Zwergengold von Benedikt Julian Behnke
Zehntes Kapitel
Hilfe

Einen Augenblick lang herrschte vollkommene Stille. Der Moment war voller unausgesprochener Fragen.
Dann legten sich die Männer in die Riemen. Mit verzweifelter Kraft brachten es einige Soldaten zustande, sich ihrer Gegner zu entledigen und der Pforte entgegen zu hasten. Raschen Schrittes gesellte sich Palan zu ihnen und half eigenhändig mit, die schweren Tore aufzuschieben.
Im nächsten Moment wimmelte es geradezu vor Vyrn, die wie Insekten durch die entstandene Öffnung krabbelten und sich auf die andorianischen Ritter warfen. Es klirrte, und der Kundschafter aus Andor hatte sein Schwert gezogen. Mit einer geschmeidigen Bewegung ließ er die Klinge in einem horizontalen Bogen auf seinen Feind zusausen. Der Stahl zertrennte mühelos Muskeln und Knochen. Blut sprenkelte Palans Gesicht, und sofort befahl er einen Rückzug.
Mit einer heftigen Geste winkte er die Reiter zu sich, die an anderer Stelle gewartet hatten, und nun in gestrecktem Galopp an ihm vorbeigaloppierten. Donnernde Hufe zertrümmerten Vyrn unter sich und trieben sich wie einen Keil in den Heerhaufen vor den Toren. Palan rannte auf die verbleibenden Gegner zu und entledigte sich ihrer mit schnellen Streichen. Blutbesudelte Vyrn-Leichen landeten im Dreck.
Er winkte die Reiter zurück und erneut starben etliche unter der Attacke der Kavallerie.
"Verschließt die Tore!", bellte er, als sich die Ritter wieder zurückgezogen hatten. Laut knarrend schlossen sich die eisenbeschlagenen Tore wieder. Palan atmete auf und stützte sich auf beide Knie. Die Wunde war wieder aufgerissen und frisches, hellrotes Blut sickerte unter seinem Wams hervor. Eine Vyrn-Klinge hatte das verzierte Metall seines Harnisches durchschlagen - an derselben Stelle, an der auch der Pfeil ihn vor zwei Tagen erwischt hatte.
Augenblicklich stand Barthon bei ihm. In seinem langen Gesicht stand Entsetzen. "Mein Feldherr, was...?"
"Wir haben keine Möglichkeit mehr auf offenem Feld zu kämpfen!", erklärte Palan, ohne auf die bestürzten Widersprüche seines Kommandanten einzugehen. "Wir sollten uns schleunigst etwas überlegen - sonst ist Pardanon dem Untergang geweiht!"
Erneut setzte der Gelehrte zu einer Frage an, unterließ es dann aber, seinen Herrn weiter zu behelligen. Stattdessen legte er nachdenklich die Stirn in Falten. Schließlich sagte er: "Wenn wir es schaffen, bis nach Eleval zu gelangen..."
Seine Antwort ging im Dröhnen von unzähligen Kriegshörnern unter.
Zwerge!, schoss es Palan durch den Kopf.
Mit einem Mal spürte er, wie neu gewonnene Stärke durch seinen Körper strömte und die eisige Kälte des Todes vertrieb. "Wir sind gerettet...", flüsterte er.
Palan ergriff Larannah bei den Schultern. Seine Verletzung schmerzte, Schweiß brannte in der offenen Wunde und das Gewicht der Rüstung zwang ihn auf die Knie. Dennoch versuchte er sich aufrecht zu halten. Seine Freude über den bevorstehenden Sieg überwiegte und brachte ihn dazu, Worte zu sagen, die ihm wie Blei auf der Seele lasteten. "Mylady..."
Sie schüttelte den Kopf. "Wir sollten dieses Gewürm ein für allemal auslöschen!", keifte sie, entwand ihm das goldene Schwert und warf sich selbst mit einigen anderen Soldaten in die Bresche. Neue Hoffnung keimte auf, als selbst die Königin auf die Schilde der Grünhäutigen einschlug. Unaufhaltsam drängte sie durch die aufgestoßenen Tore.
Mühsam kämpfte sich der Kundschafter aus Andor in die Höhe. Sein Gesicht war schmerzverzerrt und von Blut gezeichnet. Noch einmal zwang er sich zur Ordnung. Seine Hände tasteten nach dem Bogen auf seinem Rücken, spannten einen Pfeil ein und zielten auf einen Vyrn. Sirrend grub sich der Schaft in die Stirn des feindlichen Kriegers. Grunzend sackte das grausige Geschöpf auf den Mauern von Pardanon zusammen.
"Ich liebe sie...", flüsterte Palan, während er einen neuen Pfeil auflegte und anvisierte. Ein weiterer Vyrn brach getroffen zusammen. "Ich werde sie nicht aufgeben...!" Gleichzeitig wuchs seine Entschlossenheit. Dennoch wusste er, dass er Arion nicht ersetzen konnte. Die Wut in seinem Bauch wurde zu einem verzehrenden Feuer, das ihm neue Kraft gab. Immer schneller schickte er die Angreifer in den Abgrund.
Ein schriller Schrei durchbrach den Lärm und Palan zuckte zusammen. Larannah!, schoss es ihm durch den Kopf.
Der Schild war zersplittert.
Die Elfenkönigin kauerte angstverzerrten Gesichtes im Schlamm vor der Burg. Vor ihr ragte ein brüllender Vyrn-Häuptling auf, das gewaltige Schwert zu einem Leben beendenden Streich erhoben. In seinen Augen funkelte unerbittlicher Zorn. Schützend versuchte sie die Arme hochzureißen.
Da explodierte plötzlich der Heerhaufen in unmittelbarer Nähe. Zwerge wirbelten umher, schwangen Äxte und Hämmer und zwangen die überraschten Vyrn zu Boden.
"Nein!", brüllte eine bekannte Stimme und im nächsten Augenblick entstieg Arion den Schatten der hünenhaften Gestalt, stach ihr seine blanke Klinge in den aufgedunsenen Leib, zerfetzte ihr die Kehle. Der Vyrn-Häuptling sank in einem Schauer aus Blut und herausquellenden Gedärmen zusammen.
"Arion!", hauchte sie und schlug die Hände vor den Mund. Sie wirkte zart und zerbrechlich, denn sie war nicht länger eine Kriegerin. Sie hatte den Geschmack des Schlachtfeldes geschmeckt und ihn für abartig befunden. Jetzt sehnte sie sich nach Liebe und Geborgenheit.
Arion fällte einen weiteren Kontrahenten. Er war bleich und ausgezehrt. Trotz allem kämpfte er wie ein Löwe um seine Gemahlin.
"Was...?" Palan warf seinem König einen entsetzten Blick zu. Auf einmal verschlug es ihm die Sprache. Aus seinen Augen sprühte offene Feindseligkeit.
Arion hob den düsteren Blick, und das Herz des Kundschafters zerbrach. Palan geriet ins taumeln, stolperte und sank gegen einen der Pfähle. Er roch salziges Blut und modrigen Schweiß. Auf einmal wurde sich der Andorianer bewusst, dass er seinen König verraten hatte. Er wusste, was ihm die Blicke aus den dunklen Augen sagen wollten. Du trägst meine Rüstung, meinen Bogen, mein Schild und mein Schwert! Du führst meine Legionen, meine Reiter, meine Jäger! Und du liebst meine Gemahlin, mein ein und alles! Warum hast du mich verraten, Freund?
Ein kalter Schauer überkam Palan, und im nächsten Moment fand er sich in einem Kampf mit dem König wieder. Brüllend und wutschnaubend warf sich Arion gegen ihn, drosch mit wilden, unbarmherzigen Schlägen auf ihn ein und drängte ihn immer weiter zurück.
Schlick spritzte unter den Füßen des Kundschafters und Funken stoben auf, als sich die stählernen Klingen kreuzten. Palan parierte, konterte mit einer Riposte und sah sich in einen Hinterhalt gelockt. Erinnerungen an seine Kindheit bemächtigten sich seiner...

Der Morgen graute über den Tieflanden und der Nebel hatte sich wie ein Schleier über die sanften Hügel und Wäldchen gelegt. Die erste Kälte des Morgens war bereits versiegt und Pferdegetrappel hallte von den schneeweißen Gipfeln im Süden und den Bergen im Norden wider. Bauern fuhren mit Karren und Wagen auf ihre Äcker hinaus und trieben die stattlichen Pferde des Tals zu ihrer schweißtreibenden Arbeit an.
Palan parierte den Angriff seines Gegners und Funken sprühten, als die Klingen sich erneut kreuzten. Er machte einen raschen Schritt zurück, täuschte einen Angriff vor und schwang das Schwert mit beiden Händen seinem Kontrahenten entgegen. Arion fluchte und entkam der Attacke nur um Haaresbreite. Mit einer raffinierten Parade rückte er seinen Widersacher in einen Hinterhalt, nur um dann festzustellen, dass er soeben selbst in eine Falle getappt war, noch dazu, ohne es zu merken. Wie ein Kind, das seine verbrannten Finger von einer zu heißen Speise zurücknimmt und sie sich in den Mund steckt, wich der Prinz hastig zurück und erwartete die nächste rasche Abfolge von Angriffen.
Der Junge aus einfachem Hause hingegen nutzte diese Gelegenheit, um seinem Freund einen kräftigen Tritt gegen das Schienbein zu verpassen. Der Prinz heulte auf und tänzelte einen Augenblick regelrecht spielerisch umher, ehe er mit einem mürrischen Ausdruck auf dem Gesicht durch eine Riposte konterte.
Die plötzliche Gewalt, die Arion in seine Schläge legte, drängte Palan langsam aber sicher zurück und der Junge musste all seine Kraft aufbringen, um seinen Standpunkt zu verteidigen. Sirrend zischten die schlanken Klingen durch die Luft und es bedurfte eines guten Auges jede Feinheit der Fechtenden zu erkennen.
Dann stolperte Palan und verlor das Gleichgewicht. Arion nutzte diese Gelegenheit, um seinem Freund nachzusetzen und stach zu. Auf einmal verwandelte sich der Stahl in eine brennende Schlangenzunge, deren Gift sich betäubend in die Schulter des Straßenjungens bohrte. Entsetzt schrie Palan auf...

Der Schrei durchbrach die Lippen des erwachsenen Mannes und augenblicklich fand sich der Kundschafter in der Wirklichkeit wieder. Erneut spielte sich die gleiche Szene vor seinen Augen ab. Er rutschte im Schlamm aus, während Arion ein hässliches Grinsen auf seinen Zügen barg. Der König streckte sich und durchbohrte den fallenden Kundschafter.
"Nein!", kreischte Larannah voller Entsetzen und riss den Arm ihres Gatten zurück.
Schmerzlich entglitt der scharfe Stahl Palans Rippen, gefolgt von einem Schwall Blut. Der Kundschafter seufzte auf und Tränen brannten in seinen Augen. Sein Körper krümmte sich unter Schmerzen. Wir waren doch Freunde!, schienen seine sich stumm bewegenden Lippen zu sagen. Noch einmal wurde sein Leib von Krämpfen geschüttelt, dann fiel er kraftlos in sich zusammen.
Tot.
"Nein!", schrie Larannah erneut. Diesmal war ihr Schrei mehr von Wut bestimmt denn von Furcht. In ihrem Zorn griff sie nach dem Dolch in ihrem Stiefel und stieß ihn ihrem Gemahl bis zum Heft in die Kehle. Ein Gurgeln folgte und schäumendes Blut troff aus seinem Mund - nunmehr das Maul eines Blutegels.
Nach Atem ringend wandte er sich zu ihr um. Seine Finger glitten sanft über ihre feuchte Haut. Sein Blick sprach von Liebe, doch die Geräusche, die seine kämpfenden Lungen verursachten, waren glucksend und befremdlich. Larannah stand einem Ungeheuer gegenüber, geboren aus Folter und unsäglichem Schmerz.
Der König der Elfen war verrückt. Nicht er konnte für seine schändliche Tat zur Rechenschaft gezogen werden. Nur einer konnte büßen. Sie blickte nach Osten, einem baldigen Sonnenaufgang entgegen. Die letzte Stunde des Meisters war gekommen...

Darn schritt einen langen Korridor entlang. Er fühlte, dass er seinem Ziel immer näher rückte. Vor ihm lauerte eine abstoßende Präsenz, und jeder Schritt fiel ihm schwerer. Etwas drängte ihn zurück. Doch sein Wille war stark, sein Glaube gefestigt. Mit dem Schwert in der Hand betrat er einen gigantischen Steindom, dessen Decke nur von einer Hand voll Säulen gestützt wurde. Überall waren merkwürdige Symbole und Zeichen in den Stein eingemeißelt, und in der Luft lag ein Surren, ein Knistern, das Rauschen von allumfassender Grabesstille. Er war am Ende seiner Reise angelangt.
Er machte einen Schritt nach vorn...

Und befand sich in einer anderen Welt.
Die Luft roch süß, Wind streichelte sein Gesicht und Blätter rauschten. Er befand sich auf einer Lichtung mitten im Wald, und keine zehn Schritte vor ihm befand sich eine überlebensgroße Statue. Moos wucherte an ihrem Sockel und Flechte rankte sich an ihr empor. Es war ein König, dessen edle Züge über die Ländereien zu wachen schienen.
Darn flüsterte ein einziges Wort: "Minathar!" und...

Die Illusion verschwand.
Der Dämon, der Geist des Goldes, der Minathar erwachte aus seinem Schlaf. Als er die Augen öffnete, war die Halle auf einmal von einem hellen Leuchten erfüllt.
Darn machte eine vermummte Gestalt aus, die - der Statue im Wald gleich - auf einem steinernen Thron saß. Dort, wo ein Gesicht unter der Kapuze hätte sein sollen, befand sich die Quelle des Gleißens. Es war nicht länger dunkel und beklemmend; die unterirdische Kathedrale war erfüllt von einem unsagbar guten Geist.
Der Mensch spürte, wie seine Wunden heilten, wie sich die gebrochenen Knochen seines verkrüppelten Arms erneut verbanden, wie der Muskel zusammengefügt wurde und schließlich wie sich narbenlose Haut straffte. Ein heimeliges Prickeln erfüllte ihn. Erst erfüllte ihn Verwirrung. Dann ereilte ihn Verständnis. Er dachte an das zurück, was ihm einst in jener sternenklaren Nacht der Schlacht bewusst geworden war. Von den Vyrn ging keine Gefahr aus - sie waren ebenso wie alles andere ein Teil der Welt, auch wenn dieser zu kränkeln begonnen hatte. Man musste die Wunde reinwaschen. Dieser Geist war nicht böser Natur - er wollte lediglich helfen. Doch er tat es auf die falsche Weise.
Statt die kranken Äste abzuschneiden, versuchte er verzweifelt sie zu heilen.
Darn fiel auf, wie drängend dieses Weiß plötzlich geworden war. Und er vernahm wieder dieses Surren. In all dieser Reinheit verbarg sich tief verwurzelter Hass. Aber dem Menschen gegenüber offenbarte er Liebe. Warum?
Glymrithil...
Aber natürlich! Darn fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen. Die Minathar beschützten das Zaubergold, wachten über die magische Stadt Corath. Doch jene war beim Ausbruch des Vulkans zerstört oder zumindest verschüttet worden. Was war zu diesem Zeitpunkt mit dem Geist des Guten geschehen? Für ihn war die Stadt verloren gewesen... und jetzt befand er sich auf der Suche nach ihr. Deshalb ließ er die Vyrn graben. Deshalb das alles...    
Prüfend bewegte er seine Hand.
Wo also war dieses verfluchte Gold?
Ein Donnern und Beben schüttelte die Halle. Staub rieselte von der Decke herab und kleine Gesteinsbrocken brachen von den Wänden, als wütende Magie um sich griff. Sofort wechselte das Weiß in ein tosendes rotes Höllenlicht.
Darn erstarrte - alle Gedanken an das Gold verschwanden und er fragte sich nur noch, was den Auslöser für diesen Sinneswandel darstellte.
Beinahe sofort wandelte sich das Rot wieder zu jenem erquickenden Gleißen. Das Beben verebbte und Stille kehrte wieder ein. Verständnislos ließ Darn seine Blicke durch den Steindom schweifen. Da war nichts, nichts, was einen Aufschluss gab.
Aber vielleicht...
Er erinnerte sich an die Märchen seiner Kindheit, an die Legenden über Corath und die Minathar. Im Geiste wiederholte er sie Wort für Wort, wie er sie jeden Abend vor dem Einschlafen gehört hatte. Schließlich kam er zu jener Stelle, an der es hieß, dass die Untoten jene in die Irre trieben, deren Gier nach Gold zu groß war. Und erneut durchschoss ihn die Erkenntnis. In dem Augenblick, als er an das Zaubergold und daran gedacht hatte, es zu finden, hatte sich der Minathar bereit gemacht, ihn zu vernichten.
Darin bestand des Rätsels Lösung!
Das Denken des Untoten war zu intuitiv, als dass er seine Pläne mit Logik hätte verfolgen können. So war jener nie auf die Idee gekommen, die bösen Mächte in sich zu wecken, um sein eigenes Ziel zu erreichen. Lediglich durch Einfluss von Außen - durch Rachsucht oder Gier - würde er diese freisetzen können. Dies war seine Bestimmung und etwas anderes zu vollbringen war ihm nicht möglich. Deshalb brauchte er die Vyrn - weil er alleine diese Kraft nicht aufbringen konnte. Der Rest war nur Theater, Interpretation des Vyrn-Häuptlings, alles nur Illusionen.
Und Darns Bestimmung war es, jene bösen Kräfte freizusetzen, die dunkle Seite zu wecken, das Feuer des Hasses zu schüren.
Mit ausgestrecktem Schwert sprang er nach vorne, brüllte herausfordernd: "Wo ist das Gold?"
Wie Darn es sich gedacht hatte wurde erneut alles in jenes dämonische Licht getaucht. Die Erde bebte, Säulen wankten und Staub rieselte aus Rissen, die sich in der Decke auftaten.
"Ich will das Gold!" Wie ein Irrer sprang Corna von einem Bein auf das andere, führte einen provozierenden Tanz auf und zog eine garstige Miene. Seine Gedanken waren eine klare, eindeutige Weise, eine Melodie, zu der er tanzte:
Gold, Gold, Gold! Ich will das Gold! Gold, Gold, Gold! Wo ist das Gold? Gold, Gold, Gold...
Der Dämon kreischte auf und das durchdringende rote Glühen verwandelte sich in ein Meer betäubender Schwärze. Die Kraft eines uralten Geistes ballte sich zur Faust und bearbeitete den Fels, schlug auf Darn ein, der sich den Attacken freudig entgegen stellte. Er fühlte, wie diese unglaubliche Bosheit sich in seinen Geist fraß, ihn zerstörte, und... dennoch tanzte er weiter.
Er packte das Schwert mit beiden Händen und stürmte auf die verhüllte Gestalt des Minathar zu. In einem letzten Aufschrei von Hass, den er empfinden konnte, stieß er das Schwert durch den zerfallenen Körper des Untoten und tief in den Stein des Throns.
Das Singen von Magie hallte nun klar durch die unterirdische Kathedrale. Es wurde still.
Dann zersplitterte die schwarze Fassade und brachte das strahlendste Metall zum Vorschein, das Darn je gesehen hatte. Und es war das letzte, was er sah. Es war heller als die Sonne, so gleißend, dass es nicht einmal die Bezeichnung "Gold" verdient hätte. Es war etwas viel Reineres, Kostbareres...
Es war Glymrithil...

Die Kathedrale fiel in sich zusammen.
Und einen Moment lang durchdrang Morron ein befriedigtes Aufseufzen. Dann explodierte der Vulkan, sandte seinen Feuerregen über Corath und erlöste den gefangenen Geist. Die unsichtbaren Ketten lösten sich. Er war frei...
Das hervorquellende Blut wusch die Wunde rein...

Larannah stand alleine auf dem beinahe gänzlich verlassenen Schlachtfeld. Niemand war da, der sie in den Arm nahm, sie tröstete. Nicht einmal ihr Berater Horon. Sie alle waren in der Schlacht gefallen. Für Stunden wandelte sie ziellos über den leichenübersäten Kampfplatz. Schließlich hielt sie an, kniete sich vor einen toten Jungen und strich ihm das blonde, schmutzige Haar aus der Stirn.
"Lebe wohl, Quen", hauchte sie. Dann beugte sie sich hinab und gab ihm einen Kuss auf die Stirn, schloss ihm die Augen. Neben ihm lag Pinn, von Pfeilen gespickt - er hatte um das Leben seines Cousins gekämpft.
Sie erhob sich, rief laut über das Feld: "Barthon? Finnon?" Niemand antwortete.
Ein paar Schritte weiter schritten einige Elfen die Straße hinab; ein Reiter war unter ihnen. Auf der anderen Seite der in Sumpf verwandelten Wiese standen Zwerge um ihren König, der im Sterben lag. Im Stillen hatte sie auf ein freudiges Ende gehofft, wie in den Geschichten und Legenden. Doch die Wirklichkeit war nie voll Freude und Frohsinn. Die Wirklichkeit... die Wirklichkeit war etwas anderes.
Betroffen starrte sie auf ihre Stiefelspitzen.
Was hatte sie sich dabei gedacht? Hatte sie etwa geglaubt, gewinnen zu können? Das Zeitalter neigte sich dem Ende zu... Elfen, Zwerge und Vyrn würden bald der Vergangenheit angehören. Die Magie würde aus den Wäldern verschwinden.
Wie gesagt, die Wunde war gereinigt. Der Eiter war ausgewaschen. Was blieb, war eine Narbe; ein Mal, das niemals ganz verschwinden würde...
 

© Benedikt Julian Behnke
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Dies ist das letzte Kapitel von "Zwergengold". Die Geschichte ist damit beendet.
... oder? ;-)

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