Das Babysitter von Der Doktor
11. Kapitel

Mit Nagersacki unterwegs zu sein, erwies sich für den Fremden aus einer anderen Welt als eine an sich schon sehr schwere Aufgabe, da man sehr aufpassen musste, die Ehre dieses Kriegers nicht zu verletzen. Einmal hatte sich ein Vogel direkt über Nagersackis Kopf erleichtert, und nachdem der Krieger sich nicht dazu in der Lage sah, das Tier deswegen zu einem fairen Kampf zu stellen, hatte der Reisende seine Liebe Mühe, den Sauriam davon abzuhalten, sich selbst das Schwert in seine Bauchklappe zu rammen.
Nichtsdestotrotz führte ihn Nagersacki in ein Gelände, das zumindest die Bezeichnung "finsterer Sumpf" verdient hatte.
"Sag mal, Nagersacki, warum heißen die Finsteren Sümpfe des Schwarzen Todes eigentlich so?", erkundigte sich der Fremde.
"Nun, sie sehr finster seien..."
"Und weiter?"
"'Schwarzer Tod', so wird genannt Drache, der lebt in Sumpf. Seien kein netter Zeitgenosse, ha ha!", erklärte Nagersacki.
"Oh, genau zu dem möchte ich aber."
"Ihr wollen den Schwarzen Tod umbringen? Das werden ein wahrhaft guuuter Kampf!"
"Ich will ihn eigentlich nicht umbringen, vielmehr... mit ihm reden!"
Der Fremde achtete darauf, nicht zu viele Details über seinen geheimen Auftrag und vor allem über die Schriftrolle mit der wichtigen Nachricht preiszugeben - man wusste nie, wem man trauen konnte, dazu hatte er schon zu viele Bücher über Dimensionsreisen gelesen.
"Oh... darf Nagersacki ihn umbringen, nachdem ihr geredet habt?", fragte der Krieger hoffnungsvoll.
"Nein!"
"Oh bitte, nur ein bisschen!"
"Nein, und es bleibt dabei!"
Der Reisende hoffte stark, dass er den Sauriam nicht zu sehr in seiner Ehre verletzt hatte, ansonsten würde dieser Streit noch viel heftigere Ausmaße annehmen. Der Krieger beschränkte sich jedoch darauf, lautstark zu schmollen und etwas in seiner eigenen, zwitschernden Sprache zu murmeln.
Die beiden setzten ihre Reise durch den immer finsterer und sumpfiger werdenden finsteren Sumpf in verdrossenem Schweigen fort. Obwohl es eigentlich ein heller Tag sein sollte, war der Himmel düster und der Gegend hing eine niederdrückende Stimmung an. Dies lag vor allem an der Vegetation, vor allem an den sogenannten Gruselbäumen, welche eine sehr bizarre, gekrümmte Form mit vielen gezackten Ästen und Auswüchsen haben, die jeden phantasievollen Verstand geradezu dazu auffordern, sie für gefährliche Monster oder ausgestreckte Klauen zu halten. Diese spezielle Baumart wächst vorzugsweise inmitten von dunklen Wäldern und Sümpfen. Aufgrund ihrer die Atmosphäre steigernde Wirkung wird sie gerne von Tyrannen, wahnsinnigen Magiern und bösen Kreaturen an ihren Heimstätten importiert und verdrängt schnell sämtliche Restvegetation, die andere Farben außer grau, schwarz und braun aufweist. Alle anderen Pflanzen bleiben seltsamerweise unangetastet...
Die unheimliche Wirkung des Sumpfes ließ auch das Gemüt des Reisenden nicht ganz unangetastet. Er war sich zwar immer noch sicher, dass ihm als Weltenretter nichts passieren konnte, dennoch hoffte er, dass er den Drachen bald finden würde, um schnell aus diesem Sumpf heraus zu kommen und die Welt retten zu können.
Nagersacki bedeutete ihm plötzlich, stehen zu bleiben und sah sich aufmerksam um.
"Es sehr ruhig geworden ist. Kein gutes Zeichen sein."
Dies wurde darin bestätigt, dass aus den Schatten der Gruselbäume um ihnen herum auf einmal drei schreckliche Kreaturen auftauchten und sie umzingelten. Es handelte sich um hoch gewachsene, bucklige Humanoide mit entstellten Gesichtern. Sie hatten lange, rübenartige Nasen und zahnlose Höhlen als Münder. Das Kinn von jedem von ihnen war mehrere Zentimeter lang und sie waren überall von pulsierenden Warzen entstellt. Sogar einige der Warzen hatten Warzen und aus ihnen wuchsen lange, dünne Haare, die wahrscheinlich keine noch so scharfe Gartenschere hätte durchschneiden können.
Nagersacki zögerte nicht lange, zog sein langes Schwert, stieß einen hochfrequenten Kampfschrei aus und stürmte auf die nächst beste der drei Kreaturen zu. Diese wich ihm mühelos aus und stellte ihm ein Bein. Nagersacki hatte nicht genug Zeit, um zu reagieren, stolperte und legte sich der Länge nach hin. Leider hielt er dabei sein Schwert so ungünstig, dass er es sich selbst in den Bauch rammte. Am Boden liegend sah er noch einmal zu dem Reisenden hoch und sagte:
"Es ist vollbracht."
Dann hauchte er seinen Lebensatem aus.
Was für ein peinlicher Schlusssatz!, dachten sich alle Anwesenden.
Die drei Kreaturen schlossen nun ihren Kreis um den einsamen Reisenden, der heftig zu zittern begann und sich seinem Ende nun doch bereits nahe wähnte. Eine letzte Frage wollte er ihnen jedoch noch stellen:
"Werwerwer seid ihr?"
Sie kreischten laut auf, was anscheinend ihre Art war, zu lachen. Danach antworteten sie im Chor:
"Wir sind die drei schrecklichen Furien!"
"Ich bin Alexzstrzuszszuszia!", schrie die eine, und der Reisende begann noch heftiger zu zittern.
"Mein Name ist Chmlech’krach!clochchmchmrn!", kreischte die zweite Furie, und der Reisende begann qualvoll zu wimmern.
Dann stellte sich die dritte vor:
"Und ich heiße..."
Als die Furie ihren Namen genannt hatte, tönten die Schreie des Reisenden laut und gellend, aber ungehört durch den finsteren Sumpf.

Die Drachin zu verfolgen, war für Kalessan wahrlich kein Zuckerschlecken, da diese sich als äußerst flink entpuppte und den größeren Drachen in relativ kurzer Zeit abgehängt hatte.
Kalessan musste ab und an sogar auf die Hilfe von Menschen am Boden zurückgreifen:
"Ist hier ein roter Drache vorüber geflogen?"
Der Blick des von ihm angesprochenen Bauern machte ihm klar, dass es momentan nur einen einzigen Drachen in seinem Universum gab. Seine Selbsterhaltungstriebe brachten ihn jedoch zumindest so weit, den Arm unter wildem Zittern in die richtige Richtung auszustrecken.
Kalessan flog los und brachte ihn nicht um - sogar dazu war er zu wütend.
Nach etlichen Stunden des Folgens von Spuren in der Luft und Hinweisen vom Boden fand er die Höhle, die den Geruch jener fremden Drachin trug, am Rand einer kleinen Gebirgskette. Er zwängte sich durch den für ihn viel zu kleinen Durchgang und kam alsbald in den Hauptraum der Behausung der fremden Drachin. Diese erwartete ihn bereits entspannt auf dem Boden liegend und zufrieden grinsend. Über ihr baumelte ein überdimensionierter Vogelkäfig, in dem Ninnel hockte und Kalessan ebenfalls fröhlich grinsend zuwinkte.
"Hast ja ziemlich lange gebraucht, mein Bester - mit diesem Quälgeist hätte ich es wohl auch kaum länger ausgehalten...", gurrte die rote Drachin, stand auf und stupste den Käfig kurz an, worauf Ninnel wild hin und hergeschleudert wurde.
"Hör mal zu: Ich bin momentan ziemlich stinkig - was stressige Situationen betrifft, was andere Drachen betrifft und vor allem was diesen Jungen dort betrifft. Der Rat hat mich beauftragt, dich wegen deines Verstoßes gegen unser Gesetz zu töten, aber darauf habe ich jetzt ehrlich gesagt keine Lust. Aus diesem Verein bin ich draußen. Wenn du mir den Jungen also jetzt gibst und dich dann nie wieder blicken lässt, bin ich bereit, dich am Leben zu lassen."
Die gefährliche Ruhe von Kalessans Tonfall hätte selbst einige der älteren Mitglieder im Drachenrat verschreckt, doch diese viel kleinere Drachin lachte nur und legte den Kopf schief.
"Dir liegt wirklich viel an diesem kleinen Bengel, nicht wahr? Ich frage mich, was an ihm so besonders ist..."
"Das geht dich nichts an! Und jetzt rück ihn raus, das ist meine letzte Warnung!", grollte Kalessan und nahm einen noch bedrohlicheren Tonfall an, wenn das überhaupt möglich war.
"Tut mir leid, aber ich habe ihn nicht entführt, um ihn dir dann einfach wieder zurückzugeben..."
"Und was willst du dann?"
Die Augen der Drachin verengten sich zu kleinen Schlitzen, und sie zischte:
"Ich will kämpfen!"
Kalessan lachte auf:
"Pah! Wie alt bist du eigentlich?"
"Man fragt eine Lady nicht nach ihrem Alter, aber schön: 500 Jahre..."
"Noch völlig grün hinter den Ohren... Du denkst doch nicht wirklich, dass du auch nur den Hauch einer Chance gegen mich hast!? Was könnte wohl der Grund sein, dass du dein Leben so vorzeitig beenden willst?"
"Das wirst du noch früh genug sehen - na, was ist?", fauchte die Drachin und machte herausfordernde Gesten.
Kalessans Miene gefror.
"Du meinst es ernst, hm? ... Nun gut, wie willst du es austragen?"
"Luftkampf. Kein Feuer, keine Magie - nur Geschick und Stärke!"
"Dann bist du entweder verdammt gut für dein Alter oder vollkommen wahnsinnig.", schnaubte Kalessan.
"Vielleicht bin ich ja beides - wollen wir jetzt endlich anfangen?"
Eine aufgeregte Kinderstimme mischte sich ein:
"Oh toll, ihr werdet gegeneinander kämpfen! Darf ich zusehen? Bittebittebitte!"
"Halt die Klappe!", brüllten Kalessan und die Drachin gleichzeitig, worauf Ninnel Ruhe gab.
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Und schon geht's weiter zum 12. Kapitel...

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