Weihnachtsgeschichte ´06 von Chaldaran Zakath

Die Winterwolken hatten sich verzogen und gaben den Blick auf einen tristen Himmel frei. 
Frae, der Hirtenjunge, stand mit verweinten Augen auf den Resten der Lawine, die ihn beinahe erfasst hätte. Von seinen Schafen war keine Spur mehr zu finden, obwohl er den ganzen Tag auf und ab gegangen war, hierhin und dorthin. Er hatte gerufen, gepfiffen, sein Schäferliedchen gesungen.
Doch nun zitterte seine Hand so heftig, dass er den Wanderstab kaum mehr halten konnte.
"Ich bin ein Schafhirte. Die armen Tiere. Sie werden sich sicher einsam fühlen. Der Schäfer wird enttäuscht von mir sein."
Als die Sonne grade unterging, erreichte er die windschiefe Hütte vor dem Stall.
Der Schäfer war ein alter Mann mit langem weißen Vollbart und schütterem Haar, das hier und da unter der Fellmütze hervorlugte. Er trug eine Wollweste und paffte auf einer Pfeife. Seine blauen Augen blickten den Jungen groß an, als dieser die Geschichte erzählte.
"Mach dir keine Gedanken, Frae. Das hätte jedem passieren können und es ist nicht deine Schuld. Die Hauptsache ist, dass du wohlauf bist."
"Aber Meister Wotan. Meine armen Schafe irren dort draußen in der Kälte umher. Ich muss sie wieder finden, doch meine Füße wollen mich nicht so weit tragen. Was soll ich nur tun?"
"Ich und all die Dorfbewohner werden dir helfen, mein Junge."
"Mein Vater sagte, ich soll mich eilen, denn alle haben noch so viel zu tun, um pünktlich zum Fest fertig zu sein. Der Bäcker muss Brote backen, der Schmied Kerzenleuchter fertigen. Der Koch muss Braten zubereiten und die alten Frauen den Kräutertee."
"Da hast du recht, mein Junge. Trotzdem würden sie alle einen Teil ihrer Zeit für dich erbringen, um zu helfen. Allein wirst du es nicht schaffen."
"Es muss mir irgendwie gelingen, denn es ist meine Schuld. Hast du nicht einen Rat für mich?"
Der alte Mann setzte sich auf einen einfachen Schemel, zog noch einmal an seiner Pfeife und blies eine große Wolke in die kalte Luft.
"Den habe ich tatsächlich, mein Junge. Ich habe in einem uralten Buch von einer Flöte gelesen, mit der man einmal herbeirufen kann, was man sich am sehnlichsten wünscht. Doch dafür braucht man einige Dinge, die nicht einfach zu besorgen sind."
"Was sind das für Dinge, Meister Wotan? Ich werde gehen und sie besorgen, ganz gleich, wie beschwerlich es sein wird."
"Du bist ein guter Junge. Und ich glaube, dass du es schaffen wirst. Nun hör gut zu.
Es heißt, man braucht ein Stück vom klagenden Holz, das seit Jahrhunderten das Sonnenlicht nicht mehr gesehen hat. Man benötigt den jungfräulichsten Schnee, der das Sternenlicht in sich eingeschlossen hat. Und den Schatten, der von Geheimnis durchtränkt ist. Wenn du diese drei Dinge gefunden hast, werde ich dir eine Flöte schnitzen, die einen einzigen Ton spielt. Und dann wird dein Wunsch in Erfüllung gehen."
"Ich werde tun, was du mir rätst. Doch wie fange ich einen Schatten ein? Und wie nehme ich Schnee mit mir, ohne dass er schmilzt?"
"Das, mein Junge, musst du schon selbst herausfinden. Nur das Stück Holz musst du nahe an deinem Herzen transportieren, hörst du? Und nun geh schlafen. Du musst morgen vor Einbruch der Nacht wieder zurück sein."
In dieser Nacht konnte Frae kaum schlafen. Er warf sich hin und her und dachte an seine armen Schafe und die Dinge, die er holen sollte. Wo konnte er sie finden?
Am nächsten Tag schulterte er seinen Rucksack und trat in den frühen Morgen hinaus. Die Dämmerung hatte noch nicht begonnen und so lagen die Wiesen und Wälder, die Felder und Berge unter ihrer Schneedecke noch im Dunkel.
"Der jungfräulichste Schnee, den ich je gesehen habe, liegt auf dem Elfenhügel. Er spiegelt das Licht der Sterne. Dort werde ich mir ein wenig von der weißen Schönheit nehmen."
Und so stapfte er durch die späte Nacht, die nur durch das trübe Licht des Mondes und der Sterne erhellt wurde. Dann und wann flog lautlos eine Fledermaus vorüber und außer dem Knirschen unter seinen Füßen war es still. Selbst der immer währende Wind um die Berge war verstummt.
Der Elfenhügel lag mitten auf einer weiten Wiese, die unter einer tiefen weißen Decke schlummerte. In allen vier Himmelsrichtungen ragten Berge in den Himmel wie Wächter, die einen Schatz verteidigten.
Grade als er die Kuppe des Hügels erreichte, blitzten die ersten goldenen Sonnenstrahlen des Morgens durch den gezackten Gipfel der Hirtenflöte, dem höchsten Berg im Osten.
Frae kniete nieder, um den sanften Schnee mit seinen nackten Händen zu berühren.
Plötzlich fuhr ein dumpfes Grollen durch den Hügel, dass der Junge mit ihm zitterte. Mit einem Satz war er auf den Beinen und schaute sich um.
Eine mächtige Gestalt, so groß wie eine ausladende alte Eiche stand hinter ihm. Ganz weiß war sie, mit Schuppen, die in der Morgensonne blitzten wie der Schnee unter seinen krallenbewehrten Füßen. Sie breitete die gewaltigen Flügel aus, riss das Maul mit den spitzen Zähnen auf. Die gespaltene Zunge zuckte und die Nasenlöcher bebten, stießen große Rauchwolken in den klaren Morgen.
Ehrfürchtig war Frae vor dem Wesen auf die Knie gesunken.
"Bitte friss mich nicht, lieber Schneedrache. Ich brauche etwas von dem Schnee, der das Sternenlicht in sich eingeschlossen hat. Denn Meister Wotan kann mir daraus eine Flöte bauen, mit der ich meine Schafe wieder bekomme."
Der Drache blickte den Jungen mit seinen eisblauen Augen lange an. Sie schienen direkt durch ihn hindurch zu blicken. Nach einer Weile drehte er sich um und schlug mit seinen kräftigen Flügeln und erhob sich majestätisch in die Lüfte. Der Schnee unter ihm wirbelte umher, schlug dem Jungen ins Gesicht, dass er die Arme vor die Augen schlug. Als der Sturm sich gelegt hatte, war der Drache verschwunden. Nur ein kleines silbernes Kästchen lag dort, wo die riesigen Spuren des Drachen in den Schnee gedrückt waren. Als Frae es öffnete, sah er reinen weißen Schnee darin, der glitzerte wie ein Sternenhimmel.
Er lächelte und steckte das Kästchen in seinen Rucksack.
"Vielen Dank, lieber Drache. Ich werde immer daran denken, dass du mir einst geholfen hast.
Doch nun muss ich weiter. Das klagende Holz, welches das Sonnenlicht für so lange Zeit nicht gesehen hat, kann nur in den Verliesen der alten Festung zu finden sein. Und Geheimnisse findet man dort, wo es am dunkelsten ist. Die dunkelsten Schatten, die ich mir vorstellen kann, findet man auch in den finstersten Verliesen. Wenn ich mich beeile, bin ich bald dort und vor Einbruch der Nacht wieder zurück beim Schäfer und die Schafe sicher in ihrem warmen Stall."
Bald konnte er durch die dürren Äste und verkrümmten Stämme einen schwarzen Felsen ausmachen, auf den sich die dunkle Festung krallte. Sie war verfallen und wirkte, als könnte sie jeden Moment zur Seite hinab rutschen. Der Weg führte einen sanften Hügel hinauf, über dessen Kuppe man mit einer Brücke auf den Felsen gelangen konnte. Doch die Brücke, die hinüber führen sollte, hing in Fetzen an nur noch einem Seil, das im Abgrund baumelte. So blieb ihm nichts anderes übrig, als den beschwerlichen Weg zu wählen und den schwarzen Felsen hinauf zu klettern.
Der Stein war scharfkantig und bröcklig, der Wind heulte immer wieder um ihn herum. Jeden Griff und jeden Tritt musste Frae sorgsam wählen, um nicht zu stürzen oder sich das Knie auf zu schlagen. Dennoch waren seine Hände und Beine blutig, als er endlich oben ankam. Sein Herz pochte wild und er brauchte einen Moment, um Atem zu schöpfen. Die Luft hier war stickig und schmeckte nach Rauch, als wäre die Burg erst vor Kurzem niedergebrannt worden. Irgendwo über ihm klagte eine Krähe über den Eindringling.
Das Eingangstor lag einsam und verlassen vor ihm. Es war so hoch wie vier Mann, doch die Türme dahinter, die es sicher einmal überragt hatten, lehnten sich windschief an die Reste der Wehrmauer. Das Holztor lag zerschmettert auf dem Boden. Es wirkte, als sei es irgendwann mit Rammen zerstört worden. Die rostigen Ketten, mit denen es einmal hatte hochgezogen werden können, hingen schlaff herab und rasselten leise im Wind.
Der Burghof war übersät von Steinbrocken. Hier und da konnte man die Reste eines Holzgebäudes oder Pferdewagens erkennen.
In der Mitte war ein Burgfried zu sehen. Der einzige Turm, der größtenteils noch erhalten war. Gewaltig und schwarz ragte er in den grauen Himmel. Selbst die Sonne schien ihn nicht erhellen zu können.
Frae konnte eine eisenbeschlagene Eichentür sehen, die ins Innere führte. Als er sie vorsichtig öffnete, quietschten die Angeln erbärmlich und dicke Schatten quollen aus dem Turm. Unwillkürlich machte der Junge einige Schritte rückwärts. Nur widerwillig machten die Schatten dem Tageslicht platz und Frae konnte sehen, dass eine Treppe nach oben auf den Burgfried führte. Und eine enge Wendeltreppe hinab in die Kerker.
"Meister Wotan wird sich Sorgen machen. Und meine Schafe irren einsam umher. Ich kann hier nicht einfach herumstehen. Es sind doch nur ein paar Schritte, auch wenn es Schritte im Dunkeln sind."
Er machte einige vorsichtige Schritte in den Burgfried hinein. Sofort umflossen den Jungen die Schatten und es wurde dunkel. Mit jeder Stufe, die er hinab stieg, schienen die Schatten dichter zu werden. Sie umstrichen seine Beine, als wate er durch hohes Gras. Liebkosten sein Gesicht wie kühler Nachtwind.
Zitternd blieb er stehen.
"Vielleicht sind es gar keine Schatten mehr. Es sind Geisterhände. Oder es ist der Atemhauch eines dunklen Wesens. Vor mir kein Stein mehr, sondern ein Abgrund ohne Boden."
Seine Beine wollten keinen Schritt mehr machen. Er war sich nicht einmal mehr sicher, ob er wieder zurück kam, wenn er sich umdrehen würde. Vielleicht hatte die Dunkelheit ihm einen Streich gespielt und er war längst in einem Labyrinth, ohne dass er es bemerkt hatte.
"Hätte ich nur eine Fackel mitgenommen. Hätte ich nur an eine Kerze gedacht. Eine Laterne. Wenn es hier nur irgend ein Licht gäbe...
Oh, das Kästchen des Schneedrachen!"
Er setzte den Rucksack ab und wühlte zwischen den in Tücher gewickelten Broten und der Wasserflasche herum, bis er das kühle Silber der Dose spürte. Vorsichtig zog er sie heraus und hielt den Atem an. Dann öffnete er den Deckel.
Langsam breitete sich ein silbernes Licht aus und erhellte die Umgebung. Er befand sich in einem schmalen, niedrigen Gang. Einige Steine waren aus den Wänden gebrochen und lagen kreuz und quer, doch man konnte noch bequem hindurch gehen. Mit neuem Mut gestählt, setzte er seinen Weg weiter fort.
Es dauerte auch nicht lang, da erreichte er eine uralte, niedrige Holztür, die schief in ihren rostigen Angeln hing. Dahinter begannen die Verliese. Vergitterte Zellen und tiefe Löcher. Um hindurch zu treten, musste er sich bücken. Hier drin war das Gewölbe grob aus dem Fels gehauen und an vielen Stellen musste er den Kopf einziehen, um nicht anzustoßen. Auf seiner linken Seite folgte eine Zelle der nächsten. Die rostigen Gitterstangen waren moosbewachsen und hier und da waren noch menschliche Knochen zu erkennen. Irgendwo in der Ferne tropfte Wasser unregelmäßig auf Fels. Es roch muffig. Nach abgestandener Luft und feuchtem Moos.
Auf seiner rechten Seite bemerkte er eine dicke Eichentür, die in einen anderen Raum führte. Als er hindurch trat, das Kästchen immer vor sich haltend, sah er viele Geräte. Räder, Gestänge, Seile und Eisenteile.
"Wenn es klagendes Holz gibt, das seit Jahrhunderten das Sonnenlicht nicht mehr gesehen hat, so ist es dieses. Ich nehme es und berge es unter meiner Wollweste am Herzen."
Plötzlich erschien in der Luft vor ihm ein helles Leuchten. Frae konnte hektisches Flügelflattern sehen und einen Moment später erkannte er ein winziges Mädchen in grüner Kleidung mit einem kleinen Beutel an ihrem Gürtel. Ihr Stimmchen klang leise in sein Ohr.
"Heyda, kleiner Wicht. Mach kein so erstauntes Gesicht. Erstaunt müsste ich ja sein, platzt du einfach so herein."
"Ich... entschuldige. Aber schau. Ich bin viel größer als du. Und wer bist du überhaupt?"
"Eine Koboldin bin ich und das ist mein Reich. Wer du bist, ist mir aber völlig gleich. Nur, ob du mir helfen kannst? Den Fluch von meiner Seele bannst."
"Eine Koboldin? Und von was für einem Fluch sprichst du?"
"Mein Zauberring fiel in das tiefste Kerkerloch. Drum lebe ich hier alleine noch. Kann nicht gehen ohne ihn. Würd zu gern unter die warme Sonne ziehn."
"Warum holst du ihn dir denn nicht einfach? Du kannst doch fliegen."
"Oh, nur ein dummer Junge so spricht. Mein armes schwaches Licht vertreibt die festen Schatten dort unten nicht. Doch die Schatten halten meinen Ring so fest. Der dunkle Schatten meinen Ring nicht mit mir ziehen lässt."
"Nun gut, ich versuche dir zu helfen. Doch meinst du, ich bin stärker als dieser dunkle Schatten?"
"Pah, überheblicher kleiner Wicht. An Kraft übertriffst du mich nicht. Doch deine Zauberschachtel dort. Sie treibt auch die dunkelsten Schatten fort. Ich lass dich an einem Seil hinab und du holste den Ring aus seinem Schattengrab."
"Gut, ich werde es tun. Doch du wirst mir dafür deinen Beutel geben, denn ich muss ein wenig von dem Schatten einfangen, um ihn zu Meister Wotan zu bringen."
"Hmm... nun einverstanden. Hier der Beutel. Die Schatten mich zu lange an diesen Ort banden. Du kannst sie mitnehmen wohin du magst. Wenn du nicht nach noch einem Gefallen fragen wagst."
"Keine angst, ich will nur den Schatten mitnehmen. Also, zeig mir das Loch. Ich nehme eines dieser Seile mit."
So ging er dem flatternden Licht nach, das einmal links flog, einmal rechts, knapp unter der Decke oder fast über den Boden. Bald waren sie an einem runden Loch angekommen, neben dem ein halb verrotteter Holzdeckel lag. Ein Boden war dort unten nicht zu erkennen.
Die Koboldin legte das Seilende über den Rand und nickte Frae zu. Der nahm das Kästchen in die eine Hand und hielt sich mit Füßen und der anderen Hand an dem Seil fest. Das zarte Wesen hatte nicht übertrieben und schien ihn gradezu mühelos in den Schlund des Kerkers hinab zu lassen.
Je tiefer er kam, desto langsamer wichen die Schatten. Widerwillig machten sie dem silbernen Licht Platz. Wie flüssiges Pech wallte der Schatten um seinen Körper, doch er konnte ihn nicht gänzlich umschließen.
Endlich kam der Grund in Sicht und ganz schwach konnte Frae einen Glanz ausmachen. Er erkannte einen winzigen Ring, den er mit einem Nicken in seine Tasche steckte. Dann nahm er den kleinen Beutel und stellte das Kästchen ganz an den Rand, direkt an die Mauer, dass die Schatten nun bedrohlich auf ihn zu kamen.
Doch Frae atmete einmal tief durch und trat noch einen Schritt auf die undurchdringliche schwarze Wand zu. Dann streckte er seinen Arm mit dem Beutel aus. Es war eine Schattenberührung, die ihm einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Seine Hand zuckte zurück, als habe er ein glühend heißes Eisen berührt.
Kein Wunder, dass die arme Koboldin nicht an ihren Ring gekommen war.
Schnell schloss er den Beutel, damit der Schatten nicht entweichen konnte und bedeutete dem kleinen Wesen mit einem Zug am Seil, dass sie ihn wieder hochziehen sollte.
Oben angekommen, wo die Schatten wieder dünn und flüchtig waren, präsentierte er der Koboldin seinen Fund. Überglücklich riss sie ihm den Gegenstand aus der Hand und küsste innig das kleine Ding. Dann drehte sie sich um sich selbst, flog in einem wilden Tanz auf und ab und hin und her.
Schließlich kam sie vor Frae zur Ruhe.
"Lieber Freund, welch große Wonne. Noch heute sehe ich die warme Sonne. Will ich doch mal großzügig sein. Wenn du magst, bringe ich dich heim."
"Mich heimbringen? Das wäre toll. Doch du brauchst den beschwerlichen Weg ins Tal nicht mit mir gehen. Ich werde zwar nicht mehr vor Einbruch der Dunkelheit am Stall sein, doch genieße du die Sonne."
"Du kleiner Wicht. Kennst den Zauber der Kobolde wohl nicht? Mit den Fingern schnipp´ ich und du bist fort. Fort bist du, fort, fort zu deinem heimatlichen Ort. Lebe wohl!"
"Leb wohl!"
Plötzlich verschwanden die dunklen Verliese, die Sonne tauchte auf, das Tal und der Stall. Und im nächsten Augenblick stand er neben Meister Wotan in der Hütte. Alle Bewohner des Dorfes waren dort versammelt und starrten den Jungen ungläubig an.
"Frae, mein Junge. Wo kommst du so plötzlich her?"
"Das ist eine lange Geschichte, Meister Wotan. Doch ich habe alles gefunden, was du benötigst. Kannst du mir nun die Flöte schnitzen, damit die armen Schafe endlich in ihren warmen und sicheren Stall zurückkehren können?"
"Aber sicher, mein Junge. Gib mir das Holz, den Schnee und den Schatten und setz dich dort hin. Du musst dich einen Moment gedulden."
"Was machen denn all die Leute hier, Meister Wotan?"
"Sie haben mir nur einen Gefallen getan, mein Junge. Nur einen Gefallen."
Er rückte dem Jungen einen Schemel heran. Dann zwinkerte er den Leuten zu, die lächelten und dann den Stall verließen.
Nur wenige Augenblicke später war Frae erschöpft eingeschlafen. Und als er wieder erwachte, war er in eine Felldecke gewickelt und Meister Wotan stand vor ihm und bot ihm eine kleine Flöte dar.
"Hier, mein Junge. Spiele darauf und wünsch dir dann etwas ganz fest. Es wird in Erfüllung gehen."
Frae lächelte und nahm die Flöte an sich. Er strich zärtlich darüber. Dann hob er sie an die Lippen und blies hinein. Ein einzelner heller Ton klang durch die Hütte. Doch für den Jungen war es wie das schönste Konzert.
"Nun komm. Wir gehen in den Stall und schauen, ob wir alles richtig gemacht haben."
Er reichte dem Jungen die große, warme Hand und ging mit ihm um die Hütte herum. Frae konnte schon das Blöken der Schafe hören und ihr Geruch drang in seine Nase.
Frae fühlte sich rundum wohl.
 
© Chaldaran Zakath
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