Das 16-jährige Mädchen mit den langen, dunklen Haaren
und den dunklen Augen, das ganz alleine am Flughafen stand, sah ein wenig
verängstigt aus. Oh, nicht ganz allein - ein Hamster saß auf
ihrer Schulter. Das Mädchen, Melanie, wartete mit ihrem Hamster Otto
auf ihre Eltern, die einen Wagen für ihre Koffer holen wollten. Melanie
flog nämlich mit ihren Eltern nach Lanzarote. Ah, da kamen ihre Eltern
auch schon wieder.
Vater Hannes ärgerte spielerisch Mutter Babera. Melanie sah
ihren Eltern gelangweilt zu, ihr Blick wanderte nur zufällig auf die
Uhr, die im großen Saal hing. Viel mehr interessierte sie sich für
die Menschen, die sich am Eingang des Flugzeugeinstieges drängelten.
(An dem Einstieg, an den sie
auch einsteigen mussten.)
"Mum, Dad, ich glaube, unsere Maschine fliegt gleich ab!" sagte
Melanie etwas lauter.
Ihre Eltern, im Glauben, ihre Tochter wolle sie vergeigen, drehten
sich um und weiteten die Augen, als sie sahen, dass sie doch die Wahrheit
sagte, und liefen los, um noch mitzukommen.
Melanie beeilte sich hinterher zu kommen. Alle drei schafften es
noch vorher die Koffer abzugeben und einzusteigen. Die Stewardess schaute
sie gezwungen freundlich an - na ja, wieso auch nicht, wenn man so spät
kommt. Melanie und ihre Eltern setzten sich auf ihre Plätze und schnallten
sich an.
Nach langem Fliegen kamen sie endlich an. Melanie und Otto waren
die ersten, die bei der Übergabe des Gepäckes standen. Und da
kam auch schon ihr Koffer langsam angerattert. Melanie wollte gerade nach
ihm greifen als er vor ihr war, da schnappte sich der Mann neben ihr ihren
Koffer und beeilte sich weg zu kommen.
Im ersten Moment starrte sie dem Mann nur nach. Er war groß
gewachsenen und hatte dunkles Haar; den Rest erkannte Melanie nicht, denn
der Mann war mit einem schwarzen Mantel umhüllt.
Dann erwachte Melanie aus ihrer Erstarrung und lief dem Mann nach,
rief aber dabei: "He, Sie! Sie im schwarzen Mantel, Sie haben meinen Koffer,
bleiben sie stehen, geben sie ihn mir bitte wieder!"
Der Mann drehte sich nicht einmal um, er ging nur noch schneller.
Ein Polizist, der am Ausgang stand, hatte wohl Melanies Ruf gehört,
denn er lief nun dem Mann mit Melanies Koffer schon entgegen. Der Polizist
zog sein Funkgerät aus seiner Seitentasche und rief wahrscheinlich
nach Verstärkung.
Der Mann mit Melanies Koffer hielt abrupt an und sah sich verzweifelt
um, lief dann zum Eingang, musste dann aber feststellen, dass auch aus
dieser Richtung Polizisten kamen. Aus allen Richtungen kamen jetzt Polizisten.
Der Mann musste wohl aufgegeben haben, denn er blieb stehen - so glaubte
Melanie. Aber der Mann bückte sich nach Melanies Koffer und versuchte
ihn aufzubekommen. Er schaffte es aber nicht, denn ein Zahlenschloss war
ihm im Weg. Melanie wollte schon aufatmen, aber da brach der Mann das Schloss
einfach mit bloßen Fingern auf. Die Polizisten waren jetzt jeden
Moment bei ihm.
Der Mann wühlte in Melanies Koffer herum, schien aber nicht
das zu finden, was er suchte, denn er ließ von Melanies Koffer ab,
ging in die Hocke, bündelte alle Kraft in seinen Beinen und stieß
sich vom Boden ab und sprang ziemlich hoch und verschwand im Nichts.
Die Polizisten waren nun an der Stelle angekommen, an der der Mann
verschwunden war. Alle Polizisten schauten sich suchend um und schauten
verdutzt drein.
Melanie lief auf die Polizisten zu, um zu ihren Koffer zu kommen,
doch kurz vor ihnen traf ihr nächster Schritt nicht mehr den Boden
sondern mitten in Schwärze - alles um sie herum drehte sich und immer
schneller, dann wurde alles schlagartig schwarz um sie und sie spürte
nur noch, dass sie fiel, sie fiel ins Dunkele.
Sie schlug irgendwan auf, aber nicht in ihrer Welt.
Melanie öffnete die Augen und rappelt sich ein wenig auf, dann
sah sie sich um. Vor ihr stand der Mann vom Flughafen, der, der ihr den
Koffer geklaut hatte. Melanie war so erschrocken, dass sie gleich wieder
auf den Hintern fiel. Sie stand zum zweites mal auf, aber machte ein paar
Sicherheitsschritte rückwärts. Um sie herum war alles dunkel,
nur um sie und den komischen Kerl war es hell.
Er sah sie mit harten Augen an. Er ging auf sie zu.
Melanie starrte ihn nur noch ängstlicher an. "Wo bin ich, wer
sind Sie und was wollten sie aus meinem Koffer haben?" fragte Melanie mit
tonloser Stimme.
Der Mann blieb vor Melanie stehen und nun erkannte sie auch seine
Augenfarbe, sie war Dünkelgrün, von solchem Grün, wie man
es selten sah, dazu noch kurz geschorene, dunkelbraune Haare und er war
ziemlich groß.
Der Mann sprach mit einer sehr tiefen Stimme: "Das sind viele Fragen"
- der Mann holte etwas aus seiner Tasche, was Melanie nicht erkennen konnte
- "aber ich versuche sie dir zu erklären", sagte der Mann und kam
einen Schritt näher. "Du bist in deiner Fantasie, also sozusagen in
deinem Kopf, aber ich existiere wirklich, nicht nur in deiner Fantasie,
ich bin echt und bin nur zu dir gekommen... und... und ich bin Assalossos,
aber du kannst mich Assa nennen, wenn dir mein vollständiger Name
zu lang ist. Dann bleibt nur noch deine letzte Frage: Ich habe etwas gesucht,
was... was... was böse ist, denn ich soll dich beschützen, musst
du wissen", sagte Assalossos.
Aber er hatte eine Spur zu lange gezögert, um glaubwürdig
zu sein, dachte Melanie.
Assalossos hielt ein kleines Bildt hoch. "Diese Holzkugel ist hoch
gefährlich", sagte er, aber auch dieses mal schien es nicht glaubwürdig.
"Das alles..." fing Melanie an, sie konnte aber nicht weiter sprechen,
sie spürte irgendwie, dass ihr Körper wach wurde. Sie musst sich
also beeilen mit fragen, ihr blieb nicht mehr viel Zeit.
"Aber was?" fragte Assalossos ungeduldig.
"Schon gut", sagte Melanie.
Assalossos schien das nur recht zu sein. "Na ja, egal, auf jeden
Fall musst du eine Aufgabe erfüllen, die du hast", sagte Assalossos
etwas hastiger, aber schon glaubwürdig.
"Welche Aufgabe?", fragte Melanie, die deutlich müder wirkte
- wahrscheinlich in der richtigen Welt immer wacher.
Assalossos sagte: "Die Aufgabe von César Manriques Ben..."
Es brach ab, noch bevor Assalossos fertig gesprochen hatte, und
Melanie wachte mit einem Ruck auf in die wirkliche Welt. Sie lag in einem
Bett - in einem von ihrem Bungalow. Ihre Eltern und Otto saßen am
Bett und schauten sie besorgt an. Melanie setzte sich auf und nahm den
kleinen Hamster in die Arme.
"Was ist passiert?" fragte Melanie.
"Du warst Ohnmächtig. Der Arzt meint, wenn du ein paar Stunden
dich ausruhst, bist du wieder fitt, aber du kannst mir glauben, es war
schwer überhaupt erst einmal eine Arzt zu finden, der deutsch spricht,
oder einen, der übersetzen kann. Dann haben wir aber einen netten
Mann getroffen, der für uns übersetzt hat", rappelte ihre Mutter
herunter wie auswendig gelernt.
"Wie lange?", fragte Melanie erneut.
"...zwei Stunden..." antworte diesmal Vater Hannes.
"Wie geht es dir jetzt, Melanie? Wenn es dir einigermaßen
gut geht, können wir vielleicht in den Garten von dem berühmten
Künstler César Manrique. Aber nur, wenn du willst und es dir
gut geht!" sagte und frage Mutter Babera besorgt.
"Mir geht es gut, Mama. Ich möchte furchtbar gern dort hin",
sagte Melanie freudig.
Die Mutter sah sie besorgt an, der Vater wiederum irritiert. Männer!
"Na gut, ist ja schon gut, wir fahren morgen früh dort hin,
aber ruh du dich vorher bitte aus, ja?" Ihre Mutter stand auf, drückte
ihrer Tochter noch einen Kuss auf die Wange und verschwand im Badezimmer.
Ihr Vater wollte gerade aufstehen, da fragte Melanie ihn: "Wie spät
ist es eigentlich?"
Ihr Vater sah sie lächelnd an. "Na ja, nicht so spät...
zwei Uhr." Dann stand er auf und ging schnell aus dem Raum.
Melanie legte sich wieder hin und spürte, wie Otto sich an
sie kuschelte und laut atmete.
© Muiziana
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