Der blaue Drache von Draca Cherisal

Erschöpft betrat ich die Taverne. Meine Augen fielen mir vor Müdigkeit fast zu, als ich mich in eine dunkle Ecke verzog und etwas zu essen bestellte. Seit zwei Wochen war ich nun schon Tag und Nacht unterwegs, und ich hatte keine Ahnung warum. Irgend etwas zog mich Richtung Norden. Je länger ich an einem Ort weilte, desto stärker wurde das Drängen. Mit der Hoffnung, daß ich mein unbekanntes Ziel bald erreichen würde ging ich in meine Kammer.

Gegen Mittag des nächsten Tages kam ich in eine Stadt. Das  Drängen war mittlerweile fast unerträglich geworden; es trieb mich in Richtung eines prunkvollen Palastes. Mir fiel die Armut auf den Straßen auf.  Wer regierte hier eigentlich?!
Als ich in den Hof des Palastes einritt, winkten die Wachen mich sofort in den Innenhof durch. Als ob man mich erwartete. Mißtrauisch harrte ich der Dinge die da kommen sollten.

Der Hofmarschall kam und musterte mich. Was er sah? Nun... eine Abenteurerin: schwarze Stiefel, schwarze Hose, schwarzer Lederpanzer, feuerrote kurze Haare und ein nicht eben kleines Schwert auf dem Rücken, in dessen Knauf ein glühender grüner Edelstein saß. In den Armstulpen Wurfmesser, sowie Pfeile und Bogen am Sattel. Nicht gerade höfisch, aber ich war ja auch nicht freiwillig hier. Mit gerümpfter Nase führte der Hofmarschall mich zum König.

"Also gut, was soll das hier?" unterbrach ich die Begrüßung des Königs, "warum bin ich hier?" Mürrisch blickte er mich an. "Du sollst eine geübte Kämpferin sein. Im Berg oberhalb der Stadt haust ein Drache, der immer wieder die Stadt und ihre Bewohner angreift. Ich möchte, daß du ihn tötest und mir seinen Kopf bringst. Deswegen habe ich dich kommen lassen."
"Tja, die Mühe hättet ihr euch sparen können. Ich werde den Drachen nicht töten. Lebt wohl!" erwiderte ich und wandte mich zum Gehen.
"300 Goldmünzen für den Kopf. Das würde deine Probleme auf einen Schlag lösen, habe ich recht?"
Teufel auch, woher wußte er das? Vor ein paar Wochen war ich als Botin angeheuert worden, um 300 Goldmünzen zu überbringen. Ein wahres Vermögen also, das mir auch prompt von Gesetzlosen auf der Landstraße wieder abgenommen wurde. Da man mich einsperren wollte hatte ich mich aus dem Staub gemacht. Nun war natürlich eine Schar von Kopfgeldjägern hinter mir her. 300 Goldmünzen, und mein Leben wäre gerettet. "Ich werde es tun", stimmte ich zu. "Schön. Telyra, meine Vertraute, wird euch begleiten. Wir wollen ja nicht, daß ihr unterwegs verloren geht, oder?"

Telyra hatte mich zu der Höhle geführt, und nun schlichen wir auf das Licht am Ende eines Ganges zu. "Du darfst nicht mit ihm reden, sonst ist es aus mit dir!" zischte sie mir zu. Ich nickte und betrat die Kammer, denn ich wollte es so schnell wie möglich hinter mich bringen.
Besagter Drache war blau und nicht sehr groß. Ich griff an, doch kämpften wir beide eher halbherzig. Ich konnte mich nicht dazu durchringen, ihn zu töten, als ich etwas rasseln hörte... eine Kette? "Töte ihn!" brüllte Telyra hinter mir. Ich beachtete sie nicht. "Warte mal", rief ich dem Drachen zu und stoppte meine Attacken. Tatsächlich hielt auch er inne. Jetzt sah ich, daß an seinem Fuß eine schwere Eisenkette befestigt war. "Warum bist du angebunden?" "Weil ich den Stadtbewohnern gegen diesen Tyrannen von König geholfen habe", grollte er, "deswegen ließ er mich fangen und schickt mir nun immer wieder solche Drachentöter wie dich auf den Hals." "Ich werde dich nicht töten. Im Gegenteil, ich werde dich befreien!"

Vom Gang her hörte ich Telyra lachen. "Du Närrin! Dann stirbst du eben, wie alle anderen, die sich geweigert haben!" Singend begann sie einen magischen Bann zu weben. Auf keinen Fall durfte sie den vollenden! Ohne nachzudenken schleuderte ich ein Messer.
Als die Magierin mit einem Messer im Hals zusammenbrach, lösten sich die Fesseln des Drachen in Rauch auf. Befreit stampfte er auf. "Was wirst du nun tun?" fragte ich ihn. "Den König stürzen und die Stadt befreien, nichts besonderes also. Und du?" "Ich versuche weiter, 300 Goldmark zu verdienen, sonst kann ich meinen Kopf bald unter dem Arm tragen", seufzte ich. "Brauchst du nicht", grinste der Drache, "es war Telyra, der das Geld gehörte und die die Räuber anheuerte. Das mit den Kopfgeldjägern werde ich regeln, das kann ich gut. Du bist also frei zu gehen, wohin du willst. Nur eines würde ich gern wissen: Warum wolltest du mich schon zu Anfang nicht töten?"
Ich lächelte in mich hinein. "Das kann ich dir jetzt nicht sagen. Vielleicht ein anderes mal." Ich verließ die Höhle, nicht ohne im Vorbeigehen mein Wurfmesser mitzunehmen. Im Wegreiten sah ich den blauen Drachen in Richtung Stadt fliegen. Vielleicht würden wir uns irgendwann einmal wiedersehen. Vielleicht.
 

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