Die blaue Rose von Unicorn.de

Liebliche Düfte hüllten sie ein, sobald sie den Garten betreten hatte. Sie schloss die Augen und genoss es.
"Was ist, Mylady?", ertönte eine raue Stimme hinter ihr.
Aurora schlug ihre Augenlider langsam auf und wandte sich zum Besitzer der Stimme um. "Nichts, Ritter. Gar nichts!"
Ihre Hand glitt über eine der Rosenstangen. Nun im Winter waren sie gänzlich blau gefroren. Die Stängel waren glatt. Dies war eine besondere Rose, ohne Dornen, wie man sie nur in diesem Garten antraf. Der Garten ihrer Schwester.
"Kommt! Wir sollten weitergehen. Sie erwartet uns sicherlich schon."
"Ja!", heimlich pflückte Aurora eine der blauen Rosen, nahm die kalte Blume an sich und drückte sie an ihr Herz.
Kurz hielt sie noch inne, dann folgte sie ihrer Leibgarde, die sie in einen großen, eisblauen Palast führte. Sie öffneten vor ihr die großen Eingangsportale, die sie in den Thronsaal geleiteten. Dort auf einem Thron saß sie, ihre Schwester. Die junge Frau, gerade mal Mitte zwanzig, erhob sich und lief Aurora entgegen. Stürmisch umarmte sie ihre zehn Jahre ältere Schwester.
"Wie schön dich zu sehen!"
"Ja, die Freude ist ganz meinerseits!", erwiderte Aurora und ein Lächeln glitt über ihr Gesicht. "Lass dich ansehen", sanft drückte sie die junge Königin von sich. "Du hast dich trotz der vielen Jahre, die wir uns nun schon nicht mehr gesehen haben, kaum verändert. Der Krieg scheint nicht auf dich eingewirkt zu haben, Zaida, blaue Rose."
Zaida warf ihren Wachen einen besorgten Blick zu. Mit einem Kopfnicken deutete sie ihnen an, vor der Tür zu warten.
Nachdem die Tore hinter ihnen zugefallen waren, wandte Zaida sich wieder an ihre Schwester. "Du sprichst vom Krieg, als wäre er eine Kleinigkeit gewesen, als sei nichts in ihm passiert", leichter Zorn lag in ihrer Stimme. Lange schon hatte sie Auroras Hände von sich abgestreift und war zu einem der großen Fenster getreten.
"Wenn ich dich verärgert habe, so tut es mir Leid! Es stimmt. Ich habe nicht viel vom Geschehen des Krieges erfahren, nichts mitbekommen. Lediglich, dass du daran beteiligt warst und ich dich deshalb nicht sehen durfte. Ich war erfreut darüber zu sehen, dass du keine bleibenden Schäden davon getragen hast!"
"Keine äußeren vielleicht, Aurora! Aber die inneren werden nie verheilen."
Aurora trat neben ihre jüngere und doch stärkere Schwester. Sie war stärker sowohl was ihren Charakter betraf, als auch ihre Waffenkunst. Dies war einzig und allein darauf zurückzuführen, dass sie eine andere Erziehung genossen hatte. Schuld daran war einzig und allein die Weissagung, die eine Zauberin bei ihrer Geburt gemacht hatte. "Bis zu ihrem achtzehnten Geburtstag wird sie um ihr Land kämpfen und Gefahren auf sich nehmen und schließlich zur Königin der blauen Rosen werden. Denn sie selbst ist eine solche blaue Rose."
Aurora war zehn gewesen, als sie die Frau angehört hatte. Sie war längst verlobt gewesen, wie es sich für eine Prinzessin ihres Reiches gehörte, und wurde in strengen Etiketten unterrichtet. Doch nach dieser Weissagung wollte kein Prinz Zaida zur Frau und kein Königspaar sie zur Schwiegertochter haben. Frauen, die kämpften, das war absurd in dieser Zeit. Aurora war sich nicht sicher, ob sie oder ihre Schwester das bessere Los gezogen hatte.
"Willst du davon erzählen?" Aurora sah die Träne nur kurz, denn sie verblich sofort.
Zaida riss sich zusammen, blieb stark. Nun nach dem Krieg ließ sie keine Zweifel oder Schwächen aufkommen. Sie nickte. "Ja! Vielleicht ist es besser so!"
"Wie du weißt, begann alles mit der Weissagung dieser Zauberin..."

* * *

"Prinze, ... Prinzessin Zaida! Ko... Kommen sie sofort zurück!" abgehetzt raste eine der Zofen hinter der jungen Prinzessin her.
Zaida rannte. Lachend drehte sie sich zu der bedauernswerten Zofe um und lief prompt gegen einen großen Körper. Sie stolperte zurück und sah verwirrt auf. Es war der Hauptmann ihres Vaters, Sir Opgèding. Sie erkannte ihn hauptsächlich an der goldenen Feder, die seinen Helm zierte, und an dem roten Umhang, der noch zuzüglich seiner Uniform als Erkennungsmerkmal eines Hauptmanns diente. Ansonsten sah er genauso aus wie jeder andere Soldat auch. Einen silbernen Helm, braune Stiefel, schwarze Hose, silberner Wams. Ihr gefielen die silbrig schimmernden Uniformen, die die Soldaten trugen. Ihr Traum war es, einmal selbst eine solche zu tragen.
Die Zofe stützte ihre Arme auf ihren Schenkeln auf, als sie das achtjährige Mädchen und den breit lächelnden Soldaten eingeholt hatte. "Vielen Dank, Sir, ...ich, ...ich weiß wirklich nicht, was ich mit dem kleinen Wirbelsturm anfangen soll."
"König Jakal schickt mich! Ich soll ihnen Prinzessin Zaida abnehmen."
Die Zofe war sichtlich erleichtert "Gut."
Opgèding nahm Zaida an der Hand. Ohne Widerwillen folgte das Mädchen dem stattlichen Mann. Er war gerade mal zwanzig, doch dem König treu ergeben. Schon mit zwölf war er in der Königlichen Armee aufgenommen und dort schnell befördert worden. Vom Soldaten zum Ehrenritter und mit achtzehn zum Hauptmann. Opgèding brachte Zaida auf einen kleinen Übungsplatz, der an die Mauer grenzte und von einigen Holzpfählen eingezäunt war. Dort hatte man Platz zum Trainieren und es gab eine Scheibe für das Bogenschießen.
"Warum will mein Vater, dass du dich um mich kümmerst?"
"Weil ihr mir vertraut, kleine Prinzessin."
"Vertraut er Tante Peggy etwa nicht?", für sie war die alte Zofe zu einer Tante geworden. Penegried, so war ihr voller Name, doch Zaida nannte sie liebevoll immer nur Tante Peggy.
"Doch, aber ihr sollt doch nun das Kämpfen erlernen und unter uns", er beugte sich zum Ohr des kleinen Mädchens hinunter, "Tante Peggy kämpft schlechter als ein Oger!"
Zaida begann zu lachen, denn sein warmer Atem kitzelte sie. Außerdem war die Vorstellung Tante Peggy und einen Oger zu vergleichen einfach zu komisch. Opgèding richtete sich auf und zog zwei Holzschwerter aus seinem Gürtel.
"Hier, Mylady, für euch.", er verneigte sich und pries ihr das Schwert an, wie als würde er vor seiner Verliebten knien und ihr einen Strauß Blumen überreichen.
"Danke, Sir! Ich fühle mich geschmeichelt.", den Wink verstehend nahm sie das Schwert in entsprechender Haltung am Knauf. "Nieder mit dir, du Bösewicht!"
Zaidas Haare flogen im Wind als sie auf ihn zu rannte. Opgèding wich den energischen Schwerthieben sorgsam aus.
"Nicht so stürmisch! Bei dem Kraftaufwand haltet ihr nicht lange durch!"
Erst nach einer Weile nahm er das kleine Holzschwert zur Hilfe, als ihm die Madame doch ein wenig zu stark wurde. "Benutze deinen Kopf! Nicht deine Arme."
Er beschrieb einen Halbkreis mit seinem Schwert. Das Holz krachte auseinander und vom Schwung mitgenommen wurde Zaida ihr Schwert aus der Hand gerissen.
"Ich sagte dir doch schon gestern: Halte dein Schwert so fest es geht, aber dann schwinge es, als wäre es leicht wie eine Feder!"
"Leicht wie eine Feder...", murmelte Zaida und packte ihr Schwert fest.
Sie führte einige gelungene Schläge gegen ihren Gegner aus und schlug ihm dann auf die Hand. Opgèding, der darauf nicht gefasst war, ließ sein Schwert los und schüttelte seine von Nerven zerrüttete Hand.
"Gewonnen!"
Verwirrt sah er auf und lachte dann. "Sehr gut!"
Ein Klatschen ertönte rechts von ihr. Zaidas Kopf wirbelte herum und ein Lächeln flog über ihre Lippen, als sie ihre Eltern, das Königspaar Meridiaens, neben einem der Pfähle stehen sah. Ihre Mutter lächelte zurück und klatschte nun noch lauter. Opgèding musterte die beiden Frauen. Zaida hatte sehr viel von ihrer Mutter und fast gar nichts von ihrem Vater. Ihre Mutter war die hübsche, lächelnde Hofdame, übertrieben freundlich aber im Volk beliebt. Ihr Vater war ein stiller Kämpfer, hatte kaum Kontakt zu seinen Männer, einzig und allein ihm, Opgèding, vertraute er das ein oder andere an. Zaida lachte viel und gern, wie ihre Mutter, und war genauso beliebt wie sie, was hauptsächlich von ihrer Gesprächigkeit herrührte. Sie hatte die selben azurblauen Augen, die selben endloslangen, schwarzen Wimpern, ihre hellbraunen Haare, die sich so geschmeidig in eine Zopfform bringen ließ, die gleichen langen, schlanken Beine, die gleichen geschmeidigen Gesichtszüge und doch hatte sie einen kräftigeren Körperbau, der ihres Vaters, und auch ihre Kampfkunst erinnerte mehr an diesen. Vom Äußeren her erkannte man die beiden Frauen sofort als Mutter und Tochter, lediglich die Augenfalten und die Größe unterschieden sie von einander. Opgèding sah seinen Schützling gerne Lachen, dieses Lachen verzauberte ihn jedes Mal aufs Neue. Er verstand die Prinzen nicht, die sie abgelehnt hatten, aber sie hatten das Mädchen auch nicht gesehen. Zaidas Lachen verstummte, was Opgèding aus seinen Gedanken riss. Er folgte ihrem Blick und landete somit beim Vater. Seine Augenbrauen waren zusammengezogen und seine sowieso schon kleinen Augen wirkten noch kleiner als sonst. Er lachte nicht und der leichte Stoppelbart ließ ihn wild aussehen. Zaida drehte sich zu Opgèding um und sah ihn verwirrt an. Er nahm es nur aus den Augenwinkeln wahr. Sein Blick galt dem König, dem König der ihn beinahe wütend ansah. Wie gern hätte Opgèding ihn nach dem Grund seines Zornes gefragt, doch er wusste, dass sich dies nicht mal für einen Hauptmann seines Standes geziemte. Er konnte sehen, wie Lady und Königin Caitlin mit ihrem Ellenbogen König Jakal leicht anrempelte und ihm etwas zuflüsterte.
Obwohl der König sehr leise sprach verstand Opgèding jedes seiner Worte genau. Es war als wären alle anderen Geräusche verklungen. "Ich wünsche, dass sie meine Tochter im Kampf unterrichten, Hauptmann, und keine Spielchen mit ihr spielen."
Opgèding hätte am liebsten widersprochen, doch seine Ausbildung lehrte ihn Gehorsam. Er ließ sich nicht anmerken was er dachte, verzog keine Miene, als er sich verbeugte. "Ja, Sir!", bei diesen Worten sah er König Jakal fest in die Augen. Der König wusste, dass er in Opgèding einen treuen Verbündeten hatte und Opgèding war der einzige Grund, weshalb die übrigen Männer zu ihm hielten. Doch das hinderte ihn nicht daran, Opgèding klare und manchmal auch ruppige Befehle zu erteilen.
Der König nickte kurz und verschwand mit seiner Frau Richtung Mauer, um ins Schlossinnere zurückzukehren.
"Er meint es nicht so!", murmelte Zaida strahlend. "Vater ist einfach wütend auf mich, weil er mich irgendwann vermutlich mit einem bürgerlichen verheiraten muss!"
Opgèding horchte auf. Sollte er vielleicht... Doch den Gedanken schlug er sich schnell wieder aus dem Kopf. Sie war viel zu jung für ihn, oder er war zu alt für sie.
"Los, lasst uns mit dem Bogenschießen weiter machen!", befahl er ihr, mehr um sich selbst abzulenken.

* * *

Er berührte den Arm der jungen Frau nur leicht. "Zieh bis zum Mundwinkel zurück. Zielen, nicht wackeln, ganz ruhig! Werde eins mit dem Bogen ziele an dem Pfeil entlang und bedenke, was ich dir beigebracht habe ... Lass los."
Die Frau klappte lediglich ihre drei Finger, die die Sehne zurückhielten, nach vorne. Der Pfeil durchpflügte die Luft und traf sein Ziel ohne an Geschwindigkeit zu verlieren. Getroffen sank die Wildsau zu Boden und verblutete erbärmlich.
"Sauberer Schuss!", lobte Opgèding die junge Frau.
Zaida lächelte ihn dankbar an. Doch ihre Augen drückten die Traurigkeit aus, die sie seit einigen Monaten nun schon gefangen hielt. Wieder fiel ihm auf, wie ähnlich sie doch ihrer Mutter war, die ihre Traurigkeit auch nie zeigte.
"Was habt ihr, Zaida. In einem viertel Jahr ist euer achtzehnter Geburtstag! Ihr solltet euch freuen!"
"Ja... vielleicht..." Sie lachte wieder und ließ sich von dem Pferd gleiten, auf dem die beiden saßen. "Los! Bringen wir die Wildsau nach Meridiaen! Die werden sich freuen, dann gibt es heute Abend mal wieder ein richtiges Fest."
Opgèding nickte der jungen Frau zu. Jetzt war sie noch schöner, wie das Mädchen, das er gekannt hatte, schöner sogar wie ihre Mutter je gewesen war, und sie wurde jedes Jahr schöner, so fand er es zumindest. Doch seit ihr Vater und einige andere Soldaten in den Krieg gezogen waren, war sie still und traurig geworden, zumal sie um das Leben ihres Vaters fürchtete. Er erinnerte sich noch gut an das Gespräch, das sie vor einiger Zeit in ihrem Garten hatten. Sofort fuhr er sich über seine rechte Wange.
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"Ihr wolltet mich sprechen Mylady?"
Sie drehte sich zu ihm um und stand auf. Sein Blick glitt über ihr Lächeln hinab über ihre Figur über das Kleid, das sie trug, wenn ihr dies unangenehm war, so ließ sie es sich nicht anmerken. Er konnte sich gar nicht genug an ihr satt sehen. Die kunstvolle Frisur, das bläulich-silberne Kollier, das in hellen und dunklen Blautönen erstrahlende Kleid, ihr silbernes Diadem, mit Diamanten besetzt... So festlich bekam er sie nur selten zurück. Sie schien in dieser Kleidung ein völlig anderer Mensch zu sein als mit den Lederklamotten, die sie zum Kämpfen anhatte.
"Setzt euch doch bitte!", sie wies auf die Bank, auf der sie eben noch gesessen hatte.
Opgèding ging der Bitte nach. Die Bank stand unter einem idyllischen Baum, der seine Äste wie ein Dach über die beiden ausbreitete. Zaida sah ihn nicht an, sondern blickte auf den Teich, der einige Schritte unter ihnen begann. Er blickte sie von der Seite her an. Ihre leicht gebräunte Haut, die von hellem Teint überdeckt wurde, die rötlichen Lippen, die langen Wimpern, ihre perfekt gezupften Augenbrauen und ihre Augen selbst. Diese Augen waren so unendlich tief, bargen so viele Geheimnisse und doch war er erstaunt, als er aus ihnen eine Spur Trauer entnehmen konnte.
"Was habt ihr?"
"Ich habe Angst, um meinen Vater... Warum seid ihr nicht mit geritten?"
"Seine Anweisungen waren hier zu bleiben und euch zu beschützen, Fräulein."
"Nenn mich Zaida! Ihr seid mit meiner Familie nun schon lange befreundet und ich kenne dich seit ich ein Baby war."
Opgèding lächelte. "Dann duzet mich bitte, Zaida."
Sie nickte ihm zu und blickte in den Horizont. "Hatte ich nicht einst eine Schwester?"
Opgèding nickte, verwirrt darüber, warum sie dies nun ansprach.
"Wo ist sie?"
"Weit, weit entfernt von hier. Sie wurde in ein anderes Königreich verheiratet!"
Nun nickte Zaida. "Ja, das habe ich mir bereits gedacht... Opgèding, verrätst du mir, warum ich nie verheiratet wurde."
"Mylady, ...Zaida!", Opgèding verhaspelte sich. Er wusste, das König Jakal seiner Tochter nie etwas über die Weissagung erzählt hatte und er war ebenso wenig befugt dazu, es ihr jetzt zu sagen, doch als er in ihre von Tränen erfüllten Augen blickte, brachte er es nicht übers Herz, ihr die Wahrheit zu verschweigen. "Als Baby hat eine Wahrsagerin über euch geweissagt, dass ihr die Königin der Rosen seid und vor eurem achtzehnten Lebensjahr bereits viele Schlachten geschlagen haben werdet. Nun, ...niemand weiß, wo sich diese Rosen befinden und kein Prinz möchte eine Frau haben, die erstens vielleicht mit jemand anderem verheiratet ist und zweitens, die kämpft."
"Aber dass ich kämpfe liegt doch allein daran, dass mein Vater es wollte. Woher wollen sie zudem wissen, dass ich vermählt bin? Also ich kenne keinen Gatten."
"Ob ihr vermählt seid oder nicht weiß keiner. Sie befürchten es, da ihr als Königin der blauen Rosen eigentlich mit dem König der blauen Rosen verheiratet sein müsstet. In unseren Landen gilt man doch sonst nicht als Königin. Außerdem war euer Vater immer strikt dagegen, dass ihr kämpftet! Eure Mutter war es, die ihn dazu überredet hat, euch im Kampf unterrichten zu lassen."
"Und nun ist sie tot..."
"Ihr Dahinscheiden hat jeden von uns schwer getroffen, aber es ist ein Grund mehr für euch, tapfer zu bleiben."
"Was hat es mit diesen Rosen auf sich?"
Opgèding seufzte. Eigentlich sollte nicht er hier stehen, sondern ihr Vater. "Nun, Zaida. Es heißt, derjenige, der die Rosen zu kontrollieren vermag, bekommt von ihnen eine große magische Kraft. Sie soll dafür genutzt werden, um Frieden in unser Land zu bringen. Es herrschte jetzt schon länger kein Krieg mehr, da die einzelnen Königreiche sich untereinander immer wieder verheiratet haben. Doch nun ist wieder Krieg ausgebrochen. Der Bruder schert sich nicht mehr darum dem Bruder seinen Besitz wegzunehmen. Viele von uns glauben, einzig und allein die Rosen können Frieden bringen."
"Also ich, ..."
Opgèding nickte.
Zaida erhob sich ruckartig und er tat es ihr gleich, allerdings langsamer. "Mylady?"
"Ich danke dir, Opgèding! Ihr habt mir einen großen Dienst erwiesen. Geht nun! Lasst mich allein."
Sie drückte ihm einen kurzen Kuss auf die Wange, wies ihm aber gleichzeitig streng an zu gehen. Obwohl er über diesen Kuss verwirrt war, tat er, was sie verlangte.
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Es war für ihn wie ein Traum, als er sich an diese Begebenheit zurückerinnerte.
Es war lediglich drei Tage her, und doch ... Zaida kam zurück, die Wildsau auf ihrem Rücken über den Rücken einer weiteren Stute gleiten lassend.
"Was hast du jetzt eigentlich vor?", fragte Opgèding während er Zaida beim Aufsteigen beobachtete.
"Wegen was?"
"Den Rosen."
Zaida schwieg, dann trieb sie ihre Stute an und lenkte sie ohne ein weiteres Wort Richtung Schloss.
"Ihr habt meine Frage nicht beantwortet!"
Zaida wandte sich zu ihm um. "Nun, ich vermute, ich werde mich auf die Suche nach diesen Rosen begeben."
"Was? Keiner weiß, wo sie sich befinden!"
"Doch. Ich habe mich in der Bibliothek erkundigt. Es gab ein Mann, der es wusste. Die Rosen befinden sich in einem Garten, vor einem blauen Schloss. Die Königsfamilie, die dort einst lebte, ist vor langer Zeit gestorben. Doch es heißt, dass der Gärtner der Familie die Jahre überdauert hat und auf seinen neuen Herrn in einem Dorf nahe dem Leichenfluss wartet."
Opgèding ließ ein kurzes Auflachen ertönen. "Und wie alt soll dieser Gärtner sein?"
"Über tausend, wenn man der Legende Glauben schenkt."
"Das ist es eben. Es ist nur eine Legende! Außerdem ist der Leichenfluss unendlich lang. Niemand weiß woher er seinen Namen hat und niemand ist seinem Lauf je von Anfang bis Ende gefolgt!"
"Ich muss ihm ja auch nicht von Anfang bis Ende folgen!", protestierte Zaida. "Ich muss ihm nur solange folgen, bis ich den Gärtner gefunden habe!"
"Das wäre genauso dumm, wie alle unbekannten Orte des Landes abzusuchen."
"Wieso willst du nur die unbekannten absuchen?"
"Weil dieses Schloss sonst schon längst bekannt wäre."
"Die Rosen sind magisch, vielleicht haben sie das Schloss verschwinden lassen und nur wenn ich den Ort betrete, an dem es früher gestanden ist, zeigen sie sich."
"Vielleicht, vielleicht, vielleicht! Das sind alles nur Vermutungen!"
"Aber ich muss es durchführen! Mein Vater braucht meine Hilfe. Wenn er die eure schon nicht hat."
Dies versetzte Opgèding einen Stich ins Herz. "Ich sollte euch beschützen, nicht euren Vater...", er sagte dies leise, sodass Zaida es nicht hören konnte. Doch er sah ihr an, dass ihr der Ausbruch eben Leid tat. "Wann reitet ihr los?"
"Morgen Mittag!"
"Das hättet ihr mir früher sagen sollen. Ich muss dann wohl oder übel heute Nacht noch packen. Habt ihr dem Koch schon auf den Proviant angesprochen?"
"Ja, aber...", weiter kam sie nicht, denn Opgèding unterbrach sie bereits wieder:
"Dann werde ich ihm wohl sagen müssen, dass er Proviant für zwei hinrichten soll."
Zaida hielt ihre Stute Pienna an. "Ihr wollt doch nicht etwa..."
"Euer Vater sagte mir, dass ich auf euch aufpassen soll, das heißt: doch! Ich werde mit euch mitkommen!"
Damit ritt er weiter über die Zugbrücke durch das Tor, an dem sie eben angekommen waren. Somit ließ er Zaida keine Zeit um zu protestieren.

* * *

Zaida gähnte herzhaft. Sie war nicht gerade zimperlich, aber sie ritten nun schon ganze drei Wochen und auf dem harten Boden konnte sie kaum schlafen. Opgèding füllte gerade ihre Trinkschläuche wieder an einer frischen Quelle auf. Vor gut zwei Wochen hatten sie den Leichenfluss erreicht, waren an seinen Läufen weiter geritten und hatten gut zehn Dörfer passiert. Nirgends hatte man je von den blauen Rosen oder einem Gärtner gehört. Das Flusswasser war nicht zum trinken geeignet und so hatten sie öfters auch nach Quellen fragen müssen. Dies war die erste seit langen. Herzhaft hatte sich Zaida das Wasser ins Gesicht geschmissen und gierig hatte sie aus ihrer Handfläche getrunken.
"Wir nähern uns der Grenze!", informierte Opgèding sie.
"Das heißt?"
"Wir müssen vorsichtiger sein! Du weißt doch, es herrscht Krieg! Sobald wir das andere Land passiert haben, werden wir in einer großen Gefahr sein! Vor allem ihr als Tochter der Königs."
Zaida zuckte mit den Schultern. "Es muss ja niemand erfahren, dass ich die Tochter des Königs bin, oder?"
Opgèding sah sie zweifelnd an. "Mir wäre es lieber, wenn wir deinen Gärtner finden bevor wir die Grenze passieren."
Zaida nickte. "Das wäre natürlich besser, ja!"

* * *

Sie ritten weitere sechs Tage, bevor sie ein Dorf kurz vor der Grenze erreichten.
"Unser Brot geht zur Neige, ich werde uns neues besorgen!", erklärte er, bevor er sich vom Rücken seines rot-braunen Hengstes Farnir schwang. Er übergab Zaida die Zügel, die dort auf ihn warten sollte. Zaida sah sich um. Sie waren noch ziemlich am Dorfrand, doch sie stand bereits ziemlich in der Nähe des ersten Hauses. Ein älterer Mann pflanzte gerade eine Blume ein. Er stöhnte, als sie nun schon zum zweiten Mal umfiel, während er sie zuschaufeln wollte. Zaida ließ sich auf den Boden gleiten und band ihre beiden Pferde an einen Zaunpfahl. Neugierig betrat sie den Garten.
Der Mann musterte sie misstrauisch. "Was wollt ihr hier, Mylady?"
"Euch helfen! Darf ich?", Zaida lächelte.
Angesichts dieses Vorschlags hellte sich auch die griesgrämige Miene des Alten auf. "Gerne. Könntet ihr dieses Rosenbäumchen hier vielleicht festhalten, während ich das Loch zuschütte?"
Zaida tat wie ihr geheißen. Nach gut fünf Minuten hatte der Mann seine Arbeit beendet. "Euch hat der Himmel geschickt, meine Liebe. Ich weiß nicht, wie lange ich noch daran hätte Arbeiten müssen! Wie heißt ihr eigentlich? Ich sehe euch an, dass ihr von adligem Blut sein müsst."
"Ich, ... nun um genau zu sein bin ich das nicht. Ich bin die Tochter der Urenkelin der Großmutter der verstorbenen Königin! Sie hat mich bei sich aufgenommen und nun begleite ich Hauptmann Opgèding auf Wunsch ihrer Majestät Prinzessin Zaida."
"Aha..." Der alte Mann sah aus, als hätte er dies nicht ganz verstanden. "Und wie soll ich euch nennen, Um-zwanzig-Ecken-Verwandte der Königin?", ein Lächeln bildete sich um seinen Mund und seine Augen.
"Nennt mich Mitja! So nennen mich alle." Zaida lachte, dann betrachtete sie die Rosen. Das wiederum erinnerte sie an die blauen Rosen und den Gärtner. Geistesabwesend fragte sie: "Ihr mögt wohl Rosen, was?"
Der Mann nickte. "Ich habe schon immer mit Rosen gearbeitet! Früher hatte ich einen ganzen Garten bei einer Königsfamilie, um den ich mich kümmern musste. Da waren auch hauptsächlich Rosen. Aber...", er stockte und musterte sie auf einmal misstrauisch. "Warum wollt ihr das überhaupt wissen?"
"Nur so...", doch dann besann sie sich eines besseren. Irgendjemand musste sie ja schließlich fragen. "Ich und mein Begleiter sind auf der Suche nach dem Gärtner der blauen Rosen."
"Was wollt ihr denn von dem?"
Zaida sah erstaunt auf. "Kennen sie den Gärtner etwa?"
Der Mann musterte sie immer noch misstrauisch. "Jein, ... also, ... Ja schon, aber ich glaube, er ist bereits vor langer Zeit gestorben. Ich habe ihn zumindest schon lange nicht mehr gesehen! Aber was wollt ihr eigentlich von ihm?"
Zaida hatte bereits einen Hoffnungsschimmer gehegt, der nun zerstört worden war. Entsprechend ruppig antwortete sie: "Das ist nur für die Ohren des Gärtners bestimmt! Es handelt sich dabei um etwas Vertrauliches."
Der Mann schien scharf nachzudenken. "Folgt mir bitte!", entschied er dann plötzlich.
Er brachte sie in sein Haus. Von innen wirkte es viel imposanter wie von außen. Tausend verschiedene Rosenarten blühten in ihm und die Wände waren verziert. Er bat Zaida sich zu setzten und setzte Tee auf. Schließlich setzt er sich auf einen Schemel vor ihr.
"Was wollen sie von mir?"
Er musterte sie nur. Gab keine Antwort. Zaida war unwohl zu Mute. Was hatte er mit ihr vor? Draußen war ihr der Mann so sympathisch vorgekommen. Jetzt schlotterten ihr die Knie vor Angst. Opgèding hatte sie davor gewarnt, dass es in der Nähe der Grenze gefährlich für sie sei. Vielleicht hatte der Mann sie als die Prinzessin erkannt, die sie war. Ihr stieg eine unsägliche Hitze auf, denn plötzlich hatte sie das Gefühl, er hätte ihre Gedanken gelesen.
"Zaida? Zaida!", hörte sie die entsetzt Stimme Opgèdings draußen rufen. Kurz darauf konnte sie ihn durch eines der offenen Fenster sehen. Gleichzeitig warf sie dem Mann einen entsetzten Blick zu. Er musste wissen, dass ihr Begleiter nach ihr rief, aber sie hatte sich ihm als Mitja vorgestellt und von Prinzessin Zaida als Auftraggeberin. Nun würde er wissen, wer sie wirklich war. Zaida sprang auf und wollte nach draußen rennen. Augenblicklich schlugen die Fenster zu und Rosen rankten sich um die Tür. Rosen mit Dornen, durch die sie nicht hindurch kam. Entsetzt drehte sich die junge Prinzessin zu dem alten Mann um.
"W-was haben sie jetzt vor?"
"Herauszufinden was ihr in diesem kleinen Dorf sucht und von dem Gärtner der blauen Rosen wissen wollt, Prinzessin Zaida! Und dann wäre es noch ganz nett, wenn ihr mir erklären würdet, warum ihr mir nicht gleich gesagt habt, wer ihr wirklich seid!"
Zaida antwortete bissig: "Viel Respekt vor eurer angehenden Königin scheint ihr ja nicht zu haben!"
"Ich habe nur eine Königin!", antwortete der Mann ruhig. "Und das ist die blaue Rose."
"Und was ist, wenn ich diese blaue Rose wäre?"
Der Greis lachte auf. "Ja! Ich habe von diesem Unsinn gehört! Eine Wahrsagerin hat bei eurer Geburt geweissagt, dass ihr die blaue Rose wärt. Nun wenn dem so wäre, was ich bezweifle, dann würde ich mich euch unterordnen und mich um eure Rosen kümmern, denn ich bin der Gärtner, den ihr sucht, Prinzessin Zaida!"
Zaida erstarrte. "Was?" Ihre Augen weiteten sich. "A-aber..."
"Die alte Legende behauptet, dass ich nun schon über tausend sei, aber, die Legende irrt. In Wirklichkeit wurde das Geheimnis der blauen Rose über Jahre hinweg weitergegeben. Immer nur an einen, den Gärtner. Er sollte warten bis die blaue Rose zurückkehrte!"
Zaidas Atem ging stoßweise. "Bitte! Bringt mich zu den blauen Rosen! Es ist dringend! Mein Vater ist im Krieg und er wird die blaue Rose brauchen."
"Euer Vater?" Traurigkeit spiegelten sich in den Augen des Mannes wider. "So hat es euch niemand erzählt?"
"Was? Was denn?"
"Euer Vater ist tot. Er und seine Soldaten sind vor drei Tagen in der Schlacht gefallen!"
Zaida wurde bleich. Langsam ließ sie sich auf ihren Stuhl zurücksinken.
"Es tut mir Leid. Ich kannte euren Vater nicht, aber das, was auf den Tod des Königs folgen wird, ist bekannt!"
"Gegen wen hat er eigentlich gekämpft?" Zaidas Stimme war tonlos.
"Soweit ich weiß gegen den Lord Orkentahls!"
"Und dieser ist auf den Weg in unser Schloss, richtig?"
Der alte Mann nickte. "Er wird sich nach und nach alle größeren Burgen unterwerfen und zu guter letzte euer Schloss einnehmen, Prinzessin! Dann gehört das ganze Territorium eures Vaters ihm!"
"Und er wird nicht damit aufhören! Er wird unsere Ritter und Männer in weitere Kämpfe verwickeln, bis er den ganzen Kontinent erobert hat!"
Der Mann nickte erneut.
Nun sank Zaidas Kopf in ihre Hände und sie begann zu schluchzen. "B-bitte! I-ihr mü-müsst - müsst mir e-einfa-fach hel-helfen! Nu-nur"; sie schluckte und brachte somit den Rest in einem Satz ohne sich mit Schluchzern zu unterbrechen hervor. "Nur die blauen Rosen können unserem Land Frieden bringen!"
Der Mann nickte wieder und schlagartig wurde ihm bewusst, was er eben getan hatte. "Nun... man kann die blauen Rosen aber nur finden, wenn man die blaue Rose, also die Königin der blauen Rosen, ist!"
"Aber ich habe sie nicht gefunden! Alle meine Hoffnungen lagen bei euch!"
"Vielleicht weil ihr nicht wisst, wo ihr suchen sollt."
"Und wo soll ich das eurer Meinung nach?" Sie hob ihren Kopf und sah ihn an. Ihr Gesicht war rot und verheult, doch keine Träne lief mehr über ihre Wangen.
Der Gärtner schluckte. "Nun,... in eurem Herzen und..." Plötzlich stand er auf. "Ihr und euer Gefährte sollt mir folgen!"
Er warf den Rosenranken einen kurzen Blick zu und sie zogen sich zurück, gaben die Tür wieder frei. "Ich komme gleich nach!"
Zaida nickte erstaunt. Sie rannte nach draußen. Opgèding kam ihr entgegen, sobald er sie erblickte. Erstaunt sah sie sein verzweifeltes Gesicht und dann schloss er plötzlich seine Arme um sie. "Ich - ich habe mir Sorgen um euch gemacht. Wo wart ihr?", fragte er, sie fest umarmend.
Zaida ließ es über sich ergehen. "Ich habe den Gärtner gefunden!"
Erstaunt schob Opgèding sie von sich weg und sah in ihr verheultes Gesicht. "Den Gärtner? Und deshalb habt ihr geweint."
Zaida schluckte und schüttelte den Kopf. Leise und mit einem heftigen Kloß im Hals flüsterte sie: "Papa ist tot. Lord Orkentahls wird in ein paar Tagen Schloss Meridiaen eingenommen haben!"
Plötzlich brach sie erneut in Tränen aus und vergaß alles um sich herum. Sie schmiegte sich an seine Brust, wollte von ihm getröstet werden. Er tröstete sie, auch wenn sie spürte, dass er selbst der Verzweiflung nahe war.
"Ist das der Gärtner?", fragte er plötzlich.
Zaida schluckte ihre restlichen Tränen hinunter und drehte sich um. Dort kam der alte Mann. Zaida nickte.
"Wie heißt er." Zaida hörte erstaunt das Misstrauen in seiner Stimme.
"Ich ... ich weiß nicht."
Der Gärtner gesellte sich neben sie, er hatte einen Rucksack auf seinem Rücken.
"Wie nennt ihr euch?" Opgèdings Stimme klang hart und ließ genau durchscheinen was er dachte.
"Lieber Hauptmann, in diesem Dorf nennt man mich Olaf, doch eigentlich bin ich nur der Gärtner!"
"Olaf! Ich werde mir den Namen merken. Wo befinden sich die blauen Rosen?"
"Ich werde sie dort hinführen, wenn sie mir vertrauen."
"Du kannst ihm vertrauen, Opgèding!", murmelte Zaida.
"Warum?"
"Weil ... er unsere einzige Chance ist!", erwiderte sie.
"Stimmt mich nicht sehr zuversichtlich."
Olaf verdrehte die Augen. "Was ist? Kommt ihr nun?"
Opgèding nickte scharf. Doch Zaida schluckte schnell.
"Opgèding, ich glaube, es ist besser, wenn ihr zurück nach Meridiaen reist!"
Bleich drehte sich der Hauptmann zu seiner jungen Königin um. "Aber wieso das denn? Ich..."
Zaida unterbrach ihn schnell. "Irgendjemand muss den Soldaten und Hauptmännern bescheid geben, dass Lord Orkentahls auf dem Weg dorthin ist."
"Das kann einer der Männer aus diesem Dorf machen."
"Ich vertraue ihnen nicht. Mir ist es lieber, wenn ihr dort hin reitet. Bitte, Opgèding. Ich befehle euch das nicht als Königin, ich bitte euch, als Freundin!"
Opgèding schluckte. "Ich werde tun, was ihr von mir verlangt, Mylady. Aber mir behagt die Vorstellung nicht, euch in den Händen dieses Gärtners zurückzulassen."
"Wenn er uns nicht helfen kann, dann sind wir verloren, so oder so!"
Opgèding nickte. Dann küsste er sie auf die Stirn. "Passt auf euch auf und kehrt bitte so schnell wie möglich nach Meridiaen zurück!"

* * *

Olaf führte sie zu Fuß, während Zaida hinter ihm her ritt. Sie vermisste Opgèding, aber sie wusste, dass dies das einzig Richtige war. Die einzige Möglichkeit, ihr Land zu retten!
Olaf führte sie drei Tage lang, fast direkt an die Grenze in einen Wald. Schließlich stoppte er auf einer Lichtung. Zaidas Gefühl sagte ihr, dass sie ihm vertrauen konnte, dennoch fürchtete sie sich, fürchtete sich vor dem was geschehen war und was geschehen konnte.
"Und jetzt?" Ein Zittern schwankte in ihrer Stimme mit.
"Jetzt musst du es in deinem Herzen finden."
Und wie sollte das funktionieren? Zaida hatte keine Ahnung. Sie seufzte und schloss ihre Augen. Langsam aber sicher spürte sie Wärme in ihr aufsteigen. Keine aus Scham, nein! Wohltuende Wärme, die sich in ihrem ganzen Körper ausbreitete. Sie hörte Olaf erstaunt Luft ausstoßen und öffnete ihre Augen. Ihr Mund klappte auf. Das durfte doch nicht wahr sein. Dort, wo vorhin noch Wald gewesen war, stand nun ein schönes, großes Schloss und um sie herum war ein Garten, voller blauen Rosen...
Zaida zuckte zusammen. Kaum war die Kraft der Rosen in sie übergegangen konnte sie es spüren, die Veränderung, das Treiben in ihrem Land. Ihr wurde schwindelig, abwechselnd heiß und kalt. Tausende von Bildern zischten in ihrem Innern umher.
"Konzentriere dich auf das, was du sehen willst!", riet Olaf, der genau zu wissen schien, was in ihr vorging.
Zaida nickte. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich auf Opgèding, auf Schloss Meridiaen. Sie sah das Schloss, voller böswilliger Soldaten angefühlt. Lord Orkentahls hatte es eingenommen. Sie war zu spät... Dann glitt das Bild hinüber zu Opgèding. Er hatte diese drei Tage gebraucht um überhaupt zum Schloss zu kommen. Ein Schrei entfuhr Zaidas Lippen. Weinend krümmte sie sich auf dem Boden.
"Was habt ihr gesehen?" Olaf wirkte entsetzt. "Mylady! Meine Königin!"
Zaida zitterte. Tränen rannen in Sturzbächen über ihr Gesicht. "Lord Orkentahls hat Meridiaen eingenommen!"
Olaf wurde bleich. "Aber... Es ist noch nicht zu spät! Sie können es zurück erobern!"
"Und mit welcher Armee?", erwiderte Zaida kalt. "Meine Männer sind alle tot! Alle!"
"Auch ... ihr Hauptmann?"
Zaida nickte. Sie hatte es gesehen. Hatte den Pfeil gesehen, der sich in seine Brust gebohrt hatte, hatte sein schmerzverzerrtes Gesicht gesehen. Sie machte sich Vorwürfe. Warum hatte sie ihm befohlen zu gehen, warum hatte sie ihm eigentlich nie gesagt, was sie für ihn empfand. Ihr Herz zog sich zusammen.
"Ihr dürft nicht aufgeben!", befahl Olaf. "Ihr müsst stark bleiben!"
Stark? Zaida fühlte sich nicht stark. Dennoch breitete sich ein anderes Gefühl in ihr aus, ein Gefühl des Hasses und der Rache. Sie wollte Rache. Wütend erhob sie sich.
"Passt auf den Garten auf!" Zaida sprach ruppig, hart. Sie ging hinüber zu Pienna und schwang sich auf.
"Lauf, so schnell wie du nur kannst."
Sie stieß Pienna die Fersen hart in den Bauch, sodass diese sich vor Schmerz aufbäumte und in einen schnellen Galopp übersprang.

* * *

Sie ritt über die großen Ebenen, den Fluss entlang nach Meridiaen. Tag, Nacht, das alles machte keinen Unterschied mehr. Pienna brach beinahe unter ihr zusammen. Doch Zaida zwang sie unbarmherzig noch schneller zu laufen. Sie war blind, blind vor Rache, Schmerz und Liebe. Sie brauchte lediglich drei Tage, um Meridiaen zu erreichen. Sie hatte den doppelten Weg in der gleichen Zeit zurückgelegt, wie Lord Opgèding.
Lord Orkentahls schien sie bereits zu erwarten. Sie kam an der heruntergelassenen Zugbrücke an. Zögernd verlangsamte Zaida den Gang Piennas. Im Schritt betrat sie den Schlosshof, vollkommen ruhig. Niemand war zu sehen. Oder doch. Zaida zog ihr Schwert aus der Scheide.
"Zeig dich! Elender Schweinehund."
"Beleidige nicht unseren Herrn!", kam es zurück.
Von wo konnte Zaida nicht erkennen, doch sie wusste, dass Lord Orkentahls einen Zauber über seine Soldaten gehängt hatte. Mit einem Augenzwinkern ihrerseits war der Zauber verschwunden. Nun sah sie all die Soldaten, die überall um sie herum standen, ihre Waffen hoch erhoben. Zaida ließ nur ein kurzes Lachen ertönen und schnipste mit dem Finger. Die Waffen der Soldaten erhoben sich von selbst und töteten ihre Träger. Ächzend sank jeder einzelne der Soldaten in die Knie. Zaida war umgeben von Leichen doch das störte sie nicht mehr. Sie ließ sich von ihrem Pferd gleiten und durch die Leichen hindurch und betrat das Schlossinnere. Ihre Schritte hallten einsam und allein in der riesigen Halle wider. Sie achtete nicht darauf, ging ohne sich umzusehen auf den Thronsaal zu. Mit einem Fußtritt ließ sie die Tür aufgehen. Die Hauptmänner waren darauf vorbereitet. Mit gezückten Schwertern rannten sie auf das junge Mädchen zu.
"Halt!", ertönte plötzlich eine Stimme. Wütend steckten die Soldaten ihre Schwerter in die Scheiden zurück.
Ein dünner Mann erhob sich, vielleicht Mitte vierzig, vielleicht jünger. Er war einer der Menschen, denen man das Alter nicht ansah.
"Gehe ich richtig in der Annahme, dass ihr Lord Orkentahls seid?"
Der Lord nickte. "Ja, das bin ich!"
"Dann befehle ich euch, verschwindet aus meinem Land oder ihr werdet die Macht der blauen Rose zu spüren bekommen."
Der Lord erhob sich lachend. "Mylady, ihr seid eine ausgezeichnete Kämpferin und mit eurer Gabe seid ihr noch dazu im Stande eine Armee von tausenden zu töten! Aber deshalb werde ich mir noch lange keine Befehle von euch erteilen lassen. Dazu seid ihr zu jung, ihr seid ja noch nicht einmal volljährig."
"Doch! Seit gestern!", erwiderte sie wütend. "Und es ärgert mich, dass ich euretwegen mit niemandem als mit meinem Pferd meinen achtzehnten Geburtstag verbringen konnte!"
"So, dann seit ihr nun also volljährig?"
"Und bereit, Meridiaen und seine Ländereien zu befehligen!"
Lord Orkentahls lachte wieder, obwohl Zaida Angst in seinen Augen lesen konnte. "Nun, dann lasst uns das wie Männer ... ich meine", er hüstelte unter einem leichten Kicheranfall und seine Männer begannen ebenfalls lauthals zu lachen. "Ruhig!", befahl er ihnen augenblicklich zornig. "Ich meinte natürlich...", wandte er sich somit wieder an Zaida, "...wie Erwachsene austragen! Bringt mir mein Schwert!"
Zaida zog ihr eigenes. Einen Zweikampf wollte er also? Nun, das konnte er haben!
Nun standen sie sich gegenüber. Der Mörder ihres Vaters und Erzfeind ihres Königreiches. Sie ging sofort in den Angriff über. Mühelos parierte er jeden ihrer stürmischen und unüberlegten Angriffe. Zwar zwängte sie ihn somit in die Defensive, wurde aber immer müder. Plötzlich fiel ihr ein, was Opgèding einst zu ihr gesagt hatte:
"Nicht so stürmisch! Bei dem Kraftaufwand haltet ihr nicht lange durch!"
Sie wurde ruhiger, ihre Angriffe geschmeidiger. Das Schwert war für sie wie eine Verlängerung ihres Armes und dann hatte sie ihn, schlug ihm einfach die Hand ab. Erstaunt sah er sie an. Er hatte zwar noch seine rechte Hand, doch sie stellte sich auf das Schwert, welches Blutbeschmiert war und hinderte ihn somit daran, es wieder aufzunehmen. Stattdessen hielt sie ihm ihre Klinge an die Kehle.
"Wenn du zustößt... Dann töten sie ihn!", schrie er plötzlich. Zaida drehte sich um und wurde bleich. Einige Männer hielten Opgèding fest, ein Schwert an seine Brust geheftet und lachten sie aus. Im ersten Moment schlug ihr Herz vor Freude, doch im gleichen Moment wurde sie sich der Lage bewusst, in der er sich befand. Sie würde ihn riskieren müssen, aber das konnte sie doch nicht!
"Tötet ihn!", schrie Lord Orkentahls in dem Moment.
Zaida schrie auf, als einer der Männer sein Schwert in das Herz ihres Freundes stieß. Tränen rannen ihr in Sturzbächen übers Gesicht.
Lord Orkentahls ließ sich ein neues Schwert geben und schlug das ihre beiseite. Machtlos und ohnmächtig vor Schmerz und Trauer sank sie auf die Knie, ließ das Schwert neben sich nutzlos baumeln und ihren Kopf auf ihre Brust gleiten. Lord Orkentahls holte Schwung, bereit ihr den Kopf abzuschlagen, doch als er mit seiner Scheide den Hals berührte, zersplitterte das Schwert. Zaida, plötzlich von erneuter Rache überwogen, sprang auf, wirbelte herum und schlug ihr Schwert in Lord Orkentahls’ Magen. Er erstarrte, spuckte Blut auf die Klinge und sank in sich zusammen. Immer noch weinend zog Zaida das Schwert wieder heraus. Seine Soldaten flohen von Angst gepackt. Zaida ging hinüber zu Opgèding. Sie weinte lange um ihn. Nun hatte sie gar niemanden mehr, dem sie hätte vertrauen können, außer vielleicht...

* * *

 
"Nach Hauptmann Opgèdings Tod bin ich hierher zurückgekehrt und habe alle formellen Angelegenheiten abgeklärt, damit ich zur Königin wurde. Ich hatte dich schon fast vergessen, muss ich ehrlich zugeben. Doch dann kam dein Brief... Ich habe mich sehr gefreut und dich wie du weißt sofort zu mir eingeladen." Zaida lächelte zaghaft.
Auch Aurora lächelte und sah in das Gesicht Zaidas. Es erinnerte sie sehr an ihre Mutter, auch wenn sie wusste, dass sie selbst ihrer Mutter kein bisschen ähnlich sah.
"Du mochtest ihn, nicht wahr? Schwesterherz?"
"Wen?", erwiderte Zaida tonlos.
"Opgèding."
Zaida schwieg zuerst. Doch dann, langsam, als wäre sie sich selbst noch nicht ganz darüber im Klaren, antwortete sie: "Ja, ich mochte ihn sehr... Aber das ändert nichts an seinem Tod."
Sie drehte sich nun gänzlich zu ihrer Schwester um, sodass sich die beiden gegenüber standen.
"Ich ... habe die Erlebnisse vorher niemandem erzählt ... das ist meine Lebensgeschichte..."
"Eine traurige Lebensgeschichte!", murmelte Aurora.
Plötzlich lachte Zaida auf. "Es wird besser werden! Ich bin jetzt vierundzwanzig und Königin! Ich habe noch einiges vor mir! Los komm! Du hast mir sicherlich auch einiges zu erzählen! Wir werden uns zum Essen begeben!"
"Ja!", erwiderte Aurora und lächelte ebenfalls.
Zaida war wirklich genau wie ihre Mutter.
 
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