Der
König der Drachen |
- 12 -
Garath |
Tala hatte beschlossen, nicht vor dem Tempel auf den Abend zu warten. Sie ging ein bisschen im Gebirge spazieren. Überall um den Tempel herum waren große hügelige Plattformen im Gebirge. Sie waren für Spaziergänge perfekt. Die Aussicht war wunderbar. Man konnte das ganze Land überblicken. Manchmal sah man nicht sehr viel. Nur bis ins nächste Tal hinein. Nach einer kleinen Weile kam sie zu einem Plateau, auf dem sie vorher noch nie gewesen war. Es war klein und gemütlich. Ihr Blick fiel sofort auf den Drachenfelsen, der weit im Norden seine mächtigen Felswände aus dem Boden streckte. Noch nie war ein Mensch auf seiner Spitze gewesen. Sie wäre mit einem Luftschiff gut zu erreichen, doch hat man auch heute noch Angst vor den Drachen. Die Drachen. Tala lebte seit einem Jahr hier. Sie hat von den Drachen gehört, aber nie einen gesehen. Was war das? Einen Moment lang meinte Tala etwas gesehen zu haben. In der Sonne. Doch sie wurde geblendet. Dann flog es aus der Sonne raus. Ein Drache! Die riesigen Schwingen waren schon von weitem zu erkennen. Doch nicht. Es kam näher. Ein Drache war es nicht. Jetzt erkannte sie es. Die Schwingen waren Seitensegel. Ein Schiff. Aber extrem klein. Nur ein Gleiter. Er schien Schwierigkeiten zu haben. Auf jeden Fall sank er. Und schließlich war er so tief, dass er hinter einer niedrigen Gebirgskette verschwand und nicht mehr zu sehen war. Was hatte ein Schiff so weit hier draußen verloren? Tala wunderte sich. So weit von der Welt abgeschnitten. wahrscheinlich nur eine Notlandung. Oder sie wollten zum Meister. In jedem Fall musste sie es dem Meister sagen. Marlin saß auf einer kleinen Anhöhe
und blickte auf das riesige Gebirge, das sich vor ihnen erstreckte. Nirgar
kam zu ihm.
Der Weg zum Tempel war weit gewesen. Viel Zeit
war vergangen und Tala nahm an, die Sperre wäre sicher wieder aufgehoben.
Sie blickte die Stufen rauf. Dort saßen immer noch alle rum. Sie
ging rauf. Cecil saß an einer Säule in der Nähe der Stufen.
Sie lief sofort zu ihm rüber.
Marlin und Nirgar waren den Berg hoch gewandert.
Sie wurden von zwei Soldaten der Überlebenden begleitet. Es war ein
schneller Aufstieg gewesen und so sind gerade mal sechs Stunden vergangen,
bis sie das Ziel erreichten. Die Sonne war fast schon hinter dem Horizont
verschwunden. Hier oben hatte man einen guten Ausblick.
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Die alte Heimat |
Der Platz war fast menschenleer. Vereinzelt standen ein paar Gestalten dort rum. Es waren keine Menschen. Nirgar hatte diese Rasse noch nie zuvor gesehen. "Was sind die?" "Das sind Murahn." Marlin sah sich lächelnd um. Wie lange war er schon nicht mehr hier gewesen? Nirgar wirkte erstaunt. Er hatte schon viel von den Murahn gehört, war aber nie einem begegnet. Sie gingen auf die Treppe zu. Über ihr erkannten sie nun einen riesigen Tempel. Ein Murahn mit schwarzem Fell trat ihnen entgegen. "Was führt euch zu so später Stunde noch zu uns?" "Ja, Marlin." Nirgar sah ihn erwartungsvoll an. "Was machen wir hier eigentlich?" Der Murahn spitzte die Ohren. Er machte einen überraschten Gesichtsausdruck. "Marlin? Bist du es?" "Ja, Melda. Freut mich, mal wieder hier zu sein." "Hör zu. Wenn du in den Tempel möchtest, kann ich dich nicht rein lassen. Heute nicht mehr. Nicht mal die Schüler dürfen weiter als zu ihren Zimmern." "Deswegen bin ich hier. Ich habe mir so was gedacht, denn ich kenne ja den Meister." "Ja. Die haben da drin eine Sitzung. Du musst wissen, hier in Garath sind in den letzten Tagen sehr viele Leute gestorben. Alle sind deswegen aufgebracht." "Ich weiß." Melda sah seinen alten Freund an. "Und", fuhr Marlin fort, "ich denke, ich weiß, wer dafür verantwortlich ist." Dilahn saß an einer großen, runden
Tafel in der Mitte des Raumes. Es war die Bibliothek. Etwas umgebaut. Die
runde Vertiefung in der Mitte der Halle war leer geräumt. Wo sonst
die Tische zum lesen standen, stand nun die Tafel. Drum herum waren schwere
Stühle aus Eichenholz aufgestellt. Einige von ihnen waren leer, andere
besetzt. Es waren Vertreter von allen Rassen dort. Ein Zwerg, ein Ork,
zwei Vertreter der Elfen, die ihre eigenen Soldaten hinter sich stehen
hatten, weil sie der zweiten, der Partei der Dunkelelfen, nicht trauten.
Diese waren ebenfalls zu zweit und ihre Garde setzte sich aus sechs Männern
zusammen. Dann saß neben Dilahn noch ein Vertreter der Murahn und
ihnen Gegenüber ein Vertreter der Menschen. Neben ihm hatte Marlin
Platz genommen. Melda und Nirgar standen hinter ihm. Er erzählte,
wie sie hier her gekommen waren und von den Angriffen der Drachen auf die
Flotte der Elfen und die Stadt Utala.
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Ein Hauch von Finsternis |
Die Elfen hatten nichts verraten. Warum wollte hier niemand sagen, worum es geht? Solche Fragen beschäftigten Marlin die ganze Nacht. Schließlich war er der, den die Sache am meisten interessierte. Ging es doch dabei schließlich um sein Leben. Er war wütend auf die Elfen. Und auf Dilahn. Es schien, als würde es den Meister nicht im Geringsten interessieren, was um ihn geschieht. Aber die anderen interessierte es. Und Marlin machte sich nicht nur um sein eigenes Leben Sorgen. Da waren die anderen. Tausende, wenn man den Berichten glauben durfte. Und dann die Sache mit den Orks. Was ist hier eigentlich los? Die Sonne ging langsam auf. Marlin war auf das Dach des Tempels gestiegen und blickte von einer kleinen Plattform aus über das Land. "Was machst du hier?" Marlin drehte sich um. Ein Mädchen hatte sich an ihn ran geschlichen. Eine Schülerin? Nichts sagend wandte er sich wieder dem Sonnenaufgang zu. Das Mädchen setzte sich neben ihn. Sie war vielleicht sechzehn. Höchstens siebzehn. Ungefähr Marlins Alter. "Und was machst du hier?" fragte Marlin zurück. "Ich dachte, dieser Teil des Tempels wäre für Schüler gesperrt." "Hab mich an den Wachen vorbei geschlichen." Marlin versuchte seine ernsten Gedankengänge mit einem Lächeln zu verbergen. Doch er gab es schnell wieder auf. War halt schlecht, wenn es darum ging sich zu verstellen. Tala sah ihn wieder an. "Wieso trägst du die Uniform eines Elfen? Du bist doch ein Mensch, oder?" "Das ist eine verdammt lange Geschichte." "Erzähl sie mir. Warst du in der Bibliothek? Weißt du, worüber die da drinnen reden? Sag schon!" So sehr Marlin weibliche Gesellschaft auch schätzte, er war in einer Situation, in der er lieber alleine gewesen wäre. Und außerdem fing sie an zu nerven. Wie sollte er ihr das nur sagen...? "Was ist das?" Tala riss Marlin aus seinen Gedanken. Er sah in die Richtung, in die sie deutete. Erst sah er nichts, aber dann erkannte er einzelne, winzigkleine schwarze Punkte, die sich weit unten im Tal bewegten. Aber schnell waren sie hinter einem Hügel oder Wald verschwunden. Da tauchten wieder welche auf. Weiter oben. Ganze Gruppen von Gestalten, die durch das Tal wanderten. "Das muss ich genauer sehen." "Dort hinten auf der Aussichtsplattform ist ein Fernrohr. Vielleicht erkennst du damit mehr." Nirgar war wieder bei seinen Leuten im Tal.
Das Landungsfahrzeug war repariert. Zwei Leute sind in der Morgendämmerung
damit los geflogen. Mehr passten nicht rein. Das heißt, es hätten
mehr gepasst, aber dann hätte die Triebkraft nicht mehr gereicht.
So konnten sie nun Hilfe aus dem nächsten Elfenstützpunkt holen.
Der Rest konnte im Tempel unterkommen, bis die Elfen kamen, um sie abzuholen.
Nirgar sah dem Transporter noch nach, bis er hinter dem Horizont verschwunden
war. Er und eine Hand voll Zurückgebliebener machten sich nun auf
den Weg zum Tempel. Nirgar hoffte, dass es schon weitere Ergebnisse der
Diskussion gab, aber die Hoffnung war gering. Die Elfen wussten doch was
vorging. Warum sagten sie es nicht? Die Dunkelelfen und die Elfen hatten
sich in der letzten Nacht sogar unter sich beraten. In einem der Wohnräume.
Durch die Tür war nichts zu hören gewesen. Einer der Soldaten
blieb stehen.
Marlin ging durch die Halle des Tempels. Dilahn
neben ihm. Er hatte ihm bereits alles berichtet und die Situation erforderte
schnelles Handeln. Die Vertreter der Dunkelelfen hatten sich die Sache
auch schon angesehen. Eine Armee. So wie man sie für einen Erstschlag
nutzte. Sie war vielleicht an die 4000 Mann stark. Zweifelsohne waren sie
auf dem Weg hierher.
Der Mittag war gekommen. Dilahn, Melda und
Marlin saßen auf ihren Drachen. Hinter ihnen hatte sich ein Heer
von 3200 Mann gesammelt. Sie waren bewaffnet und fertig für einen
Kampf. Seit einigen Minuten war auch das andere Heer eingetroffen. Ihnen
voran stand eine beängstigende Gestalt. Sie ritt auf einem Pferd,
das von seiner Größe her eher mit einem Bullen zu vergleichen
war. Eine silberne Rüstung und ein schwarzer Umhang. Man konnte das
Gesicht nicht sehen. Ein Helm mit Hörnern an der Seite verdeckte es.
Das Einzige, was man erkennen konnte, waren die Augen. Sie strahlten golden
aus dem inneren des Helmes hervor und selbst aus dieser Entfernung konnte
Marlin sie deutlich sehen. Daran hatte er ihn auch erkannt. Netanor, der
Paladin Fenerins.
© V.Geist
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