Einen Augenblick lang herrschte vollkommene Stille. Der Moment war
voller unausgesprochener Fragen.
Dann legten sich die Männer in die Riemen. Mit verzweifelter
Kraft brachten es einige Soldaten zustande, sich ihrer Gegner zu entledigen
und der Pforte entgegen zu hasten. Raschen Schrittes gesellte sich Palan
zu ihnen und half eigenhändig mit, die schweren Tore aufzuschieben.
Im nächsten Moment wimmelte es geradezu vor Vyrn, die wie Insekten
durch die entstandene Öffnung krabbelten und sich auf die andorianischen
Ritter warfen. Es klirrte, und der Kundschafter aus Andor hatte sein Schwert
gezogen. Mit einer geschmeidigen Bewegung ließ er die Klinge in einem
horizontalen Bogen auf seinen Feind zusausen. Der Stahl zertrennte mühelos
Muskeln und Knochen. Blut sprenkelte Palans Gesicht, und sofort befahl
er einen Rückzug.
Mit einer heftigen Geste winkte er die Reiter zu sich, die an anderer
Stelle gewartet hatten, und nun in gestrecktem Galopp an ihm vorbeigaloppierten.
Donnernde Hufe zertrümmerten Vyrn unter sich und trieben sich wie
einen Keil in den Heerhaufen vor den Toren. Palan rannte auf die verbleibenden
Gegner zu und entledigte sich ihrer mit schnellen Streichen. Blutbesudelte
Vyrn-Leichen landeten im Dreck.
Er winkte die Reiter zurück und erneut starben etliche unter
der Attacke der Kavallerie.
"Verschließt die Tore!", bellte er, als sich die Ritter wieder
zurückgezogen hatten. Laut knarrend schlossen sich die eisenbeschlagenen
Tore wieder. Palan atmete auf und stützte sich auf beide Knie. Die
Wunde war wieder aufgerissen und frisches, hellrotes Blut sickerte unter
seinem Wams hervor. Eine Vyrn-Klinge hatte das verzierte Metall seines
Harnisches durchschlagen - an derselben Stelle, an der auch der Pfeil ihn
vor zwei Tagen erwischt hatte.
Augenblicklich stand Barthon bei ihm. In seinem langen Gesicht stand
Entsetzen. "Mein Feldherr, was...?"
"Wir haben keine Möglichkeit mehr auf offenem Feld zu kämpfen!",
erklärte Palan, ohne auf die bestürzten Widersprüche seines
Kommandanten einzugehen. "Wir sollten uns schleunigst etwas überlegen
- sonst ist Pardanon dem Untergang geweiht!"
Erneut setzte der Gelehrte zu einer Frage an, unterließ es
dann aber, seinen Herrn weiter zu behelligen. Stattdessen legte er nachdenklich
die Stirn in Falten. Schließlich sagte er: "Wenn wir es schaffen,
bis nach Eleval zu gelangen..."
Seine Antwort ging im Dröhnen von unzähligen Kriegshörnern
unter.
Zwerge!, schoss es Palan durch den Kopf.
Mit einem Mal spürte er, wie neu gewonnene Stärke durch
seinen Körper strömte und die eisige Kälte des Todes vertrieb.
"Wir sind gerettet...", flüsterte er.
Palan ergriff Larannah bei den Schultern. Seine Verletzung schmerzte,
Schweiß brannte in der offenen Wunde und das Gewicht der Rüstung
zwang ihn auf die Knie. Dennoch versuchte er sich aufrecht zu halten. Seine
Freude über den bevorstehenden Sieg überwiegte und brachte ihn
dazu, Worte zu sagen, die ihm wie Blei auf der Seele lasteten. "Mylady..."
Sie schüttelte den Kopf. "Wir sollten dieses Gewürm ein
für allemal auslöschen!", keifte sie, entwand ihm das goldene
Schwert und warf sich selbst mit einigen anderen Soldaten in die Bresche.
Neue Hoffnung keimte auf, als selbst die Königin auf die Schilde der
Grünhäutigen einschlug. Unaufhaltsam drängte sie durch die
aufgestoßenen Tore.
Mühsam kämpfte sich der Kundschafter aus Andor in die
Höhe. Sein Gesicht war schmerzverzerrt und von Blut gezeichnet. Noch
einmal zwang er sich zur Ordnung. Seine Hände tasteten nach dem Bogen
auf seinem Rücken, spannten einen Pfeil ein und zielten auf einen
Vyrn. Sirrend grub sich der Schaft in die Stirn des feindlichen Kriegers.
Grunzend sackte das grausige Geschöpf auf den Mauern von Pardanon
zusammen.
"Ich liebe sie...", flüsterte Palan, während er einen
neuen Pfeil auflegte und anvisierte. Ein weiterer Vyrn brach getroffen
zusammen. "Ich werde sie nicht aufgeben...!" Gleichzeitig wuchs seine Entschlossenheit.
Dennoch wusste er, dass er Arion nicht ersetzen konnte. Die Wut in seinem
Bauch wurde zu einem verzehrenden Feuer, das ihm neue Kraft gab. Immer
schneller schickte er die Angreifer in den Abgrund.
Ein schriller Schrei durchbrach den Lärm und Palan zuckte zusammen.
Larannah!, schoss es ihm durch den Kopf.
Der Schild war zersplittert.
Die Elfenkönigin kauerte angstverzerrten Gesichtes im Schlamm
vor der Burg. Vor ihr ragte ein brüllender Vyrn-Häuptling auf,
das gewaltige Schwert zu einem Leben beendenden Streich erhoben. In seinen
Augen funkelte unerbittlicher Zorn. Schützend versuchte sie die Arme
hochzureißen.
Da explodierte plötzlich der Heerhaufen in unmittelbarer Nähe.
Zwerge wirbelten umher, schwangen Äxte und Hämmer und zwangen
die überraschten Vyrn zu Boden.
"Nein!", brüllte eine bekannte Stimme und im nächsten
Augenblick entstieg Arion den Schatten der hünenhaften Gestalt, stach
ihr seine blanke Klinge in den aufgedunsenen Leib, zerfetzte ihr die Kehle.
Der Vyrn-Häuptling sank in einem Schauer aus Blut und herausquellenden
Gedärmen zusammen.
"Arion!", hauchte sie und schlug die Hände vor den Mund. Sie
wirkte zart und zerbrechlich, denn sie war nicht länger eine Kriegerin.
Sie hatte den Geschmack des Schlachtfeldes geschmeckt und ihn für
abartig befunden. Jetzt sehnte sie sich nach Liebe und Geborgenheit.
Arion fällte einen weiteren Kontrahenten. Er war bleich und
ausgezehrt. Trotz allem kämpfte er wie ein Löwe um seine Gemahlin.
"Was...?" Palan warf seinem König einen entsetzten Blick zu.
Auf einmal verschlug es ihm die Sprache. Aus seinen Augen sprühte
offene Feindseligkeit.
Arion hob den düsteren Blick, und das Herz des Kundschafters
zerbrach. Palan geriet ins taumeln, stolperte und sank gegen einen der
Pfähle. Er roch salziges Blut und modrigen Schweiß. Auf einmal
wurde sich der Andorianer bewusst, dass er seinen König verraten hatte.
Er wusste, was ihm die Blicke aus den dunklen Augen sagen wollten. Du
trägst meine Rüstung, meinen Bogen, mein Schild und mein Schwert!
Du führst meine Legionen, meine Reiter, meine Jäger! Und du liebst
meine Gemahlin, mein ein und alles! Warum hast du mich verraten, Freund?
Ein kalter Schauer überkam Palan, und im nächsten Moment
fand er sich in einem Kampf mit dem König wieder. Brüllend und
wutschnaubend warf sich Arion gegen ihn, drosch mit wilden, unbarmherzigen
Schlägen auf ihn ein und drängte ihn immer weiter zurück.
Schlick spritzte unter den Füßen des Kundschafters und
Funken stoben auf, als sich die stählernen Klingen kreuzten. Palan
parierte, konterte mit einer Riposte und sah sich in einen Hinterhalt gelockt.
Erinnerungen an seine Kindheit bemächtigten sich seiner...
Der Morgen graute über den Tieflanden und der Nebel hatte
sich wie ein Schleier über die sanften Hügel und Wäldchen
gelegt. Die erste Kälte des Morgens war bereits versiegt und Pferdegetrappel
hallte von den schneeweißen Gipfeln im Süden und den Bergen
im Norden wider. Bauern fuhren mit Karren und Wagen auf ihre Äcker
hinaus und trieben die stattlichen Pferde des Tals zu ihrer schweißtreibenden
Arbeit an.
Palan parierte den Angriff seines Gegners und Funken sprühten,
als die Klingen sich erneut kreuzten. Er machte einen raschen Schritt zurück,
täuschte einen Angriff vor und schwang das Schwert mit beiden Händen
seinem Kontrahenten entgegen. Arion fluchte und entkam der Attacke nur
um Haaresbreite. Mit einer raffinierten Parade rückte er seinen Widersacher
in einen Hinterhalt, nur um dann festzustellen, dass er soeben selbst in
eine Falle getappt war, noch dazu, ohne es zu merken. Wie ein Kind, das
seine verbrannten Finger von einer zu heißen Speise zurücknimmt
und sie sich in den Mund steckt, wich der Prinz hastig zurück und
erwartete die nächste rasche Abfolge von Angriffen.
Der Junge aus einfachem Hause hingegen nutzte diese Gelegenheit,
um seinem Freund einen kräftigen Tritt gegen das Schienbein zu verpassen.
Der Prinz heulte auf und tänzelte einen Augenblick regelrecht spielerisch
umher, ehe er mit einem mürrischen Ausdruck auf dem Gesicht durch
eine Riposte konterte.
Die plötzliche Gewalt, die Arion in seine Schläge legte,
drängte Palan langsam aber sicher zurück und der Junge musste
all seine Kraft aufbringen, um seinen Standpunkt zu verteidigen. Sirrend
zischten die schlanken Klingen durch die Luft und es bedurfte eines guten
Auges jede Feinheit der Fechtenden zu erkennen.
Dann stolperte Palan und verlor das Gleichgewicht. Arion nutzte
diese Gelegenheit, um seinem Freund nachzusetzen und stach zu. Auf einmal
verwandelte sich der Stahl in eine brennende Schlangenzunge, deren Gift
sich betäubend in die Schulter des Straßenjungens bohrte. Entsetzt
schrie Palan auf...
Der Schrei durchbrach die Lippen des erwachsenen Mannes und augenblicklich
fand sich der Kundschafter in der Wirklichkeit wieder. Erneut spielte sich
die gleiche Szene vor seinen Augen ab. Er rutschte im Schlamm aus, während
Arion ein hässliches Grinsen auf seinen Zügen barg. Der König
streckte sich und durchbohrte den fallenden Kundschafter.
"Nein!", kreischte Larannah voller Entsetzen und riss den
Arm ihres Gatten zurück.
Schmerzlich entglitt der scharfe Stahl Palans Rippen, gefolgt von
einem Schwall Blut. Der Kundschafter seufzte auf und Tränen brannten
in seinen Augen. Sein Körper krümmte sich unter Schmerzen. Wir
waren doch Freunde!, schienen seine sich stumm bewegenden Lippen zu
sagen. Noch einmal wurde sein Leib von Krämpfen geschüttelt,
dann fiel er kraftlos in sich zusammen.
Tot.
"Nein!", schrie Larannah erneut. Diesmal war ihr Schrei mehr von
Wut bestimmt denn von Furcht. In ihrem Zorn griff sie nach dem Dolch in
ihrem Stiefel und stieß ihn ihrem Gemahl bis zum Heft in die Kehle.
Ein Gurgeln folgte und schäumendes Blut troff aus seinem Mund - nunmehr
das Maul eines Blutegels.
Nach Atem ringend wandte er sich zu ihr um. Seine Finger glitten
sanft über ihre feuchte Haut. Sein Blick sprach von Liebe, doch die
Geräusche, die seine kämpfenden Lungen verursachten, waren glucksend
und befremdlich. Larannah stand einem Ungeheuer gegenüber, geboren
aus Folter und unsäglichem Schmerz.
Der König der Elfen war verrückt. Nicht er konnte für
seine schändliche Tat zur Rechenschaft gezogen werden. Nur einer konnte
büßen. Sie blickte nach Osten, einem baldigen Sonnenaufgang
entgegen. Die letzte Stunde des Meisters war gekommen...
Darn schritt einen langen Korridor entlang. Er fühlte, dass
er seinem Ziel immer näher rückte. Vor ihm lauerte eine abstoßende
Präsenz, und jeder Schritt fiel ihm schwerer. Etwas drängte ihn
zurück. Doch sein Wille war stark, sein Glaube gefestigt. Mit dem
Schwert in der Hand betrat er einen gigantischen Steindom, dessen Decke
nur von einer Hand voll Säulen gestützt wurde. Überall waren
merkwürdige Symbole und Zeichen in den Stein eingemeißelt, und
in der Luft lag ein Surren, ein Knistern, das Rauschen von allumfassender
Grabesstille. Er war am Ende seiner Reise angelangt.
Er machte einen Schritt nach vorn...
Und befand sich in einer anderen Welt.
Die Luft roch süß, Wind streichelte sein Gesicht und
Blätter rauschten. Er befand sich auf einer Lichtung mitten im Wald,
und keine zehn Schritte vor ihm befand sich eine überlebensgroße
Statue. Moos wucherte an ihrem Sockel und Flechte rankte sich an ihr empor.
Es war ein König, dessen edle Züge über die Ländereien
zu wachen schienen.
Darn flüsterte ein einziges Wort: "Minathar!" und...
Die Illusion verschwand.
Der Dämon, der Geist des Goldes, der Minathar erwachte aus
seinem Schlaf. Als er die Augen öffnete, war die Halle auf einmal
von einem hellen Leuchten erfüllt.
Darn machte eine vermummte Gestalt aus, die - der Statue im Wald
gleich - auf einem steinernen Thron saß. Dort, wo ein Gesicht unter
der Kapuze hätte sein sollen, befand sich die Quelle des Gleißens.
Es war nicht länger dunkel und beklemmend; die unterirdische Kathedrale
war erfüllt von einem unsagbar guten Geist.
Der Mensch spürte, wie seine Wunden heilten, wie sich die gebrochenen
Knochen seines verkrüppelten Arms erneut verbanden, wie der Muskel
zusammengefügt wurde und schließlich wie sich narbenlose Haut
straffte. Ein heimeliges Prickeln erfüllte ihn. Erst erfüllte
ihn Verwirrung. Dann ereilte ihn Verständnis. Er dachte an das zurück,
was ihm einst in jener sternenklaren Nacht der Schlacht bewusst geworden
war. Von den Vyrn ging keine Gefahr aus - sie waren ebenso wie alles andere
ein Teil der Welt, auch wenn dieser zu kränkeln begonnen hatte. Man
musste die Wunde reinwaschen. Dieser Geist war nicht böser Natur -
er wollte lediglich helfen. Doch er tat es auf die falsche Weise.
Statt die kranken Äste abzuschneiden, versuchte er verzweifelt
sie zu heilen.
Darn fiel auf, wie drängend dieses Weiß plötzlich
geworden war. Und er vernahm wieder dieses Surren. In all dieser Reinheit
verbarg sich tief verwurzelter Hass. Aber dem Menschen gegenüber offenbarte
er Liebe. Warum?
Glymrithil...
Aber natürlich! Darn fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen.
Die Minathar beschützten das Zaubergold, wachten über die magische
Stadt Corath. Doch jene war beim Ausbruch des Vulkans zerstört oder
zumindest verschüttet worden. Was war zu diesem Zeitpunkt mit dem
Geist des Guten geschehen? Für ihn war die Stadt verloren gewesen...
und jetzt befand er sich auf der Suche nach ihr. Deshalb ließ er
die Vyrn graben. Deshalb das alles...
Prüfend bewegte er seine Hand.
Wo also war dieses verfluchte Gold?
Ein Donnern und Beben schüttelte die Halle. Staub rieselte
von der Decke herab und kleine Gesteinsbrocken brachen von den Wänden,
als wütende Magie um sich griff. Sofort wechselte das Weiß in
ein tosendes rotes Höllenlicht.
Darn erstarrte - alle Gedanken an das Gold verschwanden und er fragte
sich nur noch, was den Auslöser für diesen Sinneswandel darstellte.
Beinahe sofort wandelte sich das Rot wieder zu jenem erquickenden
Gleißen. Das Beben verebbte und Stille kehrte wieder ein. Verständnislos
ließ Darn seine Blicke durch den Steindom schweifen. Da war nichts,
nichts, was einen Aufschluss gab.
Aber vielleicht...
Er erinnerte sich an die Märchen seiner Kindheit, an die Legenden
über Corath und die Minathar. Im Geiste wiederholte er sie Wort für
Wort, wie er sie jeden Abend vor dem Einschlafen gehört hatte. Schließlich
kam er zu jener Stelle, an der es hieß, dass die Untoten jene in
die Irre trieben, deren Gier nach Gold zu groß war. Und erneut durchschoss
ihn die Erkenntnis. In dem Augenblick, als er an das Zaubergold und daran
gedacht hatte, es zu finden, hatte sich der Minathar bereit gemacht, ihn
zu vernichten.
Darin bestand des Rätsels Lösung!
Das Denken des Untoten war zu intuitiv, als dass er seine Pläne
mit Logik hätte verfolgen können. So war jener nie auf die Idee
gekommen, die bösen Mächte in sich zu wecken, um sein eigenes
Ziel zu erreichen. Lediglich durch Einfluss von Außen - durch Rachsucht
oder Gier - würde er diese freisetzen können. Dies war seine
Bestimmung und etwas anderes zu vollbringen war ihm nicht möglich.
Deshalb brauchte er die Vyrn - weil er alleine diese Kraft nicht aufbringen
konnte. Der Rest war nur Theater, Interpretation des Vyrn-Häuptlings,
alles nur Illusionen.
Und Darns Bestimmung war es, jene bösen Kräfte freizusetzen,
die dunkle Seite zu wecken, das Feuer des Hasses zu schüren.
Mit ausgestrecktem Schwert sprang er nach vorne, brüllte herausfordernd:
"Wo ist das Gold?"
Wie Darn es sich gedacht hatte wurde erneut alles in jenes dämonische
Licht getaucht. Die Erde bebte, Säulen wankten und Staub rieselte
aus Rissen, die sich in der Decke auftaten.
"Ich will das Gold!" Wie ein Irrer sprang Corna von einem Bein auf
das andere, führte einen provozierenden Tanz auf und zog eine garstige
Miene. Seine Gedanken waren eine klare, eindeutige Weise, eine Melodie,
zu der er tanzte:
Gold, Gold, Gold! Ich will das Gold! Gold, Gold, Gold! Wo ist
das Gold? Gold, Gold, Gold...
Der Dämon kreischte auf und das durchdringende rote Glühen
verwandelte sich in ein Meer betäubender Schwärze. Die Kraft
eines uralten Geistes ballte sich zur Faust und bearbeitete den Fels, schlug
auf Darn ein, der sich den Attacken freudig entgegen stellte. Er fühlte,
wie diese unglaubliche Bosheit sich in seinen Geist fraß, ihn zerstörte,
und... dennoch tanzte er weiter.
Er packte das Schwert mit beiden Händen und stürmte auf
die verhüllte Gestalt des Minathar zu. In einem letzten Aufschrei
von Hass, den er empfinden konnte, stieß er das Schwert durch den
zerfallenen Körper des Untoten und tief in den Stein des Throns.
Das Singen von Magie hallte nun klar durch die unterirdische Kathedrale.
Es wurde still.
Dann zersplitterte die schwarze Fassade und brachte das strahlendste
Metall zum Vorschein, das Darn je gesehen hatte. Und es war das letzte,
was er sah. Es war heller als die Sonne, so gleißend, dass es nicht
einmal die Bezeichnung "Gold" verdient hätte. Es war etwas viel Reineres,
Kostbareres...
Es war Glymrithil...
Die Kathedrale fiel in sich zusammen.
Und einen Moment lang durchdrang Morron ein befriedigtes Aufseufzen.
Dann explodierte der Vulkan, sandte seinen Feuerregen über Corath
und erlöste den gefangenen Geist. Die unsichtbaren Ketten lösten
sich. Er war frei...
Das hervorquellende Blut wusch die Wunde rein...
Larannah stand alleine auf dem beinahe gänzlich verlassenen
Schlachtfeld. Niemand war da, der sie in den Arm nahm, sie tröstete.
Nicht einmal ihr Berater Horon. Sie alle waren in der Schlacht gefallen.
Für Stunden wandelte sie ziellos über den leichenübersäten
Kampfplatz. Schließlich hielt sie an, kniete sich vor einen toten
Jungen und strich ihm das blonde, schmutzige Haar aus der Stirn.
"Lebe wohl, Quen", hauchte sie. Dann beugte sie sich hinab und gab
ihm einen Kuss auf die Stirn, schloss ihm die Augen. Neben ihm lag Pinn,
von Pfeilen gespickt - er hatte um das Leben seines Cousins gekämpft.
Sie erhob sich, rief laut über das Feld: "Barthon? Finnon?"
Niemand antwortete.
Ein paar Schritte weiter schritten einige Elfen die Straße
hinab; ein Reiter war unter ihnen. Auf der anderen Seite der in Sumpf verwandelten
Wiese standen Zwerge um ihren König, der im Sterben lag. Im Stillen
hatte sie auf ein freudiges Ende gehofft, wie in den Geschichten und Legenden.
Doch die Wirklichkeit war nie voll Freude und Frohsinn. Die Wirklichkeit...
die Wirklichkeit war etwas anderes.
Betroffen starrte sie auf ihre Stiefelspitzen.
Was hatte sie sich dabei gedacht? Hatte sie etwa geglaubt, gewinnen
zu können? Das Zeitalter neigte sich dem Ende zu... Elfen, Zwerge
und Vyrn würden bald der Vergangenheit angehören. Die Magie würde
aus den Wäldern verschwinden.
Wie gesagt, die Wunde war gereinigt. Der Eiter war ausgewaschen.
Was blieb, war eine Narbe; ein Mal, das niemals ganz verschwinden würde...
© Benedikt
Julian Behnke
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