drachenstein." Rafael zeigte auf den Schlossturm, der mindestens 500 Meter
hoch war. "Dort oben ist das Quartier von Nemesar, dort hat er ihn, jede
Wette!"
Arnur und Akarian sagten: "Und wir retten
eure Freunde aus dem Flugzeug!"
"Moment mal", Silberflügel und Mondkralle
unterbrachen die Drachenreiter, "wie wollen Rafael und Elsyria von dem
Turm wieder runterkommen? Er ist zwar hoch genug, damit wir hinfliegen
können, ohne dass uns Nemesars Türme vom Himmel abschießen,
aber landen können wir dort nicht."
Doch Rafael beruhigte die Drachen: "Keine
Sorge, das haben wir auch schon durchdacht. Wir holen uns einfach unsere
Fallschirme aus dem Flugzeugwrack, das Murluck doch auf Anweisung von Nemesar
in die Festung geschleppt hatte. Dann, wenn wir den Drachenstein haben,
springen wir vom Turm herunter und segeln über die Grenze."
Draku grinste: "Soso, ganz einfach? Du vergisst
immer wieder, dass wir Drachen eure Gedanken lesen können und eine
Kleinigkeit hast du auch schon durchdacht, aber nicht mit eingerechnet:
Eure Paragliding-Fallschirme haben eine Gleitzahl von 1 zu 8. Das heißt,
dass ihr von tausend Meter Höhe 8000 Meter weit segeln könnt!"
"Ja und?" fragte Rafael.
Der Drache sagte: "Bis zur Grenze sind es
aber 5.000 Meter!"
"Oh kacke, das haben wir nicht mit eingerechnet!
Wir landen genau in der Grenze vor der Mauer mit den Wachtürmen!"
"Siehst du, diese 'Kleinigkeit' kann euch
das Leben kosten!" Draku überlegte und sagte schließlich: "Es
gibt eine Lösung für das Problem, aber es ist riskant. Wenn ihr
dann in der Luft seid, fangen wir Drachen euch ab. Wir müssen nur
aufpassen, dass sich unsere Flügel nicht in euren Fallschirmleinen
verfangen. Dann fliegen wir weg. In dieser Zeit müsst ihr die anderen
befreit haben und schon auf dem Rückweg sein."
Mirinur sagte: "Ein ziemlich riskanter Plan,
aber er könnte klappen!"
"Also gut, wir riskieren es." sagte Elsyria.
Als es dunkel wurde und wieder zwei der drei
Monde von Dracania am Himmel leuchteten, bereiteten sich alle Drachenreiter
auf den morgigen Tag vor.
"Wir fliegen bis kurz vor die Festung und
laufen von da aus. Durch Gedankenübertragung können wir dann
unsere Drachen rufen, damit sie uns im Flug vom Turm auffangen!" meinte
Rafael.
"Also gut, so sei es", sagte Feuerflügel
besorgt. "Dann lasst uns ausruhen, damit wir morgen früh in Richtung
Darks Klamm starten können."
.
Die Drachenreiter saßen noch am Lagerfeuer,
als Rafael mit Ta`Rakan an einem Hügel runterblickten.
Rafael sagte: "Elsyria ist mit Mondkralle
ins Dorf runtergeflogen, um noch Proviant für die morgige Reise nach
Ost-Dracania zu holen. Hinter dem Nebelgebirge liegt Darks Klamm. Ab da
müssen wir uns ranschleichen."
Der Drache blickte ihn an. "Ich mache mir
Sorgen um dich. Bist du sicher, dass du das riskieren willst?"
Rafael erwiderte den Blick von Ta`rakan. "Würdest
du es für deine Freunde tun?"
Ta`Rakan sagte: "Für dich, mein Freund,
würde ich es auch tun!"
Rafael fragte verlegen: "Kannst du mir auch
etwas über die Drachenmagie beibringen?"
Ta´Rakan blickte ihn erstaunt an: "Du
willst wirklich etwas über unsere Magie lernen und den ein oder anderen
Zauber beherrschen? Nun gut, ich kann dir beibringen, wie man Nebel heraufbeschwört,
um seine Feinde abzuhängen. Leg dich hin!"
Rafael tat es. Der Drache hob seine Klaue
und hielt sie über Rafaels Kopf. Dann sprach er etwas auf Dracanisch
und ein Blitz sprang von seiner Klaue über in Rafaels Kopf. "Jetzt
kannst du´s!" sagte Ta´Rakan.
Rafael stand wieder auf und fragte verwundert:
"Das war´s schon?" Der Drache nickte.
"Danke, Ta´Rakan, kann ich den Zauber
gleich mal testen?"
Der Drache erwiderte: "Wenn wir bei Nemesar
sind, wirst du dazu schon noch Gelegenheit haben. Zuerst musst du lernen,
deine Manakraft richtig einzusetzen..."
.
"Glaubt ihr wirklich, dass euch jemand rettet?"
fragte Nemesar grinsend am Kerkertor. "Übermorgen versinken eure Länder
in Schutt und Asche - brauchst jetzt gar nicht so zu gucken, Dixon. Ich
weiß, dass du nicht in Europa wohnst, aber keine Sorge. Sobald ich
mit denen fertig bin, kommt Amerika dran!"
Zum ersten Mal seit Monaten fingen Dixon,
Miles und Thomas an zu lachen. "Glaubst du Suppenkasper, du kannst unsere
Welt einfach so erobern? Die Armeen unserer Länder werden dir den
Hintern wegschießen!"
Nemesars knochige Finger klackten beim vorbeilaufen
an den Gitterstäben entlang. "Ich habe erst heute eine neue Zauberformel
getestet. Bei meinen Goblins angewandt, macht sie meine Armee unbesiegbar!"
Plötzlich war keinem mehr zu lachen zumute.
"Das kannst du nicht machen, DU MIESES SCHWEIN!" brüllte Dixon.
"Wart mal ab, was ich kann! Euch kann eh keiner
mehr retten, eure beiden Flugschüler
sind tot." log Nemesar. Dann verließ
er grinsend den Kerkerraum.
Jochen witzelte: "Wenn wir irgendwann wieder
zu Hause sind, schreib ich ein Buch: 'Wie ich mir in 10 Tagen das Rauchen
abgewöhnte!'"
"Haha, sehr witzig!
Hätten wir sie bloß nicht damals
am Flugzeug alleine weggehen lassen." murmelte Thomas. "Dann wären
sie jetzt auch im Kerker! Keine Sorge, ich bin sicher, dass sie noch leben!"
sagte Jochen.
"Woher willst du denn wissen, dass sie noch
leben?"
Jochen erwiderte: "Woher willst du wissen,
dass sie tot sind? Glaubst du, was der Spinner sagt?"
Dixon blickte aus dem Kerkerfenster und sah,
wie sich Nemesars Wehrmacht aufrüstete. Panzerähnliche Fahrzeuge
rollten aus den Toren der Festung, Testschüsse mit magischen Blitzgeschossen
wurden auf dem Feld durchgeführt und Murluck war ab jetzt der General
der Streitmacht. Es war von Anfang an klar, dass das in die Hose geht,
denn beim navigieren aus dem Burgtor stieß er mit einem anderen Panzer
zusammen. Doch Nemesar bekam das nicht mit. Er stand vor dem Drachenstein,
den er in einem Zimmer auf der obersten Etage seines Schlossturmes hatte.
Der Turm war etwa 500 Meter hoch und hatte
am obersten Ende die Form einer Kugel. Er erinnerte irgendwie an den Berliner
Fernsehturm, aber er war wesentlich höher. Von dem Turm konnte Nemesar
um 360° nach Dracania blicken. Er stellte gerade die Zauberformeln
zusammen für die Dimensionsreise seiner Armee.
.
Elsyria kam mit Mondkralle angeflogen und landete
auf der Wiese bei Rafael und Ta´Rakan. "Ich hab jetzt alles beisammen,
wir können morgen früh aufbrechen."
"Good pilots don`t need motors" sagte Rafael,
als Elsyria elegant von Mondkralle absprang.
"Bitte, was?" fragte sie verwundert.
"Nichts, nichts", erwiderte Rafael. "Thomas
hat mich im Flugzeug mit seinen Fliegersprüchen vollgelabert und jetzt
gehen sie mir nicht mehr aus dem Kopf:"
"Von warm nach kalt wirst du nicht alt." (Thermik)
"Flieg nie in eine Wolke rein, es könnt
schon jemand drinne sein!"
"Learn from the mistakes of others. You won´t
live long enough to make all of them yourself!”
"Positiv denken, negativ wölben!”
Rafael meinte: "Wir sollten jetzt, schlafen
gehen."
Während es am Tag etwa 30 Grad warm war,
konnte in Dracania die Temperatur nach Einbruch der Dunkelheit stark fallen.
In dieser Nacht war es wieder besonders unangenehm. Rafael kroch unter
einen von Ta´Rakans Flügeln und lehnte sich an seine warmen
Schuppen.
Ta´Rakan murmelte: "Dass ihr Menschen
so empfindlich seid!" (Immerhin hatte es schon -13 Grad und Rafael hatte
nur eine leichte Lederbekleidung.) Doch was Rafael und Elsyria besonders
toll fanden war, dass sie sich per Gedankentelepathie in die Träume
ihrer Drachen versetzen konnten. Was die Drachen träumten, träumten
auch sie – und umgekehrt.
© Tobias
Wagner
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