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Diese Geschichte wurde von den Drachental-Besuchern zur
besten Fantasy-Fortsetzungs-Story 2004 und 2005 im Drachental gewählt!

Das Babysitter von Der Doktor
Prolog

Es ist allgemein bekannt, dass transdimensionale Reisen ganz alltägliche Phänomene sind.
Doch... woher ist es bekannt?
Wesen im gesamten Universum reisen nahezu täglich durch Zeit und Raum - die meisten von ihnen sind natürlich nicht besonders glücklich darüber, weil sie dann immer mit irgendwelchen Weltenrettungsaktionen beauftragt werden, die zwar eh gut ausgehen, aber dennoch eine Menge unnötigen Stress bereiten und größtenteils auch noch schlecht geschrieben sind.
Und das beantwortet auch gleich unsere Frage, woher denn das Wissen um transdimensionale Reisen als alltägliches Phänomen stammt - wenn so viele Leute Bücher und Romane über etwas wie transdimensionale Reisen schreiben, dann muss doch an der Sache etwas dran sein, nicht wahr?
Fakt ist, dass nur ein Bruchteil der Autoren wirklich an das Phänomen der alltäglichen transdimensionalen Reise wirklich glaubt.
Fakt ist, transdimensionale Reisen sind ein alltägliches Phänomen.
Man könnte nun fragen, was zuerst dagewesen sei - die transdimensionalen Reisen oder die Geschichten über sie, aber das wäre dann doch zu sehr an den Vorgänger dieser Geschichte angelehnt und sowieso eigentlich nur vollkommen langweilig.

Die Person, von der jetzt hier die Rede sein soll, kümmert sich natürlich ebenfalls nicht um solche Fragen.
Dennoch ist sie sich nicht dessen bewusst, dass sie sich gerade auf einer transdimensionalen Reise befindet, denn diese beginnen meistens in einem Wald, in einem See oder an irgendeiner anderen aus der Heimatwelt des Reisenden bekannten landschaftlichen Gegend.
Als der anfangs erwähnte Herr durch den für ihn ganz normal erscheinenden Wald wanderte, traf er sogar auf ihm bekannte Tiere, also Viehzeugs wie Rehkitze, Hoppelhäschen und eine Horde ausgehungerter, blutrünstiger Wölfe. Jene war auch der Grund, warum unser Reisender sein Gehtempo etwas beschleunigte - ob nun Heimatwelt oder nicht, niemand landet gerne in den Mägen von sieben ausgehungerten Wölfen.
Diese Geschichte soll natürlich nicht zu einem vorzeitigen Ende kommen, von daher wurde unser Dimensionsreisender auch auf wundersame Weise im letzten Moment gerettet. Der letzte Moment markierte die Stelle, an der der Fliehende mitten auf einer Lichtung stolperte, sich flach auf den Boden legte und sich in panischer Angst umdrehte, um seinem unausweichlichen Schicksal in die Augen bzw. in die Mäuler zu schauen.
Ihm eröffnete sich das Bild des Wolfsrudels, wie es genau am Rande der Lichtung zum Stehen kam, wütend über die anscheinend verloren gegangene Mahlzeit enttäuschtes Geheul anstimmte und nicht minder enttäuscht umdrehte, um abzuziehen.
Unser Protagonist konnte sein Glück natürlich nicht fassen und drehte sich dann um, um sich über die Ursache dieser so überraschenden Wendung seines kleinen Abenteuers zu erkundigen.
Hinter ihm auf der Lichtung stand eine Person, die in ihm erstmals Zweifel darüber aufkommen ließen, sich noch auf der richtigen Welt zu befinden. Andererseits gibt es selbst auf den am höchsten entwickelten Welten auch immer noch Leute, die sich in lange, schwere, bunte Roben kleiden und als halbverrückte Einsiedler mit langen Bärten in von hungrigen Wölfen verseuchten Wäldern abseits der Zivilisation leben, um allen Vorbeikommenden doppeldeutige Sprüche unterzujubeln, die eigentlich nur gut klingen, die Betroffenen jedoch meist stundenlang über das eben Gesagte nachgrübeln lassen - meistens finden sie dann sogar einen Sinn, worauf die Einsiedler dann immer sehr stolz sind.
Solch ein Exemplar der Rasse, die wir normalerweise als "Mensch" bezeichnen, stand jedenfalls hinter unserem Reisenden und schaute ihn weise, beziehungsweise halbverrückt an, das ist ja auch eine Sache des Standpunktes.
Unser Reisender kann natürlich auch sprechen und da jetzt ein guter Zeitpunkt war, um den ersten Dialog dieser Geschichte zu beginnen, sagte er:
"Wie haben sie... warum... ähm... danke!"
Auch der Einsiedler konnte anscheinend sprechen, und er erwiderte in derselben Sprache und in sanftem, zumindest weise klingendem Tonfall schlicht:
"Folge mir!"
Der Reisende sah sich in seinen Handlungsmöglichkeiten daraufhin sehr beschränkt und beschloss weiserweise, sich aufzurappeln und dem Einsiedler zu folgen.
"Wie haben sie das gemacht? Das mit den Wölfen...", fragte er.
"Das tut nichts zur Sache. Viel wichtiger ist doch die Frage: Warum bist du hier? Und vor allem: Wo bist du?"
"Nun, die erste Frage ist einfach zu beantworten. Ich wollte eigentlich nur kurz in den Wald gehen, um mal zu pinkeln. Wo ich jetzt bin, kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, aber ich wäre ihnen ganz dankbar, wenn sie mich zur Straße zurückführen würden, damit ich mein Auto suchen gehen kann."
Der Einsiedler sah ihn mit einer Mischung aus milder Belustigung und einer Prise Traurigkeit an.
"Ich fürchte, wir werden dein... ähm... Au-to hier in der Gegend nicht finden. Ich fürchte außerdem, dass du dich gar nicht mehr auf der Welt befindest, die du als deine Heimatwelt bezeichnest."
"Einen Moment, was wollen sie damit sagen? Meinen sie etwa, dass mein Auto hier gar nicht mehr in der Nähe ist?"
Der Alte nickte.
"Und sie wollen mir allen ernstes verklickern, dass ich mich auf einer fremden Welt in einer fremden Dimension oder so befinde?"
Der Alte nickte.
"Und sie denken wirklich, dass ich ihnen diesen Schwachsinn abkaufe?"
Der Alte nickte.
Unser Reisender schüttelte ungläubig den Kopf und schaute sich den Einsiedler noch mal von oben bis unten an. Dann kam er zu einem Entschluss und sagte:
"Oh, kacke, Mann!"

Dies ist ein wunderbarer Zeitpunkt, um all die faszinierenden Phänomene einer transdimensionalen Reise einmal kurz zusammenzufassen.
Zunächst ist es erstaunlich, dass die Welt, in die ein transdimensional Reisender versetzt wird, immer dieselben Klimabedingungen vorweist wie die Heimatwelt des Betroffenen. Bisher ist jedenfalls noch niemand bei solch einer Reise durch beispielsweise akuten Mangel an Sauerstoff in der Atmosphäre umgekommen.
Ebenfalls auffällig ist das Existieren gewisser, anscheinend universell gültiger Tier- und Pflanzenarten. So wird man in jedem Wald jeder Parallelwelt Kiefern und Tannen sowie die bereits erwähnten Rehe, Hasen und natürlich die ausgehungerten Wölfe antreffen... wenn man Pech hat.
Viel interessanter und vor allem viel erstaunlicher als diese beiden Tatsachen ist jedoch die ebenfalls universelle Existenz einer Lebensform, die wir als "Mensch" bezeichnen. Die meisten Parallelwelten haben außerdem noch dem Menschen sehr ähnliche Lebensformen vorzuweisen, die dann meistens "Zwerge" oder "Elfen" genannt werden.
Am erstaunlichsten mag einem jedoch die Tatsache erscheinen, dass die sprachbegabten Wesen dort, wohin man durch eine transdimensionale Reise hinversetzt wird, immer die eigene Sprache sprechen!
Wissenschaftler einer hochentwickelten Welt versuchten einst, dieses Phänomen zu erklären, scheiterten jedoch daran, einen Namen dafür zu finden und gingen, für immer zerstritten, auseinander.
Ein Dimensionsreisender gelangte einmal aufgrund all dieser Tatsachen zu folgendem Ergebnis:
Wenn die Umgebung, die Wesen, die Sprache und sonst auch alles andere dem Reisenden bereits vertraut ist, so kann es sich nur um Einbildung handeln, um einen schlechten Traum, um eine eingebildete Realität, die jedoch niemals stattgefunden hat.
Das erklärte zwar nicht, was mit den Leuten geschah, die von ihren Reisen nicht zurückkehrten (worüber es auch wieder Theorien wie "Der Körper kann ohne den Schweiß nicht leben... nein, es war nicht der Schweiß, Moment..."), in der Heimatwelt dieses Menschen wurde diese Theorie dennoch zu einem gigantischen Erfolg, als der Reisende zusammen mit seinem Bruder eine Dokumentation über seine Reise in die von ihm "Imaginäre Tricks", kurz "Ima-Tricks" genannte Welt drehte, die von den meisten Leuten, die sie sahen, jedoch für einen Unterhaltungsfilm missverstanden wurde.

Nun, dieser Reisende hat nichts mit unserer momentanen Hauptfigur zu tun, zu der wir nun nach diesem kleinen Exkurs wieder zurückkommen möchten.
Er war nun schon eine ganze Weile neben dem Einsiedler nebenher gelaufen und stellte, halb ihm, halb sich selbst, folgende Fragen:
"Wie bin ich hier hergekommen?"
"Die Antwort wirst du bei Ihm erfahren."
"Wie komme ich wieder zurück?"
"Die Antwort wirst du bei Ihm erfahren."
"Warum gerade ich?"
"Die Antwort wirst du bei Ihm erfahren."
"Wer ist dieser Ihm eigentlich?"
"Die Antwort wirst du bei Ihm erfahren."
"Fischers Fritz fischt frische Fische!"
"Die Antwort wirst... bitte, was?"
"Wollte nur mal sehn, ob sie mir auch zuhören..."
Mit diesen Antworten musste sich unsere Hauptfigur zunächst mal zufrieden stellen und nun der Dinge harren, die da noch kommen mochten. Es dauerte zum Glück nicht lange, bis der Alte mit ihm vor einem großen Loch in einer mitten im Wald liegenden Felswand, welches so dunkel und finster war, wie es eben nur große Höhleneingänge mitten im Wald sein können, zu stehen kam. Von dem Eingang weg führte eine Art breiter Trampelpfad, der darauf schließen ließ, dass öfter in diese Höhle hinein und aus ihr hinaus gegangen wurde.
"Dort drinnen wird Er auf dich warten und dir deine Bestimmung in dieser Welt mitteilen", sprach der Alte mit theatralisch ausgestrecktem Arm.
"Sie meinen, dort drinnen wird mir erzählt werden, dass ich so ein seit langer Zeit erwarteter Mann-zwischen-den-Welten bin, der jetzt seine Bestimmung ergreifen und gegen das Übel kämpfen soll, das diese Welt befallen hat und sie vermutlich vernichten wird, sollte ich nicht einschreiten? So was in der Richtung?"
Der Alte sah ihn milde lächelnd an und sprach dann:
"Nun, vielleicht wird es nicht ganz so schlimm..."
Der Reisende drehte sich zu dem Höhleneingang um, atmete einmal tief ein und aus und setzte sich dann mangels sinnvoller alternativer Möglichkeiten in Bewegung, um diesen Er mal aufzusuchen.
Die dunkle Höhle zeichnete sich durch kühle Feuchtigkeit aus, die normalerweise dunkle Höhlen auszeichnet, die kühl und feucht sind. Dennoch war sie nicht vollkommen finster - der Reisende konnte einen Lichtschimmer am Ende des Ganges, in dem er sich gerade befand, ausmachen. Wie er bald herausfinden sollte, stellte dieser Lichtschimmer den Fackelschein dar, der eine Höhle von riesigen Ausmaßen gleichmäßig erhellte. Und in dieser Höhle lag Er - ein Anblick, der unseren Reisenden verblüfft stehen ließ, da es sich hierbei um etwas handelte, was längst nicht auf allen Welten des interdimensionalen Reiseverkehrs vorzufinden ist. Er öffnete die Augen und starrte den Reisenden mit einem Blick an, der wahrscheinlich Stahl hätte zum Schmelzen bringen können – zum Glück war keiner in der Nähe. Unser Protagonist machte sich lediglich in die Hosen.
Dann fing Er an zu sprechen. Es war laut. Sehr laut. Doch irgendwas, was das folgende Klingeln in seinen Ohren nur schwach übertönte, sagte dem Reisenden, dass Er es auch wesentlich lauter hätte sagen können. Er sagte:
"Komm näher!"
Solch einer Stimme verweigert man keinen Gehorsam. Das begriffen die Beine unseres Reisenden schneller als sein Kopf und setzten sich in Bewegung, um in geringerem, aber dennoch nicht respektlosen Abstand vor Ihm stehen zu bleiben.
Dann fing Er erneut an zu sprechen:
"Lass mich raten: Du bist ein Reisender aus einer fremden Dimension von einer anderen Welt. Du bist in dieser Welt gelandet und wurdest von einem Rudel hungriger Wölfe durch den Wald verfolgt. Dann wurdest du von einem alten Einsiedler gefunden, der dich zu mir geführt hat."
Es sah so aus, als müsste unser Reisende trotz schmerzhaft pulsierender Trommelfelle nun irgendwas sagen. Folgender Satz erschien ihm recht angemessen:
"Woher... können sie all das wissen?"
Der Kopf von Ihm setzte sich in Bewegung, um kurz vor unserem Reisenden zum Stillstand zu kommen, worauf dieser sehr erstaunt gewesen wäre, wie viel Stoff sich noch in seiner Blase befand, wäre er nicht viel zu sehr beschäftigt damit gewesen, seine Körperfunktionen am Laufen zu halten, damit er nicht einfach vor Angst wegstarb.
Und Er sprach ein weiteres mal:
"Dieser Einsiedler hat dich zu mir geführt. Warum? Weil ich ihn dafür bezahle!"

Kalessan mochte transdimensional Reisende.
Sie schmeckten wie die Menschen seiner eigenen Welt und ihr Tod zog keinerlei nervende Konsequenzen wie räuberische Racheritter mit sich. Außerdem wurden dadurch die Dörfer seiner Umgebung ein wenig entlastet.
Nachdem er fertig war, erinnerte er sich daran, dass er den Alten wohl demnächst für seine Dienste einmal mehr bezahlen musste. Vielleicht sollte er die Wölfe für ihre gute Arbeit auch mal wieder belohnen...
Er beschloss, diese Angelegenheiten auf später zu verschieben und legte sich wieder hin. Kurz bevor er einschlief, lobte er sich selbst einmal mehr für die sehr gute Investition in das Dimensionsportal direkt im benachbarten Wald.

Dies ist im übrigen keine Geschichte über das transdimensionale Reisen.

Oh nein, es ist viel schlimmer!
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© Der Doktor
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Und schon geht's weiter zum 1. Kapitel...

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