Die Chroniken von Nairî von Silvermoon
3: Weg nach Irdingen

Hauptmann Aiden und seine Soldaten ritten durch die immer zugefrorenen Wege der Eisspitzte. König Falak, Herrscher der Menschenvölker Nairîs, hatte Aiden dazu beauftragt, die beiden Frauen, die aus der Stadt Glynis entflohen waren, eine Kriegerin und eine Mörderin, zu verfolgen und sie ihm zu bringen. Wieso, hatte man ihm nicht gesagt. Es war im Grunde auch nicht wichtig. Er selber hatte das  große Verlangen, dem geheimnisvollen Drachenmädchen zu folgen. Das schwarze Haar, die bernsteinfarbenen Augen, die sinnlichen Lippen...
Plötzlich hörte er ein lautes Brüllen und drei blaue Schatten, die auf ihn und seine Soldaten losstürmten. 

In langsamem Tempo ritten die drei durch die kalte Eiswüste. Einer hintereinander, Amber mit Daray voraus, Holly mit Lukela und Esmeralda auf ihrem Wallach Siran.
Der Wind wehte stark und dichter Schnee fiel vom Himmelszelt. Esmeralda, die Priesterin, starrte emotionslos in die kalte Welt, die sie durquerte. Holly war damit beschäftigt, aus den Schuppen des Eisdrachen, den sie zuvor erlegt hatten, Pfeilspitzen zu schnitzen. Und Amber war mit den Gedanken bei dem kleinen Dorf, in dem sie Esmeralda gefunden hatten. Immer und immer wieder schoß ihr Sheenas Gesicht in den Sinn. Es war so zufrieden und ausgeruht gewesen. ...Höre... Sie schreckte auf. Daray war stehen geblieben. Amber blickte sich zu allen Seiten um, doch konnte durch den Schnee nicht die Ursache für sein Verhalten finden. Der Hengst wieherte schrill. Der Schnee lichtete sich und sie erkannte zehn schneeweiße Pferde. Auf den ersten Blick waren es ganz gewöhnliche Tiere, doch bei näherem Hinsehen erkannte man an jedem ein Paar Flügel. Seidige weiße Mähne, wie aus Eis geschnitz, fiel in langen Strähnen ihren Edlen Hals herab. Die wunderschönen Schwingen waren an ihren Unterleib gedrückt und aus ihre Nüstern zitterten sanft. Der Pegasus, der vor Amber stand, schnupperte an ihrer Hand und dann sprach er ohne die Lippen zu bewegen: "Wir haben euch schon erwartet. Fürchtet euch nicht. Folgt uns nun. Unser Herr erwartet euch."
Da setzte sich Daray in Bewegung. Sich auf ihr treues Reittier verlassend liess Amber ihm freien Lauf. Holly trieb Lukela hinter her, und Esmeralda wollte sowieso nicht alleine in einer kalten Wüste umherirren. Nach einer Weile verloren die Gefährten im frostigen Gelände die Orientirung und folgten wie blind den Vierhufern. Nach einer Weile kamen sie zu einem Torbogen aus Eis. Er stand einfach nur da, nichts war dahinter zu sehen als weitere Eisdünen. Die Pegasi hielten an und der Anführer nickte Amber zu. Mit einem fragenden Blick trabte sie durch das eisige Gebilde. Als Daray den ersten Huf hinter den Torbogen aufgesetzt hatte, stand sie vor einem runden Gebäude, angefertigt aus Eis. Holly und Esmeralda waren nirgends zu entdecken. Doch wenig später standen sie auch vor dem seltsamen Gebäude. Die gewölbte Kuppel wurde von sechs Säulen getragen, der Boden glänzte wie Glas. Um die Säulen schlängelten sich Eisröschen und auf der Spitze der Kuppel leuchtete ein riesiger Diamant. Von der Schönheit des Ortes überwältigt bemerkten sie erst nicht das anmutige Tier, das in der Mitte des Gebäudes stand. Der Pegasus, weißer als die Sterne am Nachthimmel, mit den Schwingen eines Adlers und den Augen eines silberschimmernden Flusses, strahlte soviel Schönheit doch auch Traurigkeit aus, dass ihre Herzen schwer wurden. "Seid gegrüßt, Kriegerinnen! Ich bin Siobhan, Herrscher der Pegasi des N´Akal. Bitte, kommt zu mir und setzt euch." sagte Siobhan. Als sie 
das Gebäude betraten war es, als ob sie in eine Dimension betreten hätten. Es war warm und ein seltsamer Rosenduft füllte den Raum. 
Sie setzten sich auf die Kissen, die sorgfälltig auf den Boden gelegt worden waren. Siobhan nickte: "Lange Jahre habe ich auf euch warten müssen, um euch diese Nachricht zu überbringen. Hundert Winter sind nun schon vergangen, seit ich den Auftrag bekommen habe, euch sicher durch mein Reich zu führen, denn im N’Akal lebt nicht nur mein Volk. Andere, schreckenseregende Geschöpfe wandern durch die dunklen, vergessenen Gegenden der Eiswüste. Meine Aufgabe ist es, euch bis nach Irdingen zu geleiten, denn dort endet mein Reich." "Waru...?" wollte Esmeralda fragen, aber der Herrscher der Pegasi unterbrach sie: "Dies weiß ich nicht zu beantworten... Böses breitet sich in dieser Welt aus... Dunkel und geräuschlos... Doch esset nun und ruhet euch aus. Morgen sehen wir weiter." und Siobhan lösste sich in Luft auf. Kaum war er verschwunden, standen Teller mit Köstlichkeiten wie zarten Früchten, Fleisch, Brot, Gemüse und kühles Wasser vor ihnen. Das war das beste Mahl, das sie seit langer Zeit hatten. 

Am nächsten Morgen erwachten sie auf Haufen von Kissen und Decken. Holly gähnte laut. "Habt ihr gut geschlafen, meine Gäste?" Siobhan erschien. "Ja, vielen Dank für eure Gastfreundschaft." antwortete Amber und nahm ihre Waffen zu sich. Der Pegasus schien erfreut zu sein doch sagte nichts. "Ihr müsst euch jetzt auf den Weg machen, jemand anderes wartet auf euch. Doch bevor ihr euch auf den Weg macht, habe ich etwas für euch. Kräuterfrau... eine Flasche Eisröschen-Öl.  
Mit dem Öl kannst du Wunden verheilen. Gehe in Frieden... Herrin der Pfeile, dir gebe ich die Federn des Greifen, Symbol der Freiheit und Zeichen der Macht der Greifenvögel... Gehe in Frieden.... 
Und du... Drachenkriegerin... die wichtigste von allen, dir gebe ich die Drachenklinge, erschaffen in der Zeit der Leonkriege für die Gemahlin Leanders, Leandra, der Löwin. Doch bedenke, nicht jeder Drache ist von Natur aus böse gesinnt. Gehe in Frieden. Lebt wohl." Dann standen sie wieder in der eisigen Wüste und spürten den kalten Schnee, der ihnen ins Gesicht peitschte. 

Sie waren vor den Mauern der Stadt Irdingen. Die Pferde gut ernährt und gekräftigt standen neben ihnen. Sie wollten gerade aufsitzen, als ein junger Man taumelnd und blutend vor ihnen auftauchte.
 

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Sicher geht es hier schon bald zum vierten Kapitel...

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