Dracania von Tobias Wagner
VII
Pläne für die Befreiung

"Da haben wir einige nützliche Informationen!" sagten die Drachenreiter. In den Unterlagen fanden sie Hinweise, dass es um das Gebiet von der Festung Darks Klamm nur so von Todesfallen wimmelt. Wachtürme, die mit magischen Pfeilen und Infrarot- Zielsuchtechnik die Drachen abschießen konnten. Also kam "reinfliegen" schon mal nicht in Frage. Skelette, die auf den Feldern der Burg lagen, wiesen darauf hin, dass das Gebiet ringsherum vermient war. Der Kerker befand sich tief im Inneren der Festung. "Wir wissen nicht mal, ob sie noch leben," sagten die Drachenreiter, "aber wir geben die Hoffnung nicht auf!"
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"Na, schmeckt euch das madige Brot?" fragte einer der Goblinwachen im Kerker, als er am Gitter hin und herlief.
Im Kerker saßen die Überlebenden aus dem Flugzeug, und Nemesar quetschte jede nur mögliche Information aus ihnen heraus, bis er eine ziemlich genaue Karte von der Erde zusammengestellt hatte. "Und finde mir die letzten zwei!" sagte Nemesar immer wieder zu Murluck. Denn er war ziemlich sauer, als an dem Tag der Gefangennahme Elsyria und Rafael fliehen konnten. Der Kerker war dreckig und stank nach verwesendem Fleisch. Kein Wunder, denn einige Gefangene von früher hatte man einfach in kleinen Käfigen an die Decke gehängt und ihre Skelette liegen jetzt noch darin. Doch glücklicherweise ist noch niemand aus dem Flugzeug seit der Gefangennahme ums Leben gekommen. Dixon und Thomas wurden zwar ein paar Mal gefoltert, Jochen und Michael immer wieder verhört, doch auch Nemesar merkte, dass es nichts brachte. Er saß oben in der Festung und strich mit seinen langen, knochigen Fingern über den letzten Drachenstein.

Dann ging er auf eine Art Terrasse, wo man den ganzen Schlossplatz überblicken kann. Er sah sich um. Unten standen seine Goblins und Trolle und bereiteten ihren Krieg vor. Dunkle Wolken, die fast kein Licht mehr auf den Boden kommen ließen, überzogen den Himmel. 
Dies war ein Werk seines bösen Zaubers und wohl auch der Hauptgrund, warum in seinem Reich keine einzige Pflanze wuchs. Keine Sonne = keine Fotosynthese.
Als die Goblins ihren Herrscher sahen, versammelten sie sich in Reih und Glied vor der Festung.

Nemesar brüllte:
"Seit ihr bereit für die Schlacht?"

Goblinarmee:
"Yeaah!"

Nemesar:
"Seit ihr bereit für den letzten Kampf?"

Goblinarmee:
"Yeaaaahh!"

Nemesar:
"Wollt ihr Europa und die restliche Welt erobern?"

Goblinarmee:
"Yeaah!"

Nemesar:
"WOLLT  IHR  DEN  TOTALEN  KRIEG?!!"

Goblinarmee:
"YEEAAAAAAAAAAAAAHH!!!"

Nemesar:
"Bereitet euch vor, übermorgen wird das Dimensionstor geöffnet. VORWÄRTS!!" 

Früher waren sie Menschen gewesen, bevor Nemesar sie verwandelte. Nemesars Goblinarmee hatte einen großen Vorteil. Die Goblins wurden mit dunkler Magie geschützt. Man kann sie nicht so einfach töten. Und nun wollte eine Armee mit Tausenden von ihnen in Europa einmarschieren.
"Das müssen wir unbedingt verhindern!" sagten die Gefangenen, die am Kerkerfenster alles mitbekommen hatten.
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Rafael und Elsyria waren inzwischen mit den anderen Drachenreitern in Sky Haven, wo sie die Lage besprachen.
"Wir haben von den Mönchen im Kloster alles erfahren, wie man am besten reinkommt. Es gibt da noch die "Gruffins", eine dunkle Subkultur in den Bergen, die angeblich einen geheimen Tunnel in die Festung kennen, aber der oberste Mönch des Klosters hat uns vor ihnen gewarnt. Sie treiben angeblich gemeinsame Sache mit dem Teufel!"
Draku nickte. "Morgen früh, wenn es hell wird, werden wir zu Nemesars Festung fliegen." sagte er.
"Aber vergiss nicht, dass die magischen Geschosse euch Drachen abschießen können. Nemesar kennt die Schwachstellen bei Drachen. Eure Körper sind zwar mit euren Schuppen gepanzert, aber eure Flügel sind es nicht!" fügte Mirinur besorgt hinzu.
"Wir müssen uns unauffällig zum Haupttor schleichen, in die Burg kommen und den Kerker finden." Rafael zeigte auf den Plan vom Schloss. "Wir müssen uns aufteilen. Jemand befreit die Gefangenen, während einer von uns den letzten Drachenstein klaut!"
Mirinur sagte: "Rafael, wenn ihr das schafft, diesem Nemesar den letzten Drachenstein zu klauen, verhindert ihr den größten Krieg aller Zeiten. Ihr seid dann die ersten Drachenreiter, die in so kurzer Zeit das goldene Drachenamulett erhalten!"
Rafael grinste: "Vorausgesetzt, wir überleben!"
"Das einzige, woran ich mich noch nicht so recht gewöhnt habe, ist die Zeitumstellung. Ein Tag in Dracania dauert genau 37,8 Stunden" seufzte Elsyria.
Rake sah sie an. "Und wie lange dauert er in eurer Welt?"
"24 Stunden genau." sagte Elsyria.
"Also übermorgen Vormittag beginnt Nemesars Plan. Wir dürfen nicht trödeln!" sagte
Mondkralle.
"Ich und Elsyria gehen rein und klauen den Drachenstein." Rafael zeigte auf den Schlossturm, der mindestens 500 Meter hoch war. "Dort oben ist das Quartier von Nemesar, dort hat er ihn, jede Wette!"
Arnur und Akarian sagten: "Und wir retten eure Freunde aus dem Flugzeug!"
"Moment mal", Silberflügel und Mondkralle unterbrachen die Drachenreiter, "wie wollen Rafael und Elsyria von dem Turm wieder runterkommen? Er ist zwar hoch genug, damit wir hinfliegen können, ohne dass uns Nemesars Türme vom Himmel abschießen, aber landen können wir dort nicht."
Doch Rafael beruhigte die Drachen: "Keine Sorge, das haben wir auch schon durchdacht. Wir holen uns einfach unsere Fallschirme aus dem Flugzeugwrack, das Murluck doch auf Anweisung von Nemesar in die Festung geschleppt hatte. Dann, wenn wir den Drachenstein haben, springen wir vom Turm herunter und segeln über die Grenze." 
Draku grinste: "Soso, ganz einfach? Du vergisst immer wieder, dass wir Drachen eure Gedanken lesen können und eine Kleinigkeit hast du auch schon durchdacht, aber nicht mit eingerechnet: Eure Paragliding-Fallschirme haben eine Gleitzahl von 1 zu 8. Das heißt, dass ihr von tausend Meter Höhe 8000 Meter weit segeln könnt!" 
"Ja und?" fragte Rafael.
Der Drache sagte: "Bis zur Grenze sind es aber 5.000 Meter!"
"Oh kacke, das haben wir nicht mit eingerechnet! Wir landen genau in der Grenze vor der Mauer mit den Wachtürmen!"
"Siehst du, diese 'Kleinigkeit' kann euch das Leben kosten!" Draku überlegte und sagte schließlich: "Es gibt eine Lösung für das Problem, aber es ist riskant. Wenn ihr dann in der Luft seid, fangen wir Drachen euch ab. Wir müssen nur aufpassen, dass sich unsere Flügel nicht in euren Fallschirmleinen verfangen. Dann fliegen wir weg. In dieser Zeit müsst ihr die anderen befreit haben und schon auf dem Rückweg sein."
Mirinur sagte: "Ein ziemlich riskanter Plan, aber er könnte klappen!"
"Also gut, wir riskieren es." sagte Elsyria.
Als es dunkel wurde und wieder zwei der drei Monde von Dracania am Himmel leuchteten, bereiteten sich alle Drachenreiter auf den morgigen Tag vor.
"Wir fliegen bis kurz vor die Festung und laufen von da aus. Durch Gedankenübertragung können wir dann unsere Drachen rufen, damit sie uns im Flug vom Turm auffangen!" meinte Rafael.
"Also gut, so sei es", sagte Feuerflügel besorgt. "Dann lasst uns ausruhen, damit wir morgen früh in Richtung Darks Klamm starten können."
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Die Drachenreiter saßen noch am Lagerfeuer, als Rafael mit Ta`Rakan an einem Hügel runterblickten.
Rafael sagte: "Elsyria ist mit Mondkralle ins Dorf runtergeflogen, um noch Proviant für die morgige Reise nach Ost-Dracania zu holen. Hinter dem Nebelgebirge liegt Darks Klamm. Ab da müssen wir uns ranschleichen."
Der Drache blickte ihn an. "Ich mache mir Sorgen um dich. Bist du sicher, dass du das riskieren willst?"
Rafael erwiderte den Blick von Ta`rakan. "Würdest du es für deine Freunde tun?"
Ta`Rakan sagte: "Für dich, mein Freund, würde ich es auch tun!"
Rafael fragte verlegen: "Kannst du mir auch etwas über die Drachenmagie beibringen?"
Ta´Rakan blickte ihn erstaunt an: "Du willst wirklich etwas über unsere Magie lernen und den ein oder anderen Zauber beherrschen? Nun gut, ich kann dir beibringen, wie man Nebel heraufbeschwört, um seine Feinde abzuhängen. Leg dich hin!"
Rafael tat es. Der Drache hob seine Klaue und hielt sie über Rafaels Kopf. Dann sprach er etwas auf Dracanisch und ein Blitz sprang von seiner Klaue über in Rafaels Kopf. "Jetzt kannst du´s!" sagte Ta´Rakan.
Rafael stand wieder auf und fragte verwundert: "Das war´s schon?" Der Drache nickte. 
"Danke, Ta´Rakan, kann ich den Zauber gleich mal testen?"
Der Drache erwiderte: "Wenn wir bei Nemesar sind, wirst du dazu schon noch Gelegenheit haben. Zuerst musst du lernen, deine Manakraft richtig einzusetzen..."
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"Glaubt ihr wirklich, dass euch jemand rettet?" fragte Nemesar grinsend am Kerkertor. "Übermorgen versinken eure Länder in Schutt und Asche - brauchst jetzt gar nicht so zu gucken, Dixon. Ich weiß, dass du nicht in Europa wohnst, aber keine Sorge. Sobald ich mit denen fertig bin, kommt Amerika dran!"
Zum ersten Mal seit Monaten fingen Dixon, Miles und Thomas an zu lachen. "Glaubst du Suppenkasper, du kannst unsere Welt einfach so erobern? Die Armeen unserer Länder werden dir den Hintern wegschießen!"
Nemesars knochige Finger klackten beim vorbeilaufen an den Gitterstäben entlang. "Ich habe erst heute eine neue Zauberformel getestet. Bei meinen Goblins angewandt, macht sie meine Armee unbesiegbar!"
Plötzlich war keinem mehr zu lachen zumute. "Das kannst du nicht machen, DU MIESES SCHWEIN!" brüllte Dixon.
"Wart mal ab, was ich kann! Euch kann eh keiner mehr retten, eure beiden Flugschüler 
sind tot." log Nemesar. Dann verließ er grinsend den Kerkerraum.
Jochen witzelte: "Wenn wir irgendwann wieder zu Hause sind, schreib ich ein Buch: 'Wie ich mir in 10 Tagen das Rauchen abgewöhnte!'"
"Haha, sehr witzig!
Hätten wir sie bloß nicht damals am Flugzeug alleine weggehen lassen." murmelte Thomas. "Dann wären sie jetzt auch im Kerker! Keine Sorge, ich bin sicher, dass sie noch leben!" sagte Jochen.
"Woher willst du denn wissen, dass sie noch leben?"
Jochen erwiderte: "Woher willst du wissen, dass sie tot sind? Glaubst du, was der Spinner sagt?"
Dixon blickte aus dem Kerkerfenster und sah, wie sich Nemesars Wehrmacht aufrüstete. Panzerähnliche Fahrzeuge rollten aus den Toren der Festung, Testschüsse mit magischen Blitzgeschossen wurden auf dem Feld durchgeführt und Murluck war ab jetzt der General der Streitmacht. Es war von Anfang an klar, dass das in die Hose geht, denn beim navigieren aus dem Burgtor stieß er mit einem anderen Panzer zusammen. Doch Nemesar bekam das nicht mit. Er stand vor dem Drachenstein, den er in einem Zimmer auf der obersten Etage seines Schlossturmes hatte.
Der Turm war etwa 500 Meter hoch und hatte am obersten Ende die Form einer Kugel. Er erinnerte irgendwie an den Berliner Fernsehturm, aber er war wesentlich höher. Von dem Turm konnte Nemesar um 360° nach Dracania blicken. Er stellte gerade die Zauberformeln zusammen für die Dimensionsreise seiner Armee.
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Elsyria kam mit Mondkralle angeflogen und landete auf der Wiese bei Rafael und Ta´Rakan. "Ich hab jetzt alles beisammen, wir können morgen früh aufbrechen."
"Good pilots don`t need motors" sagte Rafael, als Elsyria elegant von Mondkralle absprang.
"Bitte, was?" fragte sie verwundert.
"Nichts, nichts", erwiderte Rafael. "Thomas hat mich im Flugzeug mit seinen Fliegersprüchen vollgelabert und jetzt gehen sie mir nicht mehr aus dem Kopf:"
"Von warm nach kalt wirst du nicht alt." (Thermik)

"Flieg nie in eine Wolke rein, es könnt schon jemand drinne sein!"

"Learn from the mistakes of others. You won´t live long enough to make all of them yourself!”

"Positiv denken, negativ wölben!”

Rafael meinte: "Wir sollten jetzt, schlafen gehen."
Während es am Tag etwa 30 Grad warm war, konnte in Dracania die Temperatur nach Einbruch der Dunkelheit stark fallen. In dieser Nacht war es wieder besonders unangenehm. Rafael kroch unter einen von Ta´Rakans Flügeln und lehnte sich an seine warmen Schuppen.
Ta´Rakan murmelte: "Dass ihr Menschen so empfindlich seid!" (Immerhin hatte es schon -13 Grad und Rafael hatte nur eine leichte Lederbekleidung.) Doch was Rafael und Elsyria besonders toll fanden war, dass sie sich per Gedankentelepathie in die Träume ihrer Drachen versetzen konnten. Was die Drachen träumten, träumten auch sie – und umgekehrt.
 

© Tobias Wagner
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Und schon geht's weiter zum 8. Kapitel: Aufbruch nach Darks Klamm

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